Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1574, auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kenntnis.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer einen Kredit aufnehmen oder einen Handyvertrag abschließen möchte, da er online gerne auf Rechnung bestellt, der wird vorher mittels eines Score-Wertes bewertet. Gleichzeitig gibt er seine Zustimmung dazu, dass dieser Vertrag in eine Datenbank eingespeist wird und bei weiteren Scoring-Verfahren benutzt wird.
Die bekannteste Auskunftei ist sicherlich die Schufa. Es gibt mittlerweile aber deutlich über mehr als 500 Auskunfteien in Deutschland, die alle unterschied
lich arbeiten. Hier gibt es auf jeden Fall einen sehr großen Wirtschaftssektor. Die Unternehmen sichern sich mit dem Scoring gegen mögliche Zahlungsausfälle ab, und dem Verbraucher bleibt erspart, bei jedem Konsumentenkredit seine kompletten Einkommensverhältnisse offenzulegen, und er erhält die Möglichkeit, komplikationslos bequem per Rechnung zu zahlen. Auf den ersten Blick ist das ein Verfahren, das allen Seiten zum Vorteil gereicht.
Aber – jetzt kommt ein großes Aber hinterher! – das Problem ist das Zustandekommen des Scores. Dieser ist nämlich mitnichten, wie man auf den ersten Blick denken würde, eine objektive Bewertung des eigenen Zahlungsverhaltens oder der eigenen wirtschaftlichen Potenz, sondern er beruht nur zum Teil auf tatsächlichen personenbezogenen Daten. Größtenteils wird der Score-Wert nach dem statistisch zu erwartenden Zahlungsverhalten einer Vergleichsgruppe berechnet. – Dass ich bei dem Satz ins Stolpern gekommen bin, zeigt schon die ganze Komplexität des Scoring-Verfahrens.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. K u h n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Ein schlagender Be- weis!)
Deswegen mache ich das einmal ein bisschen konkreter. Wer keine Kreditkarte besitzt, seine Inneneinrichtung oder sein Auto nicht über Kredite finanziert, also genau das tut, was jeder seriöse Schuldnerberater empfehlen würde, oder nicht oder nur wenig im Versandhandel einkauft, über den liegen der Auskunftei keine oder nur sehr wenige Informationen vor. Umso wichtiger wird das Zahlungsverhalten der Vergleichsgruppe. Das heißt, es kann passieren, dass der gut verdienende Bauingenieur, der berufsbedingt viel umzieht, den gleichen Scoring-Wert bekommt wie der Mietnomade, der versucht, sich durch den Umzug seiner Mietschulden zu entledigen.
Hinzu kommt die soziale Ungerechtigkeit, dass Personen mit kleinem Einkommen, die in einer Gegend wohnen, in der andere Menschen ebenfalls relativ wenig verdienen, automatisch ebenfalls einen niedrigeren Score bekommen, weil es in der Regel so ist, dass in dieser Gegend mehr Schulden gemacht werden und die „Zahlungsmoral“ etwas schlechter ist. Natürlich ist mein Beispiel etwas überspitzt, aber es verdeutlicht die Funktionsweise von Scorings.
Mit dem eigenen Verhalten kann man den eigenen Score-Wert kaum beeinflussen. Ich habe einmal in einem Gespräch jemanden von der Schufa gefragt: Was kann ich persönlich tun, um gut gerankt zu werden? Sie sagte: Eigentlich können Sie da nichts machen, weil wir uns nicht vorrangig auf Ihre Daten beziehen, sondern auf die der Vergleichsgruppe.
Die Scorings haben weitreichende Folgen. Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen unter Umständen keinen Mobilfunkvertrag oder Kredit bezie
Umso schlimmer ist es, dass die Transparenz in diesem Bereich Mangelware ist. Jedes Unternehmen zieht andere Daten für seine Berechnungen heran. Die Frage, ob man einen Kredit bekommt, hängt damit auch von der gewählten Auskunftei des Vertragspartners ab. Hinzu kommt, dass die Seriosität höchst unterschiedlich ist. Mittlerweile gibt es auch Auskunfteien im Ausland, die in Deutschland tätig sind, von denen man sagen muss, sie bewegen sich am Rande der Legalität.
Darüber hinaus haben Verbraucherinnen und Verbraucher nach dem Bundesdatenschutzgesetz zwar das Recht, jedes Jahr Einsicht in die über sie gespeicherten Daten zu nehmen, aber sie erfahren nichts über die Gewichtung dieser Daten. Eine Verbraucherin hat Anfang des Jahres auf Einsicht geklagt, was die Scoring-Berechnung angeht. Der BGH hat geurteilt, dass eine solche Offenlegung das Geschäftsgeheimnis der Schufa – das war in diesem Fall die beklagte Auskunftei – entgegenstehen würde.
Deswegen sehen wir hier einen erheblichen Verbesserungsbedarf. Ein Verfahren, das solche erheblichen Auswirkungen auf die eigenen finanziellen Möglichkeiten hat, darf nicht im unregulierten Raum stattfinden. Hier muss der Verbraucher die Möglichkeit haben, Auskunft zu erhalten, wie und auf welcher Grundlage er bewertet wird.
Deswegen beantragen wir, dass Paragraf 34 Absatz 4 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes dahin gehend zu ändern ist, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch Auskunft über die Gewichtung zu geben ist etwa, indem die einzelnen Kriterien in eine Reihenfolge gebracht werden.
Darüber hinaus wollen wir auch, dass klarer geregelt wird, welche Daten zur Berechnung herangezogen werden. Aus diesem Grund stimmen wir auch dem Antrag der LINKEN zu, die beantragt haben, das sogenannte Geo-Scoring vollständig aus den Berechnungen herauszunehmen. Es ist ja so, dass keine Scores erhoben werden dürfen, die nur aufgrund von ortsbezogenen Daten erhoben werden. Aber wir sehen – ich hatte das vorhin in meinem Beispiel genannt –, dass es zu erheblicher sozialer Ungerechtigkeit kommen kann, weil Menschen, die in einem sozial benachteiligten oder einem wirtschaftlich nicht so starken Stadtteil wohnen, automatisch Nachteile haben dass das Wohnumfeld die Frage, ob man einen Kredit bekommt oder nicht, bestimmt. Deswegen stimmen wir diesem Änderungsantrag zu und bitten um die Zustimmung zu unserem Gesamtantrag. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grundidee einer Auskunftei, also von der Schufa und Co., es sind mittlerweile 500 Stück, ist natürlich nicht so dumm. Angefangen hat das Geschäft der Auskunftseien mit den Banken. Die Banken wollten vor Jahren ihre Kreditvergabe absichern und zu diesem Zweck Informationen über die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden einholen. Das ist durchaus verständlich. Doch inzwischen bekommt man keinen Handyvertrag, keine Mietwohnung, fast keine Versicherung und oft auch keine Waren im Internet mehr, ohne diese Bonitätsprüfung; das sogenannte Scoring. Das mag für die meisten von uns unkompliziert sein, da wir ausreichend solvent sind, um einen Handyvertrag zu bekommen oder eine Versicherung abschließen zu können. Für andere ist es ärgerlich und entwürdigend, wenn ihnen der Scoring-Wert bescheinigt, dass zum Beispiel weiterer Konsum aufgrund von Schulden oder einer zu spät gezahlten Rechnung – auch, wenn das vielleicht schon zehn Jahre zurückliegt – nicht empfehlenswert, riskant und auch nicht wünschenswert ist. Es gibt die Fälle, in denen die entsprechenden Daten nicht komplett, nicht korrekt oder schlicht veraltet sind, was dann wiederum dazu führen kann, dass die Bonität gering eingeschätzt wird, obwohl sie de facto vorhanden ist.
Bei einem Test der Zeitschrift „Finanztest“ waren die Daten der Schufa zum Beispiel nur bei 11 von 89 Testpersonen komplett und korrekt, bei allen anderen gab es demnach den ein oder anderen Mangel. Besonders häufig fehlten sogenannte Finanzmerkmale, etwa Angaben über Girokonten, Kreditkarten, Handyverträge oder laufende Kredite. Hier liegt also offensichtlich ein Fehler im System vor, der durch die bestehende Intransparenz umso schwerer zu entdecken sein wird. Verbraucherinnen und Verbrauchen können zwar inzwischen jährlich den sogenannten Scoring-Wert erfahren. Nicht nur jedoch, dass außer der Schufa keiner der sonstigen Auskunfteien verlässlich diesem Recht auf Verbraucherfrage und -antwort nachkommt, hinzukommt, dass völlig unklar bleibt, wie genau dieser Scoring-Wert überhaupt ermittelt wird. Ich selbst habe das auch ausprobiert, ich habe im Internet geschaut, wie es eigentlich geht. Ich konnte nur bei der Schufa direkt ein Formular ausdrucken und abschicken, das habe ich dann ein paar Wochen später mit meinem Scoring-Wert zurückbekommen. Ich hatte nach meinen Recherchen das Gefühl, dass mir dieser Wert sagt, wie viel ich wert bin.
Bei anderen Auskunfteien ist es ganz schwierig, dort musste ich verschiedene E-Mails versenden und habe
Beim zweiten Ziel des Antrags komme ich auf den Geo-Scoring-Änderungsantrag der LINKEN zu sprechen, dem wir natürlich zustimmen. Beim Geo-Scoring wird der Wohnort als maßgebliche Berechnungsgrundlage der angeblichen Nicht-Bonität angenommen. Das kann auch heißen, wir wohnen in einer Gegend, und in unserer Nähe wohnen Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen oder arm sind, wir selbst können aber jede Rechnung bezahlen, dann haben wir Pech gehabt. Auch wenn man Arbeitslosengeld II bezieht, ist man durchaus in der Lage, alle möglichen Rechnungen zu bezahlen. Es ist noch lange nicht so, dass man im Scoring-Wert dann ganz unten landet. Dabei geht es für mich auch, wie gerade schon gesagt, um ein Abwerten von Menschen. Das Geo-Scoring ist absolut diskriminierend und aus meiner Sicht für eine liberale Demokratie komplett inakzeptabel!
Natürlich müssen und sollen die gescorten Menschen wissen, nach welchen Kriterien das Scoring vonstattengegangen ist, welche Sünde am schwersten im Scoring-Kontor wiegt. Darüber muss Klarheit herrschen. Dieses Geo-Scoring muss aus meiner Sicht komplett verboten werden, und wir brauchen natürlich – das fehlt im Antrag – entsprechende rechtliche Rahmen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die meisten Menschen und auch viele aus diesem Saal gehen davon aus, und sagen sich, wenn ich meine Kreditraten pünktlich bezahlt habe, wenn ich sämtlichen Rechnungsanforderungen nachgekommen bin, dann gibt es zu mir auch nichts zu berichten. Das ist auf gar keinen Fall zutreffend. Ich habe übrigens, ähnlich wie mein Vorredner, einmal probiert, meine Scoring-Werte herauszubekommen und stellte dann fest, dass in keiner Weise Transparenz darüber herrscht, wie dieser Wert zustande kommt. Darüber bekommt man leider keine Informationen.
Schon bei der Schufa, die, sagen wir einmal, noch die transparenteste von allen ist – ich komme gleich noch auf die anderen Auskunfteien zu sprechen –, werden sogenannte Branchenscores errechnet. Das
heißt also, dass es zum einen diese Vergleichsgruppe ist, es geht aber zum anderen auch um Wohnumfeldvergleiche. Lange Zeit galt es bei der Schufa schon als Negativkriterium, wenn man nur verschiedene Kreditangebote eingeholt hat. Das wurde dann glücklicherweise verboten. Man muss sich einmal überlegen, dass man sich allein beim Einholen von Vergleichsangeboten für Kredite einen negativen Wert einhandelt. Das fand ich ziemlich indiskutabel. Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Ryglewski, hat noch einmal darauf hingewiesen, dass dieses Geschäftsgeheimnis wirklich in diesem BGH-Urteil noch einmal als höher eingestuft wird, als die Transparenz und Veröffentlichung der Tatsache, was sich hier an privaten Daten befindet. Ich finde, ehrlich gesagt, das ist ein juristischer Hammer.
Ich möchte jetzt noch einmal auf die anderen Auskunfteien eingehen, von denen es inzwischen unglaublich viele gibt. Es ist ein eigener Geschäftsbereich geworden, in dem mit diesen Daten gehandelt wird. Wenn man nur einen Ratenkredit abschließen möchte, für Haushaltsgeräte oder einen Fernseher, spielt es schon eine Rolle, wie die Auskunft dahinter ist. Das heißt also, dass man sich letztendlich immer noch einmal mit Dingen, Berufsgruppen und Personenfeldern vergleichen lassen muss, auf die man keinen Einfluss hat. Dort spielt das Wohnumfeld eine große Rolle. Ich meine, wir haben die Auseinandersetzung mit dem Wohnumfeld schon in anderen Kontexten, wie bei Ausbildungsverträgen und Ähnliches, aber die Tatsache, dass man sagt, ihr wohnt in einer bestimmten Straße, für die die Scoring-Werte schlecht sind, da habt ihr Pech gehabt, deswegen werde ich auf dein Finanzverhalten beziehungsweise auf die Möglichkeiten überhaupt dein Leben zu gestalten, entsprechenden Einfluss nehmen. Das ist indiskutabel!
Ich finde es sehr gut, dass wir diesen Vorstoß hier unternehmen, ich möchte auch sagen, dass wir das auf jeden Fall unterstützen. Uns war doch wichtig, dass wir diesen Aspekt mit dem Wohnumfeld einfügen. Wir werden selbstverständlich beiden Anträgen zustimmen, das ist gar keine Frage.
Was uns noch aufgefallen ist, und das ist noch ein Aspekt, den ich kurz ansprechen möchte, ist das Social-Scoring. Das greift auch um sich, dort erstellen die sozialen Netzwerke Profile. Das ist bisher ein unreflektierter Bereich. Es ist so, dass die Schufa schon eine Studie dazu in Auftrag geben wollte, das ist aber letztendlich gestoppt worden. Dies ist im Wesentlichen ein noch sehr intransparentes Feld, bei dem wir natürlich im Zusammenhang mit der Frage, wie gläsern der Bürger eigentlich ist, bezüglich dem, was sich im Internet abspielt, ganz interessante Entwicklungen haben. Das wird uns noch weiter beschäftigen.
Grundsätzlich unterstützen wir selbstverständlich diesen Vorstoß, und ich hoffe, dass er Erfolg haben wird. – Vielen Dank!