Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Daneben gilt es, das Bewusstsein der Nutzer in der Verwaltung zu schärfen. Kritische Nachfragen sind erwünscht. Es ist zu erwarten, dass die dann gewählten Maßnahmen in der Dienststelle zielgenauer sind und von den Nutzerinnen und Nutzern auch akzeptiert werden. Außerdem begrüßt der Senat das Voranschreiten der EU-Datenschutzreform und verweist in diesem Zusammenhang auf die entsprechende Bundesratsinitiative – Frau Dr. Sommer hatte es angesprochen – unter Aufgreifen der Thesen der Konferenz der Landesdatenschutzbeauftragten aus Mai 2014.

Herr Hamann, Sie haben recht, wir haben uns von CSC als Dienstleister getrennt, weil nicht hundertprozentig sichergestellt war, dass sie nicht mit amerikanischen Datenabschöpfern zusammenarbeitet. Unsere Mühlen mahlen vielleicht manchmal ein bisschen langsam, aber sehr verlässlich. Wir hatten diese Firma beauftragt und aus dem Vertrag musste man auch rechtssicher wieder herauskommen. Aber diese Debatte hat natürlich dazu beigetragen, den Standard und unsere Erwartungen nach oben zu schrauben, und davon profitieren wir alle.

Ein letzter Satz zur Nutzung von Facebook. Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass der Senat in der Öffentlichkeit auftritt und wir den Menschen helfen, sich darüber klar zu werden, was sie von sich preisgeben, wenn sie Portale wie Facebook nutzen. Ich persönlich verzichte ausdrücklich darauf, darüber zu kommunizieren, weil ich es für fahrlässig halte, dass man, wenn man den Staat vertritt, dieses Portal nutzt. Privatmenschen untereinander können das machen, wenn sie denn glauben, dass sie das Risiko beherrschen können. Aber für die Kontaktaufnahme mit dem Staat geht das meiner Meinung nach so nicht.

Wir haben eben über unser Informationsfreiheitsportal gesprochen und die Möglichkeit, sich an die Ressorts zu wenden. Mittlerweile sind eigene Kommunikationswege aufgebaut worden und die Nutzung von Monopolstrukturen, die nebenbei auch noch ordentlich Daten ausspähen, ist nicht mehr nötig. Mir ist es sehr wichtig, dass wir als Senat vorbildlich sind und der Öffentlichkeit zeigen, dass man moderne Kommunikation sehr wohl hinbekommen kann, ohne sich vor Einzelnen zu entblößen. Das ist uns als Botschaft nach außen sehr wichtig. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit mit der Drucksachen-Nummer 18/1690 abstimmen.

Wer den Bemerkungen des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit mit der Drucksachen-Nummer 18/1690 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

Die Gegenprobe!

Enthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des Ausschusses einstimmig bei.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem 36. Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz, von der Stellungnahme des Senats und von dem Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit Kenntnis.

LuxLeaks muss ein Wendepunkt für die europäische Steuerpolitik werden

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 13. Januar 2015 (Drucksache 18/1697)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 11. März 2015

(Drucksache 18/1781)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Strehl.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den vergangenen Jahren in diesem Haus wiederholt über Steuerflucht und Steuerbetrug diskutiert. Das Land Bremen hat mit seinen Möglichkeiten dazu beigetragen, dass sich das öffentliche Urteil über solche Vergehen in den letzten Jahren doch sehr gewandelt hat und dass an die Stelle von stillschweigender Duldung und Nachsicht Verfolgung und zum Teil auch bessere Regeln getreten sind. Es war sehr gut, dass wir das Schäuble-Abkommen mit der Schweiz gemeinsam mit anderen Ländern verhindert haben, weil das die alten Sitten festgeschrieben hätte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Stattdessen hat die Kommission heute ein Abkommen mit der Schweiz unterschrieben, das den auto

matischen, umfassenden Informationsaustausch regelt, und das ist genau der richtige Weg. Den falschen haben wir verhindert, und das war gut so.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dass das Thema Steuerbetrug, und zwar durch Privatpersonen und durch Banken, noch lange nicht erledigt ist, zeigen die jüngsten Enthüllungen über Schweizer Banken und die Commerzbank. Beim Thema des heutigen Antrages waren auch Enthüllungen der aktuelle Ausgangspunkt. LuxLeaks, das waren die Berichte über die jahrelange Praxis des Staates Luxemburg, mit großen international agierenden Konzernen Vereinbarungen über Steuern und Ansiedlungen in Luxemburg gegen niedrige und niedrigste Steuern zu treffen.

Diese Enthüllungen von Whistleblowern und guten Journalistinnen und Journalisten haben dann Schritt für Schritt das gesamte Geflecht von Steuerdumping und Steuervermeidung weit über Luxemburg hinaus in ganz Europa ins helle Tageslicht gerückt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, da geht es um sehr viel Geld, Geld, das die Unternehmen bei sich behalten und uns dann fehlt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Kurz gefasst funktioniert es so: International agierende Firmen sind in allen Ländern Europas und der Welt mit Produkten und Dienstleistungen tätig, sie lassen dort jeweils Werte schaffen, nutzen dafür die von den Staaten geschaffene und von den Bürgern finanzierte Infrastruktur, sie zahlen aber Steuern auf ihre Gewinne nicht dort, wo sie entstehen, sondern dort, wo die Steuersätze am niedrigsten sind. Das können sie, weil sie ihre Firmensitze beliebig wählen können und durch interne Verrechnungen verschiedenster Art, zum Beispiel fiktive Kosten für Patente, genau steuern können, wo die Gewinne am Ende auftauchen. So zahlen Firmen wie Apple, Facebook, Starbucks, Ikea und viele andere am Ende völlig lächerlich niedrige Steuern auf ihre Gewinne.

Der Witz dabei ist, das verschafft ihnen ja nicht nur Vorteile gegenüber den Staaten und Bürgern, sondern vor allen Dingen auch massive Wettbewerbsvorteile gegenüber mittleren und kleineren Unternehmen, die eben nicht so mobil, sondern vor Ort tätig sind. Diese zahlen dann die Steuern für die Infrastruktur mit, die die Großen nutzen, ohne dafür zu bezahlen, und das ist eine schreiende Ungerechtigkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Gegensatz zu Steuerbetrug und Steuerflucht ist die sogenannte Steuergestaltung heute oft nicht illegal, die Firmen und ihre Steuerberatungsindustrie pochen auf ihr „gutes Recht“. Wir müssen das Recht besser machen. Wir müssen gemeinsam in Europa,

dann möglichst im Rahmen der OECD, dafür sorgen, dass die Regeln und Gesetze so geändert werden, dass diese Art von Steuergestaltung dann eben nicht mehr legal ist. Wir müssen daran mitarbeiten, denken wir, und deswegen machen wir Ihnen mit unserem Antrag dazu Vorschläge.

Ich will jetzt nur auf die Grundgedanken eingehen! Das Erste ist die Tatsache, dass die großen Unternehmen mobil sind, die Staaten, die Gesellschaften und ihre Infrastruktur aber natürlich nicht. Deswegen müssen wir erreichen, dass der Nutzen und der Gewinn dort transparent – Transparenz muss man drei Mal sagen, Transparenz ist das Wichtigste! – erfasst, dokumentiert und dann auch dort versteuert wird, wo der Gewinn erzeugt wird.

Der zweite Gedanke hängt mit der europäischen Integration zusammen. Das bisherige System der Steuervermeidung auf Kosten der Allgemeinheit funktioniert nur deswegen, weil die Mitgliedstaaten heute noch weitgehend Steuerhoheit haben. Einige Staaten glauben, dass niedrige Steuersätze durch höhere Ansiedlungen wieder ausgeglichen werden, und so kommt ein Steuerwettbewerb in Gang, und zwar nach unten, der im Ergebnis zu großer Ungerechtigkeit und sinkenden Einnahmen insgesamt führt. Das Festhalten an der vermeintlichen Steuersouveränität erweist sich als eine Illusion, weil dann nicht mehr der Staat das Heft in der Hand hat, sondern diejenigen, die gegen ihn agieren.

Deshalb ist meine Schlussfolgerung: So, wie der gemeinsame Markt einen EU-weiten Mindestsatz bei der Mehrwertsteuer bereits lange erzwungen hat, wird es höchste Zeit, auch bei der Unternehmensbesteuerung zu einer Harmonisierung innerhalb der Europäischen Union zu kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Zeit ist reif, dass die Europäische Kommission unter Kommissionspräsident Herrn Juncker eine europäische Antwort auf die schädliche Politik findet, die der Ministerpräsident Juncker in Luxemburg gemacht hat.

Wir wollen mit unserem Antrag unterstreichen, dass die Antwort auf diesen Skandal nicht die Fortsetzung der Konkurrenz, nicht die Schaffung eines neuen Patenttricks hier in Deutschland, wie das manche in der Union überlegen, sondern die Verständigung auf die Interessen aller Staaten, gerade auch die großen Unternehmen, auch die großen Vermögen endlich angemessen zur Finanzierung unserer Gesellschaften durch Steuern heranzuziehen. Dafür, finden wir, ist für die Frage der Gerechtigkeit schließlich auch die Europäische Union da. Daran wollen wir mitwirken. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn von der systematischen Steuerflucht die Rede ist, dann fallen immer bestimmte Namen, die mittlerweile fast jeder kennt: Apple, Starbucks, Amazon, manchmal auch noch die deutsche SAP. Man könnte manchmal meinen, es seien einige Unternehmen, die bestimmte exzessive Modelle nutzen würden, aber das stimmt bei Weitem nicht.

Ich möchte den Vorsitzenden der Industrieländerorganisation OECD, Ángel Guria, zitieren – Herr Imhoff, hören Sie ruhig zu! –: „Wir wollten verhindern, dass Unternehmen doppelt besteuert werden. Nun sind wir im Zustand doppelter Nichtbesteuerung angekommen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein inakzeptabler Zustand, und an dessen Veränderung muss gearbeitet werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man muss sehen, dass das nicht einfach ist, denn wir sind mit verschiedenen Problemkreisen konfrontiert.

Der erste Problemkreis sind die Wechselwirkungen, die Inkonsistenzen und die sich daraus ergebenden Schlupflöcher zwischen den nationalen Steuersystemen. Der zweite Problemkreis ist die mittlerweile planmäßige Trennung von zu versteuerndem Einkommen und den Tätigkeiten, die diese Werte schaffen. Der dritte Problemkreis ist die Ausdehnung der digitalen Wirtschaft und damit verbunden die Zunahme immaterieller Vermögenswerte, die sehr viel schneller rund um den Globus verschoben werden können. Der vierte Problemkreis ist die mangelnde Transparenz bei der Bestimmung der Staaten, in denen die Wertschöpfung tatsächlich stattfindet, und den fünften Problemkreis hat Herr Dr. Kuhn eben auch noch einmal sehr pointiert angesprochen, nämlich den Steuerwettlauf zwischen den Staaten, the race to the bottom, mit teilweise sogar illegalen Praktiken.

Wenn man sich anschaut, welcher Schaden dadurch angerichtet wird – nach den Schätzungen nicht von irgendwem, sondern von der Europäischen Kommission selbst –, beläuft sich dieser auf eine Billion Euro, und zwar nicht insgesamt, sondern pro Jahr. Wenn man das nur einmal auf die Steueranteile umrechnet, die wir hier in Europa haben, dann entspricht das in Deutschland einem Anteil von hinterzogenen, verlagerten Steuern von rund 200 Milliarden Euro im Jahr. Wenn wir das auf Bremen umrechnen, mit unserem einem Prozent, dann sind wir bei 2 Milliarden Euro hinterzogener, geflüchteter Steuer. Selbst wenn wir davon ausgehen würden, dass man darin vielleicht eine Ungenauigkeit von 50 Prozent hat, wäre das immer noch eine Milliarde Euro, also der Berg, den wir

im Rahmen der Jahre, in denen wir im Moment sind, abarbeiten müssen.

Man kann vielleicht sagen, Deutschland wäre ja nicht so sehr betroffen, aber nein, die Spezialisten, die Experten gehen davon aus, dass Deutschland das am stärksten betroffene Land dieser Praktiken ist. Herr Dr. Kuhn hat es schon gesagt, die Geschädigten sind wir alle: Das sind die öffentlichen Körperschaften, der Staat, die privaten Steuerzahler, die Transferempfänger, die Kürzungen hinnehmen müssen, und das sind auch die kleinen und mittleren Unternehmer, die nämlich hier für die Nutzung zahlen müssen, während sich die Multinationalen aus dieser Verantwortung herausziehen können.