Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kastendiek, Sie haben eben zu Recht gesagt, dass zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung die Bundesrepublik unter die Top 5 in Sachen Waffenexporte aufgestiegen ist. Im Moment ist es leider noch ein bisschen angestiegen, zurzeit sind wir auf Platz 3, was Waffenexporte angeht, und ich weiß nicht, ob Sie jetzt hier eine Konkurrenz aufmachen wollen, wer jetzt hier mehr exportiert und weniger, ich finde irgendwie beides schlimm. Wir haben als LINKE auch die Waffenexporte unter Rot-Grün kritisiert. Das möchte ich hier einmal klarstellen.

Ich möchte dennoch etwas auf Herrn Kottisch von der SPD eingehen! Wir diskutieren hier gerade nicht über die Bundeswehr und ihre Ausrüstung, sondern über Rüstungsexporte. Wir diskutieren hier deswegen über Rüstungsexporte, weil wir der Meinung sind, dass der Bremer Senat auch im Bund ein klares Zeichen setzen muss, weil wir sehr viele Unternehmen haben, die in Bremen Rüstungsgüter produzieren und auch exportieren.

Wenn ich mich an die Debatte zu Rheinmetall erinnere, die Sie eben angesprochen haben, dann ist eher andersherum. In der Antwort auf die Große Anfrage, die wir damals eingereicht haben, konnte der Senat kein einziges ziviles Programm nennen. Natürlich ist es ziemlich verlogen, wenn Sie sagen, die Hightech-Ausrüstung hätte nichts mit den Waffenexporten zu tun, denn wir haben damals schon gesagt, die Elektronik, die Rheinmetall hier herstellt – ich erwähne es deswegen, weil wir den Antrag nicht explizit auf Lürssen bezogen haben, sondern weil wir diverse Unternehmen hier haben, seien es Rheinmetall, ATLAS, OHB oder Lürssen, die auch und zum Teil, wie Rheinmetall, ausschließlich Rüstungsgüter herstellt –, ist die Sensorik für die Panzer. Ich habe hier schon einmal gesagt: Ohne diese Elektronik, die Sensorik, die Rheinmetall herstellt, könnte sich ein Panzer des Typs Leopard 2 nicht einmal aus der Garage bewegen, er wäre praktisch nicht einsetzbar. Diese feine Unterscheidung hier zu machen ist doch lächerlich, das muss ich einmal ganz ehrlich sagen.

Es ist genauso lächerlich, hier noch einmal in die Debatte einzubringen, dass Küstenschutzboote für eine friedliche Entwicklung stünden. Ich habe eben ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

schon gesagt: Sie sind voll ausgerüstet und haben sogar Torpedovorrichtungen, und sie sind eingebettet in ein großes Projekt, nämlich diese Grenzschutzanlage im Norden des Landes, die übrigens auch wieder mithilfe von EADS – auch ein Unternehmen, das in Bremen angesiedelt ist – aufgestellt wird und für die die Bundeswehr und zivile EADS/Cassidian-Angestellte sogar das saudische Personal mit Überwachungstechnik ausrüsten.

Da es ein sehr großes Projekt ist, das noch auf viele Jahre in die Zukunft wirkt, ist es einer der Gründe, warum Saudi-Arabien in den letzten Jahren der größte Importeur deutscher Rüstungsgüter geworden ist, denn es hängt auch mit dieser Grenzschutzanlage beziehungsweise mit der Genehmigung zusammen, dass Deutschland so aktiv daran beteiligt ist.

Ich finde es zugegebenermaßen eher mühselig, dass wir diese Diskussion immer wieder führen müssen, dass Waffen, wenn sie irgendwohin geliefert werden, dann auch tatsächlich eingesetzt werden. Wir erleben es ja auch anhand der Frage von Saudi-Arabien, die Beispiele dafür habe ich eben aufgezählt. Wir können auch noch weitere Beispiele nennen: In Saudi-Arabien wird seit den Achtzigerjahren, erst in Lizenz und mittlerweile selbstständig, ein Sturmgewehr hergestellt, das mittlerweile auf der gesamten Arabischen Halbinsel und in Nordafrika in jedem Krisenherd zu finden ist, und zwar, wie gesagt, in der Regel in der Hand von islamistischen Kampfgruppen.

Wo wollen Sie denn die Unterscheidung machen? Wir können doch hier gern einmal ernsthaft diskutieren, Herr Kottisch! Was sollen sie Ihrer Meinung nach denn exportieren und was nicht? Wo ist die Grenze? Kriegswaffen, Munition, Waffen? Wir können uns darüber gern einmal ernsthaft auseinandersetzen. Wir sagen, diese Patrouillenboote sind Teil eines Konzepts, das von Deutschland aus sehr stark protegiert wird und dazu geführt hat, dass Saudi-Arabien immer mehr Waffen aus Deutschland importiert, und wir sagen auch, dass es genau nicht friedlichen Zwecken dient, weil der Nahe Osten ein Krisenherd und eine sehr instabile Region ist.

Wenn man hier wirklich bis ins Kleinste auseinanderdividieren möchte – wir hatten auch schon einmal in der Debatte über die Zivilklausel die Frage, ob der Suppenlöffel ein Teil von Rüstung ist –, dann können wir es gern machen. Ich bin aber dazu bereit, das Ganze ernsthaft zu diskutieren, wenn Sie einen Vorschlag machen, Herr Kottisch, denn das, was wir hier heute beantragen, ist letztendlich nichts anderes, als dass der Senat sich dafür einsetzt, dass auf Bundesebene Waffenexporte nach bestimmten Kriterien stattfinden – nicht mehr und nicht weniger –, dass die eigenen Richtlinien, die die rot-grüne Bundesregierung damals aufgestellt hat und die heute noch gelten, dann auch beachtet werden und dass das Ganze transparent und nicht in einem Geheimgremium und nicht durch den Bundessicherheitsrat läuft, sondern dass jeder nachvollziehen kann, welches denn

die Kriterien dahinter sind. Nach welchen Kriterien durfte nach Saudi-Arabien geliefert werden, oder nach welchen soll denn jetzt einmal nach Saudi-Arabien geliefert werden dürfen?

Wir wissen, das haben wir hier eben schon mehrfach gesagt, dass Menschenrechte dort nicht existieren oder mit Füßen getreten werden. Ich verstehe, ehrlich gesagt, auch nicht, Herr Kottisch: Gerade weil die Menschenrechte in Saudi-Arabien mit Füßen getreten werden, hätte ich von Ihnen als Abgeordnetem der SPD-Fraktion schon einmal klärende Worte dazu erwartet, dass auch Mitglieder Ihrer Fraktion in den letzten eineinhalb Wochen die Diktatur in Saudi-Arabien verharmlost und verniedlicht haben. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie hier sagen, das ist ein Fehler, so kann man damit nicht umgehen, denn nicht nur wir und Herr Trittin sagen das, sondern auch Frau Nahles und Herr Dr. Sieling haben klare Worte dafür gefunden und auch dafür, dass Lürssen keine Waffen nach Saudi-Arabien liefern soll.

Ich mache an dieser Stelle auch noch einmal darauf aufmerksam, dass alle Bremer Bundestagsabgeordneten – natürlich bis auf die Abgeordneten der CDU und der FDP – im Jahr 2001 in einer namentlichen Abstimmung für ein Exportverbot von Kriegswaffen an Saudi-Arabien gestimmt haben. Dies würde wiederum auch die sogenannten Patrouillenboote umfassen. Warum haben Ihre Abgeordneten im Bund den Mut zu sagen, das wollen wir nicht, und hier, wo Sie in der Verantwortung sind, bestimmte Dinge auch zu regeln, sind Sie leise, treten Sie leise und versuchen, alles zu relativieren?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erwarten heute vom Bremer Senat und auch von der Bürgerschaft eigentlich nichts Schlimmes, sondern das, was Sie im Bund auch erwarten, nämlich eine klare Aussage, dass von Bremen keine Aufrüstung, kein Tod und Verderben im Nahen Osten ausgehen kann. Das geht einfach nicht! Wenn Sie Ihre eigenen Maßstäbe wirklich ernst nehmen wollen, dann müssen Sie hier heute ein klares Bekenntnis abgeben, und damit dies auch deutlich wird, beantragen wir für unseren Antrag namentliche Abstimmung. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will einleitend sagen, dass dies ein Sachverhalt ist, bei dem man zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, es ist ein Abwägungsprozess. Ich habe das in ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

meinem ersten Beitrag schon gesagt. Ich finde, vor diesem Hintergrund sollte man dann auch ein bisschen vorsichtig sein, dass man dem einen oder anderen nicht die gute Absicht abspricht beziehungsweise nicht versucht, den Teufel an die Wand zu malen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man aber in einer solchen sicherlich komplizierten Fragestellung bei einem solchen Sachverhalt zu einem Ergebnis kommt, dann, finde ich, sollte man an der Stelle auch glaubwürdig bleiben und versuchen, in seiner eigenen Argumentation zumindest einen Ansatz von Konsequenz zu haben. Deshalb, Herr Dr. Güldner, kann ich die Frage, die Sie an uns gestellt haben, nur zurückgeben: Fragen Sie doch Herrn Fischer oder auch Herrn Trittin über ihre Zeit, als sie Mitglied der Bundesregierung waren!

Fragen Sie Herrn Fischer, warum er im Jahr 2003, als Bundeskanzler Schröder nach Saudi-Arabien gefahren ist – damals übrigens als erster Regierungschef seit 25 Jahren –, dem Besuch beigewohnt hat! Fragen Sie ihn, warum er kein Veto eingelegt hat, als auf der Grundlage dieses Besuchs die Rüstungsexporte in diese Region angestiegen sind! Auch das lässt sich an dieser Stelle ganz konsequent belegen. Ich darf hier einmal sagen, für welche Länder der Region Rot-Grün damals grünes Licht gegeben hat: Bahrain, Kuwait, Libyen, Oman, Saudi-Arabien, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Emirate! Wenn Sie schauen, was alles transportiert worden ist, dann finde ich, stellen Sie diese Frage bitte erst Ihrem Herrn Fischer und Ihrem Herrn Trittin, der ja auch Ihr Spitzenkandidat für die anstehende Bundestagswahl ist, und fragen Sie sie, wie sie diese Frage, die Sie uns stellen wollten, zu beantworten gedenken!

(Beifall bei der CDU)

Das ist der entscheidende Punkt, und daher hilft es nicht, Dinge aus diesem Antrag zu zitieren, die gar nicht darin stehen. Sie können mir die Positionen einmal zeigen, die Sie kritisiert haben, Sie werden sie letztendlich nicht wiederfinden.

Wir sagen, ja, es ist auch eine Abwägung der geostrategischen Interessen. Wir sagen auch, in SaudiArabien besteht keine Staatsform beziehungsweise keine innere Verfasstheit, die mit westeuropäischen Werten übereinstimmt! Ja, das ist so, das stimmt! Es ist eine Abwägung der geostrategischen Interessen, wenn Sie schauen – Sie werden es sich sicherlich aus den entsprechenden Ausschüssen des Deutschen Bundestags berichten lassen –, dass Saudi-Arabien dort schon ein stabilisierender Faktor ist, trotz all der Dinge, die dort im Land passieren, und wie Saudi-Arabien beim Kampf gegen El Kaida im Jemen geholfen hat.

Lassen Sie sich das einmal von denjenigen aus den entsprechenden Ausschüssen im Bundestag berich

ten! Ich finde, das gehört am Ende des Tages auch dazu,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Unterschiedliche Wahrnehmun- gen!)

um dann in der Abwägung zu einer Entscheidung zu kommen. Deswegen wäre ich Ihnen dann auch dankbar, wenn Sie hier Position beziehen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Haben Sie Ihre Leute gefragt?)

wie Sie konkret zu diesem Exportgeschäft stehen! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kottisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Vogt, ich glaube, ich habe in meinem ersten Beitrag versucht, deutlich zu machen, dass Waffenexporte in der Tat nicht beschäftigungspolitisch begründet werden dürfen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

auch wenn man sich – da sind wir zu 100 Prozent an der Seite unseres grünen Koalitionspartners – dann über die Beschäftigungseffekte freuen kann. Das ist eine andere Ebene, das kann man dann tun, aber die Begründung darf eben nicht beschäftigungspolitisch erfolgen.

Noch einmal: Sie erwecken hier immer den Eindruck, wir seien hier in der Verantwortung. Wir können hier gern Meinungen äußern, aber in der Verantwortung sind wir hier nicht, solange es ein Organ gibt, das die Verantwortung trägt. An diesem Organ können wir gern arbeiten – darauf komme ich später auch noch zurück –, und ich bin dann auch bei Ihnen, wenn es darum geht, wie man da in Zukunft gegebenenfalls Optimierungen herbeiführt.

In Ihren Reden kommen Sie aber auch immer vom Speziellen ins Allgemeine, und wenn wir über SaudiArabien sprechen, dann reden Sie im nächsten Schritt wieder über die Rüstungsindustrie allgemein. Über das Was und das Wohin muss man in der Tat diskutieren, aber noch einmal: Solange wir einen gesellschaftlichen Konsens in Bezug auf die verfassungsrechtlich legitimierte Bundeswehr hier in diesem Rechtsstaat haben, können wir in Bremen auch ein deutliches Bekenntnis für unsere Rüstungsbetriebe ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

abgeben, und das möchte ich hier auch tun, denn ich stehe hier heute auch als wirtschaftspolitischer Sprecher. Es wäre ansonsten eine Doppelmoral, wenn wir auf der einen Seite sagen, sie sollen gesellschaftlich abgesichert dafür sorgen, dass es Sicherheit gibt, und sie hier auf der anderen Seite beschimpfen, dass sie es tun. Das möchte ich nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Außer Lürssen möchte ich hier auch kein anderes Unternehmen nennen, aber erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang doch den Hinweis, dass wir hier einer der europäischen Luft- und Raumfahrtstandorte sind. Darauf sind wir in anderen Zusammenhängen auch immer wieder stolz, und wir weisen immer wieder darauf hin, dass wir hier sehr gute Unternehmen aus dem Bereich Raumfahrt und eine sehr gute Belegschaft mit hochqualifizierten, sehr guten Mitarbeitern haben. Natürlich müssen wir das Thema Dual-Use besprechen und schauen, dass wir das Thema Konversion weiter nach vorn treiben, das ist überhaupt keine Frage!

Kurz noch einmal zum Antrag der CDU! Bei dem Unternehmen Lürssen handelt es sich um ein Traditionsunternehmen in vierter Generation. Es ist mittlerweile bekannt, dass 1 400 Mitarbeiter in diesem Unternehmen arbeiten, nicht alle in Bremen, sondern verteilt auf die Standorte. Dieses Unternehmen erfreut sich einer guten Entwicklung und hat mit der Übernahme der Peene-Werft in Wolgast kürzlich den siebten Standort in den Konzern integriert. Ich bin froh, dass das Kapitel Schiffbau dank Lürssen in Bremen nicht beendet ist und sich dieser Wirtschaftszweig wie auch die Automobilindustrie und Luft- und Raumfahrt in neue Technologietransferbereiche wie beispielsweise der Materialforschung einbringen kann.

Mein Kollege Reinken versicherte mir gestern noch einmal, dass mit Lürssen ein tariftreues und zu seinen Mitarbeitern faires Unternehmen am Standort vertreten sei. Anders als wahrscheinlich bei einer ehemaligen Reederei, wie heute wieder in der Presse zu lesen ist, handelt es sich bei dem Unternehmen Lürssen um ein Unternehmen, das sich zu 100 Prozent gesetzestreu verhält. Lürssen trägt überdies auch durch seine spektakulären Yachtaufträge, also seinen zivilen Bereich, zum internationalen Ansehen Bremens bei. Über das private Engagement der Familie Lürssen brauche ich hier nicht zu berichten. Ich würde mich für das Unternehmen, die Mitarbeiter und wahrscheinlich auch für ganz Norddeutschland freuen, wenn es zu großen Aufträgen käme.

Herr Kastendiek, ich weiß nicht, ob Sie mit Ihrem Antrag dem Ansinnen des Unternehmens Lürssen gegebenenfalls einen Bärendienst erwiesen haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie zerren die Familie, das Unternehmen und auch die Belegschaft abermals in die dort nicht gewollte Öffentlichkeit. Sie fordern den Senat auf, eine einzelne Firma bei der Produktion und der Lieferung ihrer Produkte zu unterstützen.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Das ist doch nicht wahr!)

Abgesehen davon, dass es dieser Unterstützung meines Erachtens gar nicht bedarf und Sie billigend in Kauf nehmen, dass gegebenenfalls sogar der Konkurrenz interessante Informationen zuteilwerden, können wir dieses Ansinnen, eine einzelne Firma zu unterstützen, so nicht mittragen.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Wir re- den doch gerade von der einzelnen Firma!)