Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Bremen wird lange brauchen, bis wir mit vorhandenen und noch zu entwickelnden Maßnahmen die hier jetzt schon lebenden Roma erreicht haben. Oberste Priorität muss dabei auch das Kindeswohl haben, das nach unseren Maßstäben gewährleistet sein muss –

(Glocke)

ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident! –, und auch die Ausbeutung von Frauen und kriminelle Entwicklungen dürfen und können wir nicht tolerieren.

(Beifall bei der CDU)

Einige Ihrer Forderungen halten wir für solche Prozesse für hilfreich, doch andere werden unserer Meinung nach dazu führen, dass sich die Armutswanderungen am Ende noch verstärken. Darum lehnen wir Ihren Antrag ab. Den Antrag der Fraktion DIE LINKE lehnen wir aus den gleichen Gründen ebenfalls ab. Manche ihrer Forderungen halten wir für ziemlich unrealistisch.

Wir brauchen gute Lösungen für die Menschen, die jetzt schon bei und mit uns leben, doch Deutschland kann nicht widerspruchslos alle EU-Bürger aufnehmen, die hier auf größte Integrationsleistungen unsererseits angewiesen sind.

(Abg. Frau A y t a s [SPD]: Es muss doch auf Bundesebene etwas getan werden!)

Das kann auch Bremen nicht schaffen, und darum sollten wir uns der Realität stellen und nicht nur die Arme weit öffnen. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich ursprünglich nach der Rede von Herrn Tuncel gemeldet, um noch einige Gedanken aus gesundheitspolitischer Sicht beizusteuern, aber zunächst möchte ich im Namen vom Bündnis 90/Die Grünen, und ich vermute, auch im Namen der gesamten Koalition, kommentieren, was Sie gerade gesagt haben, Frau Grönert!

Diesen Generalverdacht, den Sie gerade geäußert haben,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Was für einen Generalverdacht?)

weisen wir ausdrücklich zurück!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir sprechen uns – ich hoffe, ich darf im Namen der gesamten Koalition sprechen! – noch einmal ganz eindeutig für die Freizügigkeitsregelung und für die Solidarität innerhalb Europas aus.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nun zu den gesundheitspolitischen Gedanken! Dass die Gesundheitsversorgung der hier diskutierten Personengruppe ein absolut relevantes Thema ist, wie Sie ja auch ausgeführt haben, lieber Herr Tuncel, darüber sind wir uns vollkommen einig. Es muss sich noch einiges verbessern, da muss noch einiges sehr viel klarer geregelt werden. Ansätze dessen, was Sie in Ihrem Änderungsantrag formulieren, halte ich und halten wir auch für richtig. Ich werde das erläutern, und ich werde auch erläutern, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden. Das möchte ich von Angesicht zu Angesicht tun, damit es auch deutlich wird.

Wenn ich unseren gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen lese, dann erkenne ich einen ausgeprägten Fokus auf das Thema Gesundheit, weil diese Fokussierung so wichtig ist. Wir betonen in unserem Antrag explizit die Notwendigkeit der Verbesserung der Gesundheitsversorgung für die

Einwanderinnen und Einwanderer, von denen wir heute sprechen.

Ich möchte noch einen zweiten Aspekt betonen, der auch in unserem Antrag deutlich wird: Für uns ist Gesundheit nichts, was man nur kurativ angeht –

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

ich weiß, dass Sie das genauso sehen –, sondern sie ist ganz eng mit Lebensbedingungen verknüpft. Die gesundheitliche Situation jedes und jeder Einzelnen wird durch die Gesamtheit der Lebensbedingungen beeinflusst, durch die Umstände, wie ein Mensch wohnt, ob er oder sie Zugang zu Arbeit hat, wie diese Arbeit ist, ob sie fair, gerecht und menschenwürdig ist, wie Kinder lernen, ob sie in Kitas und Schulen gehen und dort angemessen lernen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das gilt für alle Menschen, aber natürlich auch für die Einwanderinnen und Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien.

Um alle diese relevanten Themen in ihrer Gesamtheit geht es uns in unserem Antrag. Wir fordern in unserem Antrag die Einrichtung eines Kreises von Expertinnen und Experten, wie wir bereits gehört haben, unter Beteiligung fast aller Ressorts, um – und das ist das Entscheidende – für die Bereiche Gesundheit, Wohnen, Arbeit und Schule in Interaktion und in Abstimmung miteinander Strategien zu entwickeln.

Wir brauchen Verbesserungen auf ganz verschiedenen Ebenen: Auf bremischer Ebene brauchen wir klare und verbindliche Regelungen auch im Bereich der Gesundheitsvorsorge. Um diese schaffen zu können, benötigen wir auf Bundesebene dringend gesetzliche Regelungen, die es den Bundesländern ermöglichen, transparente, klare und verbindliche Lösungen im Bereich der Gesundheitsversorgung zu etablieren. Das ist im Moment ausgesprochen schwierig, deshalb passiert jetzt auch einiges, was notwendig ist, im grauen Bereich. Das muss natürlich auch ganz offiziell, klar und transparent geschehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir brauchen – und das hat mir in Ihrem Vortrag sehr gut gefallen – eine gute Strategie, wie es dezentral in den einzelnen Stadtteilen zugehen kann, und dafür müssen wir, wie Sie betont haben, auf die Erfahrungen, das Wissen und die Fähigkeiten der bereits bestehenden Strukturen in den Stadtteilen zurückgreifen. Ich denke dabei natürlich an den Gesundheitstreffpunkt West in Gröpelingen und das Frauengesundheitszentrum in Tenever. Beide Einrichtungen

leisten unverzichtbare Arbeit in ihren Stadtteilen und wissen sehr genau, wo es gerade auch in dieser Frage hakt und klemmt. Wenn wir überlegen, wie man Strategien weiterentwickeln kann, finde ich, dann müssen wir diese Einrichtungen gezielt unterstützen und mit in die Konzeptfindung einbeziehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie haben angemerkt, dass Ärztinnen und Ärzte gut informiert werden müssen, auch dem kann ich vollkommen zustimmen. Ich finde den Infobrief der Inneren Mission gut. Auch der Berufsverband der Kinderärzte hat sich ausgesprochen positiv hervorgetan, und die Information der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen ist, wie ich es im Moment überblicke, weit besser, als sie noch vor Kurzem war. Das sind Schritte in die richtige Richtung.

Noch einmal zusammengefasst: Der Antrag der Koalition enthält einen klaren Fokus auf das Thema Gesundheit, aber wir möchten nicht schon jetzt durch einen Entscheid für einen Maßnahmenkatalog darüber entscheiden, was richtig ist, was man vielleicht zusätzlich noch bedenken muss oder ob man vielleicht etwas anders bedenken oder machen muss als vorgestellt. Wir möchten keine Einengung, sondern eine Weitung.

Ich kann mir vorstellen, dass später in der Arbeit und in den Empfehlungen des Kreises der Expertinnen und Experten durchaus einige Teile auftauchen, die Sie bereits in Ihrem Antrag formuliert haben, insbesondere was die Problematik in den Schulen und die entsprechende Sprachförderung angeht. Lassen Sie uns also den ersten Schritt vor dem zweiten machen! Ich bitte um Ihre Unterstützung für unseren Antrag! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde die Position der CDU ausgesprochen überraschend. Die Aussage, Bremen könne nicht alle europäischen Menschen aufnehmen, ist so wahr wie nur irgendetwas. Wenn man sich vorstellt, Europa käme mit allen Menschen nach Bremen, ehrlich gesagt, das wird eng!

(Heiterkeit)

Deswegen, glaube ich, muss man es einmal so darstellen, wie es real passiert. Wir haben eine überschaubare Zuwanderung. Wir haben aber Probleme bei ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

denen, die zuwandern, aber wir machen ihnen auch Probleme, und das ist das Fatale an der Situation.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie uns doch erst einmal die Probleme, die wir ihnen machen, beiseiteräumen! Ein Großteil der Probleme, die diese Menschen haben, ist natürlich klar in einer kriegs- oder bürgerkriegsähnlichen Situation begründet, sie sind traumatisiert und wer weiß, was sonst noch. Natürlich gibt es das. Wenn Sie dann aber sinngemäß sagen, unsere Aufnahmekapazität wäre ausgeschöpft, dann schauen Sie sich einmal die Dimension der Flüchtlingsströme von Syrien nach Jordanien an! Tun Sie doch nicht so, als ob Bremen sozusagen kurz vor dem Untergang stünde, wenn wir vernünftig mit diesen Einwanderern umgingen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Mich ärgert an der Situation, dass Sie auf der einen Seite sagen, Sie heißen sie herzlich willkommen, aber auf der anderen Seite gleichzeitig Hürden aufbauen, sodass diese Herzlichkeit im wirklichen Leben kaum wiederzufinden ist. Lassen Sie uns darüber wirklich noch einmal erneut nachdenken! Vielleicht kommt auch die CDU noch dorthin, dieses Thema ein bisschen angstfreier zu diskutieren, denn man muss es, glaube ich, sehr angstfrei, sehr unideologisch und sehr pragmatisch diskutieren. Deswegen ist der Vorschlag, ressortübergreifend eine Arbeitsgruppe einzurichten, aus meiner Sicht genau das richtige Mittel. Einem Änderungsantrag, liebe Abgeordneten der LINKEN, der unseren Antrag verbessert, würde ich ja noch zustimmen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass er in dieser Situation konkret eine Verbesserung darstellt. Ihre einzelnen Vorschläge werden wir, glaube ich, im Rahmen der Arbeitsgruppe des Senats wiederfinden und wiederfinden müssen, aber ich möchte nicht schon jetzt eine Einengung oder eine Festlegung. Ich setze darauf, dass die Arbeitsgruppe des Senats auf Staatsräteebene zügig arbeitet und wir zügig Ergebnisse bekommen, die wir dann hier weiter diskutieren können. In diesem Sinne werden wir unserem Antrag natürlich zustimmen, aber Ihrem Änderungsantrag nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich sehr über den Antrag der Koalition gefreut, weil er die Politik des Senats sehr ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

stark unterstützt. Die Arbeitsgruppe, deren Einrichtung in dem Antrag als zentrale Forderung aufgestellt wird, hat am 15. April 2013 zum ersten Mal getagt,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

das heißt, wir haben den Wunsch der Koalition praktisch schon im Vorfeld erkannt und sind in einer Runde zusammengekommen, die fast einer Staatsräterunde glich, weil fast alle Ressorts vertreten waren. Alle Ressorts haben auch Arbeitsaufgaben übernommen. Wir haben ebenso die thematischen Schwerpunkte, die Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, aufgegriffen und jeweils mit Ressortzuständigkeit Arbeitsgruppen gebildet, um relativ schnell zu Maßnahmen zu kommen, um die Situation für die Eingewanderten und für die Bulgaren und Rumänen, die hier in Bremen leben, zu verbessern.

Wir haben – ich glaube, man kommt nicht daran vorbei – gleich zu Beginn eine Frage eindeutig entschieden, nämlich ob man vor Zuwanderung abschrecken oder die Zugewanderten integrieren will.