Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Die Bedingungen, das habe ich gerade gesagt, haben sich deutlich verschlechtert. Es liegt daran, dass die meisten Prostituierten aus dem Ausland kommen, insbesondere aus Bulgarien, Rumänien und in Bremerhaven aus Ungarn. Wir alle wissen doch, dass die wirtschaftliche Not sie hierher gebracht hat oder die falschen Versprechungen derjenigen, die sich davon richtig viel Geld versprechen. Es gibt einen dramatischen Preisverfall in diesem Gewerbe bis hin zu menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Diese Frauen, manchmal auch Männer, sind gezwungen, 20 Stunden dieser Tätigkeit nachzugehen, und das unter menschenverachtenden Bedingungen. Es gibt nicht einmal Mobilfunktelefone oder Notrufsysteme, mit denen im Falle einer Gefahr reagiert werden könnte. Selbst die Hygieneanforderungen – nicht die Arbeitsschutzanforderungen – werden in keiner Weise erfüllt. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Wir fordern deshalb seit Langem ein Prostitutionsstättengesetz, das endlich die Möglichkeit schafft, denjenigen Einhalt zu bieten, die mit der Verletzung der Rechte von Prostituierten Profite machen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

allerdings nicht in der Weise, wie es von der CDU hier mehrmals gefordert wurde, nämlich durch die Änderung des Polizeigesetzes, das das Gewerbe oder den Prostitutionsbetrieb grundsätzlich unter Generalverdacht stellt. Das war nie unser Ansinnen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Quatsch! Das macht das Polizeigesetz auch nicht!)

Wir sind der Meinung, dass ein sogenannter Erlaubnisvorbehalt längst überfällig ist, der nur dann erteilt wird, wenn der Betreiber oder die Betreiberin einer Prostitutionsstätte tatsächlich die erforderliche Zuverlässigkeit für den Betrieb einer solchen Stätte besitzt. Dazu gehört zum Beispiel auch ein erweitertes Führungszeugnis. Hier ist es egal, ob es sich um ein Bordell oder um eine einzelne Wohnung handelt. Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung erfüllt diesen Anspruch nun überhaupt nicht. Darin werden zwar Bordelle in die Gewerbeordnung aufgenommen, die Wohnungsprostitution bleibt davon allerdings ausdrücklich ausgenommen. Wir wissen aber auch, dass insbesondere in Bremen das Rotlichtmilieu gerade von den Modelwohnungen geprägt ist. Es ist außerdem hinlänglich bekannt, dass der Großteil der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution genau in diesen Wohnungen landet und eben nicht in Bordellen. Der Gesetzentwurf ist unter diesen Gesichtspunkten aus unserer Sicht deshalb eine Katastrophe, weil er nicht nur die dringend erforderliche Kontrolle der ausbeuterischen Wohnungsprostitution regelt, sondern weil auch eine Erlaubnispflicht für die Betreiber und Betreiberinnen fehlt. Es bleibt völlig offen, unter welchen Voraussetzungen zum Beispiel solch ein Betreiber als unzuverlässig gilt. Wir bitten Sie deshalb hier um Zustimmung zu unserem Antrag, mit dem der Senat aufgefordert wird, erstens, dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, und zweitens, sich dafür einzusetzen, dass die Regeln, die zum Beispiel im Gastgewerbe gelten, auch für den Betrieb von Prostitutionsstätten Anwendung finden, und das sowohl bezogen auf Bordelle als auch auf Modelwohnungen. Wir erwarten, dass konkrete Versagungsgründe formuliert werden, aber auch eine namentliche Anmeldung der Prostituierten vorgeschrieben wird, und das selbstverständlich und ausdrücklich bei einem umfassenden und wirksamen Datenschutz.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Aus unserer Sicht kann nur auf diese Weise der ausbeuterischen Prostitution, der Zwangsprostitution und dem Menschenhandel tatsächlich entgegengewirkt werden. Die selbstbestimmte Prostitution als Teil unseres Wirtschaftslebens sollte allerdings anerkannt werden. Nur auf diese Weise kann der Diskriminierung von Prostituierten entgegengewirkt werden. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Menschenhandel und Zwangsprostitution werden nicht zu Unrecht als eine moderne Form der Sklaverei bezeichnet. Menschenhändler nutzen Notlagen von Frauen und auch Kindern aus, um sie sexuell als Zwangsarbeiter auszubeuten. Das Problem ist wiederum weiblich, denn 80 Prozent der Opfer sind weiblich.

In den Jahren 2008 bis 2010 stieg die Zahl der Opfer von Menschenhandel in der Europäischen Union um 50 Prozent auf sage und schreibe 9 528 Betroffene. Das sind lediglich die Hellfelddaten, das Dunkelfeld wird auf rund 880 000 Opfer geschätzt; weltweit sollen es sogar 2,45 Millionen Opfer sein. Wir haben gestern gehört, auch in Bremen ist die Zahl der Opfer von Menschenhandel gestiegen, und die Anzahl der Verfahren ist von 14 im Jahr 2010 auf 25 im Jahr 2012 angestiegen, dabei ist gleichzeitig, jedenfalls europaweit, die Zahl der Verurteilungen zurückgegangen. Auch darauf müssen wir besonderen Bedacht nehmen.

Ich denke, wir alle sind uns einig, dass der Staat gegen jede Form der sexuellen Ausbeutung, des Menschenhandels und der Zwangsprostitution mit Entschiedenheit vorgehen muss.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Meinungen gehen einzig darüber auseinander, welcher Weg denn nun der richtige ist. Eines dürfte jedenfalls feststehen: Das unter rot-grüner Regierung damals im Jahr 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz hat die Ziele nicht erreicht. Ziele waren eine deutliche Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation und mehr Transparenz und Kontrolle von Betrieben. Genau das ist eben nicht passiert.

(Abg. S e n k a l [SPD]: Der jetzige Entwurf aber auch nicht!)

Im „Spiegel“ war jüngst ein Artikel „Bordell Deutschland – Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert“ zu lesen. Allein das sollte schon Anlass zum

Nachdenken sein. Das Prostitutionsgesetz hat damit eher zu einer Ausweitung statt zu einer Eindämmung des Menschenhandels geführt.

Wenn man sich die Zahlen aus Bremen anschaut – DIE LINKE hatte im Jahr 2011 eine Kleine Anfrage dazu gestellt –, dann geht daraus hervor, dass nur ein Betrieb im Jahr 2010 als Bordell gewerberechtlich in Bremen gemeldet war. Eine Gewerbekennzahl für Prostituierte wurde in 37 Fällen von bremischen Finanzämtern vergeben, und das bei 600 Prostituierten in Bremen. Weitere steuerliche Daten waren nicht vorhanden.

Das Gesetz hat zudem – und das ist das eigentliche Problem – dazu geführt, dass der Polizei die rechtlichen Möglichkeiten zur Kontrolle dieses Gewerbes genommen wurden. Ihr wurden mit dem Gesetz entscheidende Möglichkeiten genommen, die Modelwohnungen zu betreten.

Die CDU/CSU und die FDP haben im Bund nun einen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten vorgelegt. Wir sehen dieses Gesetz als einen ersten Schritt –

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Den ersten Schritt hatten wir schon ge- macht, wir machen den zweiten!)

also als einen zweiten Schritt! – zur Verbesserung des Schutzes von Opfern von Menschenhandel an.

Es wurde bereits erwähnt, dass eine EU-Richtlinie umgesetzt werden muss. Dieser Gesetzentwurf, darauf sind Sie relativ wenig eingegangen, sieht eine entscheidende Verbesserung im Strafgesetzbuch vor, nämlich eine Erweiterung der Strafvorschriften in den Paragrafen 232 und 233 Strafgesetzbuch, in denen es gerade um den Menschenhandel geht. Danach sollen – das betrifft jetzt nicht die Opfer sexueller Gewalt, aber das ist, finde ich, genauso schlimm – die Ausnutzung strafbarer Handlungen und die Ausnutzung der Bettelei ebenfalls unter Strafe gestellt werden.

Außerdem, und das ist eine entscheidende Verbesserung, sollen die Qualifikationen der Paragrafen 232 und 233 Strafgesetzbuch erweitert werden. Das heißt, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren soll künftig Menschenhandel zum Nachteil von Personen unter 18 Jahren bedroht werden. Bislang war die Rechtslage so, dass die Altersgrenze bei 14 Jahren gesetzt wurde. Das bedeutet, dass diese Straftaten künftig als Verbrechen qualifiziert werden. Wenn eine Straftat ein Verbrechen ist, bedeutet es, dass man die Verfahren nicht einfach mehr wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen einstellen kann. Ich denke, das ist eine entscheidende Verbesserung zugunsten minderjähriger Opfer.

Die Prostitutionsstätten werden in den Katalog des überwachungsbedürftigen Gewerbes in Paragraf 38

Gewerbeordnung aufgenommen, dadurch ist die Kontrolle solcher Bordelle möglich.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Fachleute sagen etwas anderes! Ich ha- be mir angeschaut, was die Fachleute sa- gen!)

Ja, schauen Sie doch selbst in die Gesetzesbegründung und in die Gewerbeordnung hinein!

Unverzüglich nach Anzeige des Betriebs erfolgt eine Zuverlässigkeitsprüfung, das ist genau das, was Sie auch wollen: Es ist ein Führungszeugnis vorzulegen. Man kann durchaus noch diskutieren, ob es ein erweitertes Führungszeugnis sein soll, das Gesetz ist ja noch nicht beschlossen. Den zuständigen Behörden wird ermöglicht, eine umfassende gewerberechtliche Kontrolle durchzuführen, Auskunfts- und Nachschaurechte sind möglich. Es besteht die Möglichkeit und die Befugnis, Geschäftsräume des Betroffenen zum Zwecke der Überwachung zu betreten und dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen.

Die Aufnahme in die Gewerbeordnung entspricht auch den Empfehlungen aus der Evaluation des Prostitutionsgesetzes. Wir haben also Verbesserungen zum Schutz der Opfer von Menschenhandel, damit kann man es allerdings nicht bewenden lassen. Diese Verbesserungen beziehungsweise diese gesetzlichen Änderungen waren aufgrund der Eilbedürftigkeit der Umsetzung der EU-Richtlinie erforderlich.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Von 2011!)

Deutschland wurde bereits gemahnt!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Warum wohl? Guten Morgen!)

Es ist zumindest etwas passiert!

In diesem Gesetzentwurf steht, wenn Sie ihn richtig gelesen haben, dass man es damit gerade nicht bewenden lassen will, sondern dass es weitergehen soll und eine weitere Diskussion erforderlich ist. Das, was Sie hier mit dem Antrag vorlegen, ist meines Erachtens ein Schnellschuss, es greift nur einen bestimmten Bereich heraus.

Schauen Sie sich den Antrag von damals an, den wir gemeinsam beschlossen haben. Darin steht, dass gerade für Opfer von Menschenhandel ein umfassender Schutz erfolgen soll. Wenn Sie jetzt nur einen Bereich herausgreifen, ist es nur ein Bereich, aber wir müssen doch wesentlich weiter denken, wenn es um den Schutz der Opfer von Menschenhandel geht.

Die CDU hat dazu – darauf wurde hingewiesen – in der Vergangenheit einen Antrag vorgelegt, in dem es darum ging, die Kontrolle von Prostitutionsstätten, Betrieben oder Wohnungen, in denen der Prostituti

on nachgegangen wird, im Polizeigesetz zu verbessern, das heißt, der Polizei wird ermöglicht, in diese Wohnungen hineinzugehen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Wird es nicht!)

Im Polizeigesetz geht es gerade nicht um einen Generalverdacht, das ist ein Irrglaube, sondern es geht nur um eine Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten. Das ist das, was Sie leider abgelehnt haben, damit hätte man genau diese Wohnungen besser kontrollieren können!

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Eben nicht!)

Wir haben des Weiteren den Antrag gestellt, einen Opferschutzbeauftragten – ich weiß, Sie mögen das Wort nicht hören, dazu kann ich noch weitere Ausführungen machen – einzuführen, und auch das haben Sie abgelehnt.

(Abg. S e n k a l [SPD]: Nicht nur wir woll- ten es nicht, sondern auch die Verbände wollten es nicht! So ein Schwachsinn!)

Das ist sehr bedauerlich, denn damit hätten wir eine wirksame Kontrolle und eine Besserstellung der Opfer von Menschenhandel erreichen können.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung unter dem Motto entstand: Da war doch noch etwas, das müssen wir noch schnell machen!

Mich stört an dem vorliegenden Antrag von RotGrün ein bisschen, dass er nur diesen einen Aspekt aufnimmt und im Prinzip ein bisschen ähnlich verfährt. Der Antrag wurde hier gestern eingereicht, und ich finde, dass die Zeit sehr knapp war, um ihn sich noch einmal anzusehen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass bestimmte Aspekte darin fehlen und auch nicht jeder Punkt wirklich reflektiert wurde.

Frau Böschen hat vorhin darauf hingewiesen, dass sie sich hier eigentlich einen anderen Antrag gewünscht hätte. Ich weiß auch, dass wir da schon länger in der Diskussion stehen und das auch auf Landesebene überlegen. Ob es dann umsetzbar sein wird, sei dahingestellt. Trotzdem kann man in den Antrag jetzt nicht noch schnell das hineinschreiben, was wir auf der Bundesebene kritisieren. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.