Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Man kann im Internet al- les lesen, man muss sich nur kundig machen!)

Im Internet kann man lesen, was Deutschland in die Verhandlungen einbringt. Wir können dort nicht lesen, wie weit die Verhandlungen bisher gediehen sind. Die einzige Chance, das zu tun, ergibt sich auf Englisch. Ich weiß nicht, Frau Steiner, wie gut Ihre Englischkenntnisse sind. Ich frage Sie: Sind Sie in der Lage, einen englischsprachigen Vertragstext von 1 000 Seiten innerhalb von drei Stunden zu lesen und zu verstehen? Ich könnte das selbst dann nicht, wenn er auf Deutsch wäre!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn das Beteiligung von Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist, dann sind das Verschleierungstaktik, ein Placebo, ein Feigenblatt und nichts weiter! Diese Verträge müssen öffentlich gemacht werden, bevor wir darüber reden und bevor wir darüber entscheiden, ob sie richtig sind.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn diese Verträge öffentlich sind, uns die Ergebnisse vorliegen und ich feststelle, meine Einschätzung war völlig falsch, werde ich hier selbstverständlich Abbitte leisten und sagen, dass ich da falsch gelegen habe.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Darauf freuen wir uns schon!)

Es wird nicht stattfinden. Da bin ich eigentlich sicher. Diese Sachen werden nicht öffentlich werden. Ich bin ziemlich sicher – ich wette mit Ihnen –, dass die Folgen von TTIP ungefähr so sein werden, wie ich sie vermute, und nicht so, wie Sie sie sich erhoffen.

Reden wir noch einmal über diese Schiedsstellen! Da sollen extraordinäre Gerichtsbarkeiten eingeführt werden. Warum eigentlich? Der Sinn ist, künftige entgangene Gewinne einzuklagen. Es gibt Beispiele. Vattenfall hat Hamburg verklagt, weil dort ein Kohlekraftwerk stillgelegt wurde, und Vattenfall hat die Bundesregierung verklagt, weil sie den Atomausstieg beschlossen hat. Es wird sozusagen geklagt, weil durch diese Maßnahmen Gewinne entgangen sind. Das ist die Zukunft dieser Schiedsgerichte! Interna

tional klagen amerikanische Konzerne gegen Drittweltländer, die ihre Raucherschutzvorschriften erhöht haben, damit die Leute nicht so viel rauchen, Vorschriften, die es in den USA gibt, und sie kommen damit durch!

Da zeigt sich der Geist dieser ganzen Angelegenheit. Es geht nämlich letztlich darum, Märkte zu öffnen, indem man Schutzvorschriften für Menschen und Umwelt niederkämpft.

(Beifall DIE LINKE – Glocke)

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

So ein Pech! Dann komme ich gleich noch einmal. Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Ich gestatte mir eine zweite Runde.

(Beifall DIE LINKE – Heiterkeit)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Hilz, wenn Sie dieses Mal eine Nachfrage haben sollten, stehe ich gern zur Beantwortung bereit.

(Zurufe CDU, FDP: Oh!)

Na ja, wer es dreimal versucht, dreimal ist Bremer Recht!

Frau Grobien, zur Klarstellung! Mein Anliegen ist gerade nicht, Ängste zu verursachen, sondern für eines zu werben: Wir sollten in keiner Hinsicht, weder im Verteufeln noch im Bejubeln, über Eier gackern, die noch gar nicht gelegt sind. Das ist mein Plädoyer.

(Beifall SPD)

Deshalb möchte ich jetzt noch etwas zu den beiden vorliegenden Anträgen sagen. Die FDP – Frau Steiner hat das gesagt – möchte die etablierten Verbraucherstandards erhalten und staatlich bestellte Richter für öffentlich tagende Schiedsgerichte. Frau Steiner, was auffällt, ist: Ansonsten haben Sie offensichtlich keinerlei Kriterien und wollen den TTIP-Verhandlungen praktisch einen Blankoscheck ausstellen. Dass gerade kleine und mittlere Unternehmen, die Sie ja immer adressieren, Sorgen haben und diese Sorgen zu Tausenden zum Ausdruck gebracht haben, scheint Sie nicht weiter zu stören. Das mag daran liegen, dass Sie das mit den technischen Normen noch gar nicht verstanden haben, die gerade für kleine Unternehmen ein Problem darstellen, wenn Sie nicht mehr vereinheitlicht werden.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Wie kommen Sie zu der Erkenntnis, dass Frau Steiner das nicht verstan- den hat?)

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Wie kommen Sie zu der Erkenntnis, dass Frau Steiner das nicht verstan- den hat? – Abg. Bensch [CDU]: Wer so redet, ist ar- rogant!)

Weil Sie hier – –.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Zum zweiten Mal ma- ßen Sie sich an zu sagen, dass Frau Steiner das nicht verstanden hat!)

Herr Gottschalk, Sie haben das Wort.

Ich habe das Wort, Herr Dr. Hilz, aber ich will Ihnen das trotzdem beantworten: Frau Steiner hat hier gesagt, die Vereinheitlichung von Normen helfe kleinen Unternehmen. Genau das ist bei TTIP nämlich nicht vorgesehen. Es ist nicht vorgesehen zu vereinheitlichen, sondern es ist vorgesehen, gegenseitig die Normen anzuerkennen und es dann dem Markt zu überlassen, welche Normen sich durchsetzen. Das ist gerade feindlich für mittelständische und kleine Unternehmen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Deshalb haben gerade die Normungsgremien in Deutschland vor diesem Problem gewarnt. Das scheint in Ihrer Fraktion, weder in Bremen noch in Bremerhaven, nicht angekommen zu sein.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Insgesamt ist Ihr gesamter Antrag mit diesem Blankoscheck so dürftig, dass wir ihn ablehnen werden. Frau Grobien, der Antrag der CDU, das muss ich hier anerkennen, enthält – das ist nicht generös, sondern ehrlich gemeint – eine ganze Reihe wichtiger Forderungen, bei denen ich sehe, dass sich Ihre Positionen verändert haben. Ich habe die Ratifikationspflicht durch Bundestag und Bundesrat angesprochen. Aus meiner Sicht gehen auch die Forderungen nach größtmöglicher Transparenz der Verhandlungen, Ihre Forderungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und Ihre Forderungen zur möglichen Rekommunalisierung privater Bereiche in die richtige Richtung.

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Deswegen bin ich über Ihren Beitrag so überrascht!)

Ihre Forderungen zum Schutz und zum Erhalt der kulturellen Vielfalt einschließlich der Regulierungsmöglichkeit künftiger technischer Entwicklungen,

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Genau!)

Ihre Forderungen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung von Standards bei der Lebensmittelsicherheit, beim Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz gehen alle in die richtige Richtung.

(Abg. Frau Grobien [CDU]: So viel Übereinstimmung!)

(Zurufe CDU: Aber!)

was fehlt – das ist auffällig –, ist nicht nur die Forderung nach einer Kündigungsklausel,

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Ja!)

sondern es fehlt auch ein ausdrückliches Bekenntnis zu den Arbeitnehmerrechten und dem Arbeitnehmerschutz.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Es gibt insbesondere auch keinen Hinweis auf die Forderungen, die wir sogar an das Verhandlungsteam der Europäischen Kommission haben, nämlich auch darauf zu drängen, die internationalen Kernnormen der Arbeitnehmerorganisation ILO anzuerkennen.

Frau Grobien, vielleicht sagen Sie uns einmal, warum Sie das nicht mit aufnehmen, wo Sie doch so vieles andere aufnehmen!

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Weil wir das vorausset- zen, genauso wie die Menschenrechte!)

Unklar ist die Haltung der CDU auch in der Frage der Schiedsgerichte, Frau Grobien. Sie wollen einerseits eine gesetzlich geregelte Richterwahl und Rechtsmittel für die streitenden Parteien, und andererseits sprechen Sie sich – zumindest in Ihrem Antrag –, für eine schnelle Ratifizierung von CETA aus, nach dem Schiedsgerichte gerade vorgesehen sind.

(Zuruf Abg. Frau Grobien [CDU])

Da geht es darum, diese möglicherweise noch hineinzuverhandeln. Deshalb sollte man nicht fordern, dies so schnell wie möglich zu unterschreiben.

Wir haben demgegenüber – auch das will ich betonen – durchaus gesagt, dass wir uns für öffentlich-rechtliche Mechanismen für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten aussprechen. Aus der Sicht der SPD macht es durchaus Sinn, dafür einen neuen Handelsgerichtshof auf internationaler Ebene zu etablieren, und zwar aus zwei Gründen. Wir müssen erstens davon wegkommen, dass, wie es heute der Fall ist, vor nationalen Gerichten und vor Schiedsgerichten pa