Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Warum sollte es schlecht sein, dass Wissenschaftler ihre Expertise dafür verwenden, reale Probleme zu lösen und nicht nur im Elfenbeinturm der Wissenschaft sitzen, um sich mit abstrakt-theoretischen Themen zu beschäftigen? Warum sollte es schlecht sein, dass wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten an diesen Projekten mitarbeiten und so Erfahrungen sammeln können? Warum sollte es schlecht sein, dass Unternehmen eng mit Hochschulen kooperieren, Problemlösungen geboten bekommen, Kontakt zu zukünftigen Fachkräften knüpfen und vielleicht sogar die Idee zu neuen Innovationen aus diesen Projekten heraus generieren können? Warum sollte es schlecht sein, dass durch Drittmittelforschung Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen und gesichert werden? Mir fällt jedenfalls kein Grund ein, aber vielleicht können Sie mich da noch aufklären.

Dass sich aus der Drittmittelforschung auch negative Effekte entwickeln können, wie zum Beispiel unsichere Beschäftigungsverhältnisse, hoher Erfolgsdruck und hoher Zeitaufwand für das Schreiben der Drittmittelanträge, will ich keinesfalls leugnen. Ich frage aber noch einmal: Sind das Gründe gegen die Drittelmittelforschung?

Eine andere Kritik richtet sich immer gegen die Unternehmen, die Einfluss auf die Hochschulen ausüben, Stichwort OHB-Stiftungsprofessur, wir erinnern uns! Wissen Sie eigentlich, wie hoch der Anteil der Drittmittel ist, mit denen Privatunternehmen Projekte finanzieren? Im Jahr 2011 lag er bei nicht einmal 20 Prozent. Der Mammutanteil kommt nämlich von nie

mand Geringerem – und das ist den meisten hier auch bekannt und bewusst –, als der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit sage und schreibe immerhin noch 40 Prozent der Mittel. Den zweiten Platz belegt dann der Bund und erst auf dem dritten Platz folgt die Wirtschaft. Sie sehen also, die Debatte wird oft nicht korrekt geführt. Das ärgert mich, aber kommen wir noch einmal zum wesentlichen Punkt des Antrags zurück.

(Glocke)

Transparenz ist unbestritten ein hohes Gut, zu dem auch wir uns als CDU-Fraktion bekennen. In dem vorliegenden Antrag der LINKEN, aber auch bei RotGrün findet sich eine hauptsächlich ablehnende Haltung, geprägt von Misstrauen gegen die Drittmittelforschung. Diese Haltung teilen wir ausdrücklich nicht!

(Beifall bei der CDU)

Wir sprechen uns für eine Vertrauenskultur aus, in der die Hochschulen und die Unternehmen eng zusammenarbeiten und kooperieren können und sollen. Insbesondere am Standort Bremen haben solche Kooperationen eine lange Tradition und schon große Erfolge gezeigt, denn – auch wenn das immer in Vergessenheit gerät – die ganze Exzellenzinitiative und die Sonderforschungsbereiche sind Drittmittelprojekte.

Wir wünschen uns klare Regeln und fordern deshalb in unserem Antrag ein klares Konzept. Bevor wir zu weit ins Detail gehen, möchten wir, dass das Ressort sich diesem Konzept widmet und uns im Herbst einen Vorschlag unterbreitet.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass alle Fraktionen hier im Hause die Transparenz in der Wissenschaft wichtig finden. Wir wollen Drittmittel, wir wollen die Kooperation mit der Wirtschaft, wir wollen, dass aus Ideen Produkte werden. Frau Grobien, wir haben überhaupt keine negative Haltung zu Drittmitteln, und wir wollen auch klare Regelungen, genauso wie Sie. Ich habe heute Morgen in der Debatte schon gesagt, dass die Leistungsfähigkeit der Hochschulen auch dadurch gezeigt wird, dass sie eben ein hohes Drittmittelaufkommen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich meine jedoch, wir brauchen die Transparenz, und zwar aus zwei Hauptgründen. Erstens, die Trans

parenz schützt die Freiheit von Forschung und Lehre, die Transparenz schützt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Drittmittelforschung vor dem Verdacht, nicht erkenntnis-, sondern interessensgeleitet zu forschen. Die Transparenz leistet deshalb für uns einen Beitrag, dass Unternehmen eben keinen Einfluss auf die Forschungsergebnisse nehmen können. Deshalb ist die Transparenz ein wichtiger Beitrag für die Forschungsfreiheit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweiter Hauptgrund: Die Transparenz ist ein Gebot unserer Demokratie! Die Hochschulen sind öffentliche Einrichtungen, sie werden mit Steuergeldern finanziert, und auch Drittmittelprojekte nutzen öffentlich finanzierte Hochschulinfrastruktur. Deshalb haben Bürgerinnen und Bürger meines Erachtens ein Recht darauf zu erfahren, wer welche öffentlichen und privaten Mittel zu welchen Forschungstätigkeiten erhält.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Bürgerinnen und Bürger fordern sie insbesondere dann, wenn die Forschung gerade ethische Probleme oder auch einen militärischen Hintergrund vermuten lässt. Diesem Anliegen der Öffentlichkeit können sich meines Erachtens weder die Unternehmen noch die Wissenschaft verschließen. Für mich heißt es in der Konsequenz, es ist notwendig, im Bremischen Hochschulgesetz sowie in seinen Verordnungen weitgehende Transparenzregelungen festzuschreiben, soweit es in einer Grundrechtsgüterabwägung möglich ist.

Erstens: Bei Drittmittelprojekten müssen Bürgerinnen und Bürgern mindestens folgende Angaben zugänglich sein: die Projekttitel mit Inhaltsangabe und die Zielsetzung, Identität der Drittmittelgeber, die Fördersumme und die Laufzeit.

Zweitens: Drittmittelaufträge sind nach Abschluss möglichst ab einer Summe von 5 000 Euro zu veröffentlichen, natürlich unter Wahrung des Datenschutzes und weiterer schützenswerter Belange. 5 000 Euro deshalb, weil auch das Pentagon alle Verträge ab 5 000 Dollar veröffentlichen muss. Was dort möglich ist, sollte auch bei uns möglich sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Drittens: Wir wollen eine Compliance-Regelung. Für eine unabhängige Wissenschaft ist es wichtig, dass auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unabhängig sind. Deshalb ist es wichtig, dass sie offenlegen, in welchem Umfang sie auf Drittmittelverträge und Nebentätigkeiten eingehen.

Viertens: Auch jetzt schon sind nach dem Bremischen Hochschulgesetz die Ergebnisse der Drittmittelforschung in absehbarer Zeit zu veröffentlichen.

Ich bin der Auffassung, dass diese künftig auch im Open Access veröffentlicht werden sollten, und zwar unter der Angabe der Geldgeber und der Förderhöhe. Das ist kein Teufelszeug, auch jetzt schon gibt es diverse Fachzeitschriften, die diese Angabe bei der Veröffentlichung verlangen.

Fünftens: Wir möchten, dass fachbezogene Ethik zum Bestandteil des Lehrangebots wird. Es ist wichtig, Studierende in dem Spannungsfeld der Freiheit von Forschung und der Frage, was die Forschung im Sinne einer Grundrechtsgüterabwägung darf, zu sensibilisieren. Es ist wichtig, dass sie den möglichen Impuls der Einflussnahme von Drittmittelgebern erkennen können, dass sie Kompetenzen erwerben und dass sie für Loyalitätskonflikte sensibilisiert sind. Deswegen meine ich, dass es an den Hochschulen auch Orte geben muss, an denen diskussionswürdige Aufträge nach nachvollziehbaren, transparenten Kriterien beraten werden können.

Insgesamt ist all das eine komplizierte Rechtsmaterie, es muss eingehend geprüft werden. Bei Veröffentlichungspflichten muss das Transparenzinteresse der Öffentlichkeit mit den Grundrechtsgütern der Freiheit der Wissenschaft, der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie der Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit ausbalanciert werden. Wir wollen diese Prüfung und Regelungen bei dem anstehenden Entwurf der Novellierung des Hochschulgesetzes, und wir wollen, dass das im Hochschulgesetz verankert wird.

Die Anträge der CDU und der LINKEN lehnen wir ab, weil Sie in erster Linie Konzepte fordern. Wir wollen rechtliche Regelungen. In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Sie haben nur Konzepte gefordert, wir wollen die Regelung im Hochschulgesetz, und das ist weitergehend!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Patrick Öztürk, Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge zwischen den Hochschulen und den Unternehmen ist in der letzten Zeit heiß diskutiert worden. Für die SPD-Fraktion ist dahingehend zunächst erst einmal festzuhalten, dass wir es grundsätzlich positiv sehen, dass unsere Hochschulen es fortwährend geschafft haben, so erfolgreich Drittmittel einzuwerben.

(Beifall bei der SPD)

Anstatt, wie es manch andere Fraktion in diesem Parlament tut, die Drittmittelforschung zu verteufeln, würdigen wir es, dass unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so erfolgreich bei der Drittmittelakquise sind; denn von unserem Standpunkt aus sind Kooperationen zwischen den Hochschulen und den Unternehmen erstrebenswerte Zusammenschlüsse, um einen Wissenstransfer zwischen der Forschung und der Praxis zu generieren.

Auf der anderen Seite sind wir uns aber auch bewusst über unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die selbstverständlich ein berechtigtes Interesse hat zu wissen, welche Forschungsprojekte sie überhaupt mitfinanziert. Immerhin nutzen Unternehmen, die Kooperationen mit Hochschulen eingehen, auch die dort gegebene und mit Steuermitteln finanzierte Infrastruktur. So ist es in der Vergangenheit zu berechtigten öffentlichen Nachfragen gekommen, insbesondere in Bezug auf ethische Fragestellungen und die Rüstungsforschungen sowie zur Kritik, ob die Drittmittelforschung nicht die Unabhängigkeit der Forschung gefährdet.

Ich kann Ihnen deutlich versichern, meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion Bremen unterstützt keinerlei militärischen Mittel, die nicht auf einem Mandat der UN und einem Beschluss des Deutschen Bundestags beruhen und nicht in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet sind. Wir wollen es nicht im Geheimen den Unternehmen und Forschern überlassen, ob wir Rüstungsforschung, welcher Art auch immer, aus Steuermitteln unterstützen, denn wir halten es für ein Anrecht der Öffentlichkeit, hier mitreden zu wollen und auch zu müssen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Außerdem kann ich mit Nachdruck betonen, für die SPD-Fraktion Bremen ist die Freiheit der Wissenschaft ein enorm hohes Gut, das es zu unterstützen gilt und das nur durch die Offenlegung von Kooperationsverträgen zwischen Hochschulen und Externen gewährleistet werden kann. Hier setzt auch der Antrag der Koalition an.

Anders als die CDU verlangt die Koalition größtmögliche Transparenz, wenn es um Kooperationsverträge zwischen Hochschulen und Externen geht, um von vornherein den Verdacht auszuschließen, wie meine Kollegin Frau Schön auch schon betont hat, dass interessengeleitet geforscht wird, und im Zweifelsfall der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, eigene Einschätzungen zu finden. Dabei machen wir aber, anders als es der Antrag der LINKEN tut, ganz differenzierte und klare Vorgaben, weil wir auch nicht möchten, dass Fehleinschätzungen oder Wettbewerbsnachteile die Drittmitteleinnahmen gefährden. Selbstverständlich müssen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden, und es muss Bedingungen geben, bei denen die Forschungs-, Vertrags

und Wettbewerbsfreiheit nicht tangiert werden. Eine frühzeitige Offenlegung aller Informationen über ein Forschungsvorhaben zu verlangen, würde Wettbewerbsnachteile für den Wissenschaftsstandort Bremen erzeugen. Die Identität eines Drittmittelgebers, den Projekttitel sowie die Fördersumme und Laufzeit ab einem Projektvolumen von 5 000 Euro offenzulegen, wie im Antrag gefordert, ist jedoch ein völlig legitimes Anliegen der Koalition. Es fördert Transparenz, Vertrauen und Demokratie.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insgesamt müssen wir hier also zu einem gangbaren Verfahren für Bremen kommen, das Rechte nicht verletzt oder einschränkt, aber für mehr Transparenz im Wissenschaftsbereich sorgt. Darüber hinaus halten wir es für wichtig, die Hochschulen besonders in dieses Vorhaben einzubeziehen und ihnen den Raum zu geben, selbstständig Compliance Management Systeme zu etablieren. Dies umfasst ebenso die kritische Auseinandersetzung der Studierenden mit den durch die Veröffentlichungspflicht von Kooperationsverträgen gewonnen Erkenntnissen und verlangt ein verstärktes Angebot an fachbezogener Ethik, in der die Studierenden für Loyalitätskonflikte sensibilisiert werden sollen, denn immerhin hat das Studium erhebliche Auswirkungen darauf, welchen Typ Menschen es formt und welches Menschenbild die Akademikerinnen und Akademiker von morgen haben. In diesem Sinne hoffe ich auf die Zustimmung für unseren Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft haben Anträge zu dem Thema Transparenz und Wissenschaft eingebracht, das zeigt, dass es sich um ein sehr wichtiges Thema handelt und dass es ein zentrales Anliegen dazu gibt.

Die Fraktionen der rot-grünen Koalition schlagen vor, zukünftig der Öffentlichkeit Informationen über den Inhalt und die Zielsetzung von Forschungsprojekten an Hochschulen, die Identität der Drittmittelgeber, die Fördersumme und die Laufzeit der Projekte zugänglich zu machen sowie die Forschungsergebnisse möglichst auch in angemessener Zeit per Open Access zu veröffentlichen. Insoweit besteht eine Schnittmenge mit dem Antrag der Fraktion der LINKEN.

Der Antrag der LINKEN geht an der Stelle aber weiter. DIE LINKE will den Punkt einbezogen wis

sen, dass auch die Einflussmöglichkeiten der Drittmittelgeber auf Forschungsziele und -ergebnisse in Forschungsdatenbanken gespeichert werden sollen. Letzteres halten wir nicht für zielführend, weil es sich an der Stelle um Wertungen handelt und nicht mehr um Informationen oder aber um die Schaffung einer Datenbasis.

Die CDU betont in ihrem Antrag die positiven Aspekte und Erfolge unserer Hochschulen in der und durch die Drittmittelforschung. Diese positive Würdigung teile ich, aber ich bin der Auffassung, wir müssen für den Erhalt der Wissenschaftsfreiheit dafür Sorge tragen, dass all das, was man zu wissen hat, auch offengelegt werden muss. Das ist für uns ein zentrales Gut und ein zentraler Wert, den wir jetzt in unsere weiteren Planungen einbeziehen wollen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)