Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Insgesamt, sehr geehrter Herr Kollege Hinners, will ich Sie zum Ende noch darauf hinweisen, dass ich Ihren Schluss bezüglich der Verurteilungsquote, wir bräuchten mehr Personal, zumindest sportlich finde, um das einmal ganz höflich zu formulieren,

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: So kennen wir ihn!)

denn die Frage, ob es eine Verurteilung gibt oder nicht, hängt natürlich nicht zwangsläufig mit der Personalsituation zusammen, sondern tatsächlich vielleicht auch mit der Entscheidung eines Richters oder einer Staatsanwaltschaft und wie diese damit umgehen. Insofern hätte ich jetzt gedacht, dass Sie vielleicht an der Stelle einmal zur Justizschelte ausholen. Das haben Sie sich verkniffen, aber zu sagen, dass es einfach nur an der Personalsituation liege, ist abwegig, das bringt uns in der Frage nicht weiter.

Insgesamt danke ich dem Senat für die Beantwortung! Ich glaube, wir sind in vielen Bereichen ordentlich aufgestellt. Dass wir in einigen Bereichen besser werden können, will ich gar nicht in Abrede stellen, dass sie von Frau Vogt und Herrn Hinners benannt worden sind, ist auch richtig. Ich glaube, es ist auch die Aufgabe von uns Abgeordneten, gerade diese Bereiche weiter kritisch im Blick zu behalten. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners. – Bitte, noch zwei Minuten!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Fecker, Sie haben eben auf die Verurteilungsquote hingewiesen.

Ja, ich meine wirklich, dass das auch an der mangelnden Personalausstattung in der Staatsanwaltschaft und im Gericht liegt,

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Auch!)

denn wenn wir uns beispielsweise den Vergleich zwischen den Stadtstaaten vornehmen, dann kann man deutlich erkennen, dass dort die Verurteilungsquote höher ist.

Das Jugendstrafrecht geht vom Erziehungsgrundsatz aus, das ist ja auch wichtig und richtig, gleichwohl muss an der Stelle aber auch eine Verhandlung stattfinden, um diesen Erziehungsgrundsatz auch entsprechend würdigen zu können. Wenn keine Verhandlung stattfindet – und nur in 16 Prozent der Fällen, ich hatte es hier eingangs gesagt, findet eine Verhandlung statt –, kann diesem Erziehungsgrundsatz aus unserer Sicht auch nicht genüge getan werden. Deshalb, wenn man die Anzahl der Gerichtsverfahren steigert – dazu braucht man Personal –, dann kann man auch diesem Grundsatz sehr viel besser folgen.

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Und zwei Minuten sind um!)

Zwei Minuten? Nein, ich habe noch fünf Minuten, Frau Schmidtke!

(Widerspruch bei der SPD)

Ich möchte noch einen zweiten Grundsatz anführen. Zum Bereich der Prävention ist ja hier viel gesagt worden, das ist auch alles richtig, nur haben Sie, Herr Fecker, eben darauf hingewiesen, dass die Einstellung des Jugendeinsatzdienstes eine richtige Maßnahme war. Dem würde ich vehement widersprechen! Gerade der Jugendeinsatzdienst, der vom Senator für Inneres im Jahr 2009 eingestellt worden ist, hat in der Zeit bis dahin sehr wertvolle Arbeit, gerade im präventiven Bereich geleistet, weil er eben nicht in die Sachbearbeitung eingebunden war, sondern frühzeitig und unmittelbar in die Familien gehen und mit den Eltern, den Erziehungsberechtigten und natürlich auch mit den betroffenen Jugendlichen sprechen konnte, um unmittelbar einzuwirken. Jetzt machen das Beamtinnen und Beamte, die auch in der Sachbearbeitung tätig sind, und sie haben damit eine andere Aufgabe und Verpflichtung. Das Einstellen des Jugendeinsatzdienstes war aus meiner Sicht also ein großer Fehler! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Da hat er recht!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal kurz auf Punkt 2 zu sprechen kommen, nämlich die Ahndung und vor allem das genauere Hinsehen bei Gewalt in der Familie. Der Senat verweist in seiner Antwort auf die verschiedenen Träger der Jugendhilfe und Beratungsstellen und ihre Projekte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle möchte ich eines ganz deutlich sagen, bei diesen Trägern handelt es sich zum Teil ebenfalls um zuwendungsfinanzierte Einrichtungen, die uns durchaus auch mehrfach berichtet haben, ihre Mittel seien inzwischen so knapp, dass sie ihre Arbeit gefährdet sehen. Dieses Problem gerade für Einrichtungen, die sich mit häuslicher oder sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche beschäftigen, haben wir bereits an anderer Stelle thematisiert, und ich halte das tatsächlich für eine völlig falsche Weichenstellung vonseiten des Senats, weil Kinder und Jugendliche diejenigen sind, die die Hilfe vom Staat am allermeisten benötigen. Ich hätte mir daher gewünscht, dass die CDU in der Anfrage an dieser Stelle einmal etwas genauer nachfragt, denn so konnte sich der Senat in der Beantwortung der Anfrage leichter aus der Affäre ziehen. Das kann man vielleicht aber ja auch noch einmal genauer eruieren.

Ich möchte nur noch einmal auch ganz kurz – weil ich das der CDU, glaube ich, schuldig bin – auf die Frage bezüglich der Verurteilungen und der Verfahrensdauer eingehen. Bezüglich der Verfahrensdauer, die die CDU kritisiert, ist auffällig, dass gerade die überschaubare Anzahl Verfahren vor dem Landgericht, also die schweren Straftaten, deutlich schneller zu Ende gebracht werden konnten, und ich denke, dass das zur Strategie des Senats im Kampf gegen die Intensivtäter gehört. Die CDU kritisiert hier aber vor allen Dingen die Verteilungsquote im Ländervergleich, die liegt in Bremen tatsächlich deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts, aber der Senat betont hier, wie ich finde, auch zu Recht, dass die Statistik viele Maßnahmen und Sanktionen des Jugendgerichtsgesetzes nicht erfasst. Die Jugendgerichte in Bremen machen nämlich häufig Gebrauch von Maßnahmen wie Täter-Opfer-Ausgleich, Trainingskursen und Erziehungsmaßnahmen, die in der Verurteilungsstatistik nicht auftauchen, und ich finde das, ehrlich gesagt, auch sinnvoll.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Das machen an- dere nicht? Das wage ich zu bezweifeln! – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das findet Herr Hinners falsch!)

Das weiß ich, dass Herr Hinners das falsch findet, aber ich finde es sinnvoll.

Dann kritisiert die CDU das Instrument des sogenannten Diversionsverfahrens im Jugendgerichtsgesetz, und die CDU definiert das hier so: „Bei diesem kann ohne Beteiligung der Richter unter bestimm

ten Voraussetzungen von der Verfolgung einer Straftat abgesehen werden. Damit soll den Jugendlichen und Heranwachsenden bei einem jugendtypischen Fehlverhalten durch eine erzieherische Maßnahme ihr Unrecht aufgezeigt werden, ohne dass eine Hauptverhandlung durchgeführt wird.“ Ja, warum denn nicht? Es hat ja durchaus auch Erfolge gegeben. Aus Sicht der CDU soll dieses Verfahren nur bei Ersttätern durchgeführt werden, doch der Senat möchte es auch weiterhin bei Wiederholungstätern anwenden. Es hängt natürlich tatsächlich von der Einzelfallentscheidung ab, und die Zahl der Einstellungen nach dem Diversionsverfahren ist ohnehin rückläufig. Ich finde, das wäre an dem Punkt, weil ich das rechtspolitisch schwer beurteilen kann, auch eine Sache, bei der man genauer hinsehen müsste.

Den Ausführungen des Kollegen Hinners zum Jugendeinsatzdienst kann ich mir nur anschließen, wir haben das auf kommunaler Ebene in den Stadtteilbeiräten damals auch sehr kritisch behandelt. Ich habe auch einmal versucht, dafür Zahlen zu bekommen, um zu sehen, wie es jetzt in den Stadtteilen aussieht, in denen der Jugendeinsatzdienst gut funktioniert hat und wie denn jetzt das neue System funktioniert. Leider bin ich derer nicht so richtig habhaft geworden, aber ich höre immer noch von einzelnen Schulen, dass sie es sehr bedauern, dass das System irgendwie anders organisiert wird.

Durch die Aussagen – und das habe ich selbst auch persönlich erlebt – wurde deutlich, dass es immer eine Hilfe war, wenn der alte Jugendeinsatzdienst in die Schule kam, weil er natürlich dadurch, dass er nicht auch noch die Ermittlungen führen musste, ein wesentlich höheres Vertrauen genossen hat. Man muss auch fairerweise sagen, dass er sich auch oft aktiv um etwas gekümmert hat, zum Beispiel um den Übergang von der Schule in die Ausbildung. Deswegen finde ich die Umstellung immer noch falsch und kann den Kollegen Hinners an der Stelle nur unterstützen! – Danke schön!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Kück.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich den Eindruck, dass mit der Anfrage ein Bild von einer sich zuspitzenden Kriminalität Jugendlicher und einer nicht untereinander abgestimmten Strafverfolgung gezeichnet werden sollte. Dieses Bild weise ich entschieden zurück!

(Beifall bei der SPD – Abg. K a s t e n - d i e k [CDU]: Gut, dass das keiner behaup- tet hat! – Abg. H i n n e r s [CDU]: Das hat keiner behauptet!)

Richtig ist, dass die Zahl der Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden kontinuierlich abnimmt. Dies führt folgerichtig auch zu einem Rückgang der Strafverfahren.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Wie gut, dass das nichts mit der Debatte zu tun hat!)

Ich habe Ihnen doch auch zugehört! Zwischen den einzelnen Gerichtsbarkeiten gibt es dabei auch immer wieder Schwankungen, aber insgesamt kann von einem Rückgang der Verfahren gesprochen werden.

Die Behauptung, das Diversitionsverfahren nach Paragraf 45 Jugendgerichtsgesetz solle nur bei Ersttätern Anwendung finden, findet keine Stütze im Gesetz. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es ohne Probleme so regeln können, der Gesetzgeber hat aber mit seiner Regelung die Bewertung des Einzelfalls dem Sachverstand der Staatsanwaltschaft anvertraut. Das ist sachgerecht, und die Entscheidung ist bei uns in Bremen bei erfahrenen und kompetenten Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälten sehr gut aufgehoben.

(Beifall bei der SPD)

Die Feststellung, dass auf die Straftat eine schnelle Reaktion erfolgen müsse, ist so richtig wie banal und wird von niemandem infrage gestellt. Ausweislich der Antwort des Senats erfolgt die staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Bearbeitung in Jugendsachen auch konstant zügig. Von verfahrensbeschleunigten Maßnahmen wird dort Gebrauch gemacht, wo dies angezeigt ist – es eignet sich aber nun einmal nicht jeder Fall für ein beschleunigtes Verfahren –, aber die erzieherisch erforderliche schnelle und konsequente Reaktion auf ein strafbares Verhalten erfolgt in vielen Fällen ohnehin bereits vorher.

Schon das polizeiliche Einschreiten und die Vernehmung stellen eine Reaktion und eine Veranschaulichung des Unrechts der vorgeworfenen Tat dar. Auf die Taten im schulischen Umfeld wird direkt und pädagogisch in der Schule reagiert, auch die Einleitung eines Täter-Opfer-Ausgleichs oder einer Jugendhilfemaßnahme erfolgt bereits nach der Aufnahme der Ermittlung durch die Polizei. Insgesamt werden die Verfahrenslaufzeiten mit zum Beispiel gut eineinhalb Monaten bei der Staatsanwaltschaft dem Anspruch einer zügigen Reaktion fraglos gerecht.

Der Zusammenarbeit und dem Informationsaustausch aller beteiligten Stellen wird vom Fragesteller zu Recht große Bedeutung beigemessen, sie funktioniert aber, wie in der Antwort dargelegt, auch gut: Alle für die Polizei relevanten Informationen kann diese erhalten und gegebenenfalls auch in ihrem System speichern. Die Zuständigkeit für die Überwachung der Auflagen und Weisungen obliegt allerdings den Richterinnen und Richtern, und somit auch die

Entscheidung darüber, welche Informationen sie im Einzelnen an die Polizei weitergeben.

Ich finde es gut, dass heute nicht noch einmal über die Thematik Delinquenz und Schulverweigerung diskutiert worden ist. Ich erinnere mich an eine Debatte, die wir vor gar nicht so langer Zeit dazu geführt haben, auch damals wurde nicht der unmittelbare Bezug hergestellt.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das hatten Sie auch dort stehen, nicht?)

Ich möchte noch einmal auf das Outing von Frau Vogt eingehen, was mit ihrem Kind passiert ist! Es ist auch in der Tat so gewesen, dass in den Schulen die Frage der Schulverweigerung keine besondere Bedeutung hatte oder nicht angemessen berücksichtigt worden ist. Das ist auch eindeutig, es ergibt sich aus einer Untersuchung aus der Studie „Gewalt und Delinquenz junger Menschen in Bremen 2008 bis 2010“, in der deutlich dargestellt worden ist, dass dazu in den Schulen zu wenig Reaktionen erfolgt sind. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass vor dem Hintergrund der neuen Aktivitäten und Maßnahmen, die wir ergriffen haben – Sie sind schon alle darauf eingegangen –, dies erheblich verbessert worden ist, dass es noch einmal deutlich in das Bewusstsein der Schulen gekommen ist, dass so etwas nicht geduldet werden kann, sondern man darauf reagieren muss.

Wir haben in vielen Fällen also auch noch einmal insbesondere geregelt, dass nach einem Auftreten einer Schulabstinenz der Kontakt zu den Erziehungsberechtigten – auch durch die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer – nach dem ersten Tag erfolgen muss, dies kann in Kooperation mit den Schulsozialarbeitern und auch den Sozialarbeitern der Jugendbehörde erfolgen. Auch die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren werden frühzeitig eingeschaltet. Bremen hebt sich hier eindeutig von anderen Bundesländern ab, da das Einschalten der ReBUZ ab einem bestimmten Zeitpunkt verbindlich vorgeschrieben ist.

Bremen ist es gelungen, alle Schulvermeiderprojekte, insbesondere auch die bisher durch den Europäischen Sozialfonds geförderten Projekte „Schulverweigerung die 2. Chance“, „Strickleiter“ und die „Familienklassen“ zu erhalten. Ebenso wird im Rahmen des Handlungskonzepts „Stopp der Jugendgewalt“ an zehn Bremer Schulen beispielhaft mit dem Projekt „Boxenstopp“ begonnen, einer Qualifikationsmaßnahme im Bereich konfrontatives Konfliktmanagement. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ReBUZ unterstützen die Schulen auch in der Intervention nach Gewaltereignissen und in der Koordination zur Aufarbeitung. Einbezogen werden auch externe Träger, welche schul- und themenspezifische Gewaltpräventionsangebote entwickeln sollen.

Ich hatte ja eingangs gesagt, dass ich ursprünglich hatte den Eindruck hatte, dass hier ein bestimmtes

Bild vermittelt werden sollte. Ich freue mich, dass insgesamt anerkannt worden ist, dass in den Einrichtungen und in der Kooperation sehr viel getan wird. Es bleibt dort nach wie vor noch etwas zu tun, aber ich glaube, dass wir insgesamt auch mit dem Erreichten schon sehr zufrieden sein können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1608, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Eine Hightech-Strategie für Bremen – Innovationen vorantreiben, Technologietransfer fördern

Antrag der Fraktion der CDU vom 29. August 2014 (Drucksache 18/1531)