Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

Das ist zweifellos starker Tobak. Solche Aussagen von der Kanzel sind selten geworden. Deswegen sind sie nicht a priori falsch. Kirchensprecherin Jeanette Querfurt verurteilte sie dennoch als nicht mit dem evangelischen Glauben übereinstimmend. „Hier wird Hass gepredigt!“, sagte sie.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Recht hat sie!)

Die Kategorie der Liebe ist nützlich, aber nicht die des Hasses. Wir sind bunt. Latzels Predigt ist ein Farbtupfer unter vielen.

Bremen diskutiert über eine Predigt. Das gab es meines Wissens zuletzt, als der Jesuitenpater Johannes Leppich nicht nur in Kirchen, sondern auch auf Plätzen und in Zirkussen predigte. Ich erlebte ihn in Sankt Johann Mitte der Sechzigerjahre – vor der Tür; die Kirche war überfüllt.

Diesem Prediger widmete der katholische Sender „Domradio“ vorgestern eine Sendung. Darüber hieß es im Programmheft: „,Christliche Etappenspießer und religiöse Blindschleichen‘ waren noch gemäßigte Ausdrücke, mit denen Pater Leppich in seinen Predigten in den Fünfzigern und Sechzigern arbeitete.“ Er war der „Star unter den Predigern“. „Er hatte Erfolg: Seine gesamte Zuhörerschar aus damaliger Zeit wird auf circa 15 Millionen Menschen geschätzt.“

Auch über den inkriminierten Pastor Latzel lässt sich sagen, was „Domradio“ über Pater Leppich schrieb: „Er legte dem Volk die Bibel aus und mit seiner Art und Weise nahe ans Herz.“

(Glocke)

„Das Evangelium ist nun mal kein Schlafpulver, sondern Dynamit“, das war sein Wahlspruch. Er bekämpfte, wie er es nannte, „eine Kirche der Krämerseelen“. Soweit „Domradio“ über Pater Leppich. In der Rolle sehen wir auch Pastor Latzel.

Wir „Bürger in Wut“ lehnen den Antrag der LINKEN ab, er ist uns zu intolerant und zu extrem, die Folgeschäden, die er verursacht, sind uns zu groß. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster hat das Wort der Kollege Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion erkläre ich, dass wir die öffentlich, aber auch heute wiedergegebenen Passagen der betroffenen Predigt in keinem Punkt teilen. Sie lassen sich weder aus der Heiligen Schrift herleiten noch wissenschaftlich-theologisch begründen. Sie sind das krude Ergebnis einer Ereiferung eines Pastors einer Kirchengemeinde hier in Bremen und spiegeln weder die Auffassung der Mehrheit der gläubigen Christen noch die Auffassung der CDU-Fraktion wider. Wir distanzieren uns von dem Inhalt dieser Rede!

(Beifall)

Ich halte es auch nicht für einen bunten Farbklecks, weil er die Debatte im Umgang mit den Religionen

aus meiner Sicht an keinem einzigen Punkt bereichert, sondern eher erschwert. Er ist kein Beitrag zur Religionsdebatte in Bremen, er ist eher absondernd als versöhnend gemeint und kann deswegen auch nicht als Farbtupfer in einer solchen Parlamentsdebatte bezeichnet werden.

(Beifall)

Anders als mein Vorredner glaube ich auch nicht, dass diese verzögerte Entschuldigung des Pastors ernst gemeint gewesen ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich finde, eine Entschuldigung sieht anders aus. Sie besteht aus einer inhaltlichen Distanzierung, und die konnte ich zwar unter öffentlichem Druck vernehmen, aber ob sie geglaubt wird, müssen wir jedem selbst überlassen. Ich glaube aber, dass die Bremische Evangelische Kirche, die Präsidentin und der Schriftführer, verantwortungsvoll mit der Diskussion umgegangen sind, und ich möchte mich für die unverzügliche und eindeutige Klarstellung der Bremischen Evangelischen Kirche ganz herzlich bedanken,

(Beifall)

weil auch klar geworden ist, dass es sich tatsächlich um eine Einzelmeinung handelt, die von niemandem in der Bremischen Evangelischen Kirche geteilt oder unterstützt wird.

Ich habe mit Interesse die öffentliche Debatte verfolgt, möchte an dieser Stelle aber auch ganz freimütig bekennen, dass es nicht die erste Predigt ist, die eine solche öffentliche Debatte verdient hätte. Ich möchte auch sagen, dass ich in meiner Zugehörigkeit zu meiner Kirche schon die eine oder andere Predigt gehört habe, die, ebenso wie die, die jetzt Gegenstand dieser Debatte ist, einer öffentlichen Diskussion hätte zugeführt werden können. Deswegen bin ich ein bisschen über die Heftigkeit der öffentlichen Reaktion auf diese Predigt eines einzelnen Pastors überrascht, weil dadurch der Eindruck erweckt wird, dass wir in der Bremischen Evangelischen Kirche vielleicht insgesamt ein Problem mit der radikalen Auslegung von biblischen Texten haben. Ich teile diese Auffassung nicht, und ich finde, die öffentliche Aufregung steht in keinem Verhältnis zu dem, was tatsächlich in der Bremischen Evangelischen Kirche stattgefunden hat.

Ich finde auch die eine oder andere Überspitzung als Reaktion auf die Predigt falsch. Sehr geehrte Frau Kollegin Vogt, meine Kriterien an eine Hasspredigt erfüllt das, was Herr Latzel von der Kanzel gesagt hat, nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe in einer früheren Tätigkeit schon die eine oder andere Übersetzung einer Hasspredigt lesen können, und ich vermute, dass auch der jetzige Innensenator den einen oder anderen Text zur Kenntnis bekommen hat, der zweifelsfrei die Zuerkennung der Eigenschaft einer Hasspredigt erfüllt, Predigten, in denen aus vermeintlich religiösen Überzeugungen zu Antisemitismus, Krieg, Selbstmordattentaten, zum Heiligen Krieg, zum Tod und der Verletzung von Menschen und zur Ausrottung des Christentums aufgerufen wird. Mit einer solchen brandgefährlichen Hasspredigt möchte ich die Ausführungen von Pastor Latzel nicht vergleichen. Bei aller Berechtigung Ihrer Empörung, Frau Vogt, glaube ich, dass dieser Vergleich hinkt. Deswegen werden wir Ihren Antrag als CDUFraktion trotz des Umstands, dass wir die inhaltliche Kritik an den Äußerungen teilen, nicht mittragen.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, weil er auch in ihrer Debatte eine gewisse Rolle gespielt hat und auch in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielt: Ich finde, es steht der Politik nicht zu, aus Anlass dieser Predigt über die innere Verfasstheit der Bremischen Evangelischen Kirche zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Die Bremische Evangelische Kirche hat sich diese Verfassung mit einer weitgehenden Freiheit der Gemeinden selbst gegeben. Das ist teilweise anstrengend, insbesondere in solch einer Situation, in der die Kirchenleitung und -führung keine Möglichkeit hat, disziplinarrechtlich gegen eigene Mitarbeiter der Bremischen Evangelischen Kirche vorzugehen.

(Glocke)

Ich finde diese basisdemokratische Verfasstheit der Gemeinden innerhalb der Bremischen Evangelischen Kirche jedoch bei aller Schwierigkeit, die Demokratie immer mit sich bringt, richtig. Deswegen möchte ich mich gegen alle Versuche verwahren, diese Predigt zum Anlass zu nehmen, über die innere Verfasstheit der Bremischen Evangelischen Kirche politisch zu diskutieren! Das ist Angelegenheit dieser Kirche, die sich diese Verfassung gegeben hat, und nur wenn die Gemeinden dieser Kirche der Auffassung wären, dass das nicht mehr zeitgemäß sei, dann wäre es zu ändern.

Als Mitglied der Bremischen Evangelischen Kirche kann ich für mich sagen: Ich teile diese Auffassung nicht! Solche Debatten wie diese jetzt muss eine demokratisch verfasste Kirche aushalten, so schwierig das ist. Sie sind wohl der Preis dafür, dass wir eine so weitgehende Autonomie der Gemeinden haben. Ich bleibe aber dabei, ich finde das gut und richtig und erkläre für die CDU-Fraktion, dass wir das auch politisch nicht ändern wollen.

Was bleibt von dieser Debatte um diese einzelne Predigt? Ich finde, die Bremische Evangelische Kir

che ist verantwortungsbewusst mit der Situation umgegangen. Die Sachlage würde sich ändern, wenn das eingeleitete Vorermittlungsverfahren zu strafrechtlichen Erkenntnissen führen würde.

Ich kann nur abschließend meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass diese Predigt natürlich nicht ohne Reaktion bleiben wird. Ich möchte hoffen, die Solidarisierung der Kritik an dieser Predigt führt dazu, dass keiner das Interesse der Bremischen Evangelischen Kirche am interkulturellen Dialog anzweifelt, sie nimmt daran teil und ist auch ein wertvoller Bestandteil dieser religionspolitischen Debatte. Ich möchte auch hoffen, dass die St.-Martini-Gemeinde aus der öffentlichen Kritik an dieser Predigt die notwendigen Konsequenzen zieht.

(Glocke)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gemeinde ist am Zug, nicht das Parlament! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Artikel 4 und Artikel 59 unserer Landesverfassung definieren die Rolle des Staates – und damit auch des Parlamentes – in Glaubenskonflikten:

„Glaube, Gewissen und Überzeugung sind frei. Die ungehinderte Ausübung der Religion wird gewährleistet.“

„Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt. Jede Kirche, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre sämtlichen Angelegenheiten selber im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

Völlig klar und unzweifelhaft ist Pastor Latzel ein Rundumbeleidiger. Integrale Glaubensbestandteile des Buddhismus, des Islams, des Katholizismus so abzuwerten, wie Latzel es getan hat, ist beleidigend für Buddhisten, Moslems und Katholiken. Deshalb prüft die Staatsanwaltschaft, ob Paragraf 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen – erfüllt ist. Im Übrigen beseitigt eine Entschuldigung, wie ernst auch immer sie gemeint ist, die mögliche Strafbarkeit dieses Verhaltens nicht.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Auch stellt die Religionsfreiheit keinerlei Rechtfertigungsgrund für ein derartiges Verhalten dar. Ich habe

aber gleichzeitig großes Vertrauen darin, dass eine unabhängige Justiz dies angemessen zu werten weiß.

Meine Damen und Herren, es ist weder die verfassungsrechtliche Aufgabe des Parlamentes noch haben wir den Auftrag zu entscheiden, ob Latzels Thesen von der Reinhaltung des christlich-evangelischen Glaubens am Beispiel Gideons konfessionsresistent sind oder nicht. Eigentlich könnte man mit diesem Hinweis die Debatte im Parlament um die Latzel-Predigt beenden und feststellen: Es ist eine innerkirchliche Angelegenheit der BEK, wie sie damit umgeht. – Kollege Röwekamp hat die Schwierigkeiten der BEK geschildert. Ich persönlich finde den bisherigen Umgang der BEK mit dieser Predigt völlig angemessen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Trotzdem – in diesem Punkt unterscheiden wir uns, Kollege Röwekamp – wird die SPD-Fraktion dem Antrag der LINKEN zustimmen. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass es in der Predigt vom 18. Januar 2015 nicht – wenn, dann nur untergeordnet – um theologische Differenzen gegangen ist. Am 11. Januar 2015 hatten in Paris Millionen Menschen jeglicher Religion gegen Hass und Terror und für ein friedliches Zusammenleben aller Religionen demonstriert. Am 13. Januar 2015 gab es eine von Muslimen organisierte Großdemonstration in Bremen mit Rednern aller Religionen zu demselben Thema. Am 16. Januar 2015 haben wir, die Fraktionen, aber vor allen Dingen Vertreter der Zivilgesellschaft und aller Bremer Religionsgemeinschaften, im Rathaus zusammengesessen und den Aufruf „Bremen tut was!“ verfasst und unterzeichnet. Ich möchte aus diesem Aufruf kurz zitieren:

„Damit dieses weltoffene Bremen jeden Tag Realität sein kann, müssen wir ohne Vorbehalte und Ängste aufeinander zugehen, miteinander reden, einander zuhören und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir setzen auf ein friedliches Miteinander aller Menschen in unserer Stadt und bieten deshalb intensiv den Dialog zwischen allen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen an.“

Ich bin mir sicher, Pastor Latzels Predigt zwei Tage später war eine direkte Replik auf diesen gemeinsamen Aufruf. Neben der Rundumbeleidigung aller anderen Religionen war das Thema seiner Predigt die Abgrenzung, das Trennende, die Reinhaltung seines von ihm definierten Glaubens am Beispiel Gideons. Thema war nicht das Verbindende, sondern es wurde bewusst ein Kontrapunkt zu dem Aufruf gesetzt. Die Predigt war ein bewusstes Absetzen von der Feststellung „Bremen ist bunt!“ Latzels Position ist nicht meine und auch nicht die der SPD. Ich glaube, sie ist auch nicht die Position der Mehrheit dieses Hauses.

Latzels Beleidigungen sind ein Fall für die Justiz. Seine Reinhaltungsposition ist hingegen von der Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit gedeckt. Auch wenn man sie nicht teilt, muss man sie wahrscheinlich als politische Öffentlichkeit ertragen. Aber – das ist genauso sicher – Meinungsfreiheit ist nie die Freiheit, ohne Widerspruch zu bleiben.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)