Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

(Beifall SPD)

Lassen Sie mich aber hinzufügen, Rechtsextremismus kann man ebenso wenig einfach auf Linksextremismus spiegeln wie auf extremistischen Islamismus oder andersherum.

(Zuruf Abg. Schäfer [ALFA])

Hören Sie mir doch einfach zu!

Natürlich handelt es sich bei linksextremistischer Gewalt um ein gesellschaftliches Problem, aber um ein anderes als beim Rechtsextremismus. Darüber haben wir uns hier in der Bürgerschaft, aber auch außerhalb, schon oft auseinandergesetzt. Denn Rechtsextremisten richten sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen und die universelle Geltung der Menschenrechte. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von Fremdenfeindlichkeit. Die Linksextremisten wollen anstelle der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung eine grundlegende andere Gesellschaft und eine herrschaftsfreie anarchistische Gesellschaft etablieren. Die Menschenfeindlichkeit hat für mich persönlich eine andere Qualität als die Staatsfeindlichkeit, auch wenn sich beides gegen Grundfeste richtet und beides ernst zu nehmen ist und gesellschaftlich bedrohlich sein kann.

(Abg. Schäfer [ALFA]: Bullshit!)

Bullshit gehört, glaube ich, nicht ins Parlament, aber gut!

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zur Großen Anfrage kommen. In Bremen engagiert man sich fortlaufend für die Bekämpfung des Rechtsextremismus auch im Rahmen von Bundesprogrammen. Das ist für uns hier eine wichtige Säule. Wir haben hier in Bremen eine Vielzahl von Beratungsangeboten wie etwa die Beratungsstelle „pro aktiv gegen rechts“ sowie das Beratungsangebot „reset“. Beide befinden sich in Trägerschaft von VAJA und werden über das Bundesprogramm gefördert. Für ihre Arbeit in diesem Bereich ist der Verein über die Region hinaus bekannt und wird auch von mir persön

lich hoch geschätzt. Ebenfalls über das Bundesprogramm gefördert wird das Beratungskonzept der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt, kurz ARUG genannt.

Zur extremistischen Islamismusprävention und Bekämpfung gibt es im norddeutschen Raum seit September 2012 das Beratungsnetzwerk kitab – der Kollege hat dies angesprochen –, das sich als wichtige Säule in diesem Bereich etabliert hat und Eltern und Angehörige von Jugendlichen, die sich islamistischen Organisationen zuwenden, betreut. Ein weiteres Projekt von kitab richtet sich an Jugendliche selbst. Bei der Forderung nach zusätzlichem Personal werden wir natürlich im Laufe der Haushaltsberatungen auf Ihre Anträge und deren Finanzierung gespannt sein. Es scheint mir ein Bedürfnis zu sein, für diesen Bereich etwas zu tun. Wir sind gespannt.

Wir sind hier sehr gut aufgestellt, aber eine effektive Verhinderung der Radikalisierung gelingt nur, wenn staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure zusammenarbeiten. Dabei ist für die Prävention vor religiösem Fundamentalismus auch eine Zusammenarbeit mit den islamischen Organisationen wichtig. Ich finde es richtig und wichtig, dass sich zum Beispiel die Schura hier bereitwillig einbringt. Zu nennen ist das Projekt „Pro Islam“, das wir ausdrücklich begrüßen.

Aus der Antwort des Senats wird deutlich, dass die Anstrengungen im Bereich der Islamismusprävention erhöht werden. Nicht erst nach den neuesten terroristischen Anschlägen ist ganz klar, dass dem sogenannten Homegrown Terror so früh wie nur irgendwie möglich begegnet werden muss und dass man in diesem Bereich nicht nachlassen darf. Mit dem ressortübergreifenden Präventionskonzept – und da gebe ich Ihnen recht, es steckt noch in der Anfangsphase – wurde dafür eine Basis geschaffen.

Wir sind auf einem guten Weg, den wir weiterverfolgen werden und müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU thematisiert Aussteiger- und Präventionsangebote für Extremismus und Islamismus. Auf beiden Feldern arbeiten Träger in Bremen mit dem Bundesfamilienministerium zusammen, unter anderem dort, wo das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ angesiedelt ist.

In diesem Jahr wurden über dieses Förderprogramm 280 000 Euro in Bremen eingesetzt, 60 000 Euro stammten davon aus Landesmitteln. Die bremischen Projektträger sind VAJA, der Täter-Opfer

Ausgleich, die Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt, ARUG. Diese Institutionen arbeiten jeweils mit größeren Netzwerken und Akteuren zusammen, zum Beispiel im LidiceHaus. Es gibt eine Vielzahl erfolgreicher Projekte. An dieser Stelle müssen wir uns auch einmal bei den Menschen, die im Rahmen dieser Projekte arbeiten, bedanken.

(Beifall DIE LINKE)

Wir finden es insgesamt gut, dass die Summe für die Projekte steigt, allerdings fehlt bei einigen Dingen immer noch die benötigte Verlässlichkeit, beim Projekt „pro aktiv gegen rechts“ sind die Stellen beispielsweise immer nur auf ein Jahr befristet.

Ein Schwerpunkt der Großen Anfrage der CDUFraktion liegt bei Aussteigerprogrammen, bei denen Angehörige rechtsradikaler oder islamistischer Gruppierungen Unterstützung für einen Bruch mit ihrem ehemaligen Umfeld bekommen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Aussteigerprogramme funktionieren unterschiedlich erfolgreich, auch das ergibt sich aus der Antwort des Senats.

Es gab beispielsweise jahrelang eine Hotline für Aussteigerwillige beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Diese Hotline ist nicht einmal angerufen worden. Ähnlich war es, als solche Hotlines auf der Bundesebene für sogenannte Linksextremisten eingerichtet worden waren. In keinem Fall erfüllte sich der Sinn der Hotline. Das Programm ist schließlich völlig zu Recht eingestellt worden. Deshalb ist auch die von der CDU gern und oft formulierte Forderung falsch, was es gegen Nazis gebe, müsse es auch gegen Linke geben. So kurz gefasst ist die These.

Dieser Gleichsetzung widersprechen nicht nur historische, politische und ethische Standards, sondern schlichtweg auch die praktischen Erfahrungen aus den Aussteigerprogrammen. Aussteigerprogramme, die bei Nazis einmal mehr oder einmal weniger funktionieren, und zwar auch nur bedingt, kann man allein aus pädagogisch-fachlichen Gründen nicht einfach auf andere Personengruppen übertragen.

Ansonsten finden wir in der Großen Anfrage leider wenig Neues, unter anderem auch deswegen, weil der Kollege Herr Hinners von der CDU vor ein paar Wochen eine ähnliche Große Anfrage gestellt hatte.

Schließlich kommen wir als Fraktion zu dem Schluss: Wir benötigen insbesondere ein kohärentes und übergreifendes Konzept für die Prävention im Bereich des Salafismus bei Jugendlichen, denn das ist in Bremen – und da sind wir uns, glaube ich, alle einig – das größte Problem. Die Forderung, ein entsprechendes Projekt über Bundesmittel finanzieren zu wollen, ist zwar richtig, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die entsprechenden Gelder sind im Bundeshaushalt 2016, der ja schon beschlossen worden ist, nicht eingestellt worden. Deshalb kommt die Forderung, und zwar auch die Forderung, die Senator Mäurer ge

stellt hat, an dieser Stelle einfach zu spät, zumindest für den bereits beschlossenen Haushalt.

Wir erwarten, dass die zuständigen Deputationen und die Ausschüsse zeitnah über den Umsetzungsstand des Bremer Präventionsprogramms gegen Islamismus informiert werden. Wir erwarten weiterhin, dass sich Bremen ebenfalls anstrengt, um die wichtigen Projekte dieses Bereichs verlässlich und bedarfsgerecht abzusichern. Das sehen wir ähnlich wie die Kollegen der CDU, und darauf werden wir bei den Haushaltsberatungen definitiv achten. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bedrohungsszenarien durch verschiedene Gruppen aus dem linksextremistischen, aus dem rechtsextremistischen und aus dem islamistischen Bereich betreffen uns alle, und es wird kein Laufsteg erforderlich sein, um hier mit populistischen Forderungen zu agieren.

Mir ist aufgefallen, dass Linksextremismus in Bremen gar nicht angesiedelt ist. Hier kann man schon erwarten, dass eine entsprechende Begründung gegeben wird, warum Linksextremismus keine Präventionsmaßnahmen und Aussteigerprogramme erfordert.

Ansonsten ist mir bei der Antwort des Senats aufgefallen, dass eine Reihe von Sachverhalten nicht genügend mit Substanz versehen worden sind. Es fällt auf, dass die Programme von den finanziellen Mitteln her, sowohl vom Bund als auch vom Land Bremen, in den vergangenen Jahren aufgestockt worden sind. Das ist sicherlich einerseits gut, andererseits zeigt es aber vielleicht auch, dass es ein entsprechendes Gefährdungspotenzial gibt.

In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage fehlt mir völlig der Hinweis, welche Fördersummen auf welche Einrichtungen verteilt worden sind. Das ergibt sich nicht aus der Antwort.

Es ist zweitens nicht ersichtlich, wie viele Personen in den jeweiligen Vereinigungen arbeiten. Diese Angabe wird benötigt, um einen Eindruck zu bekommen.

Weiter ist von Interesse, welche Leistungen von der einzelnen Einrichtung tatsächlich erbracht worden sind. Das kann ich aus der Antwort des Senats ebenfalls nicht erkennen.

Das Wichtigste: Wie oft wurde welche Vereinigung kontaktiert? Wie oft gab es Bedürfnisse von Menschen, die sich in die Präventionsprogramme der unterschiedlichsten Arten einklinken wollten? Bei wie vielen Menschen ist ein positives Ergebnis dabei herausgekommen? Sind Personen wirklich aus dem rechten Milieu oder aus dem islamistischen Milieu ausgeschieden? Das fehlt mir völlig.

Mir fehlt auch: Gibt es aufgrund dieser Programme einen Austausch mit anderen Ländern oder auf Bundesebene, um sich von dort die eine oder andere Anregung zu holen?

Wir haben mit der Antwort auf die letzte Große Anfrage zur Kenntnis bekommen, dass Extremismus häufig seine Ursache darin hat, dass Menschen persönliche Defizite haben, dass sie ausgegrenzt worden sind und dass das bei ihnen zu einer Radikalisierung geführt hat.

Deswegen kann es nicht nur darauf ankommen, Einrichtungen zu schaffen, Telefonnummern zu vergeben, Kurse abzuhalten und Personen auszubilden, sondern es ist eigentlich von allen Menschen dieser Gesellschaft erforderlich, durch eine Kultur des Hinschauens und des Hinhörens Sachverhalte oder Personen ausfindig zu machen, bei denen ein Abdriften in den Radikalismus möglich ist. Insoweit sind Schulen aufgefordert, Lehrer aufgefordert, Kollegen in Arbeitsverhältnissen aufgefordert, Mitarbeiter, Arbeitgeber oder auch Freunde und Bekannte.

Dies sollten alle mit auf den Weg nehmen und sich nicht nur auf ein abstraktes Beratungssystem zurückziehen.

Die erfreulichste Mitteilung in der Beantwortung der Anfrage sehe ich darin, dass sich beim nächsten Konzept, welches für die Jahre 2015 bis 2019 aufgelegt worden ist, die Schura Bremen beteiligen möchte. Das ist eine hervorragende Möglichkeit, in Bremen mit 25 Moschee-Gemeinden ins Gespräch zu kommen. Es ist auch begrüßenswert, dass sich Bremen mit 20 Prozent der Komplementärmittel daran beteiligt. Ich würde es begrüßen, wenn aus dem Senatsbereich beantwortet werden könnte, wie sich das zahlenmäßig im Einzelnen darstellt.

Der Senat ist aufgefordert, dieses Angebot von der Schura Bremen aufzugreifen, zu pflegen und in der Kooperation zu nutzen, damit eine muslimische Erziehung, die solide und aggressionsfrei erfolgen soll, mit diesen Konzepten, die wir beschrieben bekommen haben, vernetzt wird. Dadurch kann der Bedrohung durch den Salafismus in Bremen Einhalt geboten werden. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich deutlich für uns Grünen sagen, dass wir alle null Toleranz gegen Extremismus jeglicher Art haben. Ich glaube, das kann ich für alle demokratischen Fraktionen in diesem Hause sagen. Das ist und bleibt aus meiner Sicht Konsens.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP)

Toleranz und Weltoffenheit sind Markenzeichen einer freiheitlichen Gesellschaft. Deshalb dürfen Extremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamismus bei uns überhaupt keine Chance haben. Meine Damen und Herren, Rechtsextremismus und rechte Gewalt sind ein Problem und ein Thema in Deutschland. Jeder dieser Übergriffe stellt immer auch einen Angriff auf unsere vielfältige und pluralistische Gesellschaft dar. Wir müssen verhindern, dass junge Leute überhaupt in extremistische Szenen geraten. Daher ist es wichtig, bereits frühzeitig über den Rechtsextremismus und seine Gefahren zu informieren. Die Prävention und Sensibilisierung gegenüber den sich wandelnden Erscheinungsformen des Rechtsextremismus ist hochaktuell und zugleich ein Anliegen aller demokratischen Kräfte.

Wir beteiligen uns als rot-grüne Koalition im Land Bremen an folgenden Präventionsprogrammen gegen Rechtsextremismus wie zum Beispiel „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ von Januar 2015 bis 2019. Aus der Antwort auf die Große Anfrage wird aber auch deutlich, dass sich das Land Bremen an mehreren Bundesprogrammen beteiligt hat wie zum Beispiel „VIELFALT TUT GUT“ und „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“.

Aussteigerprogramme existieren im Bereich des Rechtsextremismus wie zum Beispiel die Distanzierungsberatung zur Loslösung von Rechtsextremismus des Projekts „reset““, das sich in erster Linie an junge Männer und Frauen richtet, die mit der rechtsextremen Szene sympathisieren oder sich als ein Teil dieser verstehen. Die Jugendbildungsstätte LidiceHaus bietet außerschulische Jugendbildungsmaßnahmen zur demokratischen Teilhabe an der Gesellschaft an und führt Qualifizierungsmaßnahmen zur Beratung von Eltern rechtsextremer Jugendlichen durch. Dieses Angebot wird über institutionelle Zuwendungen aus den entsprechenden Haushaltsmitteln finanziert. Weiter wird der Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e. V. mit seinem Team „Akzeptierende Jugendarbeit mit rechten Cliquen“ von der Stadtgemeinde Bremen über institutionelle Zuwendungen aus Haushaltsmitteln finanziert und ist auch überregional anerkannt, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)