Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Die Krankenkassen reden seit 30 Jahren davon, dass das Klinikum St. Joseph-Hospital eigentlich überfällig ist, dass es überzählig ist, und seit diesem Zeitpunkt wird versucht, in Bremerhaven eine Krankenhausstrukturreform unter Beteiligung aller drei Häuser, der Krankenkassen, aber auch der Politik durchzuführen. Das ist bis heute nicht gelungen.

Ich will jetzt nicht noch einmal referieren, was ich mir hier aufgeschrieben habe, weil ich nun leider auch vorher schon viel Zeit verbraucht habe, wie die einzelnen Steps in diesem Prozess gewesen sind. Wir hatten ja im Jahr 2011 mit dem Letter of Intent durchaus den Eindruck gewonnen, wir hätten hier jetzt eine vernünftige Planung, wir hätten die Übereinstimmung der drei Träger, und dann ist das, was eigentlich verabredet war, nämlich die Fusion der beiden Kliniken, auf einmal zunichte gemacht worden durch die Übernahme des St. Joseph-Hospitals durch das DRK-Krankenhaus. Dann hat man immer noch verabredet, sich in einer ganz bestimmten Art und Weise der Versorgungssituation in Bremerhaven anzunehmen, aber auch das ist offiziell noch gar nicht aufgekündigt worden.

Das, was die Stiftung dort macht – Sie haben ja sehr ausführlich beschrieben, dass dies auch zu Ihrem Ent

setzen ohne Beteiligung und Information der Beschäftigten geschah –, ist natürlich katastrophal. Die Beschäftigten gehen auf die Straße, sie stehen zu Recht hier voller Wut und wissen gar nicht, was mit ihnen geschieht, und wir sind alle gehalten, entsprechend im Rahmen unserer Möglichkeiten irgendwo etwas dazu beizutragen, damit für sie eine vernünftige Situation organisiert wird. Das können wir aber doch nicht zum jetzigen Zeitpunkt, und ganz bestimmt können wir das nicht, indem wir einfach einmal sagen, wir kaufen die Klinik, und ganz bestimmt kann auch der Senat nicht dem Magistrat sagen, er möge nun die Anteile übernehmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Stadt Bremerhaven – und da, glaube ich, kann ich auch für uns sprechen – und auch wir haben selbstverständlich ein hohes Interesse daran, wenn denn klar ist, wer mit welchem Interesse die Kliniken übernimmt, dass hier in enger Abstimmung gemeinsam eruiert wird, was machbar ist, denn niemand von uns will, dass eine Heuschrecke sich die lukrativen Bereiche heraussucht, die anderen aber fallen lässt, damit unser kommunales Krankenhaus in große Bedrängnis bringt und letztlich für die Situation in Bremerhaven nur Schaden anrichtet. Wenn es aber so sein sollte – und auch das ist zum jetzigen Zeitpunkt ja immerhin noch möglich –, dass ein freigemeinnütziger Träger eventuell Interesse daran hat, vielleicht ja tatsächlich das Deutsche Rote Kreuz, vielleicht auch die Diakonie, dann, glaube ich, stehen wir vor einer völlig anderen Situation, nur mir liegen überhaupt keine Informationen dazu vor. Vielleicht wissen Sie mehr als ich, Herr Bödeker, dann lassen Sie mich an Ihrem Wissen teilhaben! Zum jetzigen Zeitpunkt, meine ich, können wir eigentlich gar nichts tun, sondern nur abwarten, was sich dort tatsächlich konkretisiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Hoch, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik Am Bürgerpark und des St. Joseph-Hospitals ist der 20. Januar ein schwarzer Montag gewesen. An diesem Tag hat sie die Mitteilung der Stiftung DRK-Krankenanstalten Wesermünde erreicht, in der stand, es würde jetzt die Reißleine gezogen. Das aktuelle Konzept zur Bildung medizinsicher Zentren an zwei Standorten erfülle nicht die wirtschaftlichen Erwartungen, die Stiftung wolle mit interessierten Investoren über den Kauf der Kliniken verhandeln, und es war auch noch aufgeführt der Verzicht auf betriebsbedingte Kündi

gungen. Im Februar sollte festgelegt werden, mit welchen Investoren Gespräche zur Übernahme geführt werden sollen, und die Entscheidung, wie wir wissen, soll jetzt im April getroffen werden.

Diese Mitteilung der Stiftung DRK-Krankenanstalten Wesermünde hat nicht nur bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für sehr viel Wirbel gesorgt, sondern auch bei uns in der Politik, besonders vor dem Hintergrund, dass man noch ein paar Tage vorher im Lenkungsausschuss zusammensaß. Kein Wort der Verantwortlichen der Stiftung darüber, dass man die Aufgabe, die man sich gestellt hat, nicht stemmen kann! Bei allen steht vorwiegend die Frage nach dem Warum an erster Stelle. Was ist passiert beziehungsweise was ist nicht passiert, um dieses Ziel zu erreichen? Jetzt wissen wir auch noch, dass die Seepark Klinik ebenfalls noch zum Verkauf steht.

Ich war ein bisschen entsetzt über die Äußerung vom Landrat Bielefeld zur Übernahme des St. Joseph-Hospitals. Er sagte zur Begründung, er habe die Übernahme gemacht, um sich die Marktanteile zu sichern, sie wären sonst in die Zange von Privaten genommen worden, und genau diese Tür hat er jetzt damit geöffnet. Das sollte eine präventive Angelegenheit sein und hat uns jetzt in ein Dilemma gebracht, und das Schlimme ist, dass es zu diesem Dilemma keine Lösung gibt.

Ich will an dieser Stelle hier keine Vergangenheitsbewältigung machen, aber – –.

(Abg. I m h o f f (CDU): Aber!)

Nein, der Deal reicht ja zehn Jahre zurück, daher denke ich, wir müssen einen Punkt ansprechen, der mir wichtig ist, nämlich die Verantwortung von Stadt und Land! In Paragraf 3 Bremisches Krankenhausgesetz steht: „Die Sicherstellung der Krankenhausversorgung ist eine öffentliche Aufgabe des Landes und der Stadtgemeinden Bremer und Bremerhaven nach Maßgabe dieses Gesetzes. Dabei ist die Vielfalt der Krankenhausträger zu beachten.“ Das finde ich auch wichtig. Für uns Grüne gehe ich noch weiter, dazu gehört auch die Verzahnung mit dem ambulanten Bereich und perspektivisch auch die Planung mit dem Land Niedersachsen.

Zur jetzigen Situation haben wir aber auch schon im Januar deutlich gesagt, dass die Stadt nicht in der Lage ist, die Kliniken zu kaufen, und dies nicht nur vor dem Hintergrund unserer Haushaltslage, wir könnten den Beschäftigten auch nicht sagen, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben, auch wir müssten Betten und Doppelstrukturen abbauen. So sieht die Situation aus, und ich finde es richtig und wichtig, dass wir keine Hoffnungen wecken, die wir nicht einmal im Ansatz erfüllen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich denke, verantwortliche Politik ist es auch, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit ist auch, dass wir zurzeit nicht das Heft des Handelns in der Hand haben. Ich gebe zu, es fällt uns wirklich schwer, abzuwarten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine positive Nachricht überbringen zu können, aber deshalb stehen wir nicht da und zucken mit den Schultern, die Gespräche mit dem Land Niedersachsen, den Krankenkassen und so weiter laufen trotzdem. Die DRK-Stiftung Wesermünde ist zurzeit aber nicht bereit, zur Aufklärung der Situation beizutragen, ich verweise hier nur auf den Auftritt des Geschäftsführers der Klinik Am Bürgerpark und des St. JosephHospitals im Gesundheitsausschuss. Es war nicht zu erfahren, warum die Situation jetzt so ist, wie sie ist.

Frau Böschen hat schon darauf hingewiesen, dass der Versorgungsauftrag, also alle Rechte und Pflichten, auf einen Neuen übergehen wird. Ich weiß, es ist eine schwierige Situation, aber den Antrag der LINKEN, dass wir kommunale Anteile beziehungswiese die Häuser erwerben sollten, halte ich für Augenwischerei und sogar für verantwortungslos.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihr Antrag geht ebenfalls in diese Richtung, und ich war ein wenig entsetzt über Ihr Statement vor 14 Tagen in der Zeitung, in dem Sie sagten, die DRKStiftung müsste eine Finanzhilfe erhalten. Da habe ich mich gefragt, ob Sie die Situation der Stiftung kennen, weil Sie so einfach sagen, sie sollte einmal eine Finanzhilfe erhalten. Bei beiden Anträgen kann ich nur sagen, Sie kennen die Diagnose nicht, aber wollen eine Therapie vorschlagen, die fehlschlägt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. B ö d e k e r [CDU]: Augen zu und durch!)

Nein, nicht Augen zu und durch! Sie sehen nur den Kauf, Sie beachten die Versorgungsqualität überhaupt nicht, die blenden Sie völlig aus!

(Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss!

Die Systematik der Krankenhausplanung haben Sie, denke ich, immer noch nicht verstanden, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass es jetzt ein Konzept für die medizinische Versorgung geben solle. Das ist Krankenhausplanung, und der jetzige Plan geht bis 2015. Sie fordern in Ihrem Antrag auch die Sicherung der Arbeitsplätze im Krankenhausbereich Bremerhaven. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir das nicht zusagen können, das wissen Sie eigentlich auch. Sie schreiben dann weiter, dass die Sicherstellung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des kommunalen Klinikums Bremerhaven-Reinkenheide im Rahmen der Landeskrankenhausplanung erfolgen

sollte. Das ist ein eigenständiges Unternehmen, wir können das nicht durch die Krankenhausplanung sicherstellen. Die Krankenhausplanung ist immer an eine bedarfsgerechte Versorgung und Qualität gekoppelt, und das ist, finde ich, für die Bevölkerung wichtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Glocke)

Wie gesagt, streuen Sie den Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und auch der Bevölkerung keinen Sand in die Augen! Sagen Sie, dass wir das Ende April zusammen bewerten und danach Lösungen suchen werden, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und eine qualitativ hochwertige Versorgung für die Bevölkerung in Bremerhaven sicherzustellen, dann sind wir auf Ihrer Seite. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer meiner Vorredner hat hier noch sein Manuskript liegen lassen!

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Einfach über- nehmen! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Lies doch einfach noch einmal vor!)

Der vorletzte Redebeitrag hat mich doch, wie soll ich sagen, ein wenig erschüttert. Ich muss heute zu diesem Thema reden, weil mein Kollege Erlanson wegen einer sehr dringenden beruflichen Angelegenheit leider nicht an der heutigen Sitzung teilnehmen kann. Deswegen muss ich als jemand, der bekennenderweise kein Insider ist, hier zumindest unseren Standpunkt vortragen. Ich habe aber in der kurzen Debatte gelernt, insbesondere nach dem letzten Beitrag, dass man mit dem Versuch, irgendetwas Vernünftiges zustande zu bringen, gescheitert ist.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Ja, seit 30 Jahren!)

Jetzt gibt es den Vorschlag, sich damit nicht abzufinden, und es gibt Vorschläge, insbesondere von uns, die besagen, dass wir eigentlich ein Konzept benötigen, in dem das steht, was in Bremen für die kommunalen Kliniken gilt, nämlich dass es natürlich schwierig ist und wir natürlich Schwierigkeiten haben, schwarze Zahlen zu schreiben, dass diese Formen der Investitionen im Haushalt schwerfallen und wir auch darüber nachdenken müssen, wie viele Menschen eigentlich unter welchen Bedingungen arbeiten

und dass trotz all dieser Probleme die Privatisierung von Kliniken aus ganz bestimmten Gründen nicht erstrebenswert ist. Wir wissen nämlich, wenn wir Kliniken privatisieren, besteht erstens die Chance, dass deutlich mehr Arbeitsplätze abgebaut werden und die Arbeitsbedingungen deutlich schneller schlechter werden als bei kommunalen Kliniken, ganz einfach deswegen, weil die Ansprüche an die Verwertung höher werden.

Zweitens, wir befürchten, nicht zu Unrecht, dass die Versorgungssicherheit zwar nicht von heute auf morgen komplett zusammenbricht, aber dass Kliniken, wenn man sie verkauft und sie privatisiert sind, dazu neigen, sich das Beste herauszusuchen, indem sie sich einem Konzept entziehen, in dem die lukrativen Dinge die weniger lukrativen Dinge ein Stück weit querfinanzieren. Diesen Effekt kann man nicht verleugnen. Er ist ja keine böswillige Erfindung der bösen LINKEN, sondern ein Effekt, den wir an ganz vielen Stellen spüren und wahrnehmen müssen. Deswegen finde ich es richtig, dass man darüber nachdenkt, ob man den Verkauf der Kliniken nicht als Chance nutzen kann, die Kliniken zu kaufen, um sie in einen kommunalen Klinikverbund, auch in Bremerhaven, zu überführen, und ob man nicht ein Konzept für die Gesundheitsversorgung in Bremerhaven und den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze entwickelt.

Ein solches Konzept hier als Augenwischerei oder leere Versprechung darzustellen, finde ich schwierig. Ich denke, es ist die Aufgabe dieses Parlaments, sich genau darüber Gedanken zu machen, denn das, was für die kommunalen Kliniken in Bremen gilt, gilt meines Erachtens selbstverständlich auch für Bremerhaven. Deswegen muss man, und das haben wir auch beantragt, über entsprechende Konzepte nachdenken oder einen Vorschlag erarbeiten, denn ohne einen konkret ausgearbeiteten Vorschlag kann man doch die Entscheidung, ob sich eine Investition trägt und ob wir sie durchführen können oder nicht, gar nicht fällen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt im Übrigen auch die Meinung, dass die Schuldenbremse gefährdet wäre, wenn wir diese Kliniken nun kaufen würden. Nach meinem Kenntnisstand ist der Verkauf und Kauf von Beteiligungen nicht Gegenstand des strukturellen Defizits.

(Senator G ü n t h n e r: Wenn sie nicht de- fizitär sind!)

Das steht meines Erachtens so nicht in den Sanierungsvereinbarungen! Der Kauf und der Verkauf von Anteilen oder von öffentlichem Eigentum ist nicht Gegenstand des strukturellen Defizits, sodass von dieser Seite keine Gefahr droht. Wenn wir diese investiven Mittel in die Hand nehmen, gibt es eine gute Chance, dass es unter dem Strich nicht teurer wird.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie kennen alles in Bremerhaven?)

Ich kenne die Situation nicht, das gebe ich gern zu!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie kennen auch die baulichen Gege- benheiten?)

Ich weigere mich aber zu akzeptieren, dass hier eine Regierungskoalition vor Problemen kapituliert, die sie eigentlich lösen müsste, denn das ist mein Petitum.

Drittens wollen wir natürlich detailliertere Auskünfte darüber erhalten, was eigentlich mit den Kliniken passiert.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Von wem wollen Sie sie denn?)

Von der Stiftung wollen wir sie!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die ist nicht verpflichtet, Ihnen diese Informationen zu geben! Glauben Sie, dass sie sie Ihnen geben, wenn wir sie nicht be- kommen?)