Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wird seit Jahren gemacht!)

Ich denke, dieser Dialog wird irgendwo enden, jedoch nicht dort, wohin wir wollen und kommen müssen, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD)

Insofern müssen wir schauen, was die geeigneten Mittel sind. Entweder man verteuert Dinge, oder man gibt den Menschen, die sich so verhalten, wie man es gern möchte, einen Vorteil. Das sind immer die zwei Pole, zwischen denen man sich bewegen kann.

Dieser Antrag besagt Folgendes: Wir sind gegen die kostenfreie Abgabe von Plastiktüten, und wir wollen den Bund weiter für das Problem von Mikroplastik sensibilisieren. Warum das so ist, haben meine Vorredner, insbesondere Frau Dr. Schaefer, schon ausgeführt.

Ich möchte noch eine Zahl nennen, obwohl ich kein Freund von Zahlenkolonnen bin, und eine Frage aufwerfen. Mich hat ein Vortrag der Bremer Professorin Frau Boetius neulich darauf gebracht, und ich habe gelernt, dass wir von dem vielen Plastik, das wir in den letzten 50 Jahren produziert haben, überhaupt gar nicht wissen, wo der Großteil davon eigentlich verblieben ist. 6,4 Millionen Tonnen Plastik gelangen jedes Jahr ins Meer, und wir wissen von 269 Tonnen dieser 6,4 Millionen Tonnen, wo sie sind. Das Plastik schwimmt dann irgendwo an der Oberfläche. Der Rest ist im Wasser, baut sich durch darauf treffendes UV-Licht ab, zersetzt sich langsam in seine Einzelteile und wird dann immer kleiner, ist dann nicht mehr in einer so schönen Plastikmasse an der Oberfläche, die wir vielleicht noch abfischen können, weil sie unseren Schiffsverkehr gegebenenfalls noch irgendwann beeinträchtigt, sondern sind frei flotierend als kleine Bausteine und Partikel irgendwo im Wasser. Das gerät natürlich in den Nahrungskreislauf, das ist klar.

Hinzu kommen die Bilder – das kennen Sie alle aus den sozialen Netzwerken –, auf denen man immer wieder irgendwelche strangulierten Tiere sieht, weil sich Plastik aus Sixpacks etwa um den Hals einer Schildkröte gewickelt hat. Diese Plastiktüten sehen im Wasser dummerweise auch gern einmal so aus wie eine leckere Qualle, dann schnappen der Fisch oder die Schildkröte danach, und schon hat das Tier das Plastik im Verdauungstrakt. Es gibt also eine ganze Menge ökologischer Probleme, aber auch Probleme für die Schifffahrt, zumindest für die kleineren Schiffe, bei denen sich das Ganze auch einmal um die Schiffsschraube wickeln kann.

Es ist demnach alles nicht gut, was wir in diesem Bereich haben. Gerade Bremen als maritimer Standort hat ein Interesse daran, dass wir unsere Meere nicht vermüllen, insofern hoffen wir, dass wir mit dieser Initiative auf Bundesebene etwas werden bewegen können. Das ist dann immer der entscheidende Punkt, für den wir vorher keine Gewähr haben, aber wir hoffen es.

Ich möchte noch einen Satz zu den von mir erwähnten Pappbechern sagen, da gibt es ja jetzt diese Initiative „Becherheld“, die dafür wirbt, diese Pappbecher nicht mehr zu benutzen, sondern sich sein eigenes Gefäß mitzubringen. Das scheitert, glaube ich, schon wieder daran, dass manche Menschen einen Vogel zeigen, wenn man – wo auch immer – in ein Kaffeehaus kommt und sagt, ich hätte gern mein mitgebrachtes Gefäß befüllt, können Sie das einmal benutzen? Sie sagen, nein, das dürfen wir aus hygienerechtlichen Vorschriften gar nicht! Da muss die Politik also auch noch einmal genauer hinsehen.

Vom Grundsatz her vertreten wir jedoch den Standpunkt, dass weniger Müll besser ist, und hoffen, dass wir eine breite Mehrheit für diesen grün-roten Antrag bekommen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kunststoffe im Meer vermeiden! Frau Dr. Schaefer hat eben bereits ein Anschauungsstück gezeigt, und Herr Crueger hat gesagt, ja, man braucht die Plastiktüten eigentlich nicht, aber man hat irgendwie immer eine dabei. Ich muss sagen, man braucht sie wirklich nicht, aber sie fliegen überall herum.

Sie wissen, ich wohne auf dem Dorf und auch am Wasser. Sie glauben nicht, wie viel man dort von den Plastiktüten und Plastikverpackungen findet, abgesenkt auf dem Boden, und wenn der Grabenmacher dort war, kommen sie alle wieder zum Vorschein.

Selbst wenn wir als Kinder bei den Hausschlachtungen zugeschaut haben – wenn die Rinder so etwas einfressen, und der Pansen wird geöffnet –, dann findet man das Plastik eins zu eins unverdaut wieder, davon werden die Tiere nie wieder befreit.

Insofern ist es eine vernünftige Initiative, die wir hier heute nur unterstützen können.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, da wundert ihr euch! Nein, es ist ja auch bereits viel gesagt worden über Zahlen und Fakten und darüber, was alles schädlich ist. Lassen Sie mich noch einmal sagen, 100 Milliarden Plastiktüten, wovon acht Milliarden auf EU-Ebene nicht recycelbar sind, sind einfach zu viel!

Herr Professor Dr. Hilz, Sie haben gesagt, wir wollten hier wieder durch Verbote irgendetwas regeln. Sie sollten sich auch mit der Thematik auseinandersetzen. Die EU hat einen Gesetzentwurf geschrieben, und sie wird den einzelnen Mitgliedsstaaten dann die Umsetzung schon frei überlassen, aber wir möchten gern bei dieser Umsetzung mitgestalten. Da muss ich mich ausnahmsweise einmal an die Seite der Grünen rücken lassen.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Sehr gern!)

Lassen! Ausnahmsweise!

Ohne Scherz, so funktioniert es eben nicht. Sie müssen sich schon informieren, wenn Sie sich auch mit den Dingen der EU auskennen, dann können Sie auch hier weiter mitreden.

Zu den Mikroplastikteilen kann ich nicht viel sagen. Ich benutze keine Kosmetik,

(Abg. Frau Sprehe [SPD]: Haarwaschmittel?)

aber wenn man sich ein wenig informiert, dann weiß man, dass viel nicht abbaubares Mikroplastik in die Meere, in die Gewässer gelangt.

Ich denke daher, dass das heute ein guter Antrag ist, dem wir parteiübergreifend zustimmen können. – Danke!

(Beifall CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Auch eine Plastiktüte da- bei? – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Meine Baumwolltasche interessiert auch nicht?)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schaue gerade, nein, ich kann Ihnen nicht mit einer Plastiktüte aushelfen. Ich bemühe mich auch, auf Plastiktüten weitgehend zu verzichten, weil ich es einfach unglaublich irritierend und bedrohlich finde, dass wir da innerhalb ganz kurzer Zeit eine Umweltkatastrophe geschaffen haben, die in vielen Fragen ihres Gleichen sucht.

Die Zahlen wurden genannt, 6,4 Millionen Tonnen Plastik in den Meeren. Wir sehen doch diese Bilder von verendeten Tieren, toten Fischen und Vögeln, und es ist doch nicht etwa so, dass das irgendwie effekthascherisch herausgesuchte Einzelprobleme sind. Es gibt heute kaum noch Tiere, Meeresvögel, die nicht in irgendeiner Weise Plastik in ihrem Verdauungstrakt haben, die nicht irgendeiner Weise Plastik gefressen haben. Wenn man das nicht ernst nimmt! Ab wann fangen wir eigentlich an, Umweltkatastrophen so ernst zu nehmen, dass wir unsere eigene Lebensweise infrage stellen?

Ich finde diesen Antrag hier gut, und darüber zu diskutieren, ist exakt richtig. Aus meiner Sicht ist es auch dringend notwendig, ganz schnell und sehr nachdrücklich Maßnahmen zu ergreifen, den Eintrag von Plastikmüll in die Meere zu verhindern und dort, wo es geht, diesen wieder herauszuholen.

Deswegen habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, einerseits einzuräumen, dass die Sache mit dem Plastik zwar ein bisschen blöd sei, anderseits aber auch lieber nichts verbieten zu wollen oder die Preise lieber nicht erhöhen zu wollen, wie es Herr Hilz gerade gesagt hat.

Ich will die Diskussion an dieser Stelle kurz ausweiten. Wir leben in einer Welt, in der Marktmechanismen darauf hinauslaufen, dass wir nicht nur über Plastiktüten, sondern auch über Verpackungen von Lebensmitteln diskutieren müssen. Das Problem beginnt doch nicht erst bei der Plastiktüte. Denken Sie an den Joghurtbecher, die Getränkeflasche, die Waschmittelflasche, an Folien, die über Lebensmittel wie Äpfel ge

spannt werden, an die Kunststoffschale! Überall finden wir momentan Plastik in einer Menge –

(Abg. Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Um Bücher herum!)

um Bücher herum, um alles! –, die dieser Planet nicht verträgt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man vor diesem Hintergrund sagt, dass wir nicht über Verbote nachdenken dürfen, frage ich mich, Herr Hilz: Sind Sie eigentlich für Geschwindigkeitsbegrenzungen?

(Zurufe Bündnis 90/Die Grünen und SPD: Nein!)

Diese Geschwindigkeitsbegrenzungen sind dazu da, dass sie Leib und Leben von Menschen schützen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

und ein Verbot von Plastiktüten oder ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika wäre eine Maßnahme, die Leib und Leben von Tieren und Menschen schützt. Deswegen muss man ernsthaft darüber nachdenken, ob das eine sinnvolle Maßnahme ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich weiß nicht, in wessen Interesse Sie hier auftreten, wenn Sie behaupten, dass Sie beides nicht wollten, und sagen, dass Sie an den Verstand der Menschen appellierten. Ich finde, man darf keine Möglichkeit auslassen, das zu tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Erstens, wir müssen den Gebrauch von Plastiktüten vermeiden! Zweitens, wir müssen darüber reden, wie wir von Einwegplastikverpackungen wegkommen! Drittens, wir müssen dafür sorgen, dass Recyclingsysteme besser werden! Viertens, wir müssen beispielsweise so eine Initiative wie Ocean Cleanup, bei der tatsächlich praktisch versucht wird, schwimmenden Müll einzusammeln, was möglicherweise sogar klappt, unterstützen, und zwar nicht nur als Pilotprojekt, sondern so, dass möglichst schnell gebrauchsfertige Einrichtungen eingesetzt werden können, die das Zeug zumindest oberflächlich wieder herausholen, und wir müssen darüber reden, wie wir den Eintrag in die Meere insgesamt stoppen, Sonst wird das Zeug in kleine Stücke zerrieben, und irgendwann essen wir es. Nach meinen Informationen bewirkt dieses Plastik in den Menschen so etwas Ähnliches wie Hormone. Dann sind wir wieder krank und wissen nicht warum. Dieser Teufelskreislauf muss gestoppt werden!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen unterstützen wir natürlich diesen Antrag. Wir haben beantragt, einen dritten Punkt anzufügen. Dafür möchte ich werben. Ich finde, dass wir nicht immer nur nach Berlin gucken dürfen. Ich werbe dafür, dass wir in Bremen unsere Beschaffung und Ähnliches daraufhin überprüfen, ob auch wir noch mehr tun können als bisher, um den Verbrauch von Kunststoffen und Plastiken in Verpackungen, in Tüten und so weiter zu verringern. Deswegen verstehe ich nicht ganz genau, wieso man eine solche Initiative diesem Antrag nicht anfügen kann, denn das ist etwas, das ich persönlich für selbstverständlich halte.

Mit den Anführungsstrichen bei „Marktmacht der öffentlichen Hand“ meine ich, dass auch wir beschaffen. Wir sind dabei möglicherweise auf einem guten Wege. Vielleicht kann man bei der Beschaffung aber noch mehr im Hinblick auf die Vermeidung von Plastik tun. Ich bin, gerade weil Einzelhandelsketten hierbei schon Schritte vorangehen, relativ sicher, dass wir mit einer solchen Initiative dann beispielgebend sind, wenn es uns im kleinen Bremen gelingt, mehr Marktteilnehmer davon zu überzeugen, dass es andere Wege gibt, beispielsweise nicht auf Einwegverpackungen zu setzen. Dann sind wir nicht bei Verboten oder Preiserhöhungen, sondern dann sind wir auch dabei, das Bewusstsein von Menschen zu verändern. Ich werbe deshalb noch einmal dafür, den dritten Punkt in den Antrag aufzunehmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)