Protokoll der Sitzung vom 22.10.2014

Herr Präsident! – ist auch ein Zeugnis für den Wan del in der Gesellschaft. Es hat in der deutschen Gesellschaft in den letzten Jahren einen Wandel gegeben, der auf die gewonnene Mobilität, auf die Globalisierung, auf Internet und Fernsehen beruht und durch den man die Möglichkeit hat, andere

Kulturen und deren Gewohnheiten kennen und auch schätzen lernen zu dürfen. Das, was Menschen woanders sehen, wollen sie vielleicht auch hier in Deutschland umsetzen.

Viele Menschen können sich heute einfach nicht

mehr vorstellen, dass sie auf einem Friedhof be stattet werden sollen, einem Ort, zu dem sie keine Verbindung haben und vielleicht vorher nie dort waren. Jetzt, meine Damen und Herren, gibt es die Möglichkeit, den letzten Wunsch der Verstorbenen nach einem schönen Platz außerhalb der Friedhöfe in der Natur zu erfüllen. Ich denke, das wurde auch Zeit, und das ist gut so. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, meine

Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Auch wenn es Zeitgenossen oft nicht wahr nehmen oder nicht wahrhaben wollen, die Art und Weise, wie die Menschen ihre Toten bestatten, ist ein kulturgeschichtliches Phänomen. Es wandelt sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung, und es wandelt sich mit der Entwicklung der Kulturen innerhalb eines Landes. Es wandelt sich nicht nur in sehr großen Zeitabständen, sondern auch in kürze ren. Ich erinnere hier an ein Beispiel, das wir auch schon einmal angesprochen haben, die ablehnende Haltung der katholischen Kirche bis in die Sechzi gerjahre gegenüber der Feuerbestattung. Heute ist das vorbei. Weltweit wird in der katholischen Kirche die Vielfalt von Bestattungsformen anerkannt, nicht nur das, hierzulande wird mittlerweile darüber nach gedacht, Kolumbarien in einer katholischen Kirche einzurichten.

In Bremen, damit komme ich nach diesen Vorbe

merkungen zu unserem Gesetz, werden wir jetzt einen weiteren Reformschritt gehen, und wir werden ihn als erstes Bundesland gehen, das hat Frau Dr. Schaefer ausgeführt. Wir gehen diesen Reformschritt, weil wir anerkennen, dass die Wünsche nach vielfältige ren Bestattungsformen breiter geworden sind, sich stärker artikulieren, und wir erkennen damit auch an, dass es ein postmortales Verfügungsrecht gibt, ein Verfügungsrecht über den Tod hinaus. Wie weit dieses postmortale Verfügungsrecht geht, haben wir sehr intensiv diskutiert, hier in der Bürgerschaft, aber auch in persönlichen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern oder auch in Podiumsdiskussionen hier in der Stadt. In diesen Diskussionen hat sich gezeigt, dass zumindest die private Verwahrung von Urnen doch auf sehr großes Unbehagen und auf Ablehnung stößt. Wir haben gesehen, dass es starke Widerstände gibt, und dem tragen wir auch Rechnung, indem wir diese Idee nicht weiterverfolgen.

Wir haben aber auch von vielen Menschen den

verbreiteten Wunsch nach der Möglichkeit des Aus

streuens von Totenasche außerhalb unserer her kömmlichen Friedhöfe erfahren. Das Land Bremen möchte diesem Wunsch jetzt Rechnung tragen, ins besondere durch die Möglichkeit, Ausstreuflächen auf den herkömmlichen Friedhöfen sowie gesonderte Ausstreuflächen auf öffentlichem Grund außerhalb der herkömmlichen Friedhöfe einzurichten, und auch durch die Möglichkeit, Totenasche auf privaten Grundstücken auszustreuen.

Ob davon Gebrauch gemacht wird, wird allerdings

Entscheidung der Kommunen sein. Wir werden hier zunächst einmal die Möglichkeit beschließen. Nach meiner Erwartung ist im Wesentlichen damit zu rechnen, dass ein Ausstreuen auf öffentlichen Flächen stattfinden wird, wahrscheinlich sehr stark – das hängt natürlich von der Wahl der Plätze und dem Ausweisen dieser Plätze ab – auf öffentlichen Plätzen außerhalb der herkömmlichen Friedhöfe.

Wir haben aber auch keinen Grund gesehen, das

Ausstreuen von Totenasche auf privaten Grundstü cken zu untersagen. Wichtig ist für uns, dass diese Möglichkeit klar an Bedingungen geknüpft ist. Sie ist vor allem – und das ist für diejenigen wichtig, die möglicherweise die Befürchtung haben, dass es über ihren Kopf hinweg verfügt werden könnte – an eine schriftliche Verfügung des Verstorbenen zu Lebzeiten gebunden, und zwar an eine ausdrückliche Verfü gung und nicht an eine Mutmaßung. Es ist wichtig, dass es daran gebunden ist, dass eine Person für die Totenvorsorge bestimmt wird, die Zustimmung des Grundstückeigentümers erteilt werden muss, Beeinträchtigungen, zumindest wesentliche Beein trächtigungen, von Nachbarschaftsgrundstücken vermieden werden und hierzu – das muss man auch noch einmal unterstreichen –, wie es das Gesetz be stimmt, detailliertere Nebenbestimmungen erlassen werden können.

Ich denke, dass damit weitgehende Vorkehrungen

zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen, zum Schutz von Rechten Dritter und auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit getroffen werden. Gleichwohl, das haben die Diskussionen gezeigt, und das wird auch diese Diskussion noch zeigen, wird es nach wie vor man chen Vorbehalt, vielleicht auch Unbehagen gegen diesen Reformschritt geben. Das ist sicherlich nicht verwunderlich, und wir respektieren das vollauf.

(Glocke)

Im politischen Raum, darum möchte ich allerdings

auch bitten, sollte dieses Unbehagen nicht dazu genutzt werden, um rhetorisch in die Kiste des Kul turpessimismus zu greifen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Menschen, die einen solchen Weg gehen, eine sol

che Verfügung treffen, werden dies sehr wohlüberlegt

machen, und sie werden verantwortungsbewusst mit diesem neuen Recht umgehen. Davon sind wir jedenfalls überzeugt. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr

Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben als LINKE schon bei der letzten Debatte zu diesem Thema deutlich gemacht, es ist für uns ei gentlich das Wichtigste, dass der Wille des Verstor benen berücksichtigt wird, dass es, wie es auch jetzt im Gesetzesentwurf steht, das ausdrückliche Vermächtnis eines Toten geben muss, der bestimmt, wie er beerdigt oder verstreut werden möchte, wie er seine letzte Ruhestätte finden möchte. Ich finde, das ist das Wichtigste, das hat dieser Gesetzesent wurf auch in der neuen Fassung berücksichtigt. Die Änderungen, die erfolgt sind, sehen wir als marginal an. Im ersten Entwurf war noch enthalten, dass man die Urne mit nach Hause nehmen darf und auf den Kaminsims stellen kann, das ist nun nicht mehr der Fall oder nur noch über Umwege. Insofern ist es für uns in Ordnung.

Ich denke, wenn man eine endgültige Bewertung

abgeben möchte, dann wird es darauf hinauslaufen, dass wir erleben, dass es eine Individualisierung unse rer gesamten Lebensverhältnisse gibt, und dem folgt zum Beispiel eine Individualisierung – das erleben wir überall – der Trauerrituale. Dementsprechend verhandeln wir heute eigentlich die Auswirkungen der Individualisierung auf Bestattungspraktiken. Ich denke, es muss in einer heutigen Gesellschaft möglich sein, dass es dafür die freie Wahl gibt und das Andenken der Toten trotzdem nicht in Mitlei denschaft gezogen wird. All das berücksichtigt der neue Gesetzesentwurf, und deswegen stimmen wir dem auch gern zu. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr verehrter Herr Prä

sident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein wenig in Sorge, dass ich, Herr Gottschalk, derjenige bin, der aus der Kiste des Kulturpessimis mus springt,

(Heiterkeit)

ohne genau zu wissen, was das eigentlich ist.

(Heiterkeit – Zurufe von der SPD)

Ich möchte Ihre Erwartungen nicht enttäuschen,

vielleicht können Sie mir gleich noch einmal sagen, was Sie eigentlich gemeint haben. Ich habe das auf jeden Fall nicht so richtig verstanden, aber ich bin für jede Aufklärung dankbar.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Früher war alles besser!)

Das ist die Kiste des Kulturpessimismus? Nein,

dann kann ich diese Erwartung nicht erfüllen. Ich finde nicht, dass früher alles besser war, ich finde nur das, was Sie planen, nicht gut, um es so deutlich zu sagen!

(Beifall bei der CDU)

Das habe ich auch gesagt. Wir haben die Argu

mente für und wider schon ausgetauscht. Ich glaube unverändert, dass sich im Umgang mit der Würde der Toten auch zeigt, wie eine Gesellschaft mit der Würde der Menschen umgeht.

Ich bin mit unserem Bürgermeister unverändert