Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Sie sagen, es gebe nichts Neues. Doch! Es gab eben am 2. Juli einen EuGH-Entscheid, und wenn Sie sagen, ich hätte hier ein juristisches Seminar gegeben, indem ich auf die Details eingegangen bin, die der EuGH nämlich in diesen Entscheid hineingeschrieben hat – dass es ein Verschlechterungsverbot gibt, dass es ein Verbesserungsgebot gibt, welches die Hürden für eine Ausnahmegenehmigung sind –, dann mache ich das, weil Sie mit keinem Wort darauf eingegangen sind und offensichtlich da auch noch ein paar Informationen brauchten.

Sie sagten, den Beteiligten war das alles bekannt, da gebe es nichts Neues, man habe ja auch alles schon bedacht. Den Eindruck habe ich, ehrlich gesagt, nach dem 2. Juli auch nicht. Man wusste, dass es eine Wasserrahmenrichtlinie gibt, aber was das ganz konkret für die Weservertiefung bedeutet, hat der EuGH eben erst am 2. Juli bekannt gegeben. Insofern teile ich Ihre Ansicht nicht.

Sie sagen, da müsse man eben ein wenig die negativen ökologischen Auswirkungen ausgleichen. Erstens hat die Ökologie einen Wert, zweitens kostet ein Ausgleich Millionen Euro, meine Damen und Herren, und drittens habe ich vorhin darauf hingewiesen, dass es negative Auswirkungen gibt – das weiß man aus den Erfahrungen der letzten Weservertiefungen –, es gibt Erosionen. Wir nehmen zumindest den Hochwasserschutz hier in Bremen ernst, das ist uns ein wichtiges Anliegen, und das kann man eben nicht negieren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Tiefwasserhafen JadeWeserPort! Sie werfen mir ja vor, ich wüsste nicht darüber Bescheid. Ich habe jetzt acht Jahre im Hafenausschuss mitgearbeitet. Nennen Sie mir doch noch einmal die Begründung für den Bau! Wozu haben wir denn einen Tiefwasserhafen? Doch wohl, damit dort auch die Containerschiffe mit Tiefgang anlegen können! Diese Möglichkeit müssen wir weiter nutzen, und es ist doch richtig, dass diese Koalition sich im Koalitionsvertrag auch genau dazu bekennt, die Potenziale des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven nutzen zu wollen, das stärkt uns auch in der Konkurrenz zu den Häfen in Rotterdam und Antwerpen.

Ich sehe es so, anders als Sie, Herr Kastendiek, dass der EuGH-Entscheid der letzten Woche sehr entscheidend war, ich finde, er ist wegweisend. Wir werden jetzt sehen, wie das Urteil in Leipzig aussieht, danach werden die weiteren Verfahren ja geklärt. Einfach aber immer nur weiterzumachen und zu sagen, dass man etwas braucht, weil man es schon immer gesagt hat, finde ich nicht verantwortungsvoll. Wir nehmen Urteile des EuGH ernst und wollen Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen, und dazu gehört auch, nachhaltig mit der Umwelt umzugehen. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kastendiek, sie haben eine leidenschaftliche Rede gehalten, und dann verdienen Sie es auch – –.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Das ist nett von Ihnen, dan- ke!)

Im Koalitionsvertrag steht: „Die Unter- und Außenweservertiefung sind unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten zu bewerten. Wir werden nach Vorliegen der Entscheidungen des EuGH“ –

(Abg. Kastendiek [CDU]: Lesen kann ich auch!)

schön! – „ das notwendige Einvernehmen klären, das sicherstellt, dass das vom Bund geführte Verfahren zur Vertiefung der Außenweser realisiert werden kann.“ Wie können Sie aus so einer klaren Aussage die Unterstellung ableiten, wir würden uns nicht mit Macht dafür einsetzen, dass die seewärtige Erreichbarkeit der Bremerhavener Häfen bestehen bleibt?

(Abg. Röwekamp [CDU]: Weil wir Frau Schaefer zu- gehört haben!)

Ich habe eben aus dem Koalitionsvertrag zitiert, und ich habe Ihrem Kollegen Herrn Kastendiek eine Antwort zum Thema Außenweser gegeben!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das ist auch gut so! – Abg. Rohmeyer [CDU]: Wem sollen wir jetzt glauben? – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Dem EuGH!)

Jeder, der hier aus dem Koalitionsvertrag ableitet, dass die SPD nicht zur seewärtigen Erreichbarkeit der Logistikdrehscheibe Bremerhaven steht, sagt etwas Falsches, das ist doch völlig klar, und damit kommen Sie auch nicht durch!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zweiter Punkt ist in der Tat, dass wir im Koalitionsvertrag formuliert haben: „Der weitere Umgang mit der Unterweser ist nach Vorliegen der Entscheidung federführend von der niedersächsischen Landesregierung festzulegen.“ Es ist ein Ergebnis der Debatten vor dem EuGH und der zuvor ergangenen Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts, dass man hier offensichtlich die Flussabschnitte unterschiedlich betrachten muss, und das werden wir hier auch nicht noch einmal durch Parlamentsbeschlüsse aufheben.

Das können wir hier ganz markig miteinander machen, nur eines ist auch völlig klar: Wenn es Entscheidungen gibt, Flussabschnitte unterschiedlich zu betrachten – und das haben wir im Koalitionsvertrag in der Tat auch so gemeint und gewollt –, dann ist es hier insbesondere die Angelegenheit Niedersachsens zu sagen, wohin es will, und wir müssen das gemeinsam über die Landesgrenzen hinweg mit Niedersachsen diskutieren.

Weitere Bemerkung dazu: Für uns ist aber auch völlig klar, dass die Unterstellung, uns wäre die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe egal, die zum Beispiel im Industriehafen angesiedelt sind – dorthin muss man bekanntermaßen ja auch noch einmal durch die Schleuse –, nicht wahr ist. Natürlich wird die weitere Behandlung des Themas Weser auch mit unter dem Gesichtspunkt erfolgen müssen, wie auch die seewärtige Erreichbarkeit der dortigen Betriebe gewährleistet ist. Gegenwärtig ist sie gewährleistet, und nach meiner Kenntnis gibt es gegenwärtig auch kein Vorhaben, die Erreichbarkeit zu verschlechtern oder eine

Erkenntnis, dass die gegenwärtige Erreichbarkeit einen derartigen Konkurrenznachteil darstellt, sodass man sich größere Sorgen machen müsste.

Völlig klar ist, dass diese Betriebe auch weiterhin seewärtig erreichbar sein müssen. Dafür stehen wir, und ich gehe davon aus, dass dies im Rahmen des weiteren Verfahrens, das man in aller Ruhe diskutieren muss, dann auch abgearbeitet wird. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Günthner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn man ein bisschen Ruhe in die Debatte einkehren lässt und sich anschaut, worüber wir real sprechen, dann gibt es den Planfeststellungsbeschluss vom 15. Juli 2011, auf den Sie ja auch in Ihrem Antrag Bezug nehmen. Im Jahr 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht, das sich intensiv mit den unterschiedlichen Abschnitten und dem Verfahren beschäftigt hat, den Europäischen Gerichtshof um eine Einschätzung gebeten, und zwar nicht zur Weservertiefung oder zur Unterweservertiefung, sondern zu der Frage, wie die Wasserrahmenrichtlinie auszulegen ist, ob sie eine Art politische Zielvorgabe ist, die man allgemein erfüllen muss, oder ob sie in jedem einzelnen Verfahren, für jeden einzelnen Abschnitt eine Bedeutung hat und welche. Diese Einschätzung hat der Europäische Gerichtshof abgegeben.

Möglicherweise hat sich der eine oder andere beim Bundesverwaltungsgericht von der Anrufung des EuGH versprochen, dass dieser ein abschließendes dazu Urteil fällt, wie es mit der Außenweservertiefung oder der beantragten Unterweservertiefung bis Brake und von Brake bis Bremen weitergeht. Diesen Gefallen hat der EuGH niemandem getan, sondern er hat dem Bundesverwaltungsgericht eine Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie an die Hand gegeben, das jetzt auf dieser Grundlage dazu für jeden einzelnen Abschnitt eine Bewertung abgeben muss.

Wenn Sie in Ihrem Antrag den Eindruck erwecken, man müsste in Bremen jetzt nur deutlich genug sagen, der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2011 müsste kraftvoll umgesetzt werden, dann gebe Ihnen den freundliche Hinweis, dass, wenn ich mich recht entsinne, das Bundesverwaltungsgericht in den bisherigen Verhandlungen 59 oder 60 Hinweise gegeben hat, was in dem Verfahren nicht trägt, was nach seiner Auffassung falsch ist.

Unter anderem hat es darauf hingewiesen, dass das Zusammenziehen der drei Flussabschnitte Außenweser, Unterweser bis Brake und Unterweser von Brake bis Bremen in einem Planfeststellungsverfahren geheilt werden muss, weil jeder einzelne Abschnitt der Weser, der angegangen werden soll, dann auch abschnittsweise beurteilt werden muss.

Diese abschnittsweise Beurteilung muss dann noch ergänzt werden um das, was der EuGH im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie festgestellt hat. Nein, er hat nicht festgestellt, Herr Kastendiek, das seien schwerwiegende Eingriffe und das müsse irgendwie ausgeglichen werden, sondern er hat festgestellt, dass es nach der Wasserrahmenrichtlinie durch die Maßnahmen zu keiner Verschlechterung der Wasserqualität kommen darf.

Das setzt eine Hürde, ob sie nun mittelhoch oder sehr hoch ist, muss am Ende das Bundesverwaltungsgericht beurteilen, und letztlich muss man sich das dann ebenfalls anschauen, und dann müssen diejenigen, die das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht führen – das sind nicht Bremen und Niedersachsen, wir sind jeweils bei den Verfahren beigeladen –, überlegen, welche Heilungsmöglichkeiten in diesem Verfahren bestehen.

Sie können davon ausgehen, dass das Bundesverwaltungsgericht innerhalb eines Jahres zu den einzelnen beschriebenen Abschnitten zu einem Urteil kommen wird – es hat auch schon im Jahr 2013 Hinweise gegeben – und die Verfahrensbeteiligten jetzt dabei sind, die gegebenen Hinweise zu heilen, um zu der Vertiefung der Flüsse kommen zu können. Auch dafür sind wieder entsprechende Planfeststellungsbeschlüsse notwendig. Der Hinweis auf die Öffentlichkeit, den Herr Janßen von der LINKEN gegeben hat, ist auch richtig, weil auch diese Beschlüsse, die dann gefasst werden, von der zuständigen Planfeststellungsbehörde wieder beklagt werden können und sich auch im Lichte der Bewertungen halten müssen. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur Außenweser abgegeben, der Kollege Reinken hat darauf hingewiesen.

Wir haben darauf hingewiesen, dass die besondere Problematik, in der wir uns befinden in der Abwägung zwischen Ökonomie und Ökologie – –. Diese Reden über die Ökonomie, die Herr Hilz und Sie gehalten haben, Herr Kastendiek, kann man ja so halten, aber sie helfen einem ja nicht weiter –, wenn es konkret darum geht, das dann umzusetzen, was der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht von uns fordern, das sind nur schöne Fensterreden. Diese Gerichte kann man bei der Bewertung der Wasserrahmenrichtlinie oder beim Schlechterstellungsverbot nicht überzeugen, indem man ihnen sagt, aber ökonomisch sei das von herausragender Bedeutung, und deswegen müssten wir die Kriterien, die sie angelegt haben, nicht erfüllen.

Als Drittes haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir in den Koalitionsverhandlungen zu einem guten Teil versucht haben, das zu antizipieren, was der EuGH machen wird und welche Heilungsmöglichkeiten daraus für die Verfahren entstehen. Wir haben die Einschätzung, dass die niedersächsische Landesregierung für den Teil der Unterweser, für den sie Antragstellerin ist, das Gleiche machen muss und auch

zu diesen Bewertungen kommen wird. Niedersachsen muss sich mit diesen Themen auseinandersetzen.

Viertens haben wir darauf hingewiesen, dass wir für weitere Flussvertiefungen nach den aktuell stattfindenden Verfahren – denn wir sind in den Verfahren, diesen Hinweis muss man vielleicht dem einen oder anderen noch mit auf den Weg geben, es ist nicht so, dass wir heute etwas entscheiden müssen – auf das Thema JadeWeserPort verweisen.

Man muss sich das, finde ich, auch übrigens vor dem zeitlichen Horizont vorstellen. Wir sind in dieses Verfahren, für diesen Schritt der Vertiefung der Außenund Unterweser, Anfang des Jahres 2000 eingestiegen, wenn ich mich richtig entsinne. Im Jahr 2011 hat es einen Planfeststellungsbeschluss gegeben, dagegen wurde Klage erhoben, und wir schreiben jetzt das Jahr 2015. Man kann davon ausgehen, dass das Bundesverwaltungsgericht innerhalb eines Jahres urteilt, dann werden die Verfahrensbeteiligten versuchen, bestehende Heilungsmöglichkeiten auf den Weg zu bringen – das wird dann bis zum Jahr 2017/2018, vielleicht auch bis 2019 dauern –, und dann wird es möglicherweise neue Planfeststellungsbeschlüsse geben, die dann wiederum beklagt werden können.

Also, wer jetzt eine Diskussion darüber führen will, wie man sich bei der nächsten Weservertiefung politisch verhalten will, die nach dieser Weservertiefung ansteht, der kann das meinetwegen tun. Es bleibt allerdings eine sehr theoretische Diskussion, weil Sie davon ausgehen können, dass es allein bei diesen Verfahren, in denen wir uns jetzt befinden, eher fraglich ist, ob man noch in dieser Legislaturperiode überhaupt zu politischen Entscheidungen kommen muss.

Ich wollte Ihnen jetzt nicht den Spaß nehmen an der schönen Debatte über die Grundsatzfrage, die Sie geführt haben, wie stellst du dich zu Ökonomie und Ökologie, und sagt doch alle einmal ganz laut Ja oder Nein zur Weser, außerdem bekennt euch doch einmal zu eurer politischen Haltung. Ich wollte darauf hinweisen, dass wir uns in bisher schon sehr komplexen Verfahren befinden, die auch in Zukunft sehr komplex sein werden, und dass deswegen zeitlich nicht absehbar ist, wann wir hier zu Entscheidungen kommen müssen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/21, Neufassung der Drucksache 19/14, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, BBR, Abg. Tassis [AfD], Abg. Ravens [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Sie in Kenntnis setzen von einem Schreiben, das mir der Präsident des Senats mit Datum vom 15. Juli 2015 übersandt hat. Er schreibt: „Sehr geehrter Herr Präsident, der am heutigen Tage vereidigte Senat hat sich in seiner ersten Sitzung konstituiert und gemäß Artikel 114 der Landesverfassung Frau Senatorin Karoline Linnert zur Bürgermeisterin gewählt. Als Anlage füge ich die vom Senat beschlossene Ressortaufteilung sowie die Namen der neu ernannten Staatsräte bei. Mit freundlichen Grüßen Dr. Carsten Sieling, Bürgermeister“.

Ich verlese die Ressortaufteilung: Bürgermeister Dr. Carsten Sieling, Präsident des Senats, Der Senator für Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften, Der Senator für Kultur, Bürgermeisterin Karoline Linnert, Die Senatorin für Finanzen, Die Senatskommissarin für den Datenschutz, Senator Ulrich Mäurer, Der Senator für Inneres, Senatorin Professor Dr. Eva Quante-Brandt, Die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz Senatorin Anja Stahmann, Die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, Die Senatskommissarin für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, Senator Dr. Joachim Lohse, Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Senator Martin Günthner, Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Der Senator für Justiz und Verfassung, Senatorin Dr. Claudia Bogedan, Die Senatorin für Kinder und Bildung.