Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unser Bundesland ist eine Logistikdrehscheibe und verbindet Deutschland über unsere Häfen mit der Welt. Sie sind das Herzstück unseres Zwei-Städte-Staates und haben eine bundesweite Bedeutung, die nicht zuletzt auch im Länderfinanzausgleich anerkannt wird.

(Beifall FDP, CDU)

Über den Autoterminal in Bremerhaven wird so manches Auto aus Bayern oder Baden-Württemberg in die Welt verschifft, und wir müssen dafür sorgen, dass das auch zukünftig so bleibt. Wir wollen, dass alle Schiffe, die derzeit auf den Weltmeeren fahren, auch zukünftig unsere Häfen anfahren. Wir brauchen Wachstumsimpulse für die dort vorhandenen Arbeitsplätze, für die logistischen Arbeitsplätze, und wir müssen dann auch dafür sorgen, dass die Güter, die in den

Überseehäfen ankommen, am besten weiter über Schiffe im Binnenland verteilt werden. Deswegen brauchen wir auch den Ausbau der Mittel- und Unterweser.

(Beifall FDP)

So werden wir langfristig Arbeitsplätze sichern und neue schaffen, und wenn wir es nicht manchen, wird es die Konkurrenz in Antwerpen oder Rotterdam tun. Ich möchte Ihnen auch sagen, dass wir bei dem Antrag auch den Umweltschutz im Blick haben, denn wir sind uns auch einig darin, dass man bei einem zunehmenden Warenverkehr in Zeiten der Globalisierung so viele Waren wie möglich auf das Schiff verlagern muss, denn das Schiff bleibt das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, das uns zur Verfügung steht.

(Beifall FDP)

Bei der Weservertiefung geht es natürlich um einen Eingriff in die Natur, der aber auszugleichen ist. Dafür sind umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Ich möchte auch eines zu bedenken geben: Wir haben in Deutschland sehr hohe Umweltstandards, die vorbildlich für andere Länder sein sollten. Wenn wir uns aber selbst bei wichtigen Infrastrukturmaßnahmen für Wachstum und Arbeitsplätze blockieren, wird kein anderes Land unsere Standards übernehmen. Damit ist dem Umweltschutz weltweit überhaupt nicht geholfen, und deswegen bitten wir Sie, hier Stellung zu beziehen und unserem gemeinsam mit der CDUFraktion eingereichten Antrag zuzustimmen, denn Bremen braucht einen Impuls für Wachstum und Arbeitsplätze.

(Beifall FDP, CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kastendiek, ich habe mich in der Tat gefragt, was so dringlich ist, dass dieser Antrag heute debattiert werden muss. Ich dachte, Sie beziehen sich deswegen auch vornehmlich auf das EuGH-Urteil, aber offensichtlich beziehen Sie sich hauptsächlich auf den Koalitionsvertrag. Die CDU und die FDP legen uns heute, auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den geplanten Vertiefungen der Elbe und der Weser, einen Antrag vor, der die Erkenntnisse aus der Entscheidung des EuGH komplett ignoriert und ein einfaches „Weiter so“ fordert.

(Zuruf FDP: Das ist Unfug!)

Das ist kein Unfug!

Lassen Sie es mich gleich vorwegnehmen: Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ihr Antrag, meine Damen von der CDU und von der FDP, stellt zwar die wirtschaftlichen Vorteile der Flussvertiefung dar, aber er erwähnt mit keinem Wort – und auch aus Ihren Beiträgen habe ich das gerade nicht heraushören können –, dass sich die Weser nach den Richtlinien der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erwiesenermaßen jetzt schon in einem sehr schlechten ökologischen Zustand befindet. Außerdem verschweigt der Antrag auch völlig, dass eine weitere Vertiefung sowohl der Unterweser als auch der Außenweser diesen ökologischen Zustand noch weiter verschlechtern würde.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Das Urteil des EuGH zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wurde im Rahmen des Klageverfahrens des BUND gegen eine weitere Vertiefung der Weser gefällt, die größeren Containerschiffen die Zufahrt zu den Häfen von Bremerhaven, Brake und Bremen ermöglichen soll.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurde in dem Verfahren anerkannt, dass neben unmittelbaren Auswirkungen des Baggerns und des Verklappens in bestimmten Bereichen des Flusses weitere negative hydrologische und morphologische Folgen entstehen – auch davon habe ich von Ihnen gerade nichts gehört –, dazu gehört eine Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit, die bei Sturmfluten äußerst gefährlich ist.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU, wir haben hier über den Hochwasserschutz für das Weserstadion debattiert, bei dem die Weservertiefung auch immer eine Rolle gespielt hat, und das hier als Folge von Vertiefungen komplett zu verschweigen, finde ich nicht richtig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen hat auch eine Verantwortung dafür, dass die Menschen nicht unter Hochwasser zu leiden haben.

Zur Erhöhung der Wasserstände bei Flut und ihrer Abnahme bei Ebbe möchte ich Sie einmal an Folgendes erinnern: Der Tidenhub in Bremen ist durch die letzte Weserkorrektion – so heißt es, man könnte sie auch Weservertiefung nennen – und nachfolgende Maßnahmen von 0,73 Metern auf etwa 4 Meter gestiegen. Das ist ein enormer Unterschied beim Tidenhub, meine Damen und Herren! Ein weiteres Eindringen von Salzwasser in den Süßwasserbereich des Flusses – das betrifft vor allen Dingen die niedersächsischen Landwirte – sowie eine Verschlickung des Flussbettes in den Seitenbereichen werden die Folgen sein, so steht es im EuGH-Entscheid. Von den

negativen Folgen wären im Übrigen nicht nur die Bereiche der Außen- und Unterweser betroffen, sondern auch die Lesum, die Wümme und die Ochtum. Auch das steht im EuGH-Entscheid.

Die Weser ist einer der am meisten von Menschen beeinflussten Flüsse, mehrfach begradigt und mehrfach vertieft, und welche negativen Auswirkungen einer Flussvertiefung es gerade bei der Weser ganz konkret gibt, kann sich jeder von Ihnen direkt in Vegesack ansehen: Einmal abgesehen von dem sehr starken Tidenhub, den die Weser bis in den Bereich der Innenstadt hat, kann man an der Strandlust in Vegesack – einem Hotel direkt an der Weser – sehr gut sehen, was Ufererosion bedeutet: Die Strandlust heißt nämlich so, weil dort früher einmal ein Strand war, der nach der letzten Weservertiefung verschwand. Heute steht dort nur noch eine hohe Spundwand, es ist also jetzt die Spundwandlust, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Solche negativen Auswirkungen kann man nicht ignorieren und auch nicht schönreden, und ich bin froh, dass der EuGH hier ein deutliches Zeichen gesetzt hat.

Welches sind die Kernaussagen des EuGH-Urteils – Herr Kastendiek, Sie haben ja danach gefragt –? Erstens: Vorhaben, die zu einer Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers führen, sind verboten. Das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot sind nicht nur programmatische Zielvorgaben, das ist nicht irgendein Unsinn, sondern eine Zielvorgabe für die Bewirtschaftungspläne zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, sie sind verbindlich bei konkreten Vorhaben.

Es heißt dort: Wird durch ein Vorhaben wie eine Vertiefung der Zustand eines Gewässers verschlechtert oder die Erreichung eines guten Zustands beziehungsweise eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkts gefährdet, darf keine Genehmigung erteilt werden. Das sage nicht ich, sondern der EuGH. Ausnahmen davon sind nur unter strengen Voraussetzungen möglich.

(Zuruf CDU: Ja, Ausnahmen!)

Zweitens: Der EuGH erwartet eine konzertierte Aktion der Mitgliedstaaten, damit die Oberflächengewässer bis zum Jahr 2015 in einen guten Zustand gebracht werden. Wir wissen alle, dass das ein hehres, sehr ambitioniertes Ziel ist. Das Verbesserungsgebot ist eine eigenständige, weitreichende Aufgabe, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Verbesserung für Gewässer zu erreichen, die nicht den Zielvorgaben der Wasserrahmenrichtlinie entsprechen.

Drittens fordert der EuGH eine strengere Definition einer Verschlechterung des Gewässerzustands durch ein Vorhaben.

Viertens, je schlechter der Istzustand eines Gewässers ist, desto negativer ist eine weitere Verschlechterung zu bewerten, und entsprechend schwieriger ist es, eine Ausnahme zu erteilen. Die Hürde wird also heraufgesetzt.

Fünftens, Bewirtschaftungspläne müssen alle Maßnahmen darstellen, nicht nur die positiven, Herr Kastendiek. Das bedeutet, neben den Maßnahmen zur Umsetzung des Verbesserungsgebots müssen auch die Vorhaben mit negativen Auswirkungen auf die Gewässerqualität – inklusive der Gegenmaßnahmen, mit denen die negativen Auswirkungen auf die Qualitätskomponenten ausgeglichen werden sollen – in den Bewirtschaftungsplan zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie aufgenommen werden.

Es muss dargestellt werden, wie der gute Zustand des Gewässers trotz der Maßnahmen mit den negativen Auswirkungen erreicht werden kann. Das sind die Vorgaben des EuGH.

Wie wirkt sich das Urteil auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung aus, Herr Bödeker, Sie haben das gerade hineingerufen: Ganz einfach, die Hürde ist sehr hoch! Laut Urteil des EuGH können Ausnahmen nur unter der Bedingung erteilt werden, dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern, und wenn die Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne entsprechend angepasst werden. Eine Ausnahmegenehmigung für eine weitere Vertiefung ist nur mit ausreichend großen, auf die Verbesserung der betroffenen Qualitätskomponenten zielenden, konkreten und planungsreifen Maßnahmen zur Behebung der ökologischen Defizite denkbar. Das sagt der EuGH, und das zeigt auch, wie hoch die Hürde für Ausnahmegenehmigungen ist, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben einen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Lassen Sie uns doch lieber dieses Potenzial besser nutzen, das macht auch Flussvertiefungen in Zukunft überflüssig! Wir haben uns im Koalitionsvertrag zu einer norddeutschen Hafenkooperation bekannt. Lassen Sie uns auch das Potenzial besser nutzen, gerade als Konkurrenz zu den niederländischen Häfen!

Lassen Sie uns endlich Maßnahmen ergreifen, um den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie bis zum Jahr 2015 endlich gerecht zu werden! Ich bin froh, dass wir uns als Koalition zu drei Renaturierungsprojekten am Lunesiel, an der Geesteniederung und zur Auenwiederherstellung an der Lesum bekannt haben. Wir sind gesetzlich verpflichtet, unsere Flüsse in einen besseren ökologischen Zustand zu versetzen. Das, meine Damen und Herren, muss unser Ziel sein!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

An Sie gerichtet, Herr Hilz und Herr Kastendiek, möchte ich noch einmal sagen: Sie haben die ökonomischen Vorteile gepredigt in einem Modus nach dem Motto „weiter so, das war schon immer so“, und gerade auch die Unterweservertiefung sei eine wichtige Infrastrukturmaßnahme. Man muss doch auch einmal nach Jahren schauen, ob dem so ist oder ob dem vielleicht nicht so ist. Wir haben eine Überseestadt, um die herum früher ein Zaun gezogen war, weil es prosperierte. Heute bauen wir dort Häuser. Wir haben in Walle Hafenbecken zugeschüttet, weil wir sie nicht mehr brauchten,

(Abg. Kastendiek [CDU]: Das haben nicht Sie ge- macht, das haben wir eingeleitet!)

und auch in Brake landen keine großen Containerschiffe an, sondern Futtermittel. Wenn Sie sagen, es gibt originäre bremische Interessen, Herr Kastendiek, dann sage ich, ja, es gibt die originären bremischen Interessen, und das bedeutet für uns einen guten ökologischen Zustand unserer Gewässer. Den gilt es zu schützen!

Sie von der CDU und von der FDP fordern aber sogar noch in ihrem Antrag den Senat auf, die Notwendigkeit der Fahrrinnenanpassung von Außen- und Unterweser beziehungsweise von Teilen der Ausbaumaßnahmen nicht weiter öffentlich infrage zu stellen. Wir haben heute Morgen diskutiert, dass man mit Bedacht herangehen, Schwerpunkte setzen und eben verantwortungsvoll Politik betreiben muss.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Genau!)

Sie ignorieren damit vollkommen die Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofs,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Quatsch!)

die ich Ihnen vorhin sehr detailliert vorgetragen habe, weil es nämlich nicht meine Erkenntnisse oder die der grünen Fraktion sind, sondern die des Europäischen Gerichtshofs. Es ist nicht gerade verantwortungsvolle Politik, die Sie hier vorgestellt haben! – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat so, dass nicht so ganz einleuchtet, was eigentlich in diesem Antrag die Dringlichkeit ausmacht. Die Entscheidung des EuGH ist ein