Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Frau Böschen hat vorhin darauf hingewiesen, dass sie sich hier eigentlich einen anderen Antrag gewünscht hätte. Ich weiß auch, dass wir da schon länger in der Diskussion stehen und das auch auf Landesebene überlegen. Ob es dann umsetzbar sein wird, sei dahingestellt. Trotzdem kann man in den Antrag jetzt nicht noch schnell das hineinschreiben, was wir auf der Bundesebene kritisieren. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Deswegen möchte ich hier noch einmal explizit formulieren: Ich hätte gern eine getrennte Abstimmung und beantrage sie hiermit zu den Punkten 1, 2 und 3. – Danke! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Kolleginnen Frau Böschen und Frau Hoch haben schon darauf hingewiesen, dass wir Ihnen heute sicher gern eine etwas andere Form als die eines Antrags vorgelegt hätten. Gleichwohl ist es so, aber er ist ja nicht aus dem luftleeren Raum heraus entstanden.

Ich finde es schon ein bisschen bedauerlich und würde hier gern noch einmal deutlich machen, dass sich die Fraktionen der SPD und der Grünen nicht nur einmal, sondern mehrfach in Expertenanhörungen begeben haben, um gemeinsam mit den Betroffenen herauszufinden – nämlich einerseits mit selbstständigen Prostituierten, aber andererseits auch mit den Vertretungen, die sich um Zwangsprostituierte und Opfer von Menschenhandel gekümmert haben, und es hat auch mit den Behörden einen gemeinsamen Austausch gegeben –, welches die beste und sinnvollste Regelung wäre. Man muss sehr deutlich sagen, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung hinter all diesen Schilderungen sehr weit zurückbleibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Frau Bernhard, ich kann ja verstehen, dass Ihnen der Punkt Aufenthaltserteilung fehlt. Wir haben ja auch schon die Frage, wie man mit Zwangsprostituierten und mit Opfern von Menschenhandel umgeht, hier gemeinsam in dieser Legislaturperiode besprochen. Wir sind uns in der Analyse natürlich einig, dass Menschen nur dann dazu gebracht werden können auszusagen, wenn ihnen eine Perspektive ermöglicht und nicht gesagt wird, als Dankeschön dafür, dass du ausgesagt hast, schicken wir dich in die Region zurück, woher die Täter kommen. Es ist doch vollkommen sinnlos, das an dieser Stelle überhaupt in Abrede zu stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Da dies auch schon Beschlusslage der Bremischen Bürgerschaft war und auch weiterhin ist und wir uns, glaube ich, darüber auch politisch einig sind, haben wir es an dieser Stelle nicht noch einmal aufgenommen.

Einer der Schwachpunkte des Gesetzentwurfs der Bunderegierung – das muss man auch einmal so deut

lich sagen – ist die Fokussierung auf das Strafrecht, auf das Ordnungsrecht. Es hat überhaupt keine Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen, es hat überhaupt keine Auswirkungen auf die Opfer.

Frau Piontkowski, Sie haben es richtig gesagt, es ist einfach so, die Regierung musste etwas vorlegen, und es ist zumindest etwas passiert, und in Wirklichkeit ist es nicht mehr, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Perfide an diesem Gesetzentwurf ist, dass Sie sich hier hinstellen und ihn verteidigen. Ich nehme ja durchaus wahr, dass Sie für die Rechte der Opfer streiten und sich auch immer in besonderem Maße diesem Bereich widmen. Das geht aber nicht nur über einen Opferbeauftragten, sondern das heißt auch, Perspektiven für diejenigen Menschen zu entwickeln, die aus diesem Teufelskreis heraus möchten, und da sind wir, glaube ich, um Längen weiter, als es die CDU je sein wird. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte noch eins anführen: Es geht darum, dass ich Ihnen doch vorhin gesagt habe, auf der einen Seite sei die Zahl der Opfer von Menschenhandel gestiegen, auf der anderen Seite aber die Zahl der Verurteilungen gesunken. Ich finde, gerade dort müssen wir ansetzen. Ich meine damit, dass der Gesetzentwurf, in dem es um Prostitutionsstätten geht und darum, wie die Prostitutionsstätten im Einzelnen ausgestaltet sein müssen, einfach zu kurz greift.

Wir müssen schauen, warum die Opfer von Menschenhandel keine Aussage mehr machen und warum sie den Kontakt zur Polizei und zur Justiz überhaupt nicht finden. Dies liegt daran, dass gewisse Hemmschwellen vorhanden sind, die auch darauf beruhen, dass sie in anderen Ländern kein Vertrauen in die Justiz haben. Also müssen wir bei diesen Opfern doch Vertrauen in die Polizei und in die Justiz schaffen. Das schaffen Sie nicht durch die Initiative, die Sie haben wollen, sondern das können Sie zum Beispiel durch einen Opferschutzbeauftragten schaffen. (Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Ihre Analyse ist richtig! – Abg. Ts c h ö p e [SPD]: Ziehen Sie einmal Schlüsse daraus!)

Ja, ich habe es unzählige Male gesagt, und Sie haben es unzählige Male abgelehnt, das ist das Problem!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das haben wir doch schon tausend- mal gesagt!)

Es geht doch darum, dass Sie diese Opfer an die Hand nehmen müssen, eine psychosoziale Prozessbegleitung organisieren müssen und den Opfern Hilfen, die vorhanden sind und zu denen sie überhaupt keinen Zugang haben, nahebringen müssen, denn es nützt nichts: Sie können kein Strafverfahren und kein Ermittlungsverfahren durchführen, wenn die Opfer nicht aussagen, denn die Opfer sind häufig die Einzigen, die als Zeugen und als Beweismittel für solche Verfahren überhaupt in Betracht kommen. Ich finde, an dieser Stelle müssen wir ansetzen.

Etwas anderes, worauf auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung hingewiesen hat, ist das Strafrecht selbst. Ich habe bereits dargestellt, dass im Strafgesetzbuch einige Verbesserungen erfolgen werden, die Frage ist, ob noch weitere Verbesserungen erforderlich sind. Vonseiten der Polizei und der Justiz ist dazu in der Vergangenheit gerade der Umstand angeführt worden, dass die jetzige Ausgestaltung der Paragrafen in Bezug auf den Menschenhandel unzureichend ist, denn danach muss es so sein, dass die Täter das Opfer unter Ausnutzung einer Zwangslage zur sexuellen Handlung bringen müssen. Gerade diese Tatbestandsvoraussetzungen sind in der Praxis schwer nachzuweisen, weil das alles immer subjektive Momente sind, das heißt, gerade diese Umstände müssen speziell ausgenutzt werden, und das ist genau das Problem bei dieser Angelegenheit.

(Glocke)

Frau Piontkowski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fecker?

Bitte, Herr Fecker!

Frau Kollegin, in der Tat können wir in der Sache streiten, ob es ein Opferschutzbeauftragter oder irgendjemand anders ist, der die Personen begleitet und motiviert. Mich würde interessieren, wie Sie sich denn zu dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen verhalten, was sozusagen nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens geschieht, nämlich dass das Opfer dann als Dankeschön für die Mithilfe eben nicht in jene Kreise zurückgeschickt wird, aus denen es kommt. Wie verhalten Sie sich dazu?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist im Moment ja schon möglich. Das Aufenthaltsgesetz sieht zurzeit vor, dass die Opfer schon bis zu drei Monaten hier

bleiben können, wenn sie für ein Gerichtsverfahren benötigt werden. Ich sehe auch die Problematik, wenn Opfer in die Länder zurückgeschickt werden, in denen gerade diese kriminellen Clans sind, die sie unter falschen Versprechungen rekrutiert und hierher gebracht haben. Es ist schwierig, die Opfer dann dorthin zurückzuschicken. In diesem Fall bin ich auch der Meinung, dass das nicht sein kann, dies ist meine persönliche Meinung.

Wenn man eine gesetzliche Änderung im Aufenthaltsgesetz herbeiführen würde, dann muss man aber auch sehen, dass es wiederum nicht dazu führt, dass es ausgenutzt wird. Man müsste also durch individuelle Möglichkeiten und Regelungen erreichen, dass die Opfer, die nicht dorthin zurückwollen und dort gefährdet sind, auch nicht in diese Länder zurückmüssen. Das ist meine Meinung dazu.

Ich war im Wesentlichen auch am Schluss meiner Ausführungen. Ich wollte einfach nur sagen, dass wir sowohl den Opferschutz einerseits als auch die strafrechtlichen Möglichkeiten andererseits verbessern müssen. Dazu fordert der Gesetzentwurf der Bundesregierung geradezu auf. Es ist aber auch gesagt worden, dass es zu diesem Thema einer intensiven Diskussion bedarf und Fachleute dazu angehört werden sollten. Das besagt auch die Evaluation des bestehenden Gesetzes.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: 2007!)

Ja, sie besagt aber, dass es einen umfassenden Dialog geben muss! Wenn Sie jetzt nur einen Teil herausgreifen, dann ist das zu wenig.

Deswegen sagen wir, wir wollen in diesen umfassenden Dialog einsteigen, wir wollen eine nachhaltige und vernünftige Regelung, die alle Aspekte einbezieht. Das passiert mit Ihrem Antrag nicht, und deswegen können wir ihm so nicht zustimmen. Wir haben in der Vergangenheit oft genug gesagt, was wir wollen, da haben Sie leider nicht mitgemacht, und das finden wir sehr bedauerlich. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Piontkowski, es hat mich schon berührt, dass Sie versucht haben, den Gesetzentwurf der Bundesregierung als wirksamen Opferschutz zu verteidigen. Nach Auffassung des Senats stellt dieser Gesetzentwurf keinen wirksamen Opferschutz dar, das ist der Haupteinwand, es ist allein der Versuch der Umsetzung der EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011. Wenn Sie sich die EU-Richtlinie einmal ansehen, ist sie wesentlich umfangreicher.

Dieser Gesetzentwurf besteht aus zwei Punkten, nämlich erstens der Änderung des Paragrafen 38 Gewerbeordnung und zweitens der Änderung der strafrechtlichen Vorschriften. Die Änderung von Paragraf 38 Gewerbeordnung führt dazu, dass Prostitutionsbetriebe zu den überwachungsbedürftigen Betrieben gerechnet werden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass vorab Auszüge aus dem Bundeszentralregister und aus dem Gewerbezentralregister eingeholt werden. Aufgrund einer Anfrage in der Bürgerschaft hat eine solche Überprüfung in Bremen bereits in den Jahren 2009 und 2010 stattgefunden. Ich kann Ihnen sagen, das Ergebnis dieser Überprüfung war, dass alle bestehenden Prostitutionsbetriebe in Bremen danach zulässig gewesen wären. Das bedeutet ganz eindeutig, das, was die Bundesregierung hier macht, ist – bezogen auf den Opferschutz auf die Bremer Bereiche – vollkommen wirkungslos.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Beim Strafrecht geht es um eine Erweiterung der Vorschriften, das ist auch richtig, aber das ist ein kleiner Punkt. Es geht um die Minderjährigen, das ist eine Erweiterung, es ist alles in Ordnung. Dieser Gesetzentwurf ist eigentlich schon ein ganz schwacher Versuch der Umsetzung der EU-Richtlinie. Jetzt haben wir auch noch ein verfahrensrechtliches Problem: Dieser Gesetzentwurf muss am 5. Juli im Bundesrat behandelt werden. Das ist kein Zustimmungsgesetz, das ist ein Einspruchsgesetz, und wenn wir Einspruch einlegen, dann kann es überwunden werden. Wenn der Vermittlungsausschuss angerufen wird, dann kann es sein, dass das Gesetz gar nicht mehr zustande kommt. Das heißt, selbst die Umsetzung der EU-Richtlinie würde dadurch scheitern, dass es so spät eingebracht wurde. Es ist also eine ganz unglückliche Situation bezogen auf den Opferschutz. Im Übrigen hat Bremen bereits im Jahr 2010 einem Entschließungsantrag Baden-Württembergs zugestimmt, der einen wesentlich weitreichenderen Opferschutz bei Prostitution und Menschenhandel vorgesehen hat. Seit dem Jahr 2010 hat die Bundesregierung in diesem Bereich nichts unternommen, obwohl die Zuständigkeit für die Bundesgesetzgebung gegeben ist, das muss man noch einmal deutlich sagen. Die Bundesregierung hat also den Opferschutz im groben Umfang vernachlässigt. Was ist nötig? Erstens eine Möglichkeit der Überprüfung der Betriebsstätten der Prostitution, zweitens muss die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, und drittens materielle Mindestbedingungen erreicht werden müssen. Diese Regelungen gibt es nicht, und dafür müssen gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. Ich denke, dass der Senat diesem Gesetzentwurf im Bundesrat nicht zustimmen wird, das ist das Ziel.

Ob Mehrheiten dafür zustande kommen, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird, kann ich noch nicht sagen. Auch das führt in eine prekäre Situation. Die Bundesregierung hat uns, bezogen auf den Opferschutz, in eine schwierige Lage gebracht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist getrennte Abstimmung beantragt worden.

Zuerst lasse ich über die Ziffern 1 und 3 des Antrags abstimmen.

Wer den Ziffern 1 und 3 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/974 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, Abg. D r. K o r o l [fraktionslos] und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!