Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 13. Juni 2013 (Neufassung der Drucksache 18/946 vom 11. Juni 2013) (Drucksache 18/956)
Bericht der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder und Jugend vom 19. September 2013 (Drucksache 18/1062)
Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion DIE LINKE „Verpflegungsstandards für Flüchtlinge verbessern“ vom 13. Juni 2013, Drucksache 18/956, in der Neufassung der Drucksache 18/946, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 44. Sitzung am 20. Juni 2013 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend überwiesen worden. Diese Deputation legt mit der Drucksachen-Nummer 18/1062 ihren Bericht dazu vor.
Dazu als Vertreterinnen des Senats Frau Senatorin Professor Quante-Brandt und Frau Senatorin Stahmann.
Frau Senatorin, möchten Sie, wer auch immer von Ihnen, die Antwort wiederholen? – Das ist nicht der Fall.
Ich gehe aber davon aus, dass wir in eine Aussprache eingetreten wollen. Wenn das der Fall ist, dann eröffne ich die gemeinsame Aussprache.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe zunächst einmal auf unsere Große Anfrage zur Bildungssituation von Flüchtlingen ein. Der Senat rechnete für 2013 mit circa 1 000 Flüchtlingen plus circa 150 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, also knapp 1 200 Flüchtlingen. Davon beträgt erwartungsgemäß der Anteil von Kindern und Jugendlichen circa 35 Prozent. Da kommt man grob geschätzt auf eine Summe von 400 Kindern und Jugendlichen, die in Bremen ankommen.
Die Antwort des Senats ist in einigen Punkten sehr dürftig. Das habe ich auch schon thematisiert. Man weiß nichts über Muttersprachen, nichts über die Verweildauer in der ZASt, nichts über die Stadtteile, in denen die Flüchtlinge später Unterkunft finden, weil das alles nicht erfasst würde. Die geflüchteten Kinder und Jugendlichen erhalten Sprachunterricht in den Vorkursen zusammen mit anderen zugewanderten Kindern und Jugendlichen; das ist ganz wichtig. Die Flüchtlinge machen laut Antwort des Senats ein Viertel bis ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in den Vorkursen aus, und der Anteil soll steigen.
Es gibt zusammengefasst im Land Bremen 55 Vorkurse, davon 40 in der Stadtgemeinde Bremen und 15 in der Stadtgemeinde Bremerhaven. Es ist nicht ganz klar, und es geht auch aus der Antwort nicht hervor, wie groß die Vorkurse in der Realität sind. Sie haben eine Sollgröße von faktisch 16, aber ich weiß aus einigen Schulen, dass das nicht der Tatsache entspricht, sondern dass mehr Kinder in den Vorkursen sind.
Wenn man das zusammenrechnet, kommt man auf circa – mit den anderen zugewanderten Schülern und Schülerinnen – 1 000 bis 1 100 Schülerinnen und Schüler im Land, die in Vorkursen unterrichtet werden, und – jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt – über diese Vorkurse hinaus gibt es keine weiteren personenbezogenen Ressourcen.
Die Schulen erhalten nichts dafür, dass sie Flüchtlinge außerhalb dieser Vorkurse unterrichten. Es gibt generell keine personenbezogenen Ressourcen dafür, dass Schulen Kinder und Jugendliche unterrichten, die eine nichtdeutsche Muttersprache haben oder Deutsch gerade erst in einem Vorkurs gelernt haben, wobei wir aus der Realität und aus der Praxis wissen, dass das bei Weitem keine ausreichende Sprachfähigkeit bietet, um dem Fachunterricht zu folgen. Das ist das große Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Sprachunterricht auf die Vorkurse beschränkt wird. Das ist das Problem für die Schu
len, das ist das Problem für die Stadtteile, und es ist das Problem für die Schüler und Schülerinnen. Ähnlich sieht es bei dem muttersprachlichen Unterricht aus. In der Stadtgemeinde Bremen sind dafür 158 Lehrerwochenstunden vorgesehen. Das überschneidet sich mit den Vorkursen. Muttersprachlicher Unterricht ist aber auch der Grundkurs Türkisch, und bei 40 Vorkursen mit circa 20 Wochenstunden, das heißt 800 Wochenstunden pro Jahr insgesamt, ist auch klar, dass in den Vorkursen zum geringsten Teil Lehrkräfte unterrichten, die muttersprachlichen Unterricht geben können. Es schließt sich also die Frage an: Wer unterrichtet in den Vorkursen? Wir wissen, es sind teilweise freigestellte Lehrkräfte, teilweise Unterrichtspersonal von freien Trägern und teilweise festangestellte Lehrkräfte. Größtenteils – das erscheint mir nach wie vor problematisch – sind es aber jedenfalls Lehrkräfte, die muttersprachlich nicht in einer der Sprachen beheimatet sind, aus denen die Schülerinnen und Schüler kommen. Das Problem wiederholt sich bei den begleitenden sozialintegrativen Angeboten für Flüchtlinge. Auch hier gibt es keine personenbezogenen Zuweisungen von Stunden bei den Dolmetscherinnen für die Stadtteile und bei der begleitenden Sprachförderung jenseits der Vorkurse. Was sich aus der Antwort des Senats weiter lesen lässt, ist, dass weiterhin unklar ist, wie hoch der Bedarf an Alphabetisierungsangeboten ist, sowohl für geflüchtete Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene. Hier stehen Kurse an der Volkshochschule zur Verfügung, und wir wissen: Sie sind aktuell stark nachgefragt, und sie sind überbucht. In Bremerhaven erfolgen die Alphabetisierungsangebote über das Projekt „Startklar“ und über LOS. Das Angebot sei derzeit ausreichend. Wenn man die Antworten zusammenfasst, dann ist explizit in den Bereichen Alphabetisierung, muttersprachlicher Unterricht, sozialintegrative Angebote, Dolmetscherinnen und begleitende Sprachförderung klar, dass der Bedarf steigt und dass er nicht gedeckt ist. Es gibt keine spezifischen Mittel dafür, die an die Zahl der Flüchtlinge gekoppelt ist, und die Mittel kommen teilweise aus dem Bereich Soziales und nicht aus dem Bereich Bildung. Zusammengefasst würde ich sagen: Die Anforderungen aus den steigenden Flüchtlingszahlen werden in Bildung nicht ansatzweise erfüllt. Zudem möchte einmal grundsätzlich zwei Sachen zu den Vorkursen anmerken: Deren Organisation ist meines Erachtens unzureichend. In Bremen werden in den Grundschulen Schüler und Schülerinnen zwölf Wochen in Vorkursen unterrichtet,
bei Bedarf maximal ein Jahr, und während dieser Zeit sind die Grundschüler nicht im Klassenverband, das
heißt nicht in ihrem sozialen Umfeld integriert. Das Gleiche erleben wir an den Oberschulen in der Sek I. Da werden 20 Wochenstunden für die Vorkurse bereitgehalten, das heißt 20 Wochenstunden sind die Schülerinnen und Schüler nicht im Klassenverband. Die Klassenverbände müssen die Leistungsziele am Ende des Jahres aber gemeinsam erreichen. Wir wissen aus Schulen, dass das schwierig ist.
Ich komme jetzt zum Schluss. Ich gehe gleich noch einmal kurz drauf ein, weil es auch in Bremen Schulen gibt, die das anders organisieren, und ich glaube, das könnte vorbildhaft sein.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich für die ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE über die Bildungssituation von Flüchtlingen in Bremen bedanken. Hier werden nicht nur die Probleme und Entwicklungen im Lande erfasst, sondern die konkreten politischen Lösungen mit einer breiten Beteiligung vor Ort in Stadtteilen und Ortsteilen entwickelt.
Dementsprechend widerspreche ich Frau Vogt vollkommen. Ich habe diese Beantwortung der Großen Anfrage gelesen. Wir haben sie sehr ausführlich in der Sitzung des Unterausschusses Migration und Bildung diskutiert. Darin sind ganz klare Schritte, aber auch Handlungsbedarfe erklärt. Ganz klar dargestellt sind die Handlungsbedarfe und das, was man vorhat. In der Senatsvorlage ist das Konzept dargelegt, also was man noch vorhat. Sie, Frau Vogt, vermischen die Bedarfe beziehungsweise das, was auf uns in diesem Jahr noch zukommt, mit dem, was wir vorhaben. Das muss man an dieser Stelle klarstellen.
Frau Vogt hat noch einmal die Möglichkeit, darüber zu sprechen. Dann hat sie natürlich auch die Möglichkeit, an dieser Stelle weitere Fragen zu stellen.
Aber erst einmal gilt mein Dank auch für den Bericht der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder und Jugend über die Verbesserung von Verpflegungsstandards für Flüchtlinge. Heute sprechen wir über
die Standards in der Verpflegung von Flüchtlingen und ihre Bildungssituation. Ich will zuerst etwas zu Letzterem sagen. Die Verbindung von Soziales und Bildung beim Thema Flüchtlinge spricht dafür, dass dieses Thema uns sehr wichtig ist, dass die beiden Bereiche miteinander arbeiten, dass sie sich untereinander absprechen und dass Handlungsschritte abgesprochen werden.
Der anhaltende Konflikt in Syrien und die unsichere Lage in anderen Ländern dieser Region sorgen für konstant hohe, wenn nicht sogar weiter steigende Flüchtlingszahlen, die von den Bildungseinrichtungen in Bremen bewältigt werden müssen. Die Ausgangslage, also der individuelle Bildungshintergrund der Flüchtlinge selbst, ist dabei sehr unterschiedlich. Frau Vogt hat das auch angesprochen hat: Von Analphabetismus bis hin zu Personen mit akademischem Abschluss mit guten Deutschkenntnissen ist alles dabei. Eine Patentlösung für die Integration von minderjährigen Flüchtlingen in unser Schulsystem gibt es nicht. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden, und das ist ganz klar und deutlich in der Beantwortung der Großen Anfrage gesagt.
Es ist völlig klar, dass Bildung und ausreichende Deutschkenntnisse die entscheidenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration sind. Auch für die in diesem Jahr ankommenden Flüchtlinge müssen deshalb entsprechende Angebote stets gewährleistet sein und wurden auch gewährleistet. Gerade hat Frau Vogt von über 1 000 Plätzen in Vorkursen gesprochen, die neu entstanden sind. Das darf man nicht vergessen. Ebenso selbstverständlich muss es sein, dass minderjährige Flüchtlinge so schnell wie möglich in reguläre Klassen aufgenommen werden und keine dauerhaften Parallelstrukturen aufrechterhalten werden.
Für die Schulen und die zuständigen Behörden ist das alles eine Mammutaufgabe, die zusätzlich zum normalen Betrieb geleistet werden muss. Dass es dabei hier und da auch einmal klemmt und hakt, kann niemanden verwundern. Oft ist ja auch nicht unbedingt Geld das Problem. Genauso muss geeignetes und für diese Aufgaben qualifiziertes Personal gefunden werden, und das schüttelt man auch nicht einmal eben aus dem Handgelenk. An dieser Stelle möchte ich dem Bildungs- und Sozialressort auch einmal unseren Dank für das bisher Geleistete aussprechen.
Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich die Besuchergruppe „Artikel 5 Grundgesetz“.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte die Beantwortung dieser Großen Anfrage zuerst im Ganzen bewerten. Die Antwort des Senats ist meiner Ansicht nach ein wichtiges bildungspolitisches Dokument. Sie wiegelt nicht ab, sondern nennt die Dinge beim Namen. Einen solchen zusammenfassenden Bericht hat es bisher noch nicht gegeben. Er vermittelt einen sehr guten Überblick über die aktuelle Situation und die vorhandenen Angebote.
Über eines freue ich mich besonders, dass die genannten Problembereiche und Angebote nicht allein unter integrationspolitischem – ja, man könnte auch das unter integrationsproblematischem Blickwinkel beleuchten, das ist ja meistens der Fall – Blickwinkel beleuchtet werden, sondern sie im Rahmen der Bildungspolitik dargestellt werden. Hier wird deutlich, dass die Kernansätze bremischer Integrationspolitik in Verwaltung allmählich verankert werden, dass die Versorgung der Flüchtlinge eine Querschnittsaufgabe geworden ist und dass sie auf allen Sektoren der staatlichen Daseinsvorsorge eine reguläre Zielgruppe zu werden beginnt, meine Damen und Herren. Das wollten wir immer erreichen, und das ist auch gut so.
Es ist eine neue Qualität des Umgangs mit den Flüchtlingen in Bremen. Natürlich gibt es Unterschiede. Es gibt immer Bereiche, in denen es besser funktioniert, und Bereiche, in denen es schlechter läuft. Einige wenige Jugendliche haben zum Beispiel noch keinen Schulplatz, da ja erst die Schuleingangsuntersuchung erledigt werden soll. Dann können sie die Schule beginnen. Das ist für einige Schulen in manchen Stadtteilen eine besondere Herausforderung. Aber wir sollten wegen solcher einzelnen Fälle nicht das Ganze infrage stellen. Jede Betreuung, die noch Mängel aufweist, jedes Kind, das noch in der Schule untergebracht werden muss, jede Unterbringungssituation, die noch nicht akzeptabel ist, gibt uns – uns allen! – Gelegenheit, noch besser zu werden, und ich bin überzeugt, das ist auch in den Ressorts die inzwischen überwiegende Herangehensweise. Unseren Anspruch haben wir in mehreren Konzepten im Zusammenhang mit Flüchtlingen dargestellt. Es muss
Ich möchte gern etwas zu dem verbundenen Antrag der LINKEN zu Verpflegungsfragen, der inzwischen auch über die Deputation gelaufen ist, sagen. Es geht konkret um die Situation in der ZASt, Zentrale Aufnahmestelle, Steinsetzerstraße. Wir wissen, dass die Unterbringung von Menschen in Gemeinschaftsunterkünften immer problematisch ist. Deshalb haben wir auch dafür gesorgt, dass die Verweildauer in der ZASt und in Übergangswohnheimen soweit wie möglich kürzer ist. Es bleibt aber unvermeidbar, meine Damen und Herren, dass die Flüchtlinge eine gewisse Zeit dort wohnen müssen, und sie müssen dort auch ernährt werden.
Jeder, der schon einmal in einer Kantine gegessen hat, weiß, dass es dort nicht so schmeckt wie zu Hause oder auch, wenn man selber kocht. Bei 250 Menschen, die alle unterschiedliche Esskulturen und Ernährungsgewohnheiten haben, ist das nicht ganz einfach. Es leuchtet ja auch ein, dass das Essen nicht den Geschmack von jedem und jeder von ihnen trifft. Aus all diesen Gründen legen wir Wert darauf, dass, wie ich gesagt habe und betonen möchte, die Aufenthaltszeit in der ZASt kurz ist und dass man in den Übergangswohnheimen selber kochen darf.