Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ahrens, es geht mir überhaupt nicht darum, ob das Jugendamt genügend Ausstattung hat oder ob wir nicht noch mehr Amtsvormünder oder Casemanager brauchen. Das haben wir hier oft genug gesagt.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das war ja nicht das Thema!)

Allerdings frage ich mich, wie Sie dies stringent verantworten wollen, wenn Sie gleichzeitig hier eine Politik machen, die die Einnahmeseite des Landes Bremen nicht im Auge hat und andererseits der Vorsitzende Ihrer Fraktion hier immer sagt, Bremen muss noch mehr sparen. Ich kann es nicht mehr hören von Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde, die Kritik an dem Zustand der Bereiche des öffentlichen Dienstes ist total berechtigt, und das sagen wir auch immer, wir brauchen da eine erheblich bessere Ausstattung, aber dann muss man auch einmal stringent andere Wege gehen, insbesondere in der Frage der Einnahmesicherung für Bund, Länder und Kommunen, und das tun Sie nämlich nicht!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum anderen haben Sie hier wieder einmal nichts zu dem konkreten Fall gesagt und ganz viele unterschiedliche Dinge irgendwie vermengt. Ich habe vorhin gesagt, es wäre Ihnen möglich gewesen, sich zu erkundigen, und dann wäre es Ihnen auch möglich gewesen zu erkennen, dass die Schritte, die das Jugendamt einzuleiten hatte, in aller Ausführlichkeit vorgenommen worden sind. Alle, die mit dieser Familie zu tun hatten, wurden befragt, da es sofort eine Schweigepflichtentbindung gab, und sowohl der Kinderarzt als auch die Hebamme und die Erzieher im Kindergarten haben gesagt, es ist alles in Ordnung in dieser Familie. Es gab aber eben eine Sache bei der anonymen Anzeigeerstattung, weshalb der Casemanager sich bei der Polizei versichern musste, und das hat er getan.

Ich habe eben gesagt, im Grunde haben alle drei Behörden richtig gehandelt, weil das nämlich der geltenden Gesetzeslage entspricht. Das Jugendamt hat

richtig gehandelt, die Polizei hat in dem Moment richtig gehandelt und die Staatsanwaltschaft auch, und ich habe eben noch einmal gesagt – im Gegensatz zu Ihnen habe ich mir am Wochenende die Mühe gemacht, die ganzen Rechtsgutachten auch noch einmal durchzulesen, die es dazu gibt –, dass das Jugendamt dazu verpflichtet ist und die Staatsanwaltschaft auch, sich einen richterlichen Beschluss einzuholen. Das war mir nämlich am Donnerstag auch nicht bekannt, also habe ich mich erkundigt und meine Hausaufgaben im Gegensatz zu Ihnen gemacht, Frau Ahrens! (Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mich ärgert an der Art und Weise, wie Sie hier Politik machen, dass es Ihnen völlig egal ist, welche schwerwiegenden Folgeschäden Sie mit Ihrer Art hier hervorrufen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich weiß nicht, ob das morgen in der Sozialdeputation zur Sprache kommt, aber die betroffene Familie, die durch diese Art und Weise jetzt im öffentlichen Fokus steht, hat im Moment mehr Probleme als vorher, und das finde ich extrem bedenklich. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Spezialität der CDU!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn das Ergebnis dieser Aktuellen Stunde ist, dass die Weisung noch einmal überprüft wird und geschaut wird, wie die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verbessert werden kann, dann bin ich froh. Das hat aber nicht viel mit derjenigen, die die Aktuelle Stunde beantragt hat, zu tun. Es hat seinerzeit im Übrigen einmal eine Weisung gegeben, die wir während des Untersuchungsausschusses auch gefunden haben, die beschrieben hat, wie man eine Weisung zu lesen hat. Man muss schon aufpassen, wie man Weisungen formuliert. Die müssen klar, eindeutig und präzise nachvollziehbar sein, und das ist manchmal nicht so leicht, weil die Gemengelage extrem kompliziert ist. Deswegen glaube ich, dass Schulungen in dem Bereich, gerade für die neuen Casemanager, auch ganz oben stehen und verbessert werden sollten.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Zwingend notwendig!)

Frau Ahrens, nun hören Sie doch einmal auf, immer dicke Backen zu machen! Es werden Schulungen ge

macht, ich sage lediglich, dass man darauf weiterhin ordentlich Wert legen muss. Jetzt tun Sie doch nicht so, als wenn das alles nicht passieren würde!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, dass wir das im Prinzip an dieser Stelle beenden können. Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir diese Aktuelle Stunde nicht gehabt hätten, weil wir ja nun auch morgen, darauf hat Herr Dr. Güldner ja auch schon hingewiesen, eine Sondersitzung der Sozialdeputation haben, wo das alles fachlich besprochen werden kann. Ehrlich gesagt freue ich mich, wenn nicht nur Sozialpolitiker zu den Themen reden, sondern sich gelegentlich auch der eine oder die andere Fraktionsvorsitzende dazu zu Wort melden. Es hat jedenfalls der Debatte eher genützt als geschadet. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen einzigen Punkt noch einmal betonen, weil es schon wirklich perfide ist, Frau Ahrens! Sie haben jetzt gerade noch einmal wieder gesagt: Der Datenschutz bindet dem Jugendamt die Hände, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verzweifelt, sie können nichts tun. Das heißt, Sie weigern sich zur Kenntnis zu nehmen, dass ab der Minute des geäußerten Verdachts die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Jugendamtes wochenlang rund um die Uhr aktiv waren, um diese Geschichte aufzuklären und für den Schutz des Kindes zu arbeiten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man Politik macht, indem man komplett verweigert, die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und das Gegenteil hier behauptet,

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Das ist eine bodenlose Frechheit!)

dann, sehr geehrte Frau Ahrens, dann ruht darauf kein Segen!

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Sie geben ja vor, dass Sie das machen, um das Kindeswohl zu schützen, aber wenn Sie diejenigen hier so diffamieren, die unterwegs waren – und sie sagen ja selbst, sie sind durchaus belastet in ihrer Arbeit –, die sich weit über ihre Möglichkeiten und Grenzen

hinaus bemüht haben, mit allen vorgesehenen und zur Verfügung stehenden Mitteln diese Fragen zum Fall dieses Kindes zu klären, diesen Mitarbeitern waren nicht die Hände gebunden, denen hat auch kein Datenschutz die Hände gebunden, sondern sie haben genau das gemacht –, dann ist das eine unglaubliche Frechheit! – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Eine Vorbemerkung! Herr Möhle hat ja noch einmal die Bremer Vorgeschichte angesprochen. Ein Kind ist in Bremen unter der Aufsicht des Jugendamtes gestorben. Wir hatten einen Untersuchungsausschuss, das Parlament, die Deputation, die Wohlfahrtsverbände, alle Gremien in Bremen haben sich mit diesen Vorkommnissen auch in aller gebotenen Ernsthaftigkeit lange und intensiv auseinandergesetzt und Schlüsse aus den Vorkommnissen gezogen. Diese Schlüsse bilden die heutige Arbeitsgrundlage im Jugendamt. Wir schützen Kinder gemeinsam und gern. Das sind die Bremer Qualitätsstandards, sie sind bundesweit anerkannt und die hilfreiche Anleitung bei der täglichen Arbeit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dem Untersuchungsausschuss damals vorangegangen – und das spreche ich jetzt einfach an, ich war zu lange auch Parlamentarierin hier im Haus, es gehört zu dieser Geschichte dazu –, war ein Zusammensparen im Bereich der Jugendhilfe, ein gedeckelter Jugendhilfehaushalt, Sitzungen im Jugendhilfeausschuss, wo wir darüber gestritten haben, dass es nicht sein kann, dass nur 600 Kinder in Obhut genommen werden, wenn mehr Kinder Hilfe brauchen. Diese Deckel hat uns diese Koalition als Schluss aus dem Untersuchungsausschuss aufgehoben und gesagt – und das ist meine Linie in meinem Haus, das sage ich jetzt auch ganz energisch – für jedes Kind, das Hilfe braucht, für das wir im Jugendamt Verantwortung übernehmen, wird nicht gesagt, nein, das nehmen wir jetzt nicht aus der Familie heraus, weil das zu teuer ist, sondern die Kinder werden in Obhut genommen, wir bewilligen die Leistungen, und wir kümmern uns mit dem uns zur Verfügung stehenden Instrumentarium um jedes Kind. Das ist auch wichtig, dass wir das tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Jugendamt ist die Behörde, deren Selbstverständnis der Schutz des Kindeswohls ist und das steht auch im Paragrafen 8 a SGB VIII. Ich habe das noch

einmal mitgebracht, gestern bei der Debatte fiel ja auch der Satz, der Blick in das Gesetz helfe weiter, Paragraf 8 a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung: „Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen.“ An dieser Stelle ende ich zunächst einmal.

Das haben wir gemacht, das hat das Jugendamt getan. Im Jugendamt sitzen die Experten. Wir arbeiten multiprofessionell. Bei begründetem Verdacht werden natürlich die Strafverfolgungsbehörden hinzugezogen. Seit dem Jahr 2010 – ich sage es noch einmal in Ihre Richtung, Frau Ahrens; bitte aufpassen! – haben wir deutlich mehr Personal eingestellt. Wir setzen in Bremen mehr Amtspfleger ein. Wir haben mehr Amtsvormünder. Auch wir halten uns an die bundesgesetzlichen Vorgaben.

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Ja, Frau Ahrens! – Bremen ist eine der Städte, die im Augenblick enormen Zulauf an unbegleiteten Flüchtlingen verzeichnen. Wir stecken aber in einem laufenden Einstellungsverfahren. Wir werden den Schlüssel 1 zu 50 wieder erreichen. Das ist auch für uns Handlungsmaßgabe. Angesichts dessen dürfen Sie sich hier nicht hinstellen und sagen, diese Koalition habe in Bezug auf das Jugendamt alles schlechter gemacht. Das Gegenteil ist wahr! Wir haben es deutlich verbessert!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es war doch Ihre Fraktion, Frau Ahrens, die behauptet hat – auch ich erinnere mich gut; ich habe ein gutes Gedächtnis –, im Sozialressort seien noch 40 Millionen Euro einzusparen. Das schicke ich noch einmal zurück in Ihre Richtung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich lasse mich gern begründet beschimpfen. Aber ich lasse mich nicht mit der Behauptung beschimpfen, ich würde mit meinen Senatskollegen diese Arbeit schlecht erledigen. Wir sind mit großer Ernsthaftigkeit bei diesem Thema zugange und führen viele Diskussionen zum Thema Kindesschutz. Wir schauen uns die Krankenstände an und sprechen im Senat natürlich auch über die Personalausstattung in den Ämtern. Wir sind verantwortungsvolle Senatoren. Wir gehen in die Personalversammlungen und diskutieren darüber auch mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich lasse mir nicht vorwerfen, ich interessierte mich nicht für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen im Amt für Soziale Dienste. Dieser Vorwurf ist falsch und

unfair. Ich weise ihn in aller Form zurück, Frau Ahrens.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich weise auch Ihren an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an meine Kolleginnen und Kollegen gerichteten Vorwurf zurück, sie würden ihre Arbeit organisiert nicht wahrnehmen. Auch das ist unverfroren, das ist falsch! Hier stelle ich mich ganz bewusst vor unsere Leute.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen bei mir im Ressort arbeiten? 1 000 Menschen arbeiten im Amt für Soziale Dienste. Diese Menschen verunglimpfen Sie mit einer so pauschalen Aussage in einer Aktuellen Stunde.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)