Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Vizepräsidentin Dogan eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Null-Toleranz-Strategie gegen straffällige Intensivtäter aus den Maghreb-Staaten Dringlichkeitsantrag der Fraktion der CDU vom 10. März 2016 (Drucksache 19/333)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Mäurer, ihm beigeordnet Staatsrat Ehmke. – Ich sehe, dass weder Senator Herr Mäurer noch Staatsrat Herr Ehmke da sind.

Dennoch ist die Beratung eröffnet.

Als erster Redner hat der Abgeordnete Hinners das Wort.

Ich gehe davon aus, dass der Senator gleich kommen wird.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht zum ersten Mal haben wir hier in der Bürgerschaft das Thema kriminelle unbegleitete minderjährige Ausländer auf der Tagesordnung.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Einen haben wir ja hier! Der kann das selbst machen! – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ihr stellt in der nächsten Bürgerschaft wie- der den nächsten Antrag! Das kennen wir schon!)

Frau Vogt, Sie können sich doch selbst auch melden! – Nach Ansicht der CDU-Fraktion liegt das daran, dass der Senat und die rot-grüne Koalition seit über einem Jahr nicht in der Lage sind, die Probleme mit diesem Personenkreis endlich zu lösen. Stattdessen laden Sie das Problem bei der Polizei und der Justiz ab, allerdings ohne nachhaltige Wirkung und ohne diesen Menschen im eigenen Sinne gerecht werden zu können, was wir, meine Damen und Herren, unschwer an der Tatsache erkennen können, dass sich die Anzahl der schwer straffällig gewordenen unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge von Anfang 2015 bis heute auf insgesamt 73 erhöht hat und sich deren schwere Straftaten in Bremen seitdem nahezu verdoppelt haben. Von diesen 73 kommen 33 aus Marokko und 34 aus Algerien. Die restlichen sechs kommen aus verschiedenen Ländern. Aus Tunesien kommt nach meinen Erkenntnissen keiner. Innerhalb eines Jahres – das geht aus der Antwort des Senats vom 7. April 2015 hervor, die also fast ein Jahr alt ist – hat dieser Täterkreis 830 Straftaten begangen. Insgesamt gab es 90 Anklagen der Staatsanwaltschaft Bremen. In der Antwort des Senats steht ebenfalls – ich wiederhole: 7. April 2015! –: „Eine … intensivpädagogische Einrichtung … ist … in Planung.“ Meine Damen und Herren, was ist seitdem passiert? – Gar nichts! Das ist aus Sicht der CDUFraktion überhaupt nicht hinnehmbar!

(Beifall CDU)

Die CDU-Fraktion fordert seit Langem, konsequenter und wirkungsvoller gegen diese überwiegend aus Nordafrika – ich habe es eben auch dargestellt – stammende Tätergruppe zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes vorzugehen. Dazu gehört aus unserer Sicht eine geschlossene Einrichtung mit intensivpädagogischer Behandlung für diese Jugendlichen. Wie wir wissen, gibt es sie bisher nicht, und die Täter begehen weiter massiv Straftaten, was dazu führt, dass zurzeit zwar einige der Täter in Straf- oder Untersuchungshaft einsitzen, aber andere größtenteils im Innenstadtbereich, Ostertor oder Steintor, weiter munter Straftaten begehen. Im Übrigen existiert ein Betreiber in Hamburg, der bereit wäre, diese Einrichtung zur intensivpädagogischen Behandlung zusammen mit Hamburg in Bremen aufzubauen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Es geht in Ihrem heutigen Antrag gar nicht um geschlos- sene Einrichtungen!)

Aber Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, mit diesem Betreiber eng zusammenzuarbeiten. Wie gesagt, der Bremer Senat ist nur nicht in der Lage, dieses Angebot umzusetzen.

Eines ist für die CDU-Fraktion in diesem Zusammenhang ganz wichtig, nämlich die Tatsache, dass die fehlende geschlossene Einrichtung verantwortlich dafür ist, dass diese Tätergruppe weiter Straftaten begeht und letztlich nur die Haft zur Verhinderung von Straftaten übrigbleibt. Das ist bei diesen Jugendlichen aber nicht die Zielrichtung, die eingeschlagen werden sollte.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, für die CDU ist das ein Armutszeugnis des Senats und der rot-grünen Koalition, denn natürlich sollte bei diesen Jugendlichen zunächst die intensivpädagogische Betreuung in einer entsprechenden Einrichtung und nicht die Haft im Vordergrund stehen. In seiner Not und weil er die Probleme jeden Tag auf den Tisch bekommt, hat der Senator für Inneres aktuell nunmehr angekündigt, gegen 41 Täter aus diesem Personenkreis eine Ausreiseverfügung zu erlassen, sobald sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Nach der Recherche des Ausländeramtes werden fast alle unbegleiteten minderjährigen Ausländer, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, das 18. Lebensjahr in diesem Jahr vollenden.

Offensichtich kann und will der Senator für Inneres den Streit und die mangelnde Entscheidungsbereitschaft im Senat nicht weiter mitverantworten und schlägt deshalb diese Maßnahme vor. Unterstützt wird er dabei sowohl von Bundesinnenminister de Maizière als auch von Bundesaußenminister Steinmeier. Die beiden haben zusammen intensive Verhandlungen mit den drei Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien zur Aufnahme ihrer Staatsbürger geführt. Dabei geht es um die Ausstellung von Passersatzpapieren, die schnelle Anerkennung der Staatsbürgerschaft sowie die zügige Rückführung sowie Aufnahme in den Heimatländern dieser Täter. In der Vergangenheit gab es nämlich immer wieder Probleme bei der Rückführung, weil die betroffenen Personen – warum auch immer – keine Reisedokumente besaßen und die Länder eine Aufnahme verweigerten, was dazu führte, dass eine Rückführung in diese Länder praktisch unmöglich war. Die Länder haben jedoch im Rahmen der Verhandlungen mit de Maizière und Steinmeier eine umfassende Kompromissbereitschaft angekündigt – vergleichbar mit der Vereinbarung, die Schweden mit diesen Ländern getroffen hat.

Daneben sorgt die geplante Einstufung der drei Staaten als sichere Herkunftsstaaten für eine weitere Entlastung beim Flüchtlingsstrom und für schnellere Asylverfahren, denn allein die Einstufung zu sicheren Herkunftsstaaten hat zum Beispiel bei den Balkanländern Mitte 2015 zu einem erheblichen Rückgang bei den Flüchtlingszahlen aus diesen Ländern geführt, ohne – das ist wichtig für uns – dass das Asylrecht deswegen ausgehebelt worden wäre, denn das individuelle Recht auf Asyl bleibt natürlich auch für die

se Länder erhalten. Es kann aber sehr viel schneller über den Asylantrag entschieden werden.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion unterstützt ausdrücklich das angekündigte Vorhaben des Innensenators, straffällige ausländische Intensivtäter bei Volljährigkeit auszuweisen,

(Beifall CDU)

und begrüßt die erfolgreichen Verhandlungen von Innenminister de Maizière und Außenminister Steinmeier mit den Staaten Marokko, Algerien und Tunesien über die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern, denn dadurch können die vorhandenen Finanzmittel und sonstigen Ressourcen bei den Bildungs- und Berufsangeboten auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentriert werden.

Wir fordern daher den Senat auf, im Bundesrat der Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten zuzustimmen! Bitte unterstützen Sie unseren Antrag! – Danke!

(Beifall CDU, ALFA)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Leonidakis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Morgen tagt wieder der Bundesrat. Immer, wenn eine Bundesratssitzung ansteht, kann man im Moment von zwei Dingen ausgehen: Erstens, dort wird die x-te Asylrechtsverschärfung beraten, und zweitens, die CDU beantragt hier die Zustimmung des Senats. Dieses Spiel hat die CDU bis jetzt jedes Mal gespielt,

(Zuruf CDU: Das ist kein Spiel!)

und ich muss sagen: Mir wird es langsam langweilig –

(Beifall DIE LINKE – Zurufe CDU)

jedenfalls was die Taktik angeht. Inhaltlich ist es nach wie vor fatal, denn es wird wieder eine ganze Gruppe pauschal diskreditiert. Das geht schon mit dem Titel los: „Intensivtäter aus dem Maghreb“ – als hätte die Herkunft etwas mit der Straffälligkeit zu tun! Weiter steht im Begründungstext Ihres Antrags:

„Viele Staatsbürger aus den Maghreb-Staaten reisen ohne Ausweisdokumente ein beziehungsweise geben sich … als Syrer aus, um … Asyl zu erhalten.“

Das ist aus meiner Sicht eine unbelegte und pauschale Unterstellung, es sei denn, Sie können mir sagen, wie viele Asylsuchende sich fälschlicherweise als Syrer ausgegeben haben,

(Abg. Leidreiter [ALFA]: 78 Prozent!)

und wie Sie zu dem Schluss kommen, es seien viele, wie Sie schreiben!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Kastendiek [CDU]: Da müssen Sie sich informieren!)

Da wissen Sie mehr als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das Bundesamt selbst hat nämlich angegeben, dass es 116 gefälschte syrische Pässe in ganz Deutschland – wohl angemerkt! – sichergestellt hätte. Auch die wurden größtenteils von Syrern benutzt. Insofern würde ich von Ihnen gern wissen, woher Sie die Aussage „viele“ nehmen!

Das ist das, was die Bundesregierung weiß – wie gesagt, 116 Pässe für das ganze Land –, entgegen den Aussagen von de Maizière, dass angeblich 30 Prozent sogenannte falsche Syrer unterwegs seien. Wenn die CDU aber weitergehende intime Kenntnisse aus der Passfälscherszene hat, wäre das BAMF sicherlich dankbar für Informationen.

Pauschale Behauptungen ohne Faktenwissen hingegen – man kann es nicht oft genug sagen – sind unverantwortlich und schädlich, wenn damit gleich ganze Gruppen unter einen Generalverdacht gestellt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Sie fordern in Ihrem Antrag, dass der Senat der Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer zustimmt. Dabei ignorieren Sie – genau wie die Bundesregierung – eine ganze Reihe von Berichten zur schlechten Menschenrechtslage in allen drei Ländern.

Die Bürgerschaft hat erst letzten Monat ausführlich über die Situation in der Westsahara diskutiert und die Forderung nach einem Referendum unterstützt. Dieses Zeichen der Solidarität war ein wichtiges Zeichen, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall DIE LINKE)

Im Dezember hat der Europäische Gerichtshof das Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko annulliert, weil der EuGH anerkannt hat, dass die Westsahara ein Land ohne Selbstregierung ist, nämlich ein besetztes Land. Der politische Kampf um Unabhängigkeit der Sahrauis wird unterdrückt mit Repressionen politischer Meinungsäußerungen, Inhaftierungen und Folter. Ein Bericht von Amnesty International mit dem Titel „Marokko: Folter als Mittel der Unterdrückung“ von Mitte 2015 dokumentiert die Erinnerungen eines Sahrauis, der zusammen mit weiteren in der sogenannten Brathähnchenposition gefoltert wurde. Das sieht dann so aus!

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE] hält ein Bild hoch.)

Auch der jüngste Länderbericht von Amnesty zu Algerien ist sehr deutlich. Der Militärgeheimdienst hält nach wie vor Menschen in geheimen Haftanstalten fest. Es gibt Folter in Gefängnissen. In einigen Landesteilen finden bewaffnete Kämpfe mit islamistischen Milizen statt.

Vergewaltigung ist dort weiter straffrei, wenn das Opfer minderjährig ist und den Täter heiratet. So stelle ich mir ein sicheres Herkunftsland nicht vor, meine Damen und Herren!

(Beifall DIE LINKE)

In Tunesien wurde der Diktator Ben Ali 2011 abgesetzt. Ben Ali war bekannt als der Folterdiktator. Ab dann sollte sich das ändern. Fünf Jahre später sieht Amnesty International die Gefahr, dass wieder alles so wird wie früher. Hier werden Folterungen mit den gleichen Methoden dokumentiert.

Auch ungeklärte Todesfälle in Haft sind bekannt. Vor einem halben Jahr schob die Schweiz eine Person nach Tunesien ab, die in Haft genommen wurde und keine Woche später tot war.