Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

In der Tat gibt es dazu vielfältige Einschätzungen. Am Ende aber wird man anerkennen müssen, dass deswegen keine akute Gesundheitsgefährdung vorliegt.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Im Gegenteil!)

Dieses Beispiel steht aber sinnbildlich für die Sorge vieler Menschen vor der Absenkung der Verbraucherschutzstandards, die wir in all den Jahren teilweise auch parteiübergreifend hier durchgesetzt haben. Diese Sorge ist so lange berechtigt, bis das Gegenteil bewiesen ist!

Lassen Sie mich einmal ganz kurz aus Ihrem Antrag zitieren! Da heißt es zum Thema Transparenz: „Es liegt in der Natur der Sache derartig komplexer und mühevoller Verhandlungen, dass sie unter Ausschluss der allgemeinen Öffentlichkeit geführt werden. So wird sichergestellt, dass die Abwägung der Interessen der einzelnen Verhandlungspartner vertrauensvoll geschieht, wie Arbeitnehmer das von ihren Gehaltsverhandlungen her kennen.“

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Absolute Intransparenz ist genau das, was die Bürgerinnen und Bürger am allerwenigsten schützt, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

SPD und Grüne treten hier heute gemeinsam für einen fairen Wettbewerb und den Schutz der hohen Standards im Bereich des Verbraucherschutzes, des Umweltschutzes, der Arbeitnehmerrechte und der Kultur ein. Wir setzen uns gemeinsam für mehr Transparenz bei diesen Verhandlungen ein und für einen offenen Dialog über die Chancen und Risiken dieses Abkommens. Wir Grüne, DIE LINKE, Teile der SPD und eine breite Öffentlichkeit haben in den vergangenen Monaten schon viel erreicht. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Spuk aufhalten! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch in dieser Legisla

turperiode beschäftigt uns das Thema TTIP, dessen Abkürzung für ein Transatlantisches Freihandelsabkommen steht und zumindest nicht mehr erklärt werden muss.

Die letzte Debatte dazu im Bundestag war am 4. Dezember des vergangenen Jahres. Genau dieses Datum trägt auch der erste Antrag der FDP-Fraktion. Danach folgten die beiden Anträge Anfang Februar von SPD und Grünen sowie unser Antrag. DIE LINKE, die mit ihrem Antrag im Bundestag „Fairer Handel statt TTIP und CETA“ gefordert haben, haben keinen Antrag eingebracht, obwohl sie sicherlich zu den schärfsten Gegnern des Freihandelsabkommens gehören. Die Beiträge von Herrn Gottschalk und Herrn Fecker haben deutlich gemacht, dass die Koalition hier durchaus gespalten ist. Mich hat die Diskussion schon etwas verwundert. Dabei gibt es zwischen den drei vorliegenden Anträgen gar keine so großen Unterschiede. Alle drei Anträge stellen die besondere Bedeutung des Handels für unsere Hansestadt heraus. Frau Steiner hat das auch schon im Hinblick auf den Außenhandel und mit Zahlen unterlegt.

Auch wenn die Beiträge von Herrn Gottschalk und Herrn Fecker nicht so klangen: Wir begrüßen, dass in den Anträgen doch in vielen Punkten Übereinstimmung zu finden ist, auch bezüglich der Transparenz. Die anfänglichen Probleme mangelnder Transparenz der Verhandlungsmandate sind seit einiger Zeit behoben. Im Bundestag ist jetzt ein Raum, in dem Abgeordnete ein Unterlagenleserecht haben.

(Abg. Saxe [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist Ihre Vor- stellung von Transparenz?)

Ich finde das gut! Auch auf europäischer Ebene haben jetzt alle EU-Abgeordneten Zugang zu den vertraulichen Verhandlungsdokumenten. Eine immer wieder geforderte Beteiligung der Zivilgesellschaft findet über den TTIP-Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und auf EU-Ebene über die TTIP Advisory Group bei der entsprechenden Kommission statt.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ein super Beitrag!)

Einigkeit besteht wohl auch hier im Haus über die Einhaltung der Standards zum Verbraucherschutz, zur Produkt- und Lebensmittelsicherheit. Ziel ist nicht nur die gegenseitige Anerkennung, sondern auch die Weiterentwicklung von Normen und Standards, nicht jedoch der Zwang zu gleichen Normen. Das ist in der Tat ein bedeutender Unterschied.

Auch im Hinblick auf Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge lassen sich aus den Anträgen keine so großen Unterschiede herauslesen. Die Entscheidungsbefugnisse hierüber sollen auch nach unserem Antrag weiterhin bei den kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften liegen.

Einigkeit gibt es auch beim Erhalt der kulturellen und medialen Vielfalt, also möglicher staatlicher Kulturförderung, und dem Erhalt der Buchpreisbindung. Das steht bei uns im zweiten Beschlusspunkt unter d) und bei Rot-Grün im zweiten Forderungspunkt.

Lediglich die Punkte fünf und acht des Forderungskatalogs von Rot-Grün, nämlich die mögliche Kündigung des Abkommens und das Nein zu den privaten Schiedsgerichten, unterscheiden sich, aber auch nur im Detail. Wir halten spezielle Investorenschutzvorschriften für nicht zwingend erforderlich, da wir der Auffassung sind, dass deutschen und US-amerikanischen Investoren bereits hinreichender Rechtsschutz vor Gerichten gewährt wird. Wenn sie aber doch kommen, sollten zumindest unklare Rechtsbegriffe vermieden und die Richterwahl gesetzlich geregelt werden.

Wie wir immer wieder hören: Der Teufel steckt bei solchen Verhandlungen eben im Detail. Auch die Ratifizierung des CETA-Abkommens, des kanadischen Freihandelsabkommens, bei dem der Text schon ausverhandelt war, ist im Moment infrage gestellt.

Trotz der vielen Gemeinsamkeiten möchte ich an dieser Stelle noch einmal die grundsätzliche Chance und Bedeutung von TTIP für uns in Europa herausstellen. Besonders gut aufgezeigt hat das der Gastkommentar von Professor Straubhaar am Montag im „Weser-Kurier“. Er zeigt nämlich auf, was die Alternative zu TTIP ist und was passiert, wenn TTIP scheitert. Dann gilt das Gesetz des Stärkeren. Ich zitiere:

Würden dann die amerikanischen Geheimdienste ihre Spionagetätigkeit in Europa einstellen? Würde die... NSA... aufhören, private Daten von Europäern abzugreifen, auszuwerten und aufzubewahren? Würden die amerikanischen Monopolisten des Internetzeitalters zu handzahmen Gutmenschen werden und Google, Apple, Microsoft, Amazon, Facebook oder Twitter auf ihre Marktmacht verzichten?“ Sicherlich eben nicht!

Deshalb: TTIP bietet die Chance zur Schaffung eines gigantischen Handels- und Wirtschaftsraumes, von dem beide Seiten des Atlantiks profitieren können, und bietet weiter die Chance, diese transatlantische Wirtschaftsordnung mitzugestalten. Wenn das allerdings alles zu lang dauert, läuft die EU Gefahr, dass sich die USA nach anderen Nachbarn jenseits des Pazifiks umschauen, was übrigens auch schon passiert, und dass man mit dortigen Partnern zügiger zu Ergebnissen kommt. Dazu sollten unsere Gutmenschen und Bedenkenträger keinen Beitrag leisten!

(Beifall CDU)

Die öffentliche Debatte des Freihandelsabkommens der letzten Monate und Jahre war durch viele Befürchtungen, oftmals durch Unwissenheit, manchmal auch durch Vorurteile, die wir hier heute auch schon gehört haben, gegenüber Marktwirtschaft im Allgemei

nen und den Vereinigten Staaten im Besonderen geprägt. Stichworte wie das schon genannte ChlorHühnchen sind in aller Munde. An harten Fakten mangelt es jedoch leider sehr häufig.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Man darf Probleme nicht immer nur ausblenden!)

So erfreut man einerseits über das große gesellschaftliche Interesse ist – und das in Zeiten allgemein gefürchteter Politikverdrossenheit –, so darf man andererseits nicht die übergeordnete Zielsetzung eines freien Wirtschaftsraums vergessen. Ich bin deswegen froh, dass hier im Parlament weitestgehend – zumindest nach dem Duktus der Anträge, vielleicht nicht nach dem Duktus der Debattenbeiträge – Einigkeit über die tendenzielle Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Freiheit und Vereinfachung des Handels zwischen den USA und Bremen herrscht. Wir stimmen dem FDPAntrag zu und lehnen den Antrag der Regierungskoalition wegen der Differenzen in den zwei Punkten ab. Panikmache, Stillstand und irgendwelche Verschwörungstheorien haben nämlich noch nie geholfen.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss!

Berechtigte Sorgen müssen ernst genommen und bestehende Probleme Stück für Stück angegangen und gelöst werden. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag, damit von diesem Haus ein starkes Signal für das Freihandelsabkommen und damit auch für den Schutz der europäischen Verbraucherrechte ausgehen kann! – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Grobien, wenn es um sogenannte Freihandelsabkommen geht, dann bin ich skeptisch, weil meine Lebenserfahrung mir gezeigt hat: Immer, wenn große Konzerne über Freiheit reden, dann meinen Sie in aller Regel ihre eigene Freiheit und die Freiheit, möglichst viel Profit zu machen, wenn es sein muss, auf Kosten von Umwelt und Menschen. Das ist meine Lebenserfahrung.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen kann man ja einmal genau schauen: Ist das jetzt eine böswillige Vermutung von mir, und behindert mein eingeengtes ideologisches Weltbild eine vernünftige Meinung dazu?

(Beifall CDU, FDP, ALFA – Zurufe CDU: Ja!)

Ich sehe schon, Sie stimmen mir zu! Oder ist es andersherum, dass Sie uns mit schönen Worten, Parolen und mit nicht zu beweisenden Annahmen etwas verkaufen wollen, das genau die gegenteilige Wirkung hat?

(Beifall DIE LINKE – Zurufe FDP)

Jetzt schauen wir einmal! Die Grundthese ist, erstens, das habe ich heute gelernt: Bremen ist auf Export angewiesen, Deutschland ist Exportweltmeister, wir schaffen 50 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts ins Ausland, das ist eine Situation, die man noch entscheidend verbessern kann, wenn man ein solches Freihandelsabkommen hat.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Ja!)

Es war bisher also nicht so, dass wir nichts hinausgeschafft haben, weil es außen so eng war und es so viele Hindernisse gab. Bislang hat es eigentlich auch schon ganz gut geklappt.

Worauf basiert denn jetzt die Annahme, dass das besser wird? Ich habe mich lange mit unterschiedlichen Studien von ifo-Institut, Bertelsmann und anderen auseinandergesetzt. Selbst die besten Prognosen von Bertelsmann sagen: Möglicherweise gibt es in zehn Jahren aufgrund von TTIP eine Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozent. Das ist nach meiner Wahrnehmung nicht wirklich Gasgeben, das ist eine vage Hoffnung vor allen Dingen, weil die Bandbreite in diesen Studien so groß war. Sie lag zwischen 0 und 0,5 Prozent. Eine Studie hat sogar ausgerechnet: In zehn Jahren werden wir 190 082 neue Arbeitsplätze haben. Wir können das bis auf den Arbeitsplatz genau ausrechnen. Das finde ich erstaunlich!

Umso erstaunlicher finde ich auch, dass es eine jüngere Studie der Tufts University aus den USA gibt, die ein ganz anderes Rechenmodell zugrunde gelegt hat. Die sagt: Wenn ihr TTIP macht, gibt es einen Verlust von Nettoexporten, einen Verlust beim Bruttoinlandsprodukt, von Arbeitseinkünften, von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerarbeitsplätzen, eine Verminderung von Staatseinnahmen und so weiter.

Das heißt also, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit Modellen arbeiten, sagen: Wir wissen noch nicht genau, was dabei herauskommt, und die Bandbreite variiert zwischen „Es wird nichts und wird schlechter“ und „Es wird besser“. Wenn das die Begründung ist, TTIP jetzt schleunigst zu verabschieden und diesen Prozess zu forcieren, bedeutet das, blind irgendeiner Hoffnung hinterherzulaufen, durch nichts Vernünftiges begründet!

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt sagen Sie immer, die Gegnerinnen und Gegner von TTIP schürten Ängste.

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Es ist ja so!)

Einer der wichtigsten Kritikpunkte ist: Die Verhandlungen laufen mehr oder minder im Geheimen. Jetzt wurde auch schon die These aufgestellt: Nun ist alles besser, jetzt ist es offengelegt.

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Man kann im Internet al- les lesen, man muss sich nur kundig machen!)