beantworten müssen, lautet: Wollen wir von der uns eingeräumten Möglichkeit irgendwann einmal Gebrauch machen? Bisher haben wir die Frage immer mit Nein beantwortet. Ich finde, wenn wir auf der einen Seite sagen, Volksgesetzgebung ist uns außerordentlich wichtig, dann müssen auch wir als Parlament den Mut haben, einmal zu überlegen, ob es Fragen gibt, die wir hier entscheiden, zu denen wir sagen, wir wollen das nur mit Beteiligung der Bevölkerung machen. Ich bin zumindest dafür, dass wir das machen und nicht warten, dass das Volk von sich aus immer nur gefordert wird. Lassen Sie uns selbst fordern, das Volk zu befragen! Ich fände, das wäre ein Beitrag zur lebhaften Demokratie in Bremen und Bremerhaven.
Die zweite Frage ist, ob die CDU den Vorschlag macht, wenn es ihr passt. Herr Dr. Kuhn, lassen Sie uns ein anderes Beispiel nehmen! Mir ist es ehrlicherweise egal, ich bin nur dafür, dass wir es machen. Es ist auch so, dass das Volk bei der Frage schon mitreden kann, denn das, was es zum Neuverschuldungsverbot entscheiden würde, gilt unbeschadet der Regelungen im Grundgesetz bis zum Jahr 2019. Die Frage, ob dabei die Sanierungsvereinbarung eingehalten wird oder nicht – die im Übrigen nicht einmal ein Gesetz ist, sondern nur eine Vereinbarung – und ob man sie einhalten muss, ist ständig Gegenstand parlamentarischer Debatten hier in der Bürgerschaft.
DIE LINKE sagt immer, das mit der Sanierungsvereinbarung ist alles Unsinn, lassen Sie uns lieber Schulden machen. Warum stellen wir die Frage, ob wir Schulden machen wollen oder nicht, eigentlich nicht in das Ermessen der Bevölkerung? Ich bin dafür! Ich möchte als Parlamentarier schon wissen, ob das Volk die Sanierungsvereinbarung und die Konsolidierung öffentlicher Haushalte will oder ob es dies mit der LINKEN gemeinsam ablehnt. Ich finde, das ist eine ganz entscheidende substanzielle Frage.
Wir können auch ein anderes Beispiel nehmen, wie Ihren Vorschlag, den biblischen Geschichtsunterricht durch ein allgemeines Unterrichtsfach Werte und Normen zu ersetzen, oder den von der CDU, einen Religionsunterricht einzuführen. Wollen wir die Bremer Klausel eigentlich aufrechterhalten, wenn wir wissen, dass 90 Prozent des Unterrichts nicht erteilt werden? Warum sind das nicht Fragen, von denen man sagen kann, sie sind von so grundsätzlicher Natur, dass wir als Parlament einmal die Meinung des Volkes einholen, und zwar nicht nur über eine Stimmabgabe bei Wahlen – übrigens immer mit zunehmender Personalisierung –, sondern eben auch einmal in einer Sachfrage? Ich bin dabei völlig offen. Machen Sie andere Vorschläge! Ich bin aber dafür, dass wir ganz konkret die nächste Bürgerschaftswahl mit ei
nem sachlichen Anliegen verbinden und sagen, dort haben wir die Möglichkeit, das Volk nicht nur nach Personen, sondern auch einmal nach Sachverhalten befragen. Wir als CDU-Fraktion sind da offen für Gespräche. (Beifall bei der CDU)
Der Zeitpunkt und der Lauf der Debatte sprechen dafür, dass natürlich die Privatisierungsdebatte jetzt noch einmal im Ganzen aufgerollt werden soll. Der nächste Wahltermin ist ja nicht weit weg, und deswegen hat Herr Tschöpe auch seinen ursprünglichen Ansatz, dass wir nur einen Bericht machen, aufgegeben. Jetzt gibt es doch einen Zwischenbericht, der sich mit der Privatisierungsbremse befasst, und einen Punkt behandeln wir später.
Ich finde aber, man muss in dieser Debatte jetzt schon noch einmal fragen, wie stringent ist das eigentlich, was Sie jetzt konkret vorschlagen, einmal unabhängig von der Frage, warum eigentlich nur die Veräußerung und nicht der Erwerb davon umfasst sein sollen. Teilweise haben Sie unsere Einwendungen auch aufgenommen, Zwischenerwerbe wie bei der swb beispielsweise sind jetzt ausdrücklich erlaubt. Eines unserer Bedenken war, dass wir gesagt haben, Entscheidungsläufe sind sozusagen gar nicht durch Volksentscheide beeinflussbar, weil wir Vertragsabsprachen haben, die es gar nicht erlauben, sich solche Zeiträume einzuräumen. Die Frage ist aber, wie stringent ist das eigentlich? Ich will es einmal am Beispiel der GeNo darlegen, weil das hier gelobt wird! Es wird in Zukunft nicht möglich sein, als Parlament Anteile an der GeNo zu veräußern, aber niemand hindert die GeNo und den Senat daran, ein Klinikum zu schließen. Dafür gibt es keine Hürde, und dazu gibt es keine Volksbefragung. Nun frage ich Sie einmal: Was ist eigentlich für die Bevölkerung im Bremer Osten der tiefer gehende Schnitt? Dass Anteile am Klinikum BremenOst von 25 Prozent an einen privaten Klinikbetreiber veräußert werden, oder dass der Senat mit der GeNo gemeinsam beschließt, den Standort zu schließen? Ich meine, Sie versuchen hier, glaube ich, den Menschen auch etwas vorzumachen: Die Schließung eines Krankenhauses ist in Zukunft ohne eine Volksbeteiligung möglich, und um eine Minderheitsbeteiligung zu veräußern, bedarf eines Volksentscheides. Meine Damen und Herren, was ist das eigentlich für eine Logik bei einer Privatisierungsbremse?
Sie schützen öffentliches Eigentum eigentlich nur vor dem Verkauf, aber nicht in seinem Bestand. Ich will ein zweites Beispiel nennen, begründet wird es mit der Aussage, das öffentliche Eigentum sei von
so entscheidender Bedeutung, dass wir es unter einen besonderen Schutz stellen wollen! Dazu frage ich einmal: Hat es der GEWOBA wirklich geschadet, dass wir eine Minderheit der Anteile an Banken verkauft haben, oder ist es nicht umgekehrt vielmehr so, dass die Performance der GEWOBA sich seit der Beteiligung Privater
in erheblichem Umfang in Bezug auf die Ertragslage, die Modernisierungsquote, die Investitionsquote und das wirtschaftliche Ergebnis verbessert hat?
Für die GEWOBA war es sehr erfolgreich, dass wir einen Anteil veräußert haben. Es hat der Bevölkerung genutzt, der Gesellschaft genutzt, es hat den Arbeitnehmern genutzt. Es hat uns insgesamt in Bremen genutzt, dass wir die GEWOBA in dieser Beziehung völlig neu aufgestellt haben.
Deswegen ist ja die Frage: Bedarf es da eines besonderen Schutzes? Wenn man dies bejaht, Herr Dr. Kuhn, dann ergibt sich ehrlicherweise die Frage: Warum eigentlich bei der GEWOBA und nicht bei der Bremer Landesbank? Warum sind die Beschäftigten bei der GEWOBA so wichtig und die bei der Bremer Landesbank nicht? Warum kann in Zukunft eine wertvolle Beteiligung wie eine Minderheitsbeteiligung an der Bremer Landesbank ohne irgendwelche Hürden und Verfahren verkauft werden, aber die Beteiligung an der BREPARK nicht? Ich frage hier einmal: Womit wollen Sie eigentlich erklären, dass Parkplätze wichtiger sind als eine Regionalbank und man deswegen in dem einen Verfahren eine Entscheidung des Volkes braucht und in dem anderen nicht?
Nein, Herr Dr. Kuhn, was Sie machen, ist nicht stringent, das ist nur Populismus! Sie wollen den Menschen suggerieren, dass Sie etwas gegen Privatisierung getan hätten, aber überall dort, wo Sie sich ein Türchen offenhalten wollen, tun Sie überhaupt nichts! Es ist, ehrlich gesagt, ein wenig populistisch, was Sie hier machen!
Deswegen bleiben daneben viele andere Fragen: Ist es eigentlich rechtlich ein Eingriff in die Haushaltsautonomie des Parlaments? Ist es eigentlich sinnvoll, es nur bei Veräußerungen zu machen und nicht auch beim Erwerb? Ist es eigentlich sinnvoll, es nur bei Veräußerungen zu machen und nicht bei der Aufgabe oder Einstellung eines Geschäftsbetriebs? Ist es eigentlich sinnvoll, es nur bei der GEWOBA zu machen und bei der Bremer Landesbank nicht? Meine Damen und Herren, das, was Sie vorschlagen, ist ein politischer Kompromiss, den Sie gefunden haben. Das war auch eine Zangengeburt, zwischenzeitlich war das Projekt auch schon gestorben, es ist dann wiederbelebt worden. Am Ende dieser Diskussion den Inhalt dieses Projekts jetzt aber noch als einen Beitrag zur Demokratisierung und zur Stärkung der direkten Demokratie zu verkaufen, dazu gehört schon eine Menge Chuzpe. Deswegen lehnt die CDUFraktion das ab.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bleibe bei meiner Einleitung, die ich ursprünglich vortragen wollte, nämlich mich zu bedanken und auch besonders die Nachdenklichkeit dieser Debatte insgesamt hervorzuheben. Auch wenn mich dieser letzte Beitrag fast davon abgebracht hätte, so habe ich mir gesagt, Nachdenklichkeit kann sich ja temperamentsbedingt auch in der einen oder anderen Form hier vorn äußern. Eine lebendige Debatte muss ja nicht unbedingt nicht nachdenklich sein, insofern schließe ich auch den zweiten Beitrag von Herrn Röwekamp in mein Lob und in meinen Dank an die Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich ein. Es geht nämlich um sehr viel. Ich glaube, in der Debatte ist deutlich geworden, dass hier auch wirklich ein bedeutender Punkt in der Arbeit in dieser Legislaturperiode erreicht ist. Dazu gehören im Übrigen auch die Fragen, die Sie im ersten Beitrag aufgeworfen haben, sie treiben mich auch um. Man hat aber auch in den Beiträgen der Kollegen Tschöpe und Dr. Kuhn gesehen, dass uns dies alles sehr intensiv beschäftigt, wir aber teilweise zu unterschiedlichen Erfahrungen kommen. Warum wird die direkte Demokratie in Bremen so wenig genutzt? Ich würde Ihren Erklärungsversuchen gern noch einen weiteren hinzufügen: Wir sind ein Stadtstaat mit einer großen Nähe, und wir sind im Unterschied zu einem großen Flächenland nicht mit dieser sehr großen Diskrepanz zwischen einer weit weg befindlichen Landesregierung und der Realität der Kommunen vor Ort gesegnet. Wir haben dadurch sehr viel mehr Konsensdemokratie, wenn man es so ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nennen will. Das führt natürlich dazu, dass Kritik an den Entscheidungen der Politik von den Bürgern in Bremen deutlich seltener geäußert wird in Bezug auf Aussagen wie: Ihr seid so weit weg, ihr sitzt in Düsseldorf, in München oder in Hannover, ich wohne aber in Emden, und was ihr dort entscheidet, hat nichts mit dem zu tun, was ich hier mache. Das gibt es wahrscheinlich in dem einen oder anderen Fall auch, aber wir sind enger zusammen, wir begegnen uns auf dem Marktplatz oder in den Stadtteilen, und hier ist dadurch sozusagen mehr aufgenommen werden.
Ich glaube, auf solch eine Idee, die GEWOBA zu verkaufen, wie Sie es drei Mal versucht haben, und dass es Menschen in Bremen gäbe – ob sie nun in einer GEWOBA-Wohnung wohnen oder nicht –, die ernsthaft meinen, dass das gut für diese Stadt und für den Zusammenhalt sein soll, wären wir einfach nicht gekommen, sehr geehrter Herr Röwekamp, und das ist ein Teil der bremischen Demokratie.
Dagegen mussten sich die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel nicht wehren, weil der Verkauf der GEWOBA überhaupt nicht beschlossen worden ist. Damit haben wir schon einen Fall, bei dem wir eine Volksinitiative nicht gehabt haben, weil Politik weise und in sehr großer Nähe zu der Bevölkerung gemacht worden ist.
Jetzt komme ich zu der Frage, die Sie im letzten Beitrag aufgeworfen haben, ob es hier bei den unternehmerischen Entscheidungen, zum Beispiel bei der GeNo, auch um Einzelfragen geht. Nirgends in diesem Gesetz steht, dass jede unternehmerische Entscheidung eines als gGmbH organisierten privaten Unternehmens – einer Holding mit vier gGmbHs – der Bevölkerung vorgelegt werden muss, sondern es geht um die Grundsatzfrage des Besitzes, das haben die Kolleginnen und Kollegen auch ganz deutlich gemacht. Dieser Besitz ermöglicht es uns als Anteilseigner aber erst, diese unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Sie sagen, ein Krankhaus wird geschlossen. Ja, es ist dann möglich, politisch zu entscheiden als Anteilseigner der GeNo, für uns, für die Mehrheit in diesem Parlament, wie auch immer sie aussieht, ob man es will oder nicht. Wenn wir aber gar nicht im Besitz der Anteile der GeNo wären, dann könnten wir es auch nicht politisch entscheiden. Insofern ist das überhaupt kein Beispiel gegen die Privatisierungsbremse, wie sie heute hier vorgelegt worden ist,
im Gegenteil, das ist ein Beweis und im Grunde genommen ein sehr starkes Argument dafür, dass wir es genauso machen und dann, wenn wir im Besitz
der Anteile sind, die unternehmerischen Entscheidungen dieser Unternehmen, die wir halten, mehrheitlich auch beeinflussen können.
Sie sagen, das sei reiner Populismus. Ich glaube, dass wir die Bevölkerung in den Stand versetzen, sich auch gegen parlamentarische Entscheidungen zur Wehr zu setzen und zu anderen Auffassungen zu kommen als die Mehrheit dieses Parlaments. Dies ist von einer Parlamentsmehrheit eine sehr souveräne und sehr bürgerfreundliche Entscheidung und das Gegenteil von Populismus, denn es könnte ja auch einmal zum Nachteil der parlamentarischen Mehrheit sein, wenn die Bevölkerung zu anderen Schlüssen käme. Trotzdem erleichtern wir in mehreren Schritten genau diese Möglichkeit, auch gegen diese breite Mehrheit hier in diesem Haus entscheiden zu können.
Das ist kein Populismus, sondern das zeugt davon, dass wir als Mehrheit diese Dinge auch sehr selbstbewusst und souverän auf den Weg bringen können.
Lassen Sie mich eine ganz kleine Bemerkung machen! Die Tatsache ist kaum erwähnt worden, dass wir hier am Rande auch entscheiden, dass man diese Dinge in Zukunft auch mit einer elektronischen Unterschrift durchführen kann. Dies kann – ähnlich wie bei den Petitionen – möglicherweise auch dazu führen, dass sich die Anzahl solcher Initiativen vermehrt. Der Anreiz für die Bevölkerung in der heutigen Zeit liegt darin – wir haben es beim Eingang der Petitionen gesehen –, dass man sie elektronisch schnell von zu Hause initiieren kann und nicht bei Wind und Wetter auf der Straße Unterschriften sammeln muss.
Wir sagen der Bevölkerung nicht, dass sie solche Bürgeranträge stellen muss, sondern wir sagen ihr, wir sind sehr selbstbewusst und nehmen es sehr gern entgegen, wenn sie dies macht. Wir harren der Dinge mit dem Selbstbewusstsein, die eine solche Mehrheit in diesem Hause haben kann. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an die Worte des Kollegen Dr. Güldner an! Ich habe schon vorhin versucht zu erläutern, wie schwierig es ist, Unterschriften zu sammeln. Dabei gab es einige Irritationen, ich hätte ein anderes Beispiel nennen sollen! Die ersten 100 Unterschriften für einen Bürgerantrag erhält man schnell, aber man braucht eben 5 000 Unterschriften. Deswegen sind in der Realität oft – ähnlich wie bei ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Volksbegehren und Volksentscheiden, bei denen man diese Quoren hatte – Initiativen vonseiten der Bevölkerung im Sande verlaufen, und das hat mit Populismus überhaupt nichts zu tun!
Wenn das jetzt geändert wird – ich glaube nämlich auch, was der Kollege Herr Dr. Güldner vorhin gesagt hat – und Bürgeranträge in Zukunft auch in elektronischer Form gestaltet werden können, dann wird diese Erleichterung wahrscheinlich dazu führen, dass dieses Instrument in Zukunft mehr genutzt wird, davon bin ich überzeugt. Das verhindert nämlich wirklich, dass man eine sehr starke Organisation im Rücken haben muss, um ein Begehren oder einen Antrag irgendwie auf den Weg zu bringen. Man kann sich dann auch mit ein paar Leuten zusammensetzen und überlegen: Wie bekommen wir eine gesellschaftliche Mehrheit dafür? Wir brauchen dann nicht 200 Leute, die jeden Samstag in der Fußgängerzone stehen müssen, und das ist eine große Erleichterung, das muss ich an dieser Stelle einmal sagen!
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ja, das ma- chen wir auch gemeinsam! Weil Sie den Ein- druck vermitteln, wir seien dagegen! Das stimmt überhaupt nicht!)
Sie haben ja in diesem Zusammenhang gesagt, dass hinter den Entscheidungen, die heute getroffen werden, ein Teil Populismus steckt!
Ich möchte einmal ein paar Dinge zur Privatisierungsbremse sagen! Bei der Privatisierungsbremse muss man doch einmal ehrlicherweise sagen: Stellen Sie sich dann doch auch hierhin und sagen ganz ehrlich, dass Sie die Privatisierungsbremse im Grundsatz sowieso nicht wollen, weil Sie weiterhin an Privatisierungen festhalten wollen!