Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens. – Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat weist immer wieder darauf hin, dass die meisten Leistungen im Sozialbereich gesetzlich verpflichtend sind. Das haben meine Kollegen eben auch schon getan. Dabei wird immer wieder vergessen, dass viele Leistungen zwar dem Grunde, aber nicht der Höhe nach verpflichtend sind. Herr Möhle hat eben auf ein sehr positives Beispiel aufmerksam gemacht, das Modell
projekt in Walle, mit dem wir festgestellt haben, dass wir durch veränderte Rahmenbedingungen tatsächlich konkret Geld einsparen konnten und es den Leuten vor Ort sogar geholfen hat, weil wir weniger invasiv in die Familie eingreifen mussten. Das zeigt, man kann auch in diesem Bereich kluge Maßnahmen durchführen, und wir als CDU-Fraktion fordern genau dies seit vielen Jahren und fühlen uns durch das Modellprojekt bestätigt.
In einigen Bereichen leistet sich die Stadtgemeinde Bremen Sozialausgaben über das gesetzlich geforderte Maß hinaus beziehungsweise auf freiwilliger Basis. Ein Beispiel dafür ist die kommunale Bezuschussung des Mittagessens neben der durch den Bund übernommenen Teilfinanzierung durch das Bildungs- und Teilhabepaket für Leistungsbezieher aus dem Bereich des SGB II, obwohl diese Kosten im Regelsatz bereits enthalten sind. Uns da soziale Kälte zu unterstellen, Frau Wendland, ist schön populistisch, kann man tun, entspricht aber nicht der Wahrheit. Denn was war denn die Realität? Die möchte ich Ihnen gerne darstellen. Ich bin ja schon ein bisschen länger dabei.
Auch vorher wurde niemand hungrig nach Hause geschickt. Nur um das deutlich zu erklären: Allein die evangelische Kirche, die nur einen Teilbereich hat, wendet über 10 000 Euro pro Monat an Essensvernichtungskosten auf, und vorher war es so, dass diejenigen, die eigentlich nicht für das Mittagessen angemeldet waren, bei denen man aber gesehen hat, dass es notwendig ist, natürlich mit an den Tisch gesetzt wurden, und dass die Essensvernichtungskosten etwas geringer waren.
Das ist kein Quatsch, das ist in der Vergangenheit reine Realität gewesen. Sie haben das jetzt politisch anders auf den Weg gebracht. Dann müssen Sie dazu auch stehen. Dann bringen Sie aber nicht die Realitäten durcheinander und behaupten hier populistisch irgendetwas!
Ein weiteres Beispiel ist der Zuschuss an die BSAG von jährlich 2,8 Millionen Euro für das Stadtticket, mit dem Leistungsbezieher vergünstigt Bus und Straßenbahn fahren können. Das aber hilft den Betroffenen nicht nachhaltig, ihre Lebenssituation zu verbessern, und nimmt gleichzeitig dem Staat die notwendigen finanziellen Handlungsspielräume.
Für uns als CDU-Bürgerschaftsfraktion stehen jedoch die nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation und möglichst eben die Herausführung aus der Transferleistung im Vordergrund. Die CDU-Fraktion will nicht alimentieren, sondern Menschen befähigen, selbstbestimmt für ihren Unterhalt sorgen zu können.
Das ist etwas, was uns in diesem Bereich ganz deutlich auch von einigen anderen Parteien hier in diesem Hause unterscheidet.
(Beifall bei der CDU – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Was mit den Men- schen zwischendurch ist, ist dann egal!)
Bildungschancen, sehr geehrter Herr Kollege, für die Sie ja auch für die SPD-Fraktion immer wieder sprechen wollen, sind gerade für Kinder aus schwächeren sozialen Verhältnissen besonders wichtig. Das fängt übrigens im Krippen- und im Kita-Bereich durch genügend Personal an und wird weitergeführt mit genügend Schulsozialarbeitern, die Sie ja auch nicht eingesetzt haben – die haben Sie ja gestrichen – und guten Schulbedingungen – ich verweise auf die Debatte von vorhin. Damit werden optimale Startchancen in das Berufsleben auch für sozial Benachteiligte ermöglicht, damit Jugendliche später selbstbestimmt für ihren Unterhalt sorgen können.
Wir wollen daher die Mittel für das Stadtticket für ein Sonderprogramm mit bis zu 60 zusätzlichen Erzieherinnen und Erziehern in der Kindertagesbetreuung nutzen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Teilhabechancen am Erwerbsleben, insbesondere für Alleinerziehende und Frauen, zu verbessern. Sie beweinen ja immer, dass es insbesondere bei den Alleinerziehenden solche Schwierigkeiten gibt. Wenn es dann aber an die Lösungen geht, dann ist es so, dass Sie Bundesprogramme, die es gerade in diesem Bereich gab, auslaufen ließen et cetera.
In Bremen ist jedes dritte Kind arm, und viele dieser Kinder wachsen bei Alleinerziehenden auf, von denen viele im Schichtdienst arbeiten oder über die derzeit angebotenen Betreuungszeiten hinaus arbeiten müssen. Das ist also ein konkreter Beitrag, um ihnen zu helfen.
Wir als CDU-Fraktion lehnen vor diesem Hintergrund auch die Qualitätsverschlechterung in der Kleinkindbetreuung ab. Zweieinhalbjährige in den normalen Kindergarten zu schicken, schmälert ihre Chancengerechtigkeit, die von SPD und Grünen ja ansonsten immer so gerne bemüht wird.
So schreibt die Bertelsmann Stiftung in ihrem neuesten Gutachten zu dem Thema – ist nicht meine Meinung, ich zitiere hier das Gutachten der Bertelsmann Stiftung –: „Die Bildungschancen für unter Dreijährige verschlechtern sich derzeit deutlich, wenn sie statt einer Krippe eine andere Gruppenform besuchen. Dazu gehören auch für Zweijährige geöffnete Kindergartengruppen, aber auch altersübergreifende Gruppen für Eineinhalbjähre bis Sechsjährige.“ Etwas, was Sie hier für über 1 000 Kinder in Bremen zur Realität werden lassen, meine Damen und Herren! Jetzt machen Sie auch noch Werbung in den sozial benachteiligten Stadtgebieten, wollen diese dort hinbringen! Der Personalschlüssel ist nicht adäquat, sodass den Kindern mit einem reinen Platz nicht wirklich geholfen wird. Sie lösen da pro forma ein Versprechen ein, aber in der Realität eben nicht, meine Damen und Herren!
(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das propagieren Sie doch die ganze Zeit hier! – Zuruf der Abg. Frau G a r l i n g [SPD])
die diese schlechten Betreuungsschlüssel nicht auffangen können. Damit leisten Sie hier in Bremen, in Ihrem Zuständigkeitsbereich einen aktiven Beitrag zur Kopplung an die soziale Herkunft, denn das ist es genau, was wir in den vergangenen Jahren hier in Bremen nicht überwunden haben. Dafür ist Ihre Politik maßgeblich verantwortlich, meine Damen und Herren!
Da reicht es auch nicht – ich kann den Hinweis schon hören –, darauf hinzuweisen, dass der Betreuungsschlüssel besser sei als zum Beispiel in Hamburg. Ein Kita-Besuch alleine verringert keine sozialen Unterschiede. Ich will es Ihnen noch einmal deutlich machen, damit Sie es wirklich verstehen: Für ein Kind, das in den Kindergartenbereich kommt, gibt es in der Zwanzigergruppe kein Qualitätskriterium, das vorschreibt, maximal so und so viele Kinder. In diesem laufenden Kindergartenjahr hat das dazu geführt, dass teilweise 6 oder 10 von 20 Kindern tatsächlich zweieinhalb Jahre alt waren.
Ich kann Ihnen die Fälle nennen. Da ist der Betreuungsschlüssel 1 zu 20 oder 2 zu 20. Diesen Kindern
steht aber ein Betreuungsschlüssel von eins zu fünf zu. Das würde die soziale Chancengerechtigkeit tatsächlich beflügeln. Sie machen hier in Bremen das Gegenteil, meine Damen und Herren!
Wir sind der Auffassung: Jedes Kind ist uns gleich viel wert. Deswegen sind wir dafür, im Bereich der Kindertagespflege und der Elternvereine entsprechend anzupassen. Lassen Sie mich noch einen letzten Satz sagen: Das, was Sie hier als Streit über die Seniorenbegegnungsstätten aus meiner Sicht völlig unnötig vom Zaun gebrochen haben, war schon Opposition und Regierung in einem. Jetzt wird der Bereich wieder freigegeben, gleichzeitig mit einem Sperrvermerk versehen. Da fühlt man sich schon fast an Schilda erinnert. Das ist spannend. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der CDU – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Mein christliches Weltbild ist definitiv ein anderes! Almosen für die Armen!)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich rede heute für den Bereich Soziales. Bremen ist ein wunderbarer Flecken Erde. Dennoch leben viele Bremerinnen und Bremer in einem sozial und klassenmäßig tief gespaltenen Gemeinwesen. Was DIE LINKE hier in diesem Haushalt einbringt, ist nicht, wie oft gesagt wird, aus der Kategorie „Wünsch dir was!“, sondern es ist aus unserer Sicht notwendig, damit das Bremer Gemeinwesen nicht weiter zerfällt. Die soziale Spaltung muss endlich gestoppt werden, Armutsbekämpfung muss endlich Querschnittsaufgabe aller Ressorts und nicht nur im Bereich Soziales schlecht und recht verwaltet werden.
DIE LINKE schließt sich hiermit den Ergebnissen und den Forderungen der ersten Bremer Armutskonferenz an, die ja bezeichnenderweise nicht von dem Senat, sondern von sozialen Organisationen und Trägern dieses Landes in einem Bündnis veranstaltet wurde. Eigenständige, ja gestaltende Sozialpolitik findet in Bremen schon eine ganze Zeit nicht mehr statt. Die Sparpolitik von Jahrzehnten, samt der Krönung durch die Schuldenbremse, zwingt Bremen immer wieder dazu, nur noch die gesetzlich festgelegten Minimalleistungen zu erfüllen und nebenbei auf europäische Fördertöpfe zu hoffen, zumindest für ein Jahr. Dennoch ist jedes dritte Kind in Bremen von Armut betroffen. Bildungschancen – das haben wir auch
ist in Bremen mit 23,1 Prozent am höchsten unter den deutschen Bundesländern, und auch unter deutschen Großstädten belegt Bremen mittlerweile den traurigen dritten Platz hinter Leipzig und Dortmund.
In der Koalitionsvereinbarung von 2011 tönt es noch laut – ich zitiere –: „Für das Leben in einer Großstadt ist der Stadtteil der zentrale Ort, in dem gesellschaftliche Teilhabe, sozialer Zusammenhalt und Lebensqualität entstehen. Die Weiterentwicklung und der Umbau von Stadtteilen mit großen sozialen Problemen muss daher auch weiterhin besonders unterstützt werden.“ Das finde ich ganz toll, aber was tut denn der Senat? Er streicht für zwei Jahre die Impulsmittel für den sozialen Zusammenhalt, mit denen gerade für diese Stadtteile etwas getan wird.
Meine Damen und Herren, zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass wir in Bremen neben den 120 000 armen Menschen 10 000 Vermögensmillionäre mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 26 Milliarden Euro haben. Rot-Schwarz in Berlin wird die Reichen und Konzerne erneut wieder verschonen, und für viele Bremerinnen und Bremer wird der Alltag weiter schwerer werden. Aus all den genannten Gründen hat die Fraktion DIE LINKE exemplarische Anträge im sozialen Bereich gestellt. Ich habe keine Zeit mehr, sie zu erwähnen. Ich will nur einmal darauf hinweisen: Wir werden den einen Punkt, nämlich die Aufstockung der Zuwendungen für Träger, um den Mindestlohn zu ermöglichen, als Einzelpunkt zur Abstimmung stellen, weil uns doch sehr interessiert, auch positiv interessiert, wie SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Mindestlohn stehen. – Danke sehr!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass es der Koalition gelungen ist, in sehr schwierigen Zeiten einen Haushalt vorzulegen, der den Belangen der Menschen in Bremen, auch der armen Menschen, die eben angesprochen wurden, Rechnung trägt.
Uns ist es gelungen, den Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen und für die drei- bis sechsjährigen Kinder auf eine Tagesbetreuung umzusetzen. Wir nehmen damit bundesweit einen Spitzenplatz ein. Das muss man hier auch einmal ganz deutlich sagen. Auch
das ist ein Tatbestand, der natürlich in Berlin beim Stabilitätsrat genau angeguckt wird, nämlich welche Standards wir auf den Weg bringen. Wir haben uns dafür entschieden, gute Standards für Kinder in der Tagesbetreuung zu entwickeln. Dazu stehen wir auch! Frau Ahrens, allen Ernstes, wir haben 1 681 Kinder des dritten und vierten Quartals, die wir in unseren vorhandenen Kindergärten unterbringen, wo wir Personal bereitgestellt haben. Wir hätten zusätzlich 16 Kitas bauen müssen. Eine Kita kostet vier Millionen Euro, 16 mal 4, 64 Millionen Euro allein an Investitionen. Wo ist der Vorschlag der CDU, diese 64 Millionen Euro im Haushalt bereitzustellen?