Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Hört, hört!)

Seit dem Jahr 1870, leicht zu merken, hat sich bei uns das Lebensalter verdoppelt. Jedes Jahr gehen rund eine Million Menschen in den Ruhestand, sie werden immer älter und ein Großteil von ihnen immer pflegebedürftiger. Just passend zum Thema erschien vorgestern im „Weser-Kurier“ ein Artikel unter dem Titel „Der fitte Rentner als Betreuer“.

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Damit war ich gemeint!)

Zum Beispiel! Dort heißt es, bis zum Jahr 2030 werde die Zahl der Pflegebedürftigen um 28 Prozent steigen. Entsprechend würden im Jahr 2030 bundesweit rund eine halbe Million Pflegekräfte fehlen. Doch so wird gefragt: wie diese Lücke schließen, will man das heutige Niveau in der Pflege halten? Das ist die Frage, und wie ist die Antwort? Frau Ahrens hat das Stichwort „Haushaltsnotlageland“ gegeben.

Der Sozialstaat ist aus Kostengründen in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage, den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht zu werden. Das gilt umso mehr, als durch die Umkehrung der Bevölkerungspyramide auch die Zahl der Pflegekräfte zurückgeht. Aus demselben Grund wird es auch immer

weniger Personen in Familien- und Bekanntenkreisen geben, die ältere und pflegebedürftige Menschen in ihrem häuslichen Umfeld pflegen. Die fortschreitende Erosion der Familie tut ein Übriges. Um den Älteren dennoch ein menschenwürdiges Leben auch bei Pflegebedürftigkeit ermöglichen zu können, sollten wir in der Tat verstärkt auf private Initiativen setzen.

Alexander Künzel ist der Vorstandsvorsitzende der Bremer Heimstiftung. Er sagte in erwähnten Artikel dazu, Zitat: „Die einzige Wachstumsressource ist die deutliche Zunahme rüstiger Rentnerinnen und Rentner.“ Seine Idee basiert darauf, den Bundesfreiwilligendienst für Senioren auszubauen und dadurch das heutige Niveau der Pflege zu halten. Stichwort: Fitte Rentner betreuen pflegebedürftige Senioren. Ich meine dazu: nur Ideen bringen uns weiter. Sie sind zu prüfen. Auch Seniorengenossenschaften, die ehrenamtliche Hilfe auf Gegenseitigkeit bieten und dabei den Austausch zwischen Generationen fördern, sind ein intelligentes Modell, um den negativen Folgen der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken. Das zeigt auch das bereits mehrfach erwähnte Bielefelder Modell.

Ein erster wichtiger Schritt, das Modell Künzel oder das der Seniorengenossenschaft in Bremen populär zu machen, ist eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit. Dass in Bremen und Bremerhaven bisher keine Förderanträge für Seniorengenossenschaften gestellt worden sind, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass diese Institution in der Bevölkerung kaum bekannt ist. Das ist kein Vorwurf. Ich selbst bin seit Jahren in der Seniorenarbeit tätig und konnte mit diesem Begriff zunächst auch nichts anfangen. Den Dialog über solche Ideen und Modelle vorsichtig, aber konzentriert anzuschieben, das ist auch die Aufgabe des Senats und von uns Abgeordneten in der Bürgerschaft. Einen Stein ins Wasser werfen, auf dass sich Kreise bilden – oder eben nicht. So habe ich auch die Herren Möhle und Erlanson verstanden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Zur Kurzintervention Frau Ahrens.

Nur, um es noch einmal kurz klarzustellen, weil ich nicht weiß, ob das jetzt ein Vorwurf an die CDU sein sollte.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen: Nein!)

Wir sind als CDU-Fraktion nicht grundsätzlich dagegen, bei den Seniorenbegegnungsstätten, wenn sie denn überhaupt nicht mehr angenommen werden, auch eine Veränderung vorzunehmen. Ich habe aber erhebliche Bauchschmerzen, wenn Sie das in den gleichen Zusammenhang mit dem Thema des Anpassungskonzepts und der Jugendeinrichtungen bringen, denn dort haben wir gerade das Problem, dass

wir das voll ausgelastete Buntentor nämlich geschlossen haben.

(Abg. W e r n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist das jetzt das Thema?)

Ich habe erhebliche Ängste, dass eine gut gehende Senioreneinrichtung eventuell als Seniorenbegegnungsstätte dann auch auf einmal auf den Prüfstand kommt und geschlossen wird. Das lehnen wir als CDUFraktion ganz klar ab.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Sie haben gesagt, alles soll so bleiben, wie es ist!)

Was gut funktioniert – –. Nein, Sie haben nicht zugehört! Sie haben es bewusst falsch verstanden.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Doch, natürlich! Ich habe es wirklich ver- sucht, Frau Ahrens!)

Das, was gut läuft und funktioniert, wenn es gute Strukturen gibt, sollte man erhalten, und Doppelstrukturen sollte man vermeiden.

(Beifall bei der CDU)

Das ist übrigens auch die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Grünen gewesen, die habe ich am Anfang zitiert und hier jetzt auch noch einmal wieder dargestellt. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt.

Die Wohnprojekte sind ein ganz anderes Thema. Da haben wir hier in Bremen auch Projekte, die nicht funktioniert haben, wie zum Beispiel den Beginenhof, wo man sich auf den Weg gemacht, es aber letztlich auch nicht funktioniert hat und dann die Wohnungen nachher frei auf dem Markt über die GEWOBA vermietet worden sind. Wenn es dort eine neue Initiative gibt, verschließen wir uns dem nicht. Wir verschließen uns aber einer Finanzierung an dieser Stelle. – Danke schön!

Zu einer weiteren Kurzintervention Herr Schmidtmann, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen!

Frau Ahrens, ich habe mir die Fragen noch einmal durchgelesen. Darin steht nichts von dem, was Sie gesagt und worüber Sie gesprochen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Hier ging es ganz klar darum, dass wir gesagt haben, wir möchten diese neue Form als Selbstinitiati

ve einbringen. Wir haben nirgends gesagt, dass wir dafür Geld haben, ein Dienstleistungszentrum oder gar an der aufsuchenden Altenarbeit kürzen wollen. Das ist doch gar nicht Sinn und Zweck dieser Anfrage gewesen, sondern es ist so, wie Herr Korol gesagt hat, wir wollen einen Stein werfen, es mit dieser Anfrage bekannt machen und darauf hinweisen, wo sich Antragsteller informieren können, was es alles gibt. Das ist Sinn und Zweck dieser Großen Anfrage gewesen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu einer weiteren Kurzintervention Herr Möhle, SPD-Fraktion!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte nur einmal aufklären, in der Frage der Adressaten für die Begegnungsstätten fühle ich mich eher als die CDU angesprochen. Davon gehe ich jedenfalls aus.

Ansonsten glaube ich, dass man die Diskussion unbedingt in der Deputation weiter führen sollte, denn ich finde die Idee nicht einfach nur schlecht, sondern wir müssen schauen, ob so etwas in Bremen geht, wie so etwas in Bremen geht, und wenn es funktioniert, ist es auch gut und in Ordnung. Dass wir dafür keine staatliche Förderung in die Hand nehmen, das habe ich deutlich gesagt. So gesehen verstehe ich die Aufregung nur zur Hälfte. Wenn man aber Post bekommt, muss man auch sagen, dass man sie in Empfang genommen hat. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1329, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Ihnen zur Kenntnis geben, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass der Tagesordnungspunkt 12, Was garantiert die Ausbildungsplatzgarantie? heute nicht mehr behandelt, sondern der Tagesordnungspunkt 22 vorgezogen wird. Dort geht es um die Versorgungssituation von seelisch Verletzten und psychisch Kranken. Dieser Tagesordnungspunkt wird nach Tagesordnungspunkt 11, den ich jetzt zunächst aufrufe, debattiert.

Gesundheitlicher Arbeitsschutz für Lehrkräfte Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 24. Februar 2014 (Drucksache 18/1273)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 8. April 2014 (Drucksache 18/1350)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Kück.

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat Kück, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten. Damit sparen wir ein wenig Zeit.

Wir treten in eine Aussprache ein.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Charakter gesundheitlicher Gefährdungen am Arbeitsplatz hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Seit dem Jahr 2013 sind auch psychische Gefährdungen im Arbeitsschutzgesetz verankert und müssen im Rahmen von Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Stress ist als gesundheitliche Gefährdung hierbei ausdrücklich anerkannt. Das ist von erheblicher Bedeutung für die Einschätzung gesundheitlicher Belastungen und Gefährdungen bei Lehrkräften. Arbeitsverdichtung, zeitliche Überforderung, aber auch die ständige Inanspruchnahme sozialer Kompetenzen gehören zu einem typischen Bild für Lehrkräfte.

Die vorletzte Arbeitsschutzkonferenz des DGB Bremen stand deshalb unter dem Motto: „Gute Schule machen, Arbeit und Gesundheit für Lehrerinnen und Lehrer.“ Ein Indikator für erhöhte Gesundheitsgefährdung kann die Zahl der Langzeiterkrankten sein. Das sind Beschäftigte, die im zurückliegenden Jahreszeitraum mehr als 42 Tage erkrankt waren, also insgesamt mehr als sechs Wochen. Hier sagt der Senat in der Beantwortung der Anfrage, bei Lehrkräften wisse er das nicht, bei Lehrkräften erfasse er erst Erkrankungen von mehr als einem halben Jahr als Langzeiterkrankungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir völlig unverständlich, warum man bei allen anderen Dienststellen in Bremen sechs Wochen als Bemessungszeitraum für eine Langzeiterkrankung wahrnimmt und erfasst und bei Lehrkräften erst nach sechs Monaten. Das wirkt auf mich zumindest so, als wolle man das auch gar nicht so genau wissen.

Ein gängiges Instrument zur Erfassung psychischer Gefährdungen sind Fragebögen. Es gibt sozialwissenschaftliche Fragebögen, die zu diesem Zweck entwickelt worden sind und flächendeckend eingesetzt werden. Bremen gehörte zu den ersten Bundesländern, in denen eine solche Onlinebefragung von Lehrkräften flächendeckend durchgeführt worden ist. Es gibt aber keine öffentlich zugängliche Auswertung dieser Erhebungen. Der Senat verweist auf die Vertraulichkeit, die den Schulen zugesichert wurde. Das ist verständlich.

Allerdings liegt für Baden-Württemberg, das dieselbe Erhebung durchgeführt hat, solch eine Auswertung vor. Auch stehen natürlich keine schulscharfen

Ergebnisse in der Auswertung, aber es gibt einen öffentlichen Bericht, aus dem die Zusammenhänge zwischen bestimmten Belastungsfaktoren und typischen Symptomen hervorgehen, und ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen derartigen Bericht muss es auch für Bremen geben, wenn eine solche Befragung bereits durchgeführt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Anforderungen an Lehrkräfte haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Auch durch die Schulreformen sind immer wieder neue Änderungen dazugekommen, auch hier muss sich eine Gefährdungsanalyse mit der Frage beschäftigen: Passt das alles in die tariflich vereinbarte Arbeitszeit hinein? Wenn man alles macht, Unterricht, Korrekturen, Teamstunden, Dokumentation der Lernentwicklung, Vorbereitungen und so weiter, geht das in 40 Wochenstunden, oder geht das einfach nur, wenn man am Wochenende dafür zusätzlich Zeit aufbringt oder bestimmte Dinge gar nicht erledigt?

Auch hierzu gibt es eine interessante Erhebung, die in Bremen durchgeführt worden ist. Sie besagt, wenn man die ganze Jahresarbeitszeit, mit den besonderen Aufgaben, die Lehrkräfte haben, zusammenzählt, bleiben im Schnitt 5,5 Minuten für die Unterrichtsvor- oder Nachbereitung über. Auf der erwähnten Arbeitsschutzkonferenz gab es eine Aussage zu dieser Frage, und das Ergebnis war genau das, von dem ich eben berichtet habe. Da wurde auch einmal deutlich, in diesen 91 Zeitstunden, die pro Jahr für Lehrkräfte übrigbleiben, also in diesen 5 Minuten oder 5,5 Minuten für die Vor- und Nachbereitungszeit, sind noch nicht einmal alle Aufgaben erfasst, die noch hinzukommen.