Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Mir haben die ersten Monate meiner Amtszeit gezeigt, dass wir uns weniger im Klein-Klein von Einzelfällen in der Bildungspolitik bewegen sollten, denn dann fehlt meines Erachtens die Kraft für das Wesentliche.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wollen gute Bildung an guten Schulen. Dafür müssen wir Klarheit, Transparenz, aber auch Verlässlichkeit bei den Rahmenbedingungen schaffen, und die Evaluation soll uns hierfür die notwendigen Hinweise liefern. Aus diesem Grund begrüße ich den Antrag sehr.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LINKE und FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/308 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LIN- KE, FDP, ALFA, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.48 Uhr)

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren aus Bremen-Woltmershausen. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich begrüße zudem eine Gruppe von Mitgliedern des Kurses „Leben in Deutschland“ des Zentrums für Migranten und Interkulturelle Studien e. V. in Gröpelingen. – Auch ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Menschen vor Haushaltssanierung – Haushalte bedarfsgerecht und transparent aufstellen Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 15. März 2016 (Neufassung der Drucksache 19/329 vom 9. März 2016) (Drucksache 19/344)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns entschlossen, mit diesem Dringlichkeitsantrag in das Parlament zu gehen, weil wir der Meinung sind, dass Bremen mit seiner Haushalts- und Finanzpolitik und der Perspektive derselben an einem Punkt angelangt ist, an dem man darüber nachdenken muss, ob man den bisher eingeschlagenen Weg so weitergehen kann. Wir finden, nicht! Ich werde versuchen, das im Folgenden überzeugend darzustellen.

Blicken wir zurück: 2010 hat Bremen eine Vereinbarung geschlossen, die sagt: Von den 1,25 Milliarden Euro Haushaltsdefizit, die es 2010 gab, nehmen wir jedes Jahr 125 Millionen Euro weg, dann haben wir im Jahr 2020 kein Defizit mehr, so wie es im Grundgesetz geschrieben steht und in die Landesverfassung aufgenommen ist. Als Belohnung dafür gibt es 300 Millionen Euro Zinsbeihilfe vom Bund. – Das war sozusagen der Deal. In den ersten vier Jahren ist es zumindest auf dem Papier erst einmal so ausgegangen, dass die 300 Millionen Euro Zinsbeihilfen geflossen sind. Zu den Folgen der damit verbundenen zu geringen Ausgaben komme ich gleich.

Wir haben jetzt eine Vorlage, die in die Deputationen und die Ausschüsse geht, wie der neue Haushalt 2016/2017 gestaltet wird. Diese Vorlage hat im Kern zwei Teile. Der eine Teil ist eine Fortschreibung des Haushaltes 2014/15, und der andere Teil weist getrennt das aus, was an Ausgaben nötig ist, um geflüchteten Menschen hier in Bremen eine anständige Unterkunft, eine anständige Versorgung und eine Lebensperspektive zu bieten. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich, dass ich diese Trennung für richtig und notwendig halte. Ich halte es auch für notwendig, dieses Geld in Bremen in die Hand zu nehmen und auszugeben, weil es nicht nur Menschen hilft, sondern auch hilft, Bremen langfristig eine Perspektive zu geben.

(Beifall DIE LINKE)

Klar ist auch, dass die Ausgaben, die wir tätigen müssen, um geflüchteten Menschen zu helfen, im letzten und in diesem Jahr zusammen bei ungefähr

500 Millionen Euro liegen werden. Diese Ausgaben kann man keineswegs in irgendeine Form von Sanierungspfad einrechnen. Das ist eine – wohlgemerkt haushaltstechnisch – außergewöhnliche Notsituation. Dass man verlangt, dass das nicht auf den Sanierungspfad angerechnet wird, ist folgerichtig und findet unsere Unterstützung.

(Beifall DIE LINKE)

Kommen wir zum anderen Teil: Ich sagte ja, dass der andere Teil faktisch eine Fortschreibung dessen ist, was wir in den letzten Jahren an Haushalten aufgestellt haben. Er unterscheidet sich auch nicht wesentlich von dem, was schon im November auf dem Tisch lag. Die interessante Frage ist: Kann man mit solchen Haushalten in einer solchen strikten Regelung überhaupt politische Ziele erreichen, die man als Koalition selbst formuliert?

Ich habe mir noch einmal den Koalitionsvertrag von 2007 angeschaut. Dort finden Sie viele wunderbare Formulierungen, was die Bekämpfung von Armut, die Bekämpfung von Dauerarbeitslosigkeit, das Sicherstellen von Wohnen, das Sicherstellen von anständiger Bildung und so weiter betrifft. Diese Punkte sind alle darin enthalten und als Ziele formuliert. Die interessante Frage ist jetzt nach mittlerweile fast neun Jahren: Haben wir diese Ziele erreicht? Gibt es in diesen Bereichen einen Fortschritt?

Ich habe mir auch noch einmal den Lebenslagenbericht der Arbeitnehmerkammer vom letzten Jahr vorgenommen. Was man da liest, sagt ganz deutlich, was die Bekämpfung von Armut, die Bekämpfung von sozialer Spaltung oder die Bekämpfung von Segregation – also des sozialen Auseinanderdriftens von Stadtteilen – angeht, gibt es keinen sichtbaren Erfolg. Das Beste, was man konstatieren kann, ist nur, dass es nicht schlechter geworden ist als im Jahr 2007.

Wir haben von 2008 bis 2013 immer noch 73 000 Menschen in sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Die sind also auf Hartz IV und Ähnliches angewiesen. Das sind immer noch 20 000 Kinder unter 15 Jahren, die in diesen Bedarfsgemeinschaften wohnen. Das sind ungefähr 30 Prozent. Es gibt keine Bewegung in diesem Sockel, beziehungsweise macht die Bewegung, die es gibt, nur einen kleineren Prozentsatz aus, und es stabilisiert sich ganz deutlich ein Sockel von Menschen, die kaum eine Chance haben, aus ihrer prekären Situation herauszukommen. Das hat sich nicht geändert.

Auch die Wohnsituation von Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen hat sich nicht zum Positiven hin verändert. Das haben wir hier an vielen Stellen diskutiert. Auch wenn es keine Flüchtlinge in Bremen gäbe, hätten wir für dieses Segment einen sehr angespannten Wohnungsmarkt. Wir stellen fest – das hat auch die Debatte heute Morgen noch einmal klargestellt –, dass bildungspolitische Ziele, die einmal vor acht Jahren auch im Rahmen des

Schulkonsenses formuliert worden sind, nicht erreicht worden sind. Wir haben in der Debatte heute Morgen festgestellt, dass bei der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten aufgrund einer restriktiven Haushaltspolitik oder der Reduzierung von Ausbildungszahlen Fehler gemacht worden, die uns heute auf die Füße fallen.

Ich habe in der gesamten Auswertung nicht einen Punkt gefunden, in dem die politischen Ziele, die diese Koalition 2007 vereinbart hat, im Rahmen dieser Haushaltspolitik realisiert worden sind. Es ist bestenfalls nicht schlechter geworden, aber in vielen Fällen ist selbst das geschehen. Das zeigt meiner Meinung nach ganz deutlich: Wer das politische Ziel hat, Armut zu bekämpfen, soziale Spaltung zu bekämpfen, für eine anständige Bildung zu sorgen, öffentliche Sicherheit zu garantieren und bezahlbare Wohnungen zu schaffen, darf sich nicht länger im Rahmen dieser Schuldenbremse bewegen, sonst wird er diese Ziele nicht erreichen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ja nicht nur so, dass wir bestimmte Ziele nicht erreichen, sondern es mehren sich die Zeichen, dass die konkreten Auswirkungen dieser Politik nicht nur das Erreichen dieser Ziele verhindern, sondern perspektivisch mehr Kosten erzeugen. Ich möchte das Beispiel nehmen, das wir nachher oder morgen noch diskutieren: die Beantragung und Abrechnung von EU- und EFRE-Mitteln. Da ist zumindest temporär Geld verlorengegangen, und wir sind einfach nicht mehr in der Lage – im Wesentlichen aufgrund von personeller Knappheit –, diese Projekte rechtzeitig abzuwickeln, rechtzeitig Mittel neu zu beantragen und rechtzeitig neue Projekte auf den Weg zu bringen. Wir müssen uns eines Umwegs bedienen, wenn wir überhaupt sicherstellen wollen, dass die vorgesehenen Mittel nach Bremen fließen. Ich finde es fahrlässig, dass wir diese Sache nicht mehr richtig hinbekommen, und das kostet uns Geld.

Zweites Beispiel: Wir hatten letzte Woche im Haushalts- und Finanzausschuss eine Debatte über die Perspektive der Krankenhäuser. Die Krankenhäuser haben drei Szenarien vorgelegt. Szenario zwei kostet 32 Millionen Euro und bringt, wenn ich mich richtig erinnere, einen Wertzuwachs von fünf Millionen Euro jährlich. Szenario drei kostet 57 Millionen Euro und bringt 10 Millionen Euro Wertzuwachs jährlich. Jetzt ist das Geld nicht mehr da, um diese Krankenhäuser so zu sanieren, dass sie jährlich 10 Millionen Euro mehr abwerfen. Aufgrund der Haushaltsknappheit wird dieses Geld nicht in die Hand genommen. Ich finde das absurd.

(Beifall DIE LINKE)

Dass wir zu wenig Polizistinnen und Polizisten und zu wenig Lehrerinnen und Lehrer haben – wohlge

merkt, immer auch ohne die zusätzlichen Aufgaben, die wir durch geflüchtete Menschen haben –, ist hier in vielen Debatten immer wieder benannt worden. Das will ich hier nur noch erwähnen, die Zahlen jedoch will ich Ihnen ersparen.

Ich sage auch: Das, was gestern hier passiert ist, dass man hier verteidigt, dass man in Gröpelingen einen Streichelzoo schließt, ist in meinen Augen ein Tritt in den Hintern der Menschen in Gröpelingen. Das können wir uns auf keinen Fall leisten, und das ist durch keinen Sanierungspfad zu rechtfertigen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will hier noch ein Beispiel geben, wo fehlende Armutsbekämpfung Mehrkosten zeugt. 2020 sind Ausgaben für Sozialhilfe in Höhe von 900 Millionen Euro ohne Flucht prognostiziert. Das sind ungefähr 170 Millionen Euro mehr als vor 2010. Gleichzeitig sinken die Zinsen. Das heißt, es findet immer noch eine Umschichtung statt. Wir brauchen weniger Zinsen zu bezahlen für Schulden in Geld, und gleichzeitig bezahlen wir deutlich mehr Zinsen für soziale Schulden, die wir aufgehäuft haben. Wenn man 900 Millionen Euro einmal als Zinsen denkt, dann sind das 30 Milliarden Euro zusätzliche Schulden, soziale Schulden, die wir uns aufbürden und die man auch nicht zurückbezahlen kann, wenn man da nicht investiert.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen sagen wir, unter den Bedingungen der Schuldenbremse sind Ziele wie die Armutsbekämpfung wohl nicht zu erreichen. Wir haben deswegen beantragt, dass die Bürgerschaft feststellt, dass es einfach nicht möglich ist, diese Ziele zu erreichen, und dass man deswegen einen anderen Weg einschlagen muss und auch ein anderes Sanierungsziel vereinbaren muss, vor allen Dingen, weil wir auch in diesem Vorschlag wieder ein Ausgabeziel anpeilen, das sich nach allgemeiner Meinung mittlerweile überholt hat. Der Bürgermeister hat gesagt, Bremen wird 2020 nach Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz 400 bis 450 Millionen Euro mehr Einnahmen haben.

Zweitens haben wir gelernt, dass die Zinsentwicklung mittlerweile so ist, dass man bis zu fünf Milliarden Euro umschulden kann, und das bringt im Jahre 2020 ungefähr 100 bis 150 Millionen Euro Zinsminderausgaben. Wir haben also die absurde Situation, dass wir, um die Schuldenbremse einzuhalten, im Moment auf etwas hinarbeiten, was 2020 gar nicht mehr wahr ist. Deswegen sind wir dafür, dass wir diesen Sanierungspfad neu justieren, neu ausrichten und die Probleme, die wir haben, nötigenfalls auch durch neue Verschuldung lösen und sozial investieren.

(Beifall DIE LINKE)