Protokoll der Sitzung vom 24.06.2016

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, liebe Gäste! An diesem ganz besonders schönen Tag für Europa, wie ich finde,

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein! Also!)

an dem das englische Volk seine Souveränität erklärt hat, an diesem ganz wunderschönen Tag für Europa, wahrlich eines Händel-Oratoriums würdig, haben wir in Bremen über einen Misstrauensantrag zu befinden.

Es ist bezeichnend für unsere Lage, dass wir uns in Deutschland und Bremen nicht über unser eigenes Schicksal informieren und es in die Hand nehmen, sondern über das Schicksal von Banken sprechen müssen und darüber, ob Extraausweisungen von Flüchtlingskosten rechtens oder nicht rechtens sind, anstatt die sogenannten Flüchtlingskosten überhaupt infrage zu stellen. Es ist jedenfalls die Souveränität Bremens und Deutschlands und das primäre Schicksal, auch das der Beschäftigten der Bremer Landesbank und das Schicksal von Banken insgesamt eher nachrangig.

Wir stimmen auf alle Fälle dem Misstrauensantrag der CDU und Bürger in Wut zu. Die Alternative für Deutschland will, wenn auch aus anderen Gründen, als bisher geäußert worden ist, Nein sagen. Man kann zu diesem Senat und zu dieser Finanzsenatorin vielleicht auch auf verschiedene Arten Nein sagen. Eine verfehlte Finanzpolitik jedenfalls macht in der Umkehrung des Spruches „It‘s the economy, stupid“ vielmehr gerade die Dummheit des Ökonomismus mächtig.

Wir müssen in Bremen zu einer vernünftigen Finanzpolitik kommen, um das ökonomistische Denken bekämpfen zu können, und in Zukunft wie die Engländer mutig für unser Bundesland Bremen kämpfen und seine Souveränität auch finanzpolitisch eben erstreiten. – Vielen Dank!

(Abg. Frau Strunge [DIE LINKE]: Wieder nicht zur Sache!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, den letzten Redebeitrag von Herrn Tassis kann man nicht einfach unkommentiert hier stehenlassen.

Ich möchte ganz klar für meine Fraktion sagen – ich spreche aber garantiert für unsere Koalition –, dass es kein guter Tag für Europa ist, dass mit dem Brexit kein gutes Zeichen für Europa gesetzt worden ist. Was wir heute brauchen, ist ein deutliches Signal in Richtung Europa, dass der Zusammenhalt gestärkt wird, dass der soziale Zusammenhalt in der EU gestärkt wird und die EU nicht geschwächt wird.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Insofern distanziere ich mich hier sehr deutlich von diesem Redebeitrag.

Frau Steiner, das waren starke Worte gegen die Finanzsenatorin nach einem solchen Hin und Her, einem solchen Zickzackkurs und Hickhack in den letzten Wochen. Sie fordern jetzt einfach alles. Sie fordern Aufklärung. Ich habe gesagt, dass wir daran auch ein Interesse haben. Sie fordern aber auch zeitgleich den Rücktritt. Das ist etwas, was wir nicht richtig verstehen. Entweder macht man zuerst eine saubere Aufarbeitung, und dann schaut man, was als Ergebnis herauskommt, oder macht einen Schritt nach dem anderen. Sie aber wollen alles gleichzeitig. Das zeigt eigentlich, dass Sie nicht wirklich einen einheitlichen roten Faden haben.

Ich habe mich aber vor allem gemeldet, weil Frau Vogt – sie ist jetzt nicht mehr im Raum – in Wahrheit noch einmal die Haushaltsdebatte von voriger Woche wiederholt hat. Was wir nicht teilen, ist, dass sie der Finanzsenatorin die verantwortungsvolle Politik für das Land Bremen vorwirft, nur weil sie immer wieder dafür wirbt, dass der Sanierungspfad eingehalten werden muss. Wir haben dies als Mehrheit im Parlament letzte Woche unterstützt. Man kann der Finanzsenatorin nicht vorwerfen, dass sie verantwortungsvolle Finanzpolitik betreibt und nicht einfach weitere Millionen ausgibt, und ihr aus dem Grund dann das Vertrauen absprechen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf Abg. Profes- sor Dr. Hilz [FDP])

Frau Vogt – sie ist nicht da – von den Linken hat gesagt, sie sei nicht der Wurmfortsatz der rot-grünen Koalition. Das sind Sie nicht. Sie haben ganz offensichtlich ein anderes Politikverständnis. Ich glaube, Sie haben nicht verstanden, worum es heute in dieser Debatte geht. Ich möchte es noch einmal sagen: Es geht heute – so ist es in der Landesverfassung festgeschrieben – um ein destruktives Misstrauensvotum.

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1855

Das bedeutet, dass abgestimmt wird, ob es eine politische Verfehlung eines einzelnen Regierungsmitgliedes gibt.

Das, was Sie gemacht hat, war, heute eine Rede zu halten, dass Sie einen Richtungswechsel wollen, dass Sie unsere Politik, die Rot-Grün verfolgt, nicht richtig finden. Einen Richtungswechsel haben mehrere Seiten gefordert, ob es die FDP, die CDU oder DIE LINKE waren. Aber es war kein einheitlicher Richtungswechsel, sondern diese Forderung ging in drei oder vier Richtungen. Für mich ist das nicht nachvollziehbar.

Diese Regierung hätte nicht ihr Vertrauen, hat Frau Vogt gesagt. Noch einmal: Bei diesem Misstrauensvotum geht es nicht darum, ob eine gesamte Regierung das Vertrauen einer einzelnen Fraktion hat. Sie rufen heute quasi zu einer Neuwahl oder zu einer Großen Koalition mit Ihrem Stimmverhalten auf. Glauben Sie von der LINKEN wirklich, dass Sie mit einer Großen Koalition Ihre politischen Vorstellungen in irgendeiner Weise weiterverfolgen können?

Frau Vogt hat uns auch vorgeworfen, wir würden den Menschen Sand in die Augen streuen. Ganz ehrlich, wenn man hier steht und in jeder Haushaltsdebatte oder in jeder anderen Debatte den Menschen verspricht, dass es nichts ausmacht, wenn wir noch mehr Schulden machen, für 300 Millionen Euro Anträge stellen und uns damit von dem Sanierungspfad, der Schuldenbremse und von 300 Millionen Euro pro Jahr vom Bund verabschieden, glauben Sie nicht, dass das Sand in den Augen der Menschen ist, wenn Sie ihnen das Blaue vom Himmel versprechen? Eine verantwortungsvolle Politik sieht anders aus.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Genauso finde ich übrigens die Facebook-Einträge von Ihnen, Frau Vogt, mit Verschwörungstheorien, wie die Grünen hier heute abstimmen würden, wirklich sehr irritierend.

Noch einmal: Wir debattieren heute über das destruktive Misstrauensvotum, einen Antrag der CDU und Bürger in Wut. Sie entscheiden, ob Sie diesem Antrag dieser beiden Parteien folgen oder nicht. Ich sage es noch einmal deutlich: Wir sprechen Finanzsenatorin Linnert unser Vertrauen aus.

(Abg. Bensch [CDU]: Sehr überzeugend! Deutsch- landweit!)

Die CDU hat ihre Fehler in ihrer Politik nicht eingestanden und damals nicht die Verantwortung übernommen. Daher finden wir diesen Misstrauensantrag nicht glaubwürdig. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zur Sache, auch wenn ich unter Umständen die Frage von Sanierungspolitik und Stabilitätsrat ausführlich begründen würde, warum es für uns die Gründe sind, diesem Antrag zuzustimmen. Wer meint, dass das nichts zur Sache tut und eine Abweichung von der Sache ist, der irrt.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Uns wird vorgeworfen, wir würden jetzt mit der CDU, Bürger in Wut und FDP gemeinsame Sache machen, weil wir einem Antrag zustimmen, der von denen gestellt worden ist.

(Beifall DIE LINKE, CDU und FDP – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja! – Abg. Schäfer [ALFA]: Ja! – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Haben Sie auch schon gemacht!)

Ich weise darauf hin, dass wir in diesem Parlament noch nie gefragt haben, wer beziehungsweise welche Fraktion einen Antrag gestellt hat,

(Abg. Schäfer [ALFA]: Kommt darauf an, wer das ist!)

sondern immer in der Sache entschieden haben. Das machen wir auch so weiter.

(Beifall DIE LINKE, CDU, FDP – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollten ei- nen Richtungswechsel!)

Ein Antrag wird nicht dadurch falsch oder richtig, indem ihn eine Fraktion stellt, sondern er wird von uns in der Sache entschieden und nicht anders. Gerade wurde gesagt, dass wir für eine Große Koalition sind, wenn wir diesem Misstrauensantrag zustimmen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat Frau Vogt gerade angemahnt! Einen Richtungs- wechsel!)

Entschuldigung! In diesem Saal haben die Sozialdemokratische Partei und die Grünen eine Mehrheit. Sie stellen die Regierung. Es ist die Entscheidung dieser Parteien, eine Große Koalition zu bilden oder irgendetwas anderes, und nicht unsere. Diese Parteien entscheiden das.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir heute diesem Antrag zustimmen, dann heißt das nur, dass wir der Meinung sind, dass diese Finanzpolitik in Bremen nicht richtig ist. Da können Sie gern anderer Meinung sein. Sie können uns gern dafür verhauen, dass diese inhaltliche Frage falsch ist. Aber uns zu unterstellen, dass wir damit eine Große Koa

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1856

lition herbeiführen, ist nicht unsere Frage. Das ist die Frage Ihrer beiden Parteien. Sie haben die Möglichkeit, eine andere Finanzsenatorin oder einen anderen Finanzsenator zu wählen, wenn dieser Misstrauensantrag angenommen wird. Es ist ihre Sache, nicht unsere.

(Beifall DIE LINKE)

Die Vorgänge um die Bremer Landesbank sind für uns nicht Grund, diesem Antrag zuzustimmen. Das haben wir auch begründet. Dafür ist noch vieles unklar. Alles deutet darauf hin, dass es in dieser Frage eher kein persönliches Versagen von Karoline Linnert allein gegeben hat. Wenn, dann war es unter Umständen das Versagen der gesamten Koalition.

Ich habe mir die Frage gestellt, ob es irgendwann ein Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen und dem Bürgermeister von Bremen über diese Frage gegeben hat. Bislang habe ich davon nichts gehört. Das ist die Aufgabe der Zukunft. Wir werden dafür sorgen, dass diese Vorgänge im Controlling-Ausschuss so gut es geht aufgearbeitet werden. Deshalb sage ich hier ganz deutlich, dass es nicht die Begründung für die Tatsache ist, dass wir diesem Antrag zustimmen werden.

Noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Es ist keine Verschwendung von Steuergeldern, wenn sich ein Land an irgendeinem Betrieb beteiligt.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist mit Risiken verbunden, aber es ist keine Verschwendung. In der jetzigen Situation zu sagen, dass wir das so schnell wie möglich loswerden müssen, um mehr Arbeitsplätze zu sichern, ist ein Irrtum. Wenn wir in dieser Zeit die Bremer Landesbank nicht stützen, dann verspielen wir in Zukunft Einnahmen in Größenordnungen, die wir für zukünftige Haushalte dringend brauchen.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Wort möchte ich noch zur Frage der Alternativen sagen. Zu Recht wurde gesagt – das will ich auch an dieser Stelle ganz deutlich sagen –, dass ich die Rede unseres respektierten Kollegen Röwekamp aus einem ganz besonderen Grund nicht ganz ehrlich fand. Zu Recht wurde gesagt: Wer hier und heute einem Misstrauensantrag zustimmt, braucht politische Alternativen, braucht eine andere Politik. Das mögen viele hier im Saal nicht richtig finden. Wir haben eine solche Alternative. Wir legen sie regelmäßig vor. Wir machen in jeder Haushaltsverhandlung klar, was wir wollen. An keinem Punkt haben die Große Koalition oder die CDU zugestimmt. Das macht Forderungen nach einem Alle-Mann-Manöver, nach Zusammenhalt und Zusammenstehen schwierig.