Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch ein Thema ansprechen, das aus meiner Sicht den Verbraucherschutz betreffend eine große Bedeutung hat und in seinen Auswirkungen nicht unterschätzt werden darf, das ist die Frage, wie man auf der exekutiven Ebene bei der Frage der Zuständigkeiten mit dem Themenfeld des Verbraucherschutzes umgeht. Bis zur Bildung der jetzigen Koalition lag der Verbraucherschutz in Berlin im Bereich des Landwirtschaftsministeriums.
Dass Verbraucherschutz und Landwirtschaft zwei verschiedene Themenfelder sind, die bei Weitem nicht in allen Fragen die gleichen Zielrichtungen verfolgen, ist jedem leicht ersichtlich. Deswegen war es ein großer Fortschritt für den Verbraucherschutz in Deutschland, dass dieses Zuständigkeitsfeld in das Justizministerium verlagert worden ist und heute vom Bundesjustizminister vertreten wird und dass er, um dem Verbraucherschutz eine notwendige Pointierung zu geben, den vorherigen Geschäftsführer der deutschen Verbraucherzentrale zum Staatssekretär benannt hat. Damit kommt dem Verbraucherschutz erstmals auch in der Frage der Zuständigkeit eine ganz andere Bedeutung zu, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Was die Debatte bei uns betrifft, ist schon darauf hingewiesen worden, dass es vernünftig ist, den von der EU-Kommission bereits angekündigten Bericht, der bis zum 13. Dezember 2014 vorgelegt werden soll, abzuwarten, in dem die im Jahr 2011 von der EU neu
definierten Rahmenbedingungen evaluiert werden sollen. Wir werden dann auf einer sehr viel gründlicheren und besseren Basis auch hier in der Gesundheitsdeputation dieses Thema noch einmal diskutieren können. Ich erwarte eigentlich, dass wir dann alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, nutzen – und das sind ja nicht nur die exekutiven Möglichkeiten des Senats Richtung Bundesrat, sondern auch vor allem die Möglichkeiten, die man auf den jeweiligen Parteiebenen hat, in den Gremien, die sich dort ergeben –, um das, was heute hier vorgetragen worden ist, auch auf nationaler Ebene und dann vielleicht auch auf EU-Ebene zur Grundlage von Verbraucherschutzpolitik zu machen.
Der Weg, der zu gehen ist, ist aus meiner Sicht immer noch sehr weit, nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern auch in anderen Bereichen. Wir sollten dann vielleicht auch bei der Neubildung des Senats darüber diskutieren, die Zuständigkeiten für den Verbraucherschutz in Bremen in einem Ressort zu bündeln,
denn zurzeit ist diese Zuständigkeit auch in Bremen noch in zwei Ressorts verteilt, die wie in Berlin und wie auf der EU-Ebene durchaus auch unterschiedliche Positionen in einzelnen Fragen vertreten, und ich sage ausdrücklich dazu, auch vertreten müssen. Das wäre dann aber eine politische Entscheidung, die im Juni 2015 ansteht. – Ich danke Ihnen!
Wer den Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1544, Neufassung der Drucksache 18/1384, an die Deputation für Gesundheit überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Entschädigungsfonds für die nach Paragraf 175 Strafgesetzbuch verurteilten Homosexuellen einrichten!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Paragraf 175, der den einvernehmlichen sexuellen Verkehr von Männern untereinander unter Strafe stellt, ist vor 20 Jahren aufgehoben worden. In den unterschiedlichen Fassungen bestand dieser Tatbestand seit der Einführung des Strafgesetzbuchs im Jahr 1871 für Deutschland. Er überlebte das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Besatzungszeit, die DDR, die Bundesrepublik, wie gesagt, bis zum Jahr 1994. Interessant ist, dass mit Ausnahme der Verurteilungen der Zeit von 1933 bis 1945 alle anderen Verurteilungen weiterhin rechtskräftig sind.
Bis zur Aufhebung der Vorschrift wurden in der Bundesrepublik circa 50 000 Männer verurteilt, gegen mindestens 100 000 Männer wurden Ermittlungsverfahren geführt, in der DDR waren es deutlich weniger. Viel schwerer wiegt aber, dass eine weitaus größere Dunkelziffer von betroffenen Menschen hinzukommt, das sind diejenigen, die öffentlich angeklagt, verdächtigt, in der Presse verfolgt wurden, deren gesellschaftliche Reputation zerstört wurde und die sich aufgrund der Strafandrohung selbst umgebracht haben.
Christine Lüders, die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, hat das so zusammengefasst, wie man es nicht besser zusammenfassen kann, sie hat gesagt: „Die junge Bundesrepublik hat eine ganze Generation von Männern, die Männer liebten, um ihr Lebensglück betrogen.“ Ich glaube, aus heutiger Sicht kann man sagen, dass dieser Straftatbestand eine ganz klare Menschenrechtsverletzung gewesen ist.
Umso mehr verwundert allerdings – ich hatte das eben schon ausgeführt –, dass die Urteile aus der NaziZeit von 1933 bis 1945 alle aufgehoben worden sind,
der Straftatbestand aber unverändert zumindest bis 1969 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik übernommen wurde und die Urteile, die wegen derselben Normen ergangen sind, allerdings unter einem anderen Regime, weiterhin Bestand haben.
Der Hintergrund ist ein juristischer, ich versuche einmal, ihn einfach darzustellen: Rechtskräftige letztinstanzliche Urteile können in der Demokratie nur durch ein Gesetz aufgehoben werden. Wenn durch ein Gesetz Urteile aufgehoben werden, dann erhebt sich die Legislative, die Parlamente, über die Judikative, damit haben Juristen Probleme, weil die Gewaltenteilung durcheinandergebracht wird. Hinzu kommt, dass im Jahr 1957 – für mich völlig unverständlich – das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass der Straftatbestand des Paragrafen 175 StGB verfassungskonform ist. Aus all diesen Gründen haben in der vergangenen Diskussion Juristen die Position bezogen, ja, es sei klar ein Menschenrechtsverstoß, könne aber nicht aufgehoben werden, weil das Parlament sich nicht gegen die Entscheidung der dritten Gewalt erheben dürfe.
Eine im Auftrag des Berliner Senats erstellte Expertise kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass eine Aufhebung problemlos möglich ist. Auf Grundlage dieser Expertise hat der Bundesrat mit überwältigender Mehrheit – ich habe nicht mehr nachgeschaut, ob es einstimmig oder annähernd einstimmig war – beschlossen, der Bundesregierung die Prüfung der Aufhebung dieser Urteile erneut anzuempfehlen. Ich meine, wenn es zwei juristische Positionen gibt, dann soll man das tun, was anständig ist, und anständig wäre es, Urteile über Menschen, die man nur deswegen verfolgt hat, weil die Mehrheit eine andere Moralvorstellung hatte, endgültig aufhebt und den Makel beseitigt!
Ich kann Betroffenen nicht erklären, warum der Staat anerkanntermaßen Unrecht gesprochen hat, dieser Spruch aber nicht zu beseitigen sein soll.
Neben der Beseitigung individuellen Unrechts gibt es aber auch noch einen zweiten Grund, ich glaube, er macht auch die politische Relevanz deutlich, weshalb man 20 Jahre danach noch einmal darüber reden muss. Homophobie ist alltäglich und überall, 45 Prozent der offen schwul lebenden Männer geben an, im Alltag Diskriminierung zu erfahren. 70 Prozent der schwulen Jugendlichen fürchten sich vor schwerwiegenden Konsequenzen im Privatleben und in der Schule. 75 Prozent der Eltern fänden es schlimm, wenn sich herausstellen sollte, dass das eigene Kind schwul oder lesbisch wäre.
Ich meine, für eine tolerante Gesellschaft ist es erforderlich, dass man Vorurteile abbaut. Das kann aber nur dann gelingen, wenn auch der Staat bereit ist,
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jahrzehntelang wurden in Deutschland schwule Männer menschenrechtswidrig staatlich verfolgt. Aus Sicht der Grünen ist das ein Schandfleck unseres Rechtsstaates!
Erst im Jahr 1994 ist die strafrechtliche Sonderbehandlung von Homosexualität in dieser unserer Republik endgültig beseitigt worden. Zwei Jahrzehnte hat die Bundesrepublik am NS-Strafrecht gegen Homosexuelle unverändert festgehalten. Schwule Männer konnten nach dem Jahr 1945 auch weiterhin inhaftiert werden, nun allerdings in einem demokratisch legitimierten Gefängnis. Menschen wurden bespitzelt, verhaftet und als Verbrecher behandelt, nur weil sie anders liebten als die Mehrheit. Ein bloßer Verdacht auf „widernatürliche Unzucht“, wie es damals hieß, konnte Existenzen vernichten. Der Staat hat einer ganzen Bevölkerungsgruppe das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben verweigert, hat die Gesamtheit der Homosexuellen geächtet und sie am Ende auch um ihr Leben betrogen
Erst am 1. September 1969 wurde die generelle Strafbarkeit der Homosexualität unter erwachsenen Männern in der Bundesrepublik aufgehoben. Die damalige Große Koalition hat den Paragrafen 175 StGB aber nicht gestrichen. Homosexualität galt weiter als sittenwidrig und als Übel, das staatlich überwacht und eingedämmt werden sollte. Für homosexuelle Handlungen wurde ein deutlich höheres Schutzalter festgelegt als für heterosexuelle. Die Opfer der menschenrechtswidrigen Strafverfolgung nach Paragraf 175 StGB und anderer einschlägiger Bestimmungen gegen Homosexualität müssen aus unserer Sicht endlich rehabilitiert und entschädigt werden, meine Damen und Herren!
„dass durch die nach 1945 weiter bestehende Strafandrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind“. Im Jahr 2002 wurden die unter der NS-Diktatur nach Paragraf 175 StGB Verurteilten gesetzlich rehabilitiert. Für die Opfer der antihomosexuellen Sondergesetze nach dem Jahr 1945 steht dieser Schritt noch aus. Es ist ein nicht hinnehmbarer Skandal, dass im demokratischen Deutschland weiterhin Männer mit dem Stigma leben müssen, vorbestraft zu sein, nur weil sie schwul sind, meine Damen und Herren!
Der demokratische Rechtsstaat beweist seine Stärke darin, dass er Fehler der Vergangenheit in Gesetzgebung und Rechtsprechung korrigiert und den Opfern seiner Irrtümer Recht widerfahren lässt. Die Innen- und Rechtspolitiker aller Grünen-Landtagsfraktionen und unserer Bundestagsfraktion haben sich in einer gemeinsamen Erklärung im September dieses Jahres noch einmal für das Ende dieser Diskriminierung eingesetzt.
Der Bundesrat hat bereits im Jahr 2012 einen Vorstoß gemacht. Wir fordern die Bundesregierung auf, nun endlich zu handeln, die Zeit drängt! Die Blockadehaltung der Bundesregierung muss endlich ein Ende haben! Im Sinne der Betroffenen lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten! – Vielen Dank!