Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

(Beifall DIE LINKE)

Kommen wir noch einmal zu ein paar grundsätzlichen Lösungsansätzen. Sie haben im zweiten Beschlusspunkt relativ vage gehalten, dass es eine Initiative geben soll, man müsse auf eine Reform hinwirken. Ja! Mit Sicherheit, man muss man irgendwie auf eine Reform hinwirken. Die Frage ist, was Teil dieser Reform sein soll. Deshalb haben wir Ihnen mit dem ergänzenden Punkt vorgeschlagen, dass zumindest ein Teilbereich aufgenommen werden soll, von dem wir ausgehen, dass wir uns darauf einigen können. Dabei geht es darum, dass das derzeit gesetzlich

verankerte Rentenniveau bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozentpunkte abgesenkt werden soll. Wir halten diese Entscheidung nach wie vor für eine dramatische Fehlentscheidung.

(Beifall DIE LINKE)

Die Absenkung des Rentenniveaus war ein Fehler, und sie bleibt es auch. Es ist nicht so, das ist uns durchaus bewusst, dass Altersarmut wegbliebe, wenn diese Entscheidung zurückgenommen würde. Man bräuchte auch eine Anhebung. Unseren Berechnungen zufolge bräuchte man eigentlich eine Anhebung auf 53 Prozentpunkte. Wir haben aber bewusst an der Stelle zuerst einmal gesagt, dass man von diesem Pfad abrücken müsste, um schon einmal eine Perspektive zu entwickeln. Die Debatte um weitere Bausteine einer möglichen Rentenreform werden wir vermutlich führen, wenn es darum geht, diese Bundesratsinitiative einzubringen. Ich erwarte, dass zumindest Teile dieser Punkte noch auftauchen, beispielsweise Anrechnung von Kindererziehungszeiten oder Zeiten für die Pflege, dass Erwerbseinkommen von Selbstständigen und von Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden, eine paritätische Finanzierung durch Unternehmen und Beschäftigte, die einmal bestand und aufgelöst wurde, wieder eingeführt wird sowie die Übertragung von Ansprüchen durch das gescheiterte Riester-System in die gesetzliche Altersvorsorge, wo sowohl die Ansprüche, die persönlich erwirtschaftet wurden, übernommen werden als auch später die Zuschüsse, die derzeit in das Riester-System fließen. Das wären zumindest einige Punkte, die man in dieser Diskussion mitdenken sollte. Vielleicht nehmen Sie in die Bundesratsinitiative einige dieser Punkte auf.

(Beifall DIE LINKE – Glocke)

Ich komme zum Schluss! – Ein anderer Punkt, den wir noch aufgenommen haben, ist die Verantwortung, die CDU hat es gerade schon angesprochen, sich nicht darauf zu verlassen, dass sich etwas auf Bundesebene ändert. Wir sind auch relativ skeptisch, was sich am Ende ergibt. Es muss auch in Bremen Verantwortung übernommen werden und der Landesmindestlohn offensiv als Instrument genutzt werden, um zumindest einen Teil dessen abzusichern, was man an Lohnpolitik noch gestalten kann. Ich habe vorhin schon erwähnt, es wird nicht ausreichen. Es ist aber ein Schritt. Damit würde man auch signalisieren, ja, wir sind auch bereit, auf Landesebene, auf kommunaler Ebene Verantwortung dafür zu übernehmen, Alterssicherheit herzustellen, auch wenn es nur in eingeschränktem Maße stattfinden würde.

Abschließend empfinden wir Ihren Antrag als wichtige Initiative. Wir erwarten, dass der zweite Punkt ihres Antrags noch ausgefüllt wird. Zurzeit ist er uns zu vage. Wir werden uns daher bei der Abstimmung,

sollten Sie unserem Antrag nicht zustimmen, enthalten, nicht, weil wir nicht finden, dass die Initiative nicht richtig ist, sondern weil wir einfach noch nicht wissen, was sich dahinter verbirgt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Wir haben einen unheimlich großen demographischen Wandel vor uns. Der Generationenvertrag, der jahrelang extrem gut funktioniert hat, wird so in der Zukunft nicht mehr funktionieren können. Auch die Flüchtlingsströme werden das sicherlich nicht aufwiegen können. Im Moment sind es nur eine Million Menschen, aber selbst wenn mehr dazukämen, werden sie diesen demographischen Wandel nicht aufhalten können. Fakt ist, dass wir immer weniger werden und schönerweise immer länger leben. Trotz allem wird so der Generationenvertrag nicht mehr funktionieren können.

Wir als Freie Demokraten setzen auf den flexiblen Eintritt in das Rentenalter, denn es ist egal, ob mit 60 Jahren oder 70 Jahren. Im Prinzip soll es jedem selbst überlassen sein, wann er aufhören möchte zu arbeiten. Dementsprechend kommt es nur darauf an, wie man es berechnet. Gegebenenfalls darf man mit Abzügen in die Rente eintreten.

(Beifall FDP)

Im Moment sieht es so aus, dass geplant ist, eine komplette Konzentration auf die gesetzliche Rente zu forcieren. Das ist in unseren Augen absolut fatal. Damals hat die rot-grüne Bundesregierung den richtigen und weitsichtigen Weg eingeschlagen, das Renteneintrittsalter angehoben und zusätzlich auf private Vorsorge gesetzt.

(Vizepräsident Imhoff übernimmt den Vorsitz.)

Die private Vorsorge war wie eine dritte Säule neben der gesetzlichen und betrieblichen Alterssicherung. Diesen Weg unterstützen wir sehr. Im Moment hat es die private Vorsorge extrem schwer. Wir befinden uns in einer Niedrigzinsphase, die es einfach verhindert, privat vorzusorgen und überhaupt Sparvermögen aufzubauen. Vor allem werden damit die Rücklagen für die Altersversorgung schleichend entwertet. Ich glaube aber, dass diese Phase nicht ewig andauern wird. Es gab auch schon in der Vergangenheit immer wieder Niedrigzinsphasen, wenn auch nicht in diesen Dimensionen. Trotz allem wird sie nicht ewig andauern. Wir werden bald wieder ganz anders über private Vorsorge reden können.

(Beifall FDP)

Die gesetzliche Rente braucht Reformen, da sind wir uns einig. Wir finden es schade, dass es immer dann kommt, wenn gerade die nächste Bundestagswahl ansteht. Es werden wieder einmal unheimliche Wahlgeschenke gemacht. Das ist in unseren Augen absolut falsch. Es werden Anreize, privat vorzusorgen, benötigt. Für uns Freie Demokraten gilt und zählt das Äquivalenzprinzip. Es zählt der Grundsatz: Wer privat vorsorgt, soll auch mehr haben als derjenige, der es nicht tut.

(Beifall FDP)

Wir sind der ganz klaren Auffassung, dass die Anrechnung von privater und betrieblicher Vorsorge auf die Grundsicherung im Alter eine Chance haben muss. Wir halten allerdings sehr wenig davon, jetzt durch ein paar Einzelmaßnahmen am System gesetzliche Rente herumzudoktern. Das, was wir brauchen, ist ein ganz neues Konzept, das auf die geänderten Lebensbedingungen eingeht. Wir schlagen die flexible Rente vor, die sich der Lebensrealität der Menschen anpasst und Rücksicht auf die alternde Gesellschaft nimmt.

(Beifall FDP)

Wir brauchen ein Rentensystem, in dem auch den heute 18-Jährigen und der nächsten kommenden Generationen eine auskömmliche Rente geboten wird, denn Gerechtigkeit heißt auch, die junge Generation nicht aus den Augen zu verlieren, sondern sich für Generationengerechtigkeit einzusetzen.

(Beifall FDP)

Gerade in diesem Zusammenhang ist es mir noch einmal wichtig, Ihnen das Verhältnis der wirklich Notleidenden aufzuzeigen. Ja, ich weiß, wir haben viele Menschen in Altersarmut leben. Im Moment sind es drei Prozent, knapp 500 000 Menschen. Wissen Sie aber, wie viel Prozent der Kinder in Hartz IV leben? Es sind 15 Prozent. Das ist die eigentlich erschreckende Zahl. Um diese Kinder müssen wir uns kümmern, denn das fairste und generationengerechteste wäre eine gute Bildung.

(Beifall FDP)

Eine Anrechnung der sauer ersparten Rentenrücklagen jedenfalls auf die Grundsicherung im Alter finden wir auch nicht richtig. Dementsprechend schließen wir uns den Punkten eins und drei im Koalitionsantrag an. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Steiner, ich glaube, Sie haben noch nie einen Wahlkampf geleitet! Wenn ich beabsichtigt hätte, dass das für den Bundestagswahlkampf irgendeine Rolle spielt, dann mache ich den Antrag doch nicht im Sommer 2016, sondern etwas zeitnäher zur Wahl hin. Das ist das ganz simple Handwerk für Wahlkämpfe. Ich finde die Unterstellung absurd.

(Beifall SPD)

Diesen kleinen Punkt zur Verbesserung herzunehmen und zu sagen, das sei irgendwie populistischer Wahlkampf, ist aus meiner Sicht – mit Verlaub – lächerlich. Frau Steiner, ich habe auf Facebook den schönen Spruch gelesen, dass diejenigen, die sagen, wir sollen bis 70 arbeiten, dieselben sind, die keinen mehr über 50 einstellen.

(Beifall SPD – Abg. Frau Steiner [FDP]: Also, wir haben viele ältere Beschäftigte, wenn Sie einmal wieder auf mein privates Umfeld abzielen, aber schön, dass Sie das immer vermischen!)

Ich sage Ihnen das deshalb, weil diese Forderung, bis 70 zu arbeiten, aus meiner Sicht richtig absurd ist!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Jemand, der auf dem Bau arbeitet, kann nicht bis 70 arbeiten! – Abg. Frau Steiner [FDP]: Es geht nicht um die Erwerbsminderungsrente, wir waren auch dafür, die Erwerbsminderungsrente zu verbessern!)

Sie haben sich doch gerade gemeldet und können sich noch einmal melden! Jetzt lassen Sie mich meine Sichtweise der Dinge vortragen, auch wenn Ihnen die überhaupt nicht gefällt! Ich muss Ihre ja auch ertragen. Also lassen Sie mich bitte weiterreden!

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Habe ich ja gesagt! Ich stimme Ihnen ja sogar zu, wie Sie gehört haben!)

Ich habe gelernt, dass Politik und Regierungspolitik allemal eine Projektionsfläche für alle Missstände dieser Welt sind.

(Zuruf Abg. Frau Vogt [DIE LINKE])

Politik ist aber nur begrenzt in der Lage, wirtschaftlich Einfluss zu nehmen. Man tut so, als könne Politik Arbeitsplätze schaffen!

(Zuruf)

Ja, im öffentlichen Dienst schon, aber dann ist man schon ziemlich am Ende der Veranstaltung! Die freie Wirtschaft – um das an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen – hat aus meiner Sicht eine ganz hohe Verantwortung.

(Beifall SPD)

In Teilen muss man doch heute ehrlicherweise sagen, dass die Wirtschaft diese Verantwortung nicht annimmt.

(Beifall SPD)

Das ist doch bei der Diskussion vorhin genauso gewesen. Wer beutet denn Menschen für einen Lohn unter drei Euro aus? Wer macht denn so etwas?

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Ist Ihnen eine Arbeitslosig- keit lieber als gar nichts, oder was? – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber wenn die Leute von der Arbeit nicht leben können, was ist denn das? – Abg. Frau Steiner [FDP]: Das größte Armutsrisiko ist Arbeits- losigkeit! – Weitere Zurufe)

Ja, ja, Frau Steiner, Sie sagen dann immer, dass es ein paar schwarze Schafe gibt!

(Unruhe)

So, jetzt beruhigen wir uns alle wieder, und der Abgeordnete Möhle hat das Wort und kann seine Ausführungen in Ruhe fortsetzen!

Ich finde das in Ordnung, aber ihr schreit so laut, dass man sich gar nicht mehr verständigen kann! Ich bleibe dabei, auch wenn das einigen Teilen in diesem Hause nicht passt: Die Wirtschaft hat eine hohe Verantwortung, und Teile werden ihr nicht gerecht. Punktum und fertig! Wer glaubt, dass es gut für diese Gesellschaft ist, wenn Arm und Reich immer weiter auseinanderbrechen, sozusagen die Schere immer weiter auseinandergeht und immer weniger Leute reicher werden und immer mehr arm werden, wer glaubt, dass diese Gesellschaft das auf Dauer aushält, dem kann ich nur sagen: Nein, tut sie nicht!