Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

che und die soziale Lage der Prostituierten zu verbessern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Betonung liegt auf dem ersten Schritt.

Es war wichtig und gut, dass das Gesetz im Jahr 2007 evaluiert wurde. Die Evaluation hat deutlich gezeigt, dass das Prostitutionsgesetz es nicht geschafft hat, die Profiteurinnen und Profiteure ausbeuterischer Prostitution zu kontrollieren und ausbeuterische Prostitution zu verhindern. Das Gesetz allein reicht nicht aus, selbstbestimmte und ausbeuterische Prostitution voneinander abzugrenzen. Das kann man so nicht akzeptieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Es gibt einen großen Graubereich, in dem eine Vermischung stattfindet. Es handelt sich um Menschenhandel und um Zwangsprostitution. Diese Menschenrechtsverletzungen dürfen wir nicht länger hinnehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir müssen endlich zu weiteren Schritten und zu Regelungen kommen, um die Zielsetzung des Gesetzes zu erreichen und Licht in diesen Graubereich zu bringen. Ich hoffe, diesen Weg gehen Sie mit uns.

Wie gesagt, im Jahr 2007 hat die Evaluation gezeigt, dass es Defizite gibt, es hat immer wieder Vorstöße gegeben, Regelungen zu schaffen. Die Frauenministerkonferenz hat Vorschläge gemacht, die Innenministerkonferenz hat sich dafür ausgesprochen, und auch wir haben hier im Haus mehrmals darüber debattiert, Sie erinnern sich vielleicht. Nur auf der Bundesebene ist nichts passiert. Wir haben hier im Haus aber nicht nur debattiert, wir haben hier im Land Bremen auch viele Schritte unternommen, um ausbeuterische Prostitution und Menschenhandel durch organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Wir haben Arbeitsgruppen und runde Tische eingerichtet. Wir wissen darüber, auch durch die Berichte.

Es hat sich immer wieder gezeigt, dass wir Regelungen brauchen, gerade weil wir dieses Thema so eng begleitet haben. Wie schwierig und auch unzureichend die bestehenden Möglichkeiten sind, wurde uns immer wieder dargestellt. Bordellbetreiberinnen und Vermieterinnen von sogenannten Model- und Koberwohnungen können wir so nicht kontrollieren, aber auch das Geschäft, das darauf ausgerichtet ist, durch Ausbeutung der dort arbeitenden Frauen maximale Gewinnmöglichkeiten zu erzielen, muss in dieser Form unterbunden werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dies wollten wir hier in Bremen nicht länger hinnehmen.

Weil vom Bund nichts zu erwarten war, haben wir hier im letzten Jahr zusammen mit der CDU einen Antrag beschlossen, um rechtliche Grundlagen zur wirksamen Kontrolle von ausbeuterischen Bordellbetrieben zu schaffen. Wichtig ist – das möchte ich hier noch einmal betonen –, dass es uns nicht darum ging, Frauen und auch Männer, die der Prostitution in Bremen und Bremerhaven selbstbestimmt nachgehen, zu kriminalisieren. Ich sage das noch einmal extra, weil das ein Vorwurf war. Wir haben in den letzten Monaten viele Gespräche geführt, eine Anhörung zu dem Thema durchgeführt, und auch wirksame Wege gefunden die wir in ein Landesgesetz einfließen lassen wollen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei ist deutlich geworden, die Gewerbeordnung ist weder einschlägig noch geeignet, Akteure und Profiteure ausbeuterischer Prostitution in hinreichendem Maß zu kontrollieren

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

und damit natürlich ihre Geschäfte unmöglich zu machen.

Nun legt die Bundesregierung plötzlich einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten vor. Man wundert sich über den abrupten Sinneswandel. Der Sinneswandel ist deshalb, es geht um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011, die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer, doch was uns jetzt vorgelegt wurde, bringt uns keinen Schritt weiter.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Bundesregierung will, dass die Prostitutionsstätten in die Gewerbeordnung aufgenommen werden. Das ist völlig untauglich, das ist nicht nur die Meinung der Koalition. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat im März 2008 eine große Fachtagung dazu durchgeführt. Teilnehmerinnen waren Gewerbebehörden, Polizei, Staatsanwaltschaft, Wissenschaft und Fachberatungsstellen von Opfern von Menschenhandelsopfern, Thema waren die Regulierungen zur Prostitution und zu Prostitutionsstätten. Ein Ergebnis war die Entscheidung – das habe ich hier schon gesagt –, die Prostitutionsstätten unter eine Erlaubnispflicht zu stellen

und Kriterien für die Prostitutionsstätten und ihre Betreiber aufzustellen. Diesen Weg wollen auch wir gehen, diese Kriterien haben wir in unserem Antrag aufgeführt: die Erlaubnispflicht, die die Zuverlässigkeit des Betreibers noch einmal auf Papier bringt, Versagungsgründe, Auflagen an die Ausstattung, an die Gesundheit, Notrufsysteme, Hygiene und so weiter. Wir fordern den Senat auf, dem Gesetzentwurf auf Bundesebene nicht zuzustimmen. Grund ist nicht nur, dass er in der Gewerbeordnung aufgenommen werden soll, sondern auch, dass im Gesetzentwurf steht – und das finde ich ziemlich beschämend! –, dass die Vorschläge der Akteurinnen und Akteure, die sich zum Opferschutz geäußert und sich damit befasst haben, wegen Zeitmangels nicht aufgenommen wurden. Dies bedürfe einer Prüfung und Erörterung, weil dieses Gesetz noch in dieser Wahlperiode beschlossen werden soll. Das muss man sich einmal vorstellen: 2011! Es ist wirklich beschämend, dass die Bundesregierung so etwas auch noch in die Begründung des Gesetzentwurfs hineinschreibt,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

besonders vor dem Hintergrund, dass wir alle wissen, wie wichtig das Bleiberecht für die Aussagebereitschaft der Frauen ist – meistens sind es ja Frauen –, wenn wir Opfer von Menschenhandel schützen und die Beteiligten auch einer Verurteilung zuführen wollen, und wie wichtig auch die Institutionen sind, die sich um die Frauen kümmern. Damit wir endlich auch den zweiten Schritt machen können, bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 besteht aus ganzen drei Paragrafen, durchaus bedeutungsschwer, aber leider undifferenziert. Mit den Folgen haben wir uns hier in den letzten zehn bis elf Jahren entsprechend auseinandersetzen müssen. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass in einem solchen Bereich wie der Prostitution, der eng mit Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel und Zwangsprostitution verwoben sein kann, eine Differenzierung bitter nötig getan hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hat man leider nicht mit reflektiert. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Ich muss nun feststellen, dass das finanzielle Interesse des Staates in überhaupt keinem Verhältnis zu dem rechtlichen und praktischen Schutz der Prostituierten steht. Das ist ein Missverhältnis, mit dem man sich anhand der Steuereinnahmen, die der Staat über dieses Gewerbe einnimmt, einmal befassen muss. Dies gilt nun auch für diesen schwarz-gelben Gesetzentwurf, der mehr oder weniger Hals über Kopf unter einem unglaublichen Druck erstellt worden ist, weil man festgestellt hat, dass wir ja in dieser Legislaturperiode noch darauf reagieren müssen. Deswegen haben wir uns jetzt relativ kurzfristig mit diesem ziemlich unzureichenden Gesetzentwurf zu befassen. In diesem Gesetzentwurf steht fast nichts, außer der Aufnahme des Betriebs von Prostitutionsstätten in die Gewerbeordnung und der Ermöglichung von Auflagen. Die Auflagen werden ja nicht weiter differenziert, sie werden praktisch nur erwähnt, und Auflagen, die auf einer Ebene mit dem Schutz des Kunden und der Nachbarschaftsgrundstücke stehen, finde ich natürlich nicht besonders aussagekräftig. Der Gesetzentwurf fügt außerdem den Tatbestand des Menschenhandels in das Strafgesetzbuch ein. Die Problematik der Zwangsprostitution wird in keiner Weise aufgegriffen. Insofern stimmen wir der Einschätzung der Koalition vollkommen zu, dass dieses Bundesgesetz so auf keinen Fall beschlossen werden darf. Tatsache ist, dass es seit April 2011 diese EU-Richtlinie gibt und diese großen Wert auf alle Passagen zum Opferschutz legt. DIE LINKE hatte im Jahr 2010 bereits einen Antrag eingebracht, der endlich den Opfern von Zwangsprostitution und Menschenhandel insofern gerecht geworden wäre, als sie einen Aufenthaltstitel bekommen hätten, um sie vor der Abschiebung zu schützen. SPD und Grüne teilen im Prinzip diese Auffassung. In diesen Fragen bewegt sich die Bundesregierung überhaupt nicht. Es ist nun aber so, dass der zweite Punkt des Antrags der Koalition diesen Aspekt letztendlich auch nicht besonders reflektiert hat, sondern ihn mehr oder weniger komplett ignoriert. Auf diesen Aspekt des Opferschutzes, finde ich, müssen wir aber wieder zurückkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sollen wir denn gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution auch nur einen Schritt weiterkommen, wenn wir an der Stelle keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen? Die Aussagebereitschaft der Frauen hängt doch ganz explizit von diesem Schutz ab. Ich möchte noch einmal auf Artikel 11 und 12 der EU-Richtlinie eingehen. Wenn man sich die Vorschriften zur Betreuung und Beratung einmal genauer ansieht und auch die gesamten anderen Rahmenbedingungen, und die Tatsache, dass man abgeschoben werden kann, kurz nachdem man ausgesagt hat, dann passiert da nichts, gar nichts. Das finde ich aufgrund der Zeit, die inzwischen vergangen ist, und auch der

Diskussionen – ich verweise auch nur einmal auf diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe – wirklich beschämend!

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Wir müssen grundsätzlich zum Fundament unserer Überlegungen machen, wie wir die Frauen schützen und nicht die Bordellbetreiber und wie wir auch an der Stelle ein Stück weiterkommen, um es so zu differenzieren, dass dies nicht miteinander verwechselt wird. Ich finde es richtig, dass im Prostitutionsgewerbe auch Kontrollen vorgenommen werden, aber wir müssen doch nicht so grobe Methoden anwenden, wenn es darum geht, ein Gewerbe zu überprüfen. Warum ist es nicht möglich, die normalen Kontrollen an das Gesundheitsamt oder auch an die Gewerbeaufsicht zu übertragen?

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie haben sich gerade dagegen aus- gesprochen!)

Trotzdem ist es in dem Zusammenhang immer wieder leider so, dass wir die Prostituierten in den Blick nehmen und die Sanktionen darüber ausgestalten. Wir denken eigentlich nie über die Kunden nach. Ich möchte jetzt gar nicht dem schwedischen Modell das Wort reden, dort gibt es eine entsprechende Sanktionierung hauptsächlich für die Männer. Das ist genau das, was dort passiert, und das sollte man sich hier auch einmal überlegen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Die höchste Rate der Zwangsprostitution in Europa!)

Ja, inzwischen kann man feststellen, dass die Schweden nach Deutschland kommen! Das ist ein Effekt, der in dem Zusammenhang zu beobachten ist.

Es geht nicht darum zu sagen, das schwedische Modell eins zu eins zu übernehmen, aber die Überlegung ist richtig. Wir brauchen eine Perspektive, die das mit einbezieht, und da wird sehr wenig nachgedacht, um das einmal in irgendeiner Weise ins Auge zu fassen.

Ich möchte kurz zu diesem Antrag zurückkommen!

(Glocke)

Es ist letztendlich so – das möchte ich zum Schluss hier auch noch ausführen –, dass wir selbstverständlich dem ersten Punkt zustimmen werden, aber wir werden den zweiten Punkt ablehnen, weil die Gewichtung in die falsche Richtung geht. Es gibt durchaus viele richtige Vorschläge auf diesen zwei Seiten, die relativ ausführlich sind, es ist aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich möchte, dass wir, wenn wir an die Bundesregierung weiterhin mit Druck heran

treten, den Opferschutz und das Aufenthaltsrecht in den Blick nehmen. Sie müssen im Gesetz mit verankert sein, sonst, finde ich, fehlt hier sehr viel. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Bernhard, man kann ja das eine tun, ohne das andere zu lassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, Sie laufen in Bezug auf Opferschutz offene Türen ein.

Ich will gar nicht verhehlen, dass ich hier in dieser Debatte eigentlich gern mit einer anderen Initiative auf Sie zugekommen wäre. In der rot-grünen Koalition wird seit Langem eine Gesetzesinitiative für ein Prostitutionsstättengesetz bearbeitet. Wir alle wissen doch, dass das lange überfällig ist.

Seit dem Jahr 2002 ist die Prostitution in Deutschland grundsätzlich legalisiert. Der Rechtsstatus der Frauen und Männern, die im Prostitutionsgewerbe arbeiten, hat sich verbessert, die Bedingungen, unter denen das geschieht, haben sich allerdings deutlich verschlechtert. Das versteht sich von selbst: Es gibt nämlich keine rechtlichen Vorgaben für den Betrieb von Prostitutionsstätten, und somit gibt es auch keine Rechtsgrundlage, gegen die ausbeuterische Prostitution vorzugehen, ohne dass dahinter eine Straftat vermutet wird. Das heißt, Deutschland hat sich zum Eldorado für Menschenhändler und ausbeuterische Prostitution entwickelt.

Die Bedingungen, das habe ich gerade gesagt, haben sich deutlich verschlechtert. Es liegt daran, dass die meisten Prostituierten aus dem Ausland kommen, insbesondere aus Bulgarien, Rumänien und in Bremerhaven aus Ungarn. Wir alle wissen doch, dass die wirtschaftliche Not sie hierher gebracht hat oder die falschen Versprechungen derjenigen, die sich davon richtig viel Geld versprechen. Es gibt einen dramatischen Preisverfall in diesem Gewerbe bis hin zu menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Diese Frauen, manchmal auch Männer, sind gezwungen, 20 Stunden dieser Tätigkeit nachzugehen, und das unter menschenverachtenden Bedingungen. Es gibt nicht einmal Mobilfunktelefone oder Notrufsysteme, mit denen im Falle einer Gefahr reagiert werden könnte. Selbst die Hygieneanforderungen – nicht die Arbeitsschutzanforderungen – werden in keiner Weise erfüllt. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.