Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

So viel wir auch in Einzelfällen darüber streiten, kann es aber doch keinen Zweifel daran geben, dass wir im Bereich der Bildungspolitik viel für die frühe Bildung, viel für das Kindeswohl getan haben, dass wir viel für Sprachförderung gemacht haben, dass wir über den Ausbau der Ganztagsschulen die Chancen auf Bildung verbessert haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Mir geht es aber gar nicht um Lorbeeren für das, was wir getan haben. Wir haben die verfestigte Armut in Bremen und Bremerhaven nicht so beseitigen und aufbrechen können, dass wir sagen könnten, wir können mit dem zufrieden sein, was wir gemacht haben. Nein, ich bin nicht mit dem zufrieden und möchte mehr in diesem Bereich tun! Deswegen meine Einladung an Sie! Ich habe mich gefreut, dass die Handelskammer diese Einladung angenommen hat, ich habe mich gefreut, dass die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege diese Einladung angenommen hat, und ich verstehe es so, dass Sie diese Einladung heute auch angenommen haben.

Ich will Ihnen einmal ganz konkret sagen, was ich mir zum Beispiel vorstelle. Zunächst dazu, dass meine Kollegin Anja Stahmann und ich in den nächsten Tagen darüber sprechen werden, dass wir einen Diskussionsprozess mit vielen gesellschaftlichen Gruppen, aber auch mit vielen, die innerhalb des Senats beteiligt sind, in Gang setzen. Dann möchte ich, dass wir konkret werden. Ich habe eigentlich kein Interesse an weiteren Grundsatzdebatten.

Das größte Armutsrisiko ist die Arbeitslosigkeit. Wir erleben, dass wir trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Jahre eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit haben. Wir erleben, dass wir diese verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit mit den herkömmlichen Instrumenten der Bundespolitik und auch der Landespolitik nicht haben beseitigen können. Ich glaube deshalb, dass wir dringend eine Herangehensweise brauchen, die auf der einen Seite den Zugang zur Arbeitslosigkeit stoppt und es auf der anderen Seite auch langjährigen Leistungsbeziehern noch ermöglicht, zum Beispiel über nachholende Berufsab

schlüsse und durch Begleitung beim Arbeitgeber den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Von daher möchten wir im Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramm einen deutlichen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit legen.

Des Weiteren wollen wir den Fokus auf an- und ungelernte Arbeitslose richten, um ihnen mit einem Mix aus abschlussbezogenen Qualifizierungsangeboten, finanziellen Anreizen, umfangreichen Beratungsangeboten doch noch existenzsichernde Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Das ist ein Beispiel dafür, was ich mir vorstelle, was wir gemeinsam bearbeiten und wozu wir natürlich die Wirtschaft brauchen, die Unternehmen brauchen, die Arbeitgeber brauchen, wo wir uns mit unseren verschiedenen fachlichen Möglichkeiten einbringen. Diese Beispiele könnte ich fortsetzen.

Wir wollen also unsere Anstrengungen verstärken. Wir sind zum Teil auf einem guten Weg. Zum Teil müssen wir schauen, was wir besser machen können. Ich lade noch einmal alle ein, dabei zu sein. Es bleibt die größte Herausforderung einer Gesellschaft, wenn die soziale Spaltung zunimmt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Das finde ich gerade am Beginn eines neuen Jahres eine wichtige Angelegenheit. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich dankbar dafür, dass offensichtlich über alle Fraktionen übergreifend die Auffassung vorherrscht, dass es ein schlichtes „Weiter so!“ in der Debatte, aber auch in den Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um die verfestigte Armut zu bekämpfen, nicht geben wird, und das bedeutet für mich auch, dass wir die Frage der Armutsbekämpfung nicht allein dem Bürgermeister und dem Senat überlassen dürfen. Wenn es richtig ist, was Sie gesagt haben, Frau Wendland, und wenn es richtig ist, was Klaus Möhle gesagt hat, und wenn es richtig ist, was Herr Erlanson gesagt hat, dann, glaube ich, ist es auch richtig, dass wir als Parlament insgesamt das Thema der Armutsbekämpfung zu einem unserer parlamentarischen Schwerpunkte in den nächsten Wochen und Monaten machen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist eben nicht ausschließlich eine Angelegenheit des Senats, und ich bin der Auffassung, dass unsere Arbeitsstruktur im Parlament das nicht widerspiegelt, was der Bürgermeister eben als Arbeitsauftrag für den Senat beschlossen hat.

Sie haben die Einrichtung einer Enquetekommission abgelehnt, damals übrigens noch mit der Begründung: Wir warten auf den Armuts- und Reichtumsbericht der Sozialsenatorin. Ich glaube, diese Argumentation hat sich ein bisschen überholt. Ich habe den Eindruck, so lange, bis zum Herbst dieses Jahres, will keiner mehr warten. Der Bürgermeister hat angekündigt, jetzt schnell zu konkreten Verabredungen zu kommen. Ich finde, wir als Parlament sollten den Senat dabei unterstützen, und deswegen rege ich an und kündige an, dass wir als CDU-Fraktion beantragen werden, einen Parlamentsausschuss einzurichten, der das Thema Armutsbekämpfung zum ressortübergreifenden Schwerpunkt seiner Tätigkeit bis zum Ende der Legislaturperiode machen wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe, dass wir diesen Antrag vielleicht sogar gemeinsam beraten und unterstützen können, damit wir die Arbeitsschwerpunkte des Ausschusses gemeinsam festlegen und die Zusammensetzung miteinander vereinbaren. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das Thema nicht in den unterschiedlichen Ausschüssen und Deputationen lassen können, denn es ist ein Thema – wie der Bürgermeister sagt – der Arbeitsförderung und damit des Senators für Wirtschaft und der Deputation für Wirtschaft und Arbeit, es ist ein Thema der Sozialsenatorin und damit der ihr angeschlossenen Deputation, es ist ein Thema der Bildungssenatorin und selbstverständlich auch der Bildungsdeputation, es ist übrigens auch ein Thema des Innensenators, weil wir wissen, dass verfestigte Armut in solchen Familien eben auch zu höherer Kriminalitätsbelastung führen kann. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns auch als Parlament Armutsbekämpfung endlich interdisziplinär begreifen und die richtige Antwort auf das finden, was der Senat für den Rest der Legislaturperiode beschlossen hat! Wir als CDU-Fraktion sind dafür, dass wir uns dieser Aufgabe auch mit neuen Arbeitsstrukturen stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Dann werden wir auch noch mal sehr genau darüber reden müssen, was uns unterscheidet. Ja, Klaus Möhle, die Welt ist ungerecht, und die Verteilung von Ressourcen weltweit ist auch ungerecht, sie ist deutschlandweit ungerecht, aber, Klaus Möhle, sie ist eben auch in Bremen ungerecht. Wir haben das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt je Einwohner nach Hamburg, und wir haben das höchste Armutsgefährdungsrisiko in unserem Land. Daran können doch nicht die Weltpolitik und auch nicht die nationale Politik schuld sein. Wenn es in 15 anderen Ländern besser läuft, meine Damen und Herren, dann muss es ja wohl auch Bremer Ursachen für diese Disparität zwischen Arm und Reich geben. (Beifall bei der CDU)

Deswegen, glaube ich, geht es auch nicht darum, Herr Erlanson, dass wir jetzt irgendwo parlamentarisch noch eine große Umverteilungsdebatte führen. Es geht eben nicht darum, dass wir Mechanismen finden, wie wir die Armut mit monetärer Zuwendung und Umverteilung bekämpfen. Den Menschen ist über den Tag natürlich mit höheren Hartz IV-Sätzen, mit höheren kinderbezogenen Leistungen, mit billigerem Wohnraum und was alles dahinter steckt, geholfen. Da haben Sie – das habe ich vorhin ja gesagt – als Senat, als Parlament und als rot-grüne Koalition in der Vergangenheit auch einen Schwerpunkt gesetzt. Aber die Ursachen der Armut ändern und verändern Sie doch nicht durch Alimentation von Armut. Die Ursachen von Armut ändern Sie nur, wenn es neue politische Ansätze gibt, bessere schulische Ausbildungen zu organisieren, einen besseren Berufseinstieg für Kinder und Jugendliche in Bremen und Bremerhaven zu finden, eine bessere Qualifikation für den Arbeitsmarkt von Langzeitarbeitslosen zu finden, bessere Chancen für Alleinerziehende von Kindern zu finden, bessere Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt für Menschen zu finden, die mit Migrationserfahrung unter uns leben, auch übrigens für diejenigen, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Das sind doch die Maßnahmen, die nicht mit Geld zu bezahlen sind, sondern die politische Weichenstellungen erfordern. Dafür werben wir als CDU-Fraktion!

(Beifall bei der CDU)

Solange wir die Ursachen von Armut politisch nicht beseitigen, nützt uns ein 40- oder 50- Millionen-EuroProgramm zur Bekämpfung von Armut nicht. Das geht nur interdisziplinär, das geht nur, wenn wir die Bruchstellen zwischen Kita, U3-Betreuung und Schule aufbrechen, wenn wir es endlich schaffen, die Trennlinien zwischen Schule und Jugendförderung zu beseitigen, wenn wir es endlich schaffen, die Arbeitsmarktpolitik wieder so auszurichten, dass die Menschen nicht immer nur gefördert, sondern auch gefordert werden und das Gefühl haben, wenn sie sich anstrengen, haben sie eine Zukunft auf dem Arbeitsmarkt und haben auch die Möglichkeit, von ihrer eigenen Hände Arbeit zu leben. Wir vermitteln ihnen Perspektivlosigkeit und Förderung. Das Gegenteil muss der Fall sein.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen auch die Chance haben, sich wieder an unserer Gesellschaft zu beteiligen. Deswegen geht es eben nicht nur um die Teilhabe als arme Menschen, Herr Möhle, sondern es geht darum, den Menschen einen Weg aus der Armut heraus zu zeigen, es geht darum, ihnen Chancen zu vermitteln. Unser Problem in der Gesellschaft ist nicht das Fehlen von Geld, unser Problem in der Gesellschaft ist, dass einige Menschen einfach keine Chancen haben, aus ihrer prekären Situation herauszukommen,

(Glocke)

Wenn wir das als unsere Aufgabe, auch parlamentarisch, begreifen, dann, bin ich mir sicher, werden wir es schaffen, mit einem gemeinsamen politischen Ansatz die Chancen der Menschen in Bremen und Bremerhaven wieder so zu verbessern, dass wir am Ende kein einziges Schicksal eines einzigen Kindes, eines einzigen Langzeitarbeitslosen und eines einzigen Rentners vergessen, dass wir diese Menschen nicht aufgeben, sondern sie als wertvollen Teil unserer Gesellschaft begreifen, dass wir sie nicht nur alimentieren, sondern dass wir sie fordern und wir ihnen Chancen mitten in unserer Gesellschaft geben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Dreiviertelstunde ist viel gesagt worden. Ich glaube, den interessantesten Satz hat Frau Wendland gesagt, indem sie gesagt hat: Armut wird vererbt. Das ist, glaube ich, genau der springende Punkt. Natürlich, Herr Röwekamp, ich gebe Ihnen recht: Man muss die Ursachen von Armut bekämpfen. Programme, die wir haben, wie Soziale Stadt Bremen, LOS oder WiN, sind unbestreitbar wichtig und nötig, und je mehr daran gefeilt oder gestrichen wird, desto schwieriger wird das für die Menschen in den Stadtteilen.

Aber das Problem ist, Armut wird vererbt, und sie wird in Bremen und Bremerhaven auch unterschiedlich regional vererbt. Ich habe das schon ein paar Mal gesagt: Wenn ich in Gröpelingen an Schulen bin – da bin ich nun einmal zwangsläufig seit zwölf Jahren –, erlebe ich Jugendliche, die sich nicht einmal trauen, die Postleitzahl 237 oder 239 in ihrem Absender zu verwenden, wenn sie Bewerbungen schreiben, ganz einfach, weil diese Stadtteile in sich schon so verbrannt sind, weil Armut da vererbt wird.

Wir haben hier ganz viel zu Bildung gehört. Ich glaube, da ist genau der Punkt, in dem man sagen muss, Bildung ermöglicht natürlich gesellschaftliche Teilhabe und Teilhabe am Arbeitsmarkt, aber nur vielleicht, weil die richtige Tür natürlich die Teilhabe am Arbeitsleben und an der Erwerbstätigkeit ist. Wir haben hier ein vorgelagertes Problem im Bildungsbereich. Das ist schon seit mindestens 20 Jahren sehr virulent. Hier sind diverse Entscheidungen gefallen – da gebe ich Ihnen recht, Herr Röwekamp –, da geht es um politische Weichenstellungen, die kontraproduktiv sind und falsch waren. Ich kann eines sagen: Diejenigen, die wir jetzt als Bugwelle im Übergangssystem haben, die schlecht ausgebildet sind, einen schlechten oder gar keinen Schulabschluss haben und nicht in Ausbildung kommen, sind diejenigen, die schon 12, 13 Jahre zur Schule gegangen sind. Da ma

chen sich die ganzen Sünden bemerkbar, die wir im Bildungsbereich hatten. Wir hatten Stellenabbau, und wir hatten vor allen Dingen ein Problem damit, dass Herr Lemke damals gesagt hat: Wir arbeiten das Programm „Geld statt Stellen“ aus. Damit wurde die Förderung mit dem Gießkannenprinzip über ganz Bremen verteilt, statt sie individuell in genau in den Stadtteilen zu gewähren, in denen es nötig wäre. Das heißt, in Schwachhausen kam das gleiche Geld an wie in Gröpelingen, und in Gröpelingen wurde dann Deutsch als Zweitsprache gestrichen. Das war die erste Ursünde.

Die zweite Ursünde, eine Sünde der Großen Koalition: die komplett freie Elternwahl! Die macht es uns jetzt verdammt schwierig gegenzusteuern. Wir erleben doch auch aufgrund der Bildungsreform von 2009 mit dem Schönheitsfehler „Erhalt der Gymnasien“ die gesamte Segregation an den Schulen. Herr Röwekamp, hören Sie mir zu! Sie haben selber letztens zugegeben, dass das eine falsche Debatte war, weil sie dazu führt, dass Inklusion und Oberschule eine Aufgabe der armen Stadtteile ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das muss man doch einmal angehen. Herr Röwekamp, Sie können mir ruhig zuhören!

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist falsch!)

Zu dem Wort von Herrn Bürgermeister Böhrnsen: Wir reden über konkrete Taten. Eben ist gesagt worden, wir hätten sehr viel im Bereich der durchgängig implementierten Sprachförderung gemacht. Nein, genau das haben wir eben nicht! Ich habe hier schon diverse Male bemängelt, dass Sprachförderung eben nicht durchgängig implementiert ist, sondern dass es teilweise Programme sind, die über Stadtteilschule und Vereine laufen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Der Kollege Fecker hat mir, nachdem wir über die PISA-Studie geredet haben, in der Bildungsdeputation recht gegeben. Er hat gesagt, dass wir, wenn wir Bildung richtig aufgreifen wollen, das Problem Sprachförderung zuerst angehen müssen. Ich muss Ihnen einmal ganz ehrlich sagen: Es reicht eben nicht, das immer nur zu betonen. Durchgängige Sprachförderung ist leider etwas, das man nicht zum Nulltarif kriegen kann.

(Beifall bei der der LINKEN – Zuruf des Abg. S t r o h m a n n [CDU])

Herr Strohmann, damit hat man natürlich noch nicht alles im Bildungsbereich gewuppt, das weiß ich auch. Wir haben natürlich auch ein strukturelles Problem an Schulen, wir haben das Problem, dass sich Bildungseliten abgrenzen und abschotten. Ich glaube, da müssen wir ganz andere Diskussionen führen als

nur die finanziellen. Das ist mir durchaus klar, Herr Strohmann. Das reicht tatsächlich vom Kopf bis nach unten, also auch bis zu den Eltern. Wenn man das alles wirklich einmal angeht, dann hätte man vielleicht die Möglichkeit – vielleicht, weil im Bildungsbereich dicke Bretter zu bohren sind –, dass wir Schüler und Schülerinnen mit 15 oder 16 Jahren aus der Schule entlassen, die tatsächlich sofort in der Lage wären, einen Ausbildungsplatz anzunehmen, wenn sie ihn denn fänden.

Kommen wir zum nächsten Problem! Das ist tatsächlich eine Gesamtaufgabe, Herr Röwekamp, da ist auch Wirtschaft gefragt. Natürlich haben wir hier ein paar Mal ideologische Debatten gehabt, weil Wirtschaft in der Vergangenheit „unter dem Durst“ ausgebildet hat. Das hat sich jetzt geändert. Die Konjunktur ist da. Die Bremer Wirtschaft, allen voran die Handelskammer, hat signalisiert, auch im inklusiven Bereich mehr ausbilden zu wollen. Nur – wenn man sich die nackten Zahlen anguckt, stellt man das fest –: Nur 43 Prozent der Ausbildungsplätze gehen an Bremer Schülerinnen und Bremer Schüler. Klar, wir sind eine Metropolregion; das hat man in anderen Metropolregionen auch. Natürlich haben wir Auszubildende aus dem Bremer Umland, das ist auch richtig so. Das Problem ist nur, dass wir am Arbeitsmarkt immer noch eine Diskriminierung der Schülerinnen und Schüler haben, die aus Bremen kommen und hier ihren Abschluss gemacht haben, weil es heißt: Der Abschluss zählt nicht viel, und weil es heißt: Die sind nicht ausbildungsreif.

Hier möchte ich einen guten Vorschlag machen. Wir diskutieren ja auf verschiedenen Ebenen das Modell, das in Hamburg gerade implementiert wird. Dort setzt das Land eine staatliche Ausbildungsgarantie fest, diskutiert mit den Kammern, hat die irgendwie zu Vereinbarungen gebracht. Da geht es auch um die Anerkennung von vollschulischen Abschlüssen. Genau diese Diskussion müssen wir hier auch in Gang setzen. Da müssen sich alle bewegen, da muss sich Politik bewegen, da müssen sich die Ressorts bewegen, da muss sich Wirtschaft bewegen. Die Bereitschaft ist ja da. Aber das darf man nicht mehr so ideologisch verbohrt diskutieren, wie das hier in der Vergangenheit teilweise gemacht worden ist, und vor allen Dingen muss das Land dann auch einmal sagen: Wir führen die 800 staatlich geförderten Ausbildungsplätze, die es einmal gab, ohne Wenn und Aber wieder ein. Dann hat man eine Möglichkeit, diese Bugwelle endlich einmal in den Griff zu kriegen.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Ich hätte hier jetzt gerne noch etwas zur Frauenerwerbstätigkeit gesagt, aber der Präsident klingelt mich ab. Das ist – ein abschließender Satz! – ein Riesenproblem. Bei der Frauenarmut in Bremen ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern noch ganz besonders groß, mit 27 Prozent die höchste im Bundesschnitt. Natürlich ist es so,

(Glocke)

dass Frauenarbeit meistens in Bereichen angesiedelt ist, in denen es keine gewerkschaftliche Organisierung gibt, weil es sowieso die niedrigen Löhne sind, und ich glaube, auch bei Bremern und Bremerinnen ist dies einmal aufzulösen. Da ist Politik gefragt.

(Glocke – Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, jetzt haben Sie es aber auch ausgereizt!

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass es diese Debatte heute an dieser Stelle gibt, auch, dass es sie in der Form gibt, in der sie stattgefunden hat. Ich möchte mich bei allen, angefangen mit der Neujahrsrede des Bürgermeisters bis hin zu den Beiträgen der Opposition, bedanken, dass die Debatte so geführt worden ist, wie sie geführt worden ist, nämlich in einer Weise, dass man, wenn man sich einmal nach draußen versetzt und auf uns hier reinschaut, wirklich das Gefühl haben kann, dass sich alle ernsthaft damit auseinandersetzen, dass wir hier tatsächlich ein großes Problem haben und dass wir überlegen, wie wir die Dinge besser machen können als in der Vergangenheit, und zwar völlig unabhängig davon, wer wann wie wo mit wem reagiert hat. Das interessiert die Leute meistens am allerwenigsten. Dass Sie in der Zukunft besser werden sollen, das interessiert sie, und daran haben sich heute, finde ich, alle beteiligt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, man muss noch ein paar Takte dazu sagen, dass diese Debatten nicht ohne Konsequenzen – „nicht ohne politische Weichenstellungen“ hat es jemand in dieser Debatte genannt – sein können, und darüber werden wir dann sehr ernsthaft und sehr intensiv streiten müssen.