Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ganz kurz zu den Frauenprojekten und den Schwerpunkten, die die Koalition hier gesetzt hat! Ich möchte gleich am Anfang feststellen, dass es mich schon freut, dass wir die Frauenprojekte gerade im Gewaltbereich aufstocken konnten, und möchte das anerkennen und lobend erwähnen. Das finde ich sehr gut.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das wurde nachgebessert, damit können wir zufrieden sein. Andererseits muss ich auch feststellen: Es reicht nicht. Es reicht ja nie, aber es reicht dort ganz besonders nicht. Wenn ich mir einmal die Förderungshöhen anschaue, um welche Beträge wir uns – im Vergleich zu vielen anderen – auseinandersetzen, stelle ich fest: Das ist ausgesprochen mager. Es gibt leider

eine ganze Menge, wo es gar nicht hingefallen ist, beispielsweise bei den Mütterzentren. Das Mütterzentrum Blockdiek fällt nach wie vor durch den Rost, auch die Beratungsstelle für Prostituierte Nitribitt – das haben wir auch –, das Kinderschutzzentrum, das Jungenbüro. Also es gibt immer noch eine ganze Menge an Projekten, bei denen wir eigentlich nachbessern müssten.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Notruf für vergewaltigte Frauen wird gerade gekürzt!)

Dieser Notruf, ja gut, hat etwas mehr bekommen, reicht aber auch nicht aus, das ist richtig. Hier sind keine Verstärkungen vorgesehen. Mir geht es auch um Folgendes: Wenn ich mir anschaue, worüber wir gestern praktisch über die GEWOBA diskutiert haben, feststelle, bei welchen Größenordnungen wir uns da befinden, und wir uns die Förderung der Frauenprojekte ansehen, stellen wir fest: Das ist ausgesprochen schief. Wenn wir über Geschlechtergerechtigkeit sprechen, dann spiegelt das dieser Haushalt nicht wider. Das wäre auch eine Aufgabe für die Zukunft. Nur als Stichpunkt: die Entgeltungerechtigkeit, der Abstand, den es hier in Bremen gibt, das überhaupt einmal zu prüfen, im öffentlichen Dienst einmal so etwas wie diesen eg-check durchzuführen, wäre eine Aufgabe, kostet in der Folge aber wahrscheinlich Geld,

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Das machen wir!)

und das ist ein Problem!

Ich möchte nur noch zwei, drei Beispiele bringen. Was leisten wir uns für ein Bildungssystem, bei dem man gezwungen ist, zu Hause nachzuarbeiten? Wer macht das? Wer macht die Hausaufgabenbetreuung? Wer muss sehr viel auffangen? Das sind selbstverständlich auch die Frauen. Das sind Punkte, die wir als Beispiel einmal ins Visier nehmen müssen.

Was mich schmerzt, ist, dass wir es nicht geschafft haben, noch einmal die Absicherung der OnlineBeratung bei Schattenriss hinzukriegen. Das ist ein großes Manko. Auch hier sind es eigentlich nicht gerade große Beträge – und das in dem Zusammenhang damit, was uns für eine Forschungslandschaft wir leisten können; da gehen andere Beträge hinein. Das sind in erster Linie auch Männerarbeitsplätze.

Ich möchte in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es nach wie vor sehr geschlechtsspezifische Zurichtungen gibt und wir in den sogenannten MINTBerufen noch immer hinterherhinken. Das fängt sehr früh an, nicht erst im Studium, sondern schon in der Schule. Das sind alles Zusammenhänge, bei denen wir finden, dass sich Geschlechtergerechtigkeit in so einem Haushalt deutlich anders ausdrücken müsste. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN – Präsident W e - b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wendland.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Sozialhaushalt, genauer gesagt, der Einzelplan 41, ist der größte Einzelhaushalt. Hier wird jeder vierte Euro ausgegeben. Der Sozialhaushalt ist aber nicht nur wegen seiner schlichten Größe von hoher Bedeutung, sondern auch, weil die Koalition hier einen Schwerpunkt setzt. Der soziale Anspruch dieser Regierung spiegelt sich auch im Haushalt wider. In diesem Jahr ist es uns gelungen – allen Unkenrufen zum Trotz –, den Rechtsanspruch für Kinder, die unter drei Jahre alt sind, zu erfüllen. Wir wollen den Ausbau von Kindertagesplätzen weiter fortsetzen und ihn unter sozialen Gesichtspunkten vorantreiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Gleichzeitig wollen wir den Rechtsanspruch auf sechs Stunden erhöhen. Auch im Kinderschutz halten wir an der Förderung fest und geben dem Mädchenhaus 30 000 Euro pro Jahr dazu.

Die steigende Anzahl an Flüchtlingen fordert zusätzliche Unterkünfte und Unterstützungsleistungen, und wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, menschenunwürdige Unterbringungen wie die in Zelten zu verhindern. Vielmehr verknüpfen wir die Unterbringung mit einem inhaltlichen und politikfeldübergreifenden Konzept.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dreiviertel des Sozialhaushalts muss aufgewendet werden, um die gesetzlichen Sozialleistungen zu erfüllen. Diese sind durch Bundesgesetze vorgegeben und entziehen sich damit weitgehend der Steuerung. Trotzdem ist es eine Daueraufgabe, die Ausgaben zu überprüfen und die Steigerungen zu dämpfen. Es ist aber keine Lösung – wie die CDU es will –, hier Streichungen vorzusehen. Beispielsweise würden niedrige Mietobergrenzen bei den Kosten der Unterkunft – wie sie die CDU fordert – nicht nur zu einer sozialen Segregation führen, sondern auch ein schnelles Ende vor den Sozialgerichten finden. Hier liegt kein versteckter Schatz, den es einfach nur zu heben gilt.

Mit der ab 2014 vollständigen Übernahme der Grundsicherungen im Alter und bei der Erwerbsminderung durch den Bund ist Bremen deutlich entlastet worden und von zukünftigen Steigerungen befreit.

Die dynamische Entwicklung bei den Hilfen zur Erziehung und bei der Eingliederungshilfe für Behin

derte stellt dagegen ein Risiko dar. Für Bremen ist es daher ein Problem, dass die erhoffte Beteiligung des Bundes an der Eingliederungshilfe nicht zügig umgesetzt werden wird. Die vom Bund zugesagten fünf Milliarden Euro sind vier Milliarden Euro an ein Bundesleistungsgesetz gekoppelt, mit einem solchen Gesetz ist jedoch frühestens 2016 zu rechnen, wahrscheinlich sogar noch später. Bremen braucht die Entlastungen aber jetzt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der Umgang mit Armut kann sich aber nicht nur auf Rechtsansprüche beschränken. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass wir allen Sparzwängen zum Trotz weiter auf freiwillige präventive Sozialleistungen setzen. Rot-Grün hat präventive Schuldenberatungen wieder eingeführt und wird sie weiter fortsetzen. Die gute Nachfrage zeigt, wie wichtig diese Maßnahme ist, auch weil sie präventiv Menschen vor einem weiteren sozialen Abrutschen bewahrt.

Wir wollen, dass Frauen in besonders schwierigen Lebenslagen kostenlos Verhütungsmittel erhalten, damit das Recht auf selbstbestimmte Sexualität und Familienplanung gewahrt wird.

Der Vorschlag der CDU-Fraktion, das Stadtticket zu streichen, ist ein sehr verengter Blick auf Sozialpolitik. Wenn Sie von der CDU-Fraktion glauben, dass sich Sozialpolitik auf den monatlichen Scheck für Hartz IV reduziert, dann erreichen Sie das Ziel, Teilhabe an Gesellschaft zu ermöglichen, sicherlich nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Das ist eine Unterstellung!)

Mit Ihrem Vorschlag, das kostenlose Mittagessen für Kinder aus materiell armen Familien zu streichen, demonstrieren Sie soziale Kälte. Wir wollen nicht, dass auch nur ein Kind wegen Zahlung vom Mittagessen ausgeschlossen wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Altern der Bevölkerung braucht neue Wege. Wir haben deshalb die Voraussetzungen geschaffen, um die aufsuchende Altenarbeit weiter auszubauen. In Hemelingen und in Obervieland haben wir bereits gute Erfahrungen gemacht. Künftig wollen wir dieses Angebot auch in Bremen-Nord und in Gröpelingen.

Aber auch die Jugendlichen verlieren wir nicht aus dem Blick. Immerhin ist es uns gelungen, die Haushaltsansätze gegenüber dem vorigen Haushalt zu halten, und dass wir trotz angespannter Haushaltslage als Regierungskoalition emphatische Politik machen,

zeigt sich in der Ausgestaltung der Sozialpolitik. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausgaben für Hilfen für junge Menschen und Familien sind ein ziemlich großer Posten im Haushalt: Es sind etwa 360 Millionen Euro. Der größte Teil davon geht in Tagesbetreuung, in die Hilfen zur Erziehung und in Unterbringung außerhalb der Familie. Ein sehr kleiner Teil, nur etwa 2 Prozent, geht in stadtteilorientierte Kinder- und Jugendarbeit, aber das ist ein unheimlich wichtiger Teil. Es ist der Teil, bei dem die Jugendlichen selbst etwas machen können, wo sie einen selbstbestimmten Raum haben.

Viele Jugendliche hängen an ihrer Jugendeinrichtung im Stadtteil, weil sie da in einem höheren Maß nicht ein Objekt von Jugendhilfe sind, sondern ein Subjekt, weil das ihr Haus ist, ihr Raum, weil das ein Ort ist, in dem sie ein bisschen zu Hause sind, gerade in den Zeiten, in denen sie bei sich selber manchmal nicht so gerne zu Hause sind. Genau in diesem Teil, bei der stadtteilbezogenen Jugendarbeit, wird weiter gekürzt.

Im Jahr 2000 wurden 6,6 Millionen Euro für das sogenannte Anpassungskonzept eingestellt. Mit viel Druck von allen Seiten wurde der Betrag im Jahre 2010 auf 7,3 Millionen Euro heraufgesetzt, und da soll er nach dem Willen der Regierungskoalition bis 2016 bleiben. Wir haben uns in der Fraktion eine ExcelTabelle mit der Inflationsrate gebaut. Die stelle ich der Koalition gerne zur Verfügung. Wenn man für das Jahr 2000 die 6,6 Millionen Euro eingibt, sieht man, im Jahre 2015 sind das knapp 8,5 Millionen Euro – nur für die Inflation. Unter dem Strich wird also bei den Freizis und anderen Jugendeinrichtungen mehr als eine Million Euro gekürzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nicht nur eine Berechnung, das ist die Wirklichkeit. Das ist das, was man in den Freizis jeden Tag spürt. Es gibt viele Freizis, die ihre Öffnungszeiten immer weiter reduziert haben, weil sie das Personal nicht mehr bezahlen können, das man für Öffnungszeiten braucht. Die Kürzung im Haushalt setzt sich direkt in kürzere Öffnungszeiten um, in Angebote, die nicht mehr aufrechterhalten werden können. Das ist ganz konkret: Da, wo sie vor zwei Jahren noch am Samstagnachmittag ins Freizi gehen konnten, ist heute am Samstag die Tür zu. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Ressort darüber nachgedacht hat oder darüber nachdenkt, welche Freizis zusammengelegt

werden und welche in den nächsten Jahren schließen sollen. Ich finde es empörend, dass ausgerechnet hier der Rotstift angesetzt wird, ausgerechnet in diesem Bereich, der einen ganz kleinen Teil der Jugendhilfeausgaben ausmacht, ausgerechnet in dem Bereich, in dem die Jugendlichen selbst etwas machen, wo ihr Haus ist, ihr Freizi. Ich finde das nicht gerecht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN und bei der CDU)

Eine kluge Finanzpolitik ist es auch nicht. Wir von der Fraktion DIE LINKE beantragen, dass die Ausgaben für ein Anpassungskonzept heraufgesetzt werden. Ich betone es noch einmal: Es geht es um eine überschaubare Summe.

(Glocke)

Ich kann verstehen, dass Sie zucken, wenn wir mehr Mittel für die Kitas, für die Tagesmütter und für die Horte beantragen. Auch das sind notwendige Ausgaben, aber es sind auch höhere Summen.

(Glocke)

Dass Sie bei den Freizis geizen, verstehe ich überhaupt nicht. Sie sollten froh sein, dass die Jugendlichen dieses Angebot so breit annehmen. Die Jugendlichen kämpfen seit Jahren darum, dass ihre Freizis angemessen finanziert werden.

(Glocke)

Frau Emmenecker möchte Ihnen ein Signal geben.

(Heiterkeit)

Ich bin auch gleich fertig, letzter Satz! – Ich finde, genau das Recht haben die Jugendlichen, und ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)