gen, wir haben es gerade schon gehört, schlug der katholische Mönch und Theologieprofessor Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg; so sagt es die Überlieferung. Historisch ist das Anschlagen nicht sicher belegt, was aber be legt ist – und das ist das Entscheidende –, ist, dass Luther mittels der Veröffentlichung seiner Kritik am katholischen Ablasshandel einen Prozess eingelei tet hat, der für Deutschland, weite Teile Europas und weltweit theologisch und ganz besonders auch kulturhistorisch von überragender Bedeutung ist.
ist die Geschichte rund um den Tumult, den Lu thers Thesen an der Kirchentür ausgelöst haben sollen, interessant, aber richtig spannend wird es, wenn wir uns mit diesem Prozess beschäftigen, der bereits deutlich vor dem Jahr 1517 begonnen, mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges eine wich tige Zwischenetappe genommen hat und bis heute andauert. Kulturell ist für unseren Kulturkreis ganz sicher Luthers sozialpolitisches Reformprogramm von herausragender Bedeutung, in dem er sich für ein staatliches Bildungswesen, die Armenfürsorge sowie die Abschaffung von Zölibat und Kirchen staat einsetzte.
Überzeugung, dass nur die Schrift, also die Bibel, Grundlage des christlichen Glaubens sein könne und nicht die kirchlichen Traditionen, setzte voraus, dass alle Gemeindemitglieder die Bibel auch lesen kön nen und somit, so ist es zumindest überliefert, dass Luther selbst gesagt hat, die Auslegung der Geist lichen mit dem eigentlichen Bibeltext vergleichen zu können. Das war natürlich nur möglich, wenn alle Menschen lesen lernten und die Bibel auch auf Deutsch verfügbar war. Luther trug so wesentlich zur Alphabetisierung der Bevölkerung bei.
tischer Entwicklung und der Aufklärung gesehen werden, Luther und seine Anhänger – unter ihnen waren im Übrigen auch viele Anhängerinnen – er munterten die Menschen zum Selbststudium, zur Äußerung ihrer Meinung und zur Beschäftigung mit den Fragen der Gewissensbildung und der inneren Freiheit, also Aspekte, die für uns heute noch eine große Bedeutung haben. Im Zuge dieser Entwick lung begannen die protestantischen Kirchen, Frau en zu ordinieren, das war damals, wie im Übrigen
auch die Eheschließung Luthers mit der Nonne und theologischen Denkerin Katharina von Bora, zu nächst undenkbar.
rungen Luthers wurden hier dankenswerter Weise ja auch schon erwähnt und problematisiert, und auch sonst sollten wir nicht vergessen, dass der Prozess der Reformation natürlich nicht problemlos ablief. Es gab, wie wir alle wissen, erbitterte blutige Kriege zwi schen Katholiken und Protestanten, sogar innerhalb der Strömungen, die heute die evangelischen Kirchen bilden, gab es massive Auseinandersetzungen. Wir wissen, dass es immer noch Regionen dieser Welt gibt, in denen feindliche Auseinandersetzungen auch innerhalb der christlichen Kirchen und deren Anhän gern und Anhängerinnen bis heute anhalten. Noch vor 50 Jahren war es in vielen ländlichen Regionen Deutschlands nicht nur annähernd ausgeschlossen, dass katholische und evangelische Menschen hei raten, auch eine Verbindung zwischen Lutheranern und Reformierten war beinahe undenkbar.
schen gar nicht mehr, ob sie Lutheraner sind oder der reformierten evangelischen Kirche angehören, und das ist doch gut so. Heute kommen wir immer mehr dahin, die Gemeinschaft der Vielfalt in den Vorder grund zu stellen. Aus dem Prozess der Reformation zu lernen, muss nach Auffassung von uns Grünen heißen, dass es notwendig und entscheidend ist, sich in einer Gesellschaft auf gemeinsame, moralische Grundwerte zu einigen, die aber durchaus aus un terschiedlichen Perspektiven und Überzeugungen hergeleitet werden können, aus verschiedenen reli giösen und auch nicht religiösen Weltsichten, um so zu einer Weltsicht zu kommen, die zugleich egalitär und durch Vielfalt gekennzeichnet ist.
Gemeinsamkeit der Grundwerte und der Vielfalt ver schiedener Glaubensvorstellungen am 31. Oktober 2017 bundesweit den 500. Reformationstag feiern, dann können wir uns auf dieses Fest gemeinsam freuen. – Vielen Dank!
und Herren! Wenn man 500 Jahre zurückblickt, ist, glaube ich, nichts reinweiß und nichts reinschwarz. Meine beiden Vorrednerinnen haben schon auf die schillernde Persönlichkeit und das kontroverse Wirken
Luthers hingewiesen, deshalb spare ich mir die wei teren Ausführungen, die den späten Antisemitismus, die ausgesprochen problematische Positionierung in den Bauernkriegen und die klare Parteinahme für die Fürstenseite betreffen. All das ist, glaube ich, auch nicht wichtig, wenn wir diskutieren, ob heute der 31. Oktober 2017 ein Feiertag werden soll.
Gegensätze es eigentlich geben kann. Frau Motsch mann hat eben einen katholischen Denker zitiert, ich habe mir noch einmal die Mühe gemacht zu recher chieren, was der Ökumene-Bischof der deutschen Bischofskonferenz als Katholik dazu sagt. Er sagt, man könne das 500-jährige Jubliäum der Reformation 2017 nicht fröhlich mitfeiern, weil es immer noch die Spaltung der Universalkirche dokumentiere. Auch das lasse ich einmal dahingestellt, wie man diesen Reformationstag theologisch wertet.
auch als Nichtchrist überhaupt keine Bedenken ha be, den 31. Oktober 2017 zum Feiertag zu erklären. Es ist nicht nur religionsgeschichtlich ein wichtiges Datum, sondern es ist vor allem kulturgeschichtlich und in der Geschichte unseres geografischen Krei ses ein ganz entscheidendes Datum. Wenn man sich den Augsburger Religionsfrieden mit dem Grundsatz „Wessen Land, dessen Glauben“ ansieht, muss man dazu wissen, damals nach langen Auseinanderset zungen hat in Augsburg der Reichstag getagt, und da ist als Befriedungsformel festgelegt worden: Das, was der jeweilige Fürst glaubt, das müssen auch seine Untertanen glauben, sonst müssen sie leider das Land verlassen. Das hat bis heute dazu geführt, dass wir eine föderale Struktur haben, so etwas wie eine Staatenidentität im Föderalismus. Das hat dazu geführt, dass es Landstriche gibt, die vorwiegend protestantisch sind, die auch heute Staaten ähneln, dass es Landstriche gibt, die vorwiegend katholisch sind. Letztlich spiegelt sich in der Reformation auch ein Teil des Aufbaus der heutigen Bundesrepublik wider, also schon ein durchaus wichtiges Datum.
hingewiesen worden: Was wären wir eigentlich ohne die deutsche Übersetzung der Bibel in unse rer Schriftsprache geworden? Ich bin kein Linguist, aber ich mache mir einmal das zueigen, was Thomas Mann dazu gesagt hat. Thomas Mann hat gesagt, Luther habe durch seine gewaltige Bibelübersetzung die deutsche Sprache erst recht geschaffen. Luthers Deutsch sei kein blutleeres, papierenes Konstrukt, es sei schöpferisch und volksnah. Er habe „dem Volk aufs Maul geschaut“ und die deutsche Sprache erst recht geprägt. Ich glaube, davor kann man sich – bei aller Distanz, die man sonst zu Luther haben mag – nur verneigen und sagen, jawohl, kulturhistorisch ist das ein ganz bedeutendes Datum.
der auch für Nichtchristen wichtig ist! Durch die Übersetzung der Bibel von Luther ist es zum ersten Mal möglich gewesen, sich von der Obrigkeit und deren Deutung von Sachverhalten zu emanzipieren. Die Menschen konnten zum ersten Mal nachlesen, was denn eigentlich in Gottes Geboten steht. Will ich die befolgen? Werden sie eigentlich richtig aus gelegt? Ist eigentlich das, was „der Pfaffe“ vor Ort sagt, auch die Interpretation, die ich selbst habe? Ich glaube, man kann an dieser Stelle durchaus sagen, dass Luther den Beginn der religiösen Emanzipation gesetzt hat, damit auch für so etwas wie Gewissens freiheit, und damit ist er zumindest einen Vorläufer dessen, das wir heute als Bürgerfreiheit begreifen. Auch das ist ein kulturhistorisches Element, bei dem man einfach sagen kann, da kann man nach 500 Jahren der Angelegenheit gedenken.
man, glaube ich, in dieser Stadtgesellschaft sagen, jawohl, das ist ein kulturhistorisch wichtiger Tag für dieses Gemeinwesen. An einem solchen Tag, an dem man ausklammert, welche Religionsbedeutung er hat und ihn einfach reduziert oder vielleicht auch erweitert, je nachdem, wie man es mag, auf den kul turhistorischen, auf den historischen Hintergrund des Wirkens von Luther, kann man bei aller Diversität, bei aller Kontroverse, glaube ich, nach 500 Jahren und vielleicht auch für 500 Jahre, die dann kommen mögen, Frau Dr. Kappert-Gonther, einfach einmal sagen, der 31. Oktober 2017 ist ein Tag, an dem wir uns über diese kulturellen, historischen Errungen schaften Gedanken machen. Außerdem ist es ja vielleicht auch nicht schlecht, einfach einmal einen Feiertag zu haben, den ein jeder so nutzen möge, wie er das mag. – Ich danke Ihnen!
liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Tschö pe, Sie haben ja versucht, eben so eine allgemeine Brücke zu schlagen.
religionspolitischen zuständigen Sprecher Herrn Erlanson, und ich versuche, das in seinem Sinne zu machen. Es wird Sie nicht verwundern, dass für die LINKE die Einführung von anderen Feiertagen mehr Priorität hätte. Wir haben hier ja auch schon Initia
tiven ergriffen, den 8. März, also den Frauentag, zu einem Feiertag zu machen oder auch den 8. Mai, den Tag der Befreiung vom Faschismus.
christlichen Feiertagen gibt, das nicht mehr der ge sellschaftlichen Realität entspricht. Ich möchte an diesem Punkt erwähnen, dass andere Religionen, die unseren Staat auch prägen, bislang, was die Ansetzung von religiösen Feiertagen angeht, immer hintenan gestanden haben. Damit meine ich zum Be spiel den jüdischen oder den muslimischen Glauben.
sprungs, 40 Prozent der Bevölkerung gehören aber nicht mehr christlichen Konfessionen an. Forderun gen nach einer grundlegenden Reform des deutschen Feiertagsgesetzes, wie etwa Hans-Christian Ströbeles Vorschlag zur Einrichtung eines muslimischen Feier tags, stoßen leider kaum auf Interesse. Die Laizisten in Deutschland fordern sogar die Abschaffung aller religiösen Feiertage, um so die weltanschauliche Neutralität des Staates zu sichern. Ich muss sagen, so weit würden wir nicht gehen, denn Feiertage haben grundsätzlich eine das Jahr strukturierende Funk tion, und die historische und religiöse Bedeutung für viele Menschen wollen wir keineswegs infrage stellen. Feiertage bedeuten auch eine nicht zu unter schätzende Atempause, darauf spielte mein Kollege Tschöpe ja auch schon an, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Datums wie die 500. Wiederkehr des Reformationsta ges wird von uns überhaupt nicht bestritten. Im Jahr 2017 wird diesem Tag mit Sicherheit mit einer Fülle von Veröffentlichungen, Veranstaltungen et cetera gedacht werden. Ich gehe davon aus und hoffe, dass er auch mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Person Luthers im historischen Zusammenhang verbunden sein wird wie der schon erwähnte Anti semitismus Luthers oder sein Obrigkeitsdenken und die Orientierung auf die Herrschenden.
und Religion wird in Deutschland immer wieder einmal die als ungerecht empfundene Verteilung von bundesuneinheitlichen Feiertagen kritisiert. In Bayern gibt es mindestens drei religiöse gesetzliche Feiertage mehr als in Norddeutschland, in Augsburg sind es sogar fünf. Obwohl diese zusätzlichen Feier tage von einem nennenswerten Teil der Bevölkerung nicht mehr in ihrem ursprünglichen Sinne begangen werden, sondern schlicht als zusätzliche freie Tage angesehen werden, stehen sie den Bürgern in ande ren Bundesländern einfach zur Verfügung.