gung, Perpetuum mobile und dergleichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns einmal klarstellen, worum es geht! Schulden und Kredite sind nicht von ihrer absoluten Höhe her das Problem. Wenn wir 22 Milliarden Euro Schulden haben, ist es etwas anderes, als wenn der Bund Schulden in dieser Höhe hat. Es geht um die relative Belastung. Das Ziel, das wir haben müssen, ist, mittel- und langfristig die relative Belastung aus diesen Schulden abzusenken. Wer sich nicht näher mit dem Thema Finanzen befasst, der weiß dafür eigentlich nur eins, weil er das aus seinem Privatleben auch so kennt: Wenn ich einen Kredit habe, muss ich ihn zurückzahlen, sonst habe ich oder haben meine Nachkommen ihn bis zum jüngsten Gericht als Verpflichtung.
Wir sind aber kein Privathaushalt, sondern man muss einmal schauen, wie denn eigentlich die Staaten und Länder mit ihren Schulden umgehen. Dann wird man nämlich dahin kommen, dass es neben der Tilgung noch zwei weitere Instrumente gibt. Das eine ist, dass im Zeitablauf, im Regelfall schon bedingt durch die Inflation, aber auch zumeist real, die Einnahmen der öffentlichen Hand steigen. Wenn man das jetzt nur einmal annimmt, damit es von der Größenordnung her klar ist, für die nächsten 30 Jahre würde das in Bremen auch wiederum drei Prozent bedeuten – das ist ein relativ niedriger Ansatz –, dann läge unser gesamter Etat in Bremen nicht mehr bei 4,7 Milliarden Euro, sondern bei fast 12 Milliarden Euro. 22 Milliarden Euro Schulden zu 12 Milliarden Euro ist anders, als wenn ich 22 Milliarden Euro zu 4,7 Milliarden Euro Ausgaben habe.
Ich möchte nur fragen, ob sozusagen die steigenden Einnahmen mit dem steigenden Wirtschaftswachstum begründet werden, ob das die These ist, und für wie viel Jahre dieses steigende Wirtschaftswachstum mit wie viel Prozent dieser Berechnung zugrunde liegt!
Frau Dr. Schierenbeck, ich habe jetzt im Moment erst einmal nur versucht zu beschreiben, dass es unterschiedliche Instrumente gibt, mit den Belastungen aus Schulden fertig zu werden. Ob Bremen um drei Prozent wachsen wird, oder ob es vier oder nur zwei Prozent sind, weiß ich nicht.
Herr Bödeker, Sie übernehmen doch jetzt, wie ich gehört habe, einen Posten, bei dem es um Finanzen geht, deshalb würde ich mich hier nicht so vorschnell äußern, sondern noch einmal ein wenig hinsehen! So, wir wissen es nicht, aber wir werden von einem ausgehen können, nämlich, dass der Etat Bremens langfristig zunehmen wird; alles andere dürfte hier im Raume sicherlich überraschen. Darauf will ich nur hinweisen.
Die nächste Thematik ist die Frage der Inflation. Das ist natürlich eine Sache, bei der derjenige, der nur Zeitung liest, enorm aufschreckt: Jetzt wollen sie auch noch inflationieren, damit sie ihre Schulden beseitigen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, folgenden Aspekt muss man sich erst einmal verdeutlichen: Eine Preisstabilität auf der Basis der europäischen Zielsetzungen, der Zielsetzungen der Europäischen Zentralbank, auch mit dem, was die Bundesbank früher wollte, eine solche Preisstabilität liegt nicht bei null, sondern sie liegt bei knapp zwei Prozent.
Ja, Herr Hinners, das ist die Größenordnung, und wenn man sich das nicht klarmacht, dann erzählt man immer nur die Halbwahrheit. Das Problem mit den zwei Prozent liegt ja darin, wenn man darunterliegt und deflationäre Tendenzen hat, dann hat das negative Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft, deshalb ist die EZB ja so bemüht, wieder an die zwei Prozent, an die Preisstabilität nach ihrer Definition heranzukommen, denn im Moment ist der Grundsatz verletzt.
Herr Dr. vom Bruch, kommen wir einmal einfach zu einem Aspekt: Wenn wir diese Preisstabilität haben – ja, jetzt kommt Mathematik, das Fach haben Sie bestimmt auch gehabt –, wenn wir 30 Jahre – –.
(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wir sind hier im Parla- ment und nicht in der Klippschule, Herr Gottschalk!)
(Abg. Kastendiek [CDU]: So wie Sie rechnet keiner! Selbst Herr Professor Dr. Hickel nicht! – Beifall CDU)
Herr Kastendiek, dass Sie als ein in der Wirtschaft tätiger Mensch nicht so rechnen, wundert mich. Jedes Unternehmen rechnet eigentlich mit dem Realzins. Haben Sie davon schon einmal etwas gehört?
Herr Kastendiek, ich weiß, für jemanden, der sich damit nicht näher befasst, ist das erst einmal starker Tobak.
Schauen Sie hierhin, und hören Sie doch einfach einmal zu, Herr Kastendiek! Wenn wir einen Betrag haben, und es herrscht 30 Jahre lang nach den Kriterien der EZB eine Preisstabilität bei zwei Prozent – –.
(Abg. Hinners [CDU]: Dann haben wir nach Ihrer Rechnung ja gar keine Schulden mehr! – Heiterkeit CDU)
Nein, Herr Hinners, da können Sie lachen, der Punkt ist, dass Sie nach 30 Jahren dann noch einen realen Wert haben von 55 Prozent von dem Ausgangspunkt.
(Abg. Hinners [CDU]: Aber bei Ihrer Rechnung muss man irgendwann doch auch einmal wieder bei Null anfangen!)
Wir haben in Bremen eine große Herausforderung, und ich möchte darauf hinweisen, dass wir unterschiedliche Instrumente haben. Hier dieses Thema in dem großen Raum zu diskutieren, ist offensichtlich nicht so ganz einfach. Ich schlage nur vor, dass wir künftig bei dieser Sache dies mit berücksichtigen, denn was man von uns nicht verlangt – Herr Hinners, Herr Kastendiek, Herr Bödeker –, ist, dass wir die Sache nicht verstehen, sondern man verlangt von uns, dass wir die Sache verstehen und damit unsere Möglichkeiten nutzen. – Danke!
(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Kas- tendiek [CDU]: Wenn sieben Menschen im Raum sind und drei hinausgehen, wie viele sind das dann noch?)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gottschalk, wir haben das ja gestern alle interessiert in der Zeitung gelesen.
Ich habe, ehrlich gesagt, noch einmal versucht, heute zu recherchieren, wo Ihre volkswirtschaftliche Betrachtungsweise in der Praxis zum Erfolg geführt hat. Ich habe kein einziges Beispiel gefunden,
Ja, nur eine Bemerkung! Herr Eckhoff, haben Sie schon einmal geschaut, wie die USA und Großbritannien, nachdem sie nach dem Zweiten Weltkrieg völlig überschuldet waren, die Schulden wieder heruntergebracht haben? Dann erzählen Sie es uns einmal!
Ja! Dieses Beispiel habe ich mir heute auch angesehen, insbesondere am Fall der USA. Ich weiß, Sie halten immer die angelsächsische Fahne hoch und sagen, das sei das richtige Modell. Die Amerikaner hatten nach dem Zweiten Weltkrieg ein Verhältnis Schuldenberg zum Bruttoinlandsprodukt von ungefähr 120 Prozent. Anfang der Siebzigerjahre haben sie das auf 40 Prozent heruntergesenkt, und das haben sie geschafft, weil sie in den Jahren dazwischen eine relativ restriktive Haushaltspolitik betrieben haben, weil sie dort nicht gesagt haben, wir werfen jetzt die Druckmaschinen für Geld an. Daraufhin haben die Amerikaner in den Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren für ihre Verhältnisse relativ stabile Haushalte gehabt. Sie haben erst danach, nämlich nach der Clinton-Administration wieder die Notenpresse betätigt, und fast alle Volkswirtschaftler, lieber Herr Gottschalk, sehen unter anderem darin auch einen Zusammenhang mit der Situation, die wir in Amerika dann im Jahr 2008 hatten, die fast das gesamte Bankenkonsortium der Welt zum Einsturz gebracht hätte und massive Folgen auch bei uns im Land verursacht haben.
Sie haben einfach ein falsches Modell im Kopf. Das Modell können Sie zwar so präsentieren, es funktioniert nur in der Praxis nicht! Wir haben doch diese Fehler auch teilweise im eigenen Land gemacht. Theoretisch würde das bedeuten, hätten wir nicht zwei, sondern vier Prozent Inflation, wäre der Schuldenberg in 30 Jahren relativ gesehen noch kleiner. Mit dieser Inflationsrate ergeben sich aber noch wei
tere Folgen. Die Bezahlung der Beamten im öffentlichen Dienst würde sich ganz anders entwickeln. Wir haben doch zum Beispiel ganz andere Kostenfaktoren, die wir irgendwie bedienen müssen. Die südlichen Länder Europas haben das über viele Jahre gemacht. Ich habe nicht den Eindruck, dass Italien, Griechenland und andere Länder Vorbild für die Volkswirtschaft in Europa sind.
Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein besonderes Erfolgsmodell war, als wir das in der deutschen Geschichte gemacht haben. Ihr theoretischer Ansatz ist völlig legitim, wir halten ihn nur leider für falsch, lieber Herr Gottschalk!
Ich wollte drei weitere Bemerkungen machen. Die erste Bemerkung richtet sich an Herrn Rupp. Herr Rupp, die Haushaltsberatungen führen wir morgen noch. Sie haben jetzt noch einmal sehr auf die Jahre 2016 und 2017 und auf die Sozialhilfekosten abgehoben. Morgen haben wir eine Haushaltsdebatte, in der wir das noch einmal ausführlich besprechen. Im Moment geht es um die mittelfristige Perspektive.