Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

aber in diesem Fall läuft dieser Vorwurf komplett ins Leere, denn wir machen genau das, was uns der Bund vorschreibt.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Also doch re- dundant!)

Nein, es ist nicht redundant, weil der Bund uns vorschreibt, eine Vollzugsverordnung für die Energieeinsparverordnung und für das Erneuerbare-Energie-Wärmegesetz zu machen. Das müssen wir tun, und die Formulierungen sind vom Bund direkt übernommen. Wenn Ihnen das nicht passt, ändern Sie das bitte auf Bundesebene! Das ist das eine.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Zweite: Sie werfen uns Technologiefeindlichkeit vor, weil wir in einem bestimmten Bereich Elektroheizungen verbieten. Ich frage Sie: Was hat eine „Technologie der Sechzigerjahre“ mit neuer Technologie zu tun? Das ist keine neue Technologie, das ist eine veraltete Technologie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt gute Möglichkeiten, Überschussstrom zu verwerten. Man kann damit zum Beispiel warmes Wasser erzeugen. Es gibt Heizungssysteme, die das heute nutzen, und natürlich erlauben wir den Einsatz von Wärmepumpen, die aus einer Kilowattstunde Strom vier Kilowattstunden Wärme erzeugen, also viermal so effizient sind wie Ihre Technologie der Elektroheizung.

Am schlimmsten finde ich aber, dass die CDU heute das Klimaschutzgesetz ablehnt, weil unsere Zielsetzung unrealistisch scheint.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist nicht der Grund!)

Sie outen sich damit erneut als parlamentarischer Arm der Handelskammer, die sich heute auch schon entsprechend geäußert hat. Es ist aber nicht verboten, selbst nachzudenken, liebe CDU-Fraktion!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Eines ist doch klar – Herr Gottschalk hat es angesprochen –, wir sprechen hier von Risiken, die in der Zukunft auf uns zukommen und die wir relativ genau kennen.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Der war wenigstens ehrlich!)

Würden Sie Ihre Kinder in einen Flieger setzen, von dem Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent wissen, dass er abstürzt? Ich nicht! Genau das ist es aber, was wir unseren Kindern und Enkeln zumuten. Wir wissen dank der weltweiten Klimaforschung inzwischen relativ genau, wie der Zusammenhang zwischen Treibhausgasausstoß und globaler Erwärmung ist. 97 Prozent aller Wissenschaftler sind sich sicher, dass die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen ist, um katastrophale Klimafolgen zu verhindern. Wenn wir weiterhin nur business as usual machen – also das, was die CDU und die Handelskammer sich womöglich als realistische Klimaschutzmaßnahmen vorstellen – dann wird sich die Erde im Mittel um 4,5 bis 6 Grad erwärmen. Das bedeutet langfristig einen Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter, vor allem aber bedeutet es dramatische Folgen für die Landwirtschaft und die Welternährung. Es bedeutet Kriege um Wasser, Klimaflüchtlinge, wesentlich mehr Wetterextreme und Unwetter, die wir befürchten müssen und wissentlich unseren Kindern und Enkeln zumuten. Deswegen sagt der Weltklimabericht aus dem letzten Jahr in aller Deutlichkeit, es müssen schnell drastische Maßnahmen erfolgen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte aber noch etwas anderes ganz deutlich in Richtung CDU und Handelskammer sagen. Mit Ihrer Haltung vertreten Sie aus meiner Sicht gerade nicht die Interessen der bremischen Unternehmen.

Die Unternehmen sind – wie wir alle – auf wirksame Klimaschutzmaßnahmen angewiesen. Das wissen wir zum Beispiel aus dem Forschungsprojekt „nordwest2050“, das die Klimafolgen auch für die Wirtschaft im Nordwesten Deutschlands untersucht hat. Wie wir der Mitteilung des Senats entnehmen können, würde die regionale Wirtschaft von Klimaschutzmaßnahmen sogar direkt profitieren. Deswegen kann ich mich über das angekündigte Abstimmungsverhalten der CDU-Fraktion nur wundern.

Nun zum Änderungsantrag der LINKEN! Wir werden heute Ihrem Änderungsantrag nicht zustimmen, auch wenn ich vieles von dem teile, was Herr Rupp vorgetragen hat. Die Zielsetzung einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent, bezogen auf die Gesamtemissionen ohne Stahlindustrie, ist 2008 und 2009 in einem intensiven Prozess unter Beteiligung zahlreicher Fachleute und Institute entwickelt worden. Das erschwert natürlich den Vergleich zwischen den Bundesländern. Ebenso bin ich der Meinung, dass auch Stahlwerke und Energieerzeuger einen wesentlichen Beitrag leisten müssen. Wenn wir uns aber in einem Prozess befinden, der bis zum Jahr 2020 läuft und für den wir einen Bilanzrahmen festgelegt haben, dann ergibt es keinen Sinn, diesen Bilanzrahmen in dem laufenden Prozess zu ändern. Bis spätestens 2018 sollen die Zielsetzungen für das Jahr 2030

festgelegt werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dann zu einem geänderten Bilanzrahmen kommen und dabei Ihre Anregung, Herr Rupp, berücksichtigen.

Bis dahin, das ist mein Wunsch an den Senat – an den gesamten Senat! –, sollte Bremen mit den Hauptemittenten von Treibhausgasen, also mit den Stahlwerken, der swb Erzeugung, den Betreibern des Kraftwerks Farge und mit Mercedes als Großverbraucher von Strom und Wärme, Klimaschutzpakte abschließen beziehungsweise mit den Unternehmen darüber verhandeln, welche Beiträge, und zwar in absoluten Zahlen, sie zum Klimaschutz leisten können. Natürlich ist es für das Klima entscheidend, wie viele Tonnen CO2 emittiert oder eben nicht emittiert werden. Wenn auch die Bremer Unternehmen einen Beitrag leisten, dann – und nur dann! – bin ich optimistisch, dass wir unsere ambitionierten Ziele bis zum Jahr 2020 tatsächlich erreichen können. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier fiel das Stichwort „Stahlwerke“. Ich habe zwei Argumente gehört, die ich durchaus als schräg empfinde. Wieso kommt es eigentlich zur Verunsicherung eines bestimmten Industriezweiges, wenn man dessen CO2-Emissionen in die Bilanz aufnimmt, also in die Berechnung dessen, wie viel Treibhausgas bei uns insgesamt ausstoßen wird?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Obwohl man vorher gesagt hat, dass man es nicht macht?)

Moment! Ein Fehler bleibt ein Fehler, auch wenn man ihn wiederholt. Vorher hatte man das so gesagt; das fand ich schon damals schräg. Trotzdem finde ich, dass daraus keine Verunsicherung entstehen muss. Das sollte vielmehr als Herausforderung begriffen werden. Verunsicherung sollte entstehen, wenn wir feststellen, dass wir unsere Klimaziele nicht erreichen, auch für die Stahlwerke.

Das zweite Argument war, wir seien in einem laufenden Prozess. Okay, das habe ich verstanden. Früher haben wir gesagt, dass wir die Emissionen der Stahlwerke nicht berücksichtigen. Aber heute ist es angezeigt. Vielleicht kann man dafür so etwas wie eine doppelte Buchführung organisieren, um auf der einen Seite festzustellen, wie viele Emissionen es ohne Berücksichtigung der Stahlwerke sind, ob wir also unser Ziel erreicht haben. Auf der anderen Seite könnte man schauen, wie sich der CO2-Ausstoß der Stahlwerke – genauso wie der von Mercedes, swb,

Kellogg’s und wie sie alle heißen – entwickelt. Wir sollten beides messen, schon um unserer selbst willen, damit wir nicht einer Selbsttäuschung erliegen.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Das schreiben wir in das Gesetz?)

Das kann man meines Erachtens auch in das Gesetz schreiben. Ich bin mir sicher, dass wir hervorragende Juristen haben, die eine entsprechende Formulierung finden könnten, mit der wir uns – zusätzlich zu den vereinbarten Zielen von 1847 oder von 2008 – heute verpflichten, eine Gesamtbilanz des CO2Aufkommens zu erstellen. Ich halte das nicht für juristisch unmöglich. Möglicherweise täusche ich mich, aber es würde mich arg wundern, wenn das nicht ginge.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch zwei Anmerkungen zu den Zielen! Es ist ja nicht so, dass das Ziele sind, die wir uns nur aus Gründen unseres ehrgeizigen Strebens ausgesucht haben. Diese Ziele sind uns vorgegeben! Wenn wir den CO2-Ausstoß in den nächsten 20, 30, 40 Jahren nicht drastisch reduzieren – das ist bewiesen; das habe ich schon vorhin gesagt –, haben wir hier Nordsee. Wir formulieren kein ehrgeiziges oder ambitioniertes Ziel, sondern das ist etwas, was wir leisten müssen. Sonst werden wir unserer Verantwortung gegenüber unseren Kindern nicht gerecht. Wir haben diese Verpflichtung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage lautet an dieser Stelle nicht, ob dieses Ziel ehrgeizig ist, sondern sie lautet, wie wir es auf jeden Fall erreichen können. Das ist die Frage, der wir uns stellen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich verweise auf unsere Verfassung. In Artikel 11 a verpflichten wir uns, „Boden, Wasser und Luft zu schützen, mit Naturgütern und Energie sparsam umzugehen“. Steht das dort aus Jux und Tollerei? Nein! Das ist eine Verpflichtung, die sich dieses Haus auferlegt hat. „Schützen“ heißt in diesem Fall nicht, ein bisschen zu reduzieren. „Boden, Wasser und Luft zu schützen“ heißt, die Klimakatastrophe so gut es geht zu verhindern. Deswegen sind die Ziele nicht selbstgewählt, deswegen sind sie konkret vorgegeben.

Wenn wir einfach nur fördern, werden wir das Ziel nicht erreichen. Ich bin ein Freund davon, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, wenn es um Umweltschutz geht. Ich bin sehr dafür, den Rahmen, in dem Wettbewerb stattfindet, so zu gestalten, dass dieser weitgehend umweltfreundlich stattfindet; aber ich bin mir relativ sicher, dass das nicht reicht. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie mittels Investi

tionen des Landes beziehungsweise der Stadt dieser Prozess beschleunigt werden kann. Wir brauchen möglicherweise wieder eigene Stadtwerke, die dezentrale Energieprojekte anschieben und diese Dinge vorantreiben. Das ist meine persönliche Meinung. An der Stelle halte ich das Gesetz für extrem „dünn“.

Ich meine, wir brauchen mehr öffentliche Investitionen als bisher. Wir brauchen auch mehr Initiativen, um dezentrale und CO2-freie Energiegewinnung in diesem Land zu etablieren. Möglicherweise diskutieren wir darüber erst in der nächsten Legislaturperiode. Ich bin mir sicher, dass wir dann wieder mit ein paar Vorschlägen aufwarten werden, die Sie nur schwer ablehnen können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Strohmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Dr. Schierenbeck, vorweg möchte ich das, was Sie hier gesagt haben, zurückweisen. Ich finde es unerträglich, dass Sie uns vorwerfen, wir stellten uns nicht hinter die Klimaschutzziele, und dass Sie mir vorwerfen, ich sei dafür, dass unsere Kinder irgendwann absaufen. Ich habe vier Kinder und möchte nicht, dass sie absaufen. Aber wenn ich mich auf die Grünen verließe, dann wüsste ich genau, dass sie absaufen werden.

(Beifall bei der CDU)

Das werde ich Ihnen jetzt begründen. Das Problem ist nicht das, was Sie sagen, sondern Ihr Handeln. Worte sind das eine, Handeln ist das andere. Sie schreiben Papier voll – damit können Sie dann die Deiche abdichten –, nennen das „Klimaschutzgesetz“ und schreien „Energiewende!“. Was ist in den vergangenen acht Jahren passiert? Nicht viel! Wo sind die Windkraftanlagen, die Sie angekündigt haben?

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wer hat sie denn verhindert?)

Wo sind die Solaranlagen auf öffentlichen Dächern? Wo ist die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude? In den letzten Jahren ist in diese Richtung nichts passiert. So, wie Sie arbeiten, werden wir die Ziele nicht erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Es geht mir ziemlich auf die Nerven, dass Sie hier im Grunde immer nur herumschreien, was Sie angeblich alles machen. Das erleben wir aber nicht nur bei der Energiewende. Sie malen weiße Striche auf die Straßen und brüllen „Verkehrswende!“ Sie be

schimpfen die Landwirte und nennen das „Agrarwende“. Aber für das Carsharing – brumm, brumm, brumm – nutzen wir Dieselfahrzeuge. Das ist wirklich ein toller Beitrag zur Förderung der Elektromobilität und zur Energiewende!

(Beifall bei der CDU)

Wenn man Ihre Worte mit Ihren Taten vergleicht, stellt man fest, das ist ein komplettes Versagen!

Wenn ich mir das alles anschaue, kann ich im Grunde genommen die Bilanz, die Sie vorlegen, auf einen Punkt bringen, den ich auch visualisieren kann. Ich habe Ihnen ein paar Seifenblasen mitgebracht.