Ein Wort möchte ich noch zur Frage der Alternativen sagen. Zu Recht wurde gesagt – das will ich auch an dieser Stelle ganz deutlich sagen –, dass ich die Rede unseres respektierten Kollegen Röwekamp aus einem ganz besonderen Grund nicht ganz ehrlich fand. Zu Recht wurde gesagt: Wer hier und heute einem Misstrauensantrag zustimmt, braucht politische Alternativen, braucht eine andere Politik. Das mögen viele hier im Saal nicht richtig finden. Wir haben eine solche Alternative. Wir legen sie regelmäßig vor. Wir machen in jeder Haushaltsverhandlung klar, was wir wollen. An keinem Punkt haben die Große Koalition oder die CDU zugestimmt. Das macht Forderungen nach einem Alle-Mann-Manöver, nach Zusammenhalt und Zusammenstehen schwierig.
Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich: Einen Weg, den bisher eingeschlagenen Sanierungspfad noch einmal zu verstärken und noch einmal zulasten der sozial Schwachen an der Kürzungsschraube zu drehen, das ist nicht unsere Richtung. Wir wollen eine andere Richtung. Es ist eine politische Alternative. Irgendwann werden die Wählerinnen und Wähler über diese Alternative zu entscheiden haben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ein wenig Sorge nach dem, was der Kollege Tschöpe gesagt hat, dass alles nur destruktiv sei, was mit Misstrauensanträgen zusammenhängt.
(Zurufe SPD: Das stimmt! – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist laut Landesverfas- sung so!)
Dass die Sozialdemokraten, die einen solchen Antrag noch nie gestellt oder unterstützt haben, das prinzipiell erst einmal destruktiv finden, kann ich noch nachvollziehen. Die besondere Lage in unserem Land ist eben so, dass sich auch in den Beispielen, die Sie genannt haben, nämlich im Bundestag und auch in anderen Landtagen, der Misstrauensantrag immer gegen den Regierungschef richtet, der seine Minister ernennt, oder entlässt und wo die Minister nicht direkt durch das Parlament gewählt und deshalb auch von diesem kein unmittelbares Vertrauen geschenkt bekommen.
Wir haben in Bremen eine andere Tradition. Unsere Tradition ist, dass jedes Mitglied des Senats sein Amt durch eine Wahl durch die Bremische Bürgerschaft erhält. Dann ist es legitim, wenn das Parlament wählt, dass es auch jeden Senator abwählen kann. Das war in der Vergangenheit so, und ich finde das auch richtig, sehr geehrter Herr Tschöpe.
Eine Koalition in der Opposition gibt es nicht. Auch das ist Ihnen fremd, weil Sie immer allein waren oder Koalitionen mit anderen Fraktionen hatten. Dass sich nun bei diesem Spektrum, das im Parlament vertreten ist, die Oppositionsparteien auf eine gemeinsame Alternative zu dieser Regierung verständigen, ist erstens nach der Verfassung nicht erforderlich, zweitens politisch völlig ungewöhnlich und drittens auch völlig ausgeschlossen. Es ist nicht erforderlich, dass wir Ihnen heute eine alternative Regierung benennen. Es wäre sogar anmaßend, wenn wir das täten. Wir
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1857
stellen zur Abstimmung, ob ein Mitglied dieser Regierung noch das Vertrauen dieses Hauses hat oder nicht. Das ist unser gutes Recht, sehr geehrter Herr Tschöpe.
Das ist nicht Farce und nicht Aufregung sondern ein in der Verfassung verbrieftes Recht. Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie, Frau Dr. Schaefer, uns dieses Recht absprechen, obwohl Sie es selbst so oft in Anspruch genommen haben. Das ist unaufrichtig, sehr geehrte Frau Schaefer.
Ich bin natürlich nicht geneigt, in eigener Sache etwas zu sagen. Ich finde es etwas mühsam, Vorgänge für die Ablehnung eines Antrags heranzuziehen, die zehn Jahre zurückliegen.
Ich will an dieser Stelle nur sagen, dass ich nicht die ganze Zeit auf der Regierungsbank gesessen habe, als der Antrag debattiert wurde, und gelacht und gelächelt. Ich habe das, was Sie damals gemacht haben, sehr, sehr ernst genommen, Frau Dr. Schaefer.
(Beifall CDU – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Es ging darum, Verantwortung zu übernehmen!)
Deswegen hat es damals natürlich Konsequenzen gegeben. Das Verfahren, das dabei zur Anwendung gekommen ist und zum Tod dieses Menschen geführt hat, ist sofort gestoppt worden. Dieses Verfahren wurde seitdem weder unter meiner noch unter anderer Verantwortung jemals wieder in Bremen angewendet.
Ich habe meinen Fehler, die Öffentlichkeit falsch informiert zu haben, unumwunden und sofort eingestanden. Ich finde, das ist der Unterschied. Fehler machen ist okay. Fehler bekennen ist schwierig, aber notwendig, um daraus die Konsequenzen zu ziehen und auch das Vertrauen wiederzugewinnen. Ich finde, das hat Frau Linnert bis heute nicht getan. Das macht den Unterschied aus.
Ich habe noch eine dritte kurze Bemerkung, weil es immer wieder durcheinandergeworfen wird: Ja, wir haben kritisiert, dass dieses Parlament einen Haushalt auf den Weg gebracht und beschlossen hat, der eine Überschreitung der Kreditobergrenze beinhal
tet. Ja, wir halten es auch mit der Verfassung nicht für vereinbar. Das ist aber nie die Kritik des Stabilitätsrats gewesen, die zu dem blauen Brief geführt hat, den es nach Auskunft der Finanzsenatoren in der „taz“ gar nicht gibt. Alle reden hier vom blauen Brief. Die Einzige, die sagt, dass es keinen gebe, ist die Senatorin. Es gibt einen Brief, und ob er blau ist oder nicht, darüber kann man streiten. In diesem Brief steht, dass 2013 eine Warnung erfolgt ist. Da gab es noch keine flüchtlingsbedingten Mehrkosten. Ferner ist 2014 gewarnt worden. Auch da gab es noch keine flüchtlingsbedingten Mehrkosten. Auch 2015 ist gewarnt worden. Da war noch nicht absehbar, in welcher Höhe und in welchem Umfang flüchtlingsbedingte Mehrkosten anfallen. Alle Warnungen sind von Ihnen unbeachtet gelassen worden. Ihr habt nichts getan. Ihr habt uns keine Sanierungsanstrengungen nachgewiesen. Ihr habt uns keine Verstärkung eurer Sanierungsbemühungen gezeigt. Deshalb fordern wir euch jetzt letztmalig auf, nicht einen neuen Haushalt für 2016 zu beschließen, das steht nicht darin. Wir fordern euch auf, bis zum 30. Juli einen neuen Sanierungsplan mit nachhaltigen Konsolidierungsbemühungen nachzuweisen. Das hat mit der Mehrheit in diesem Hause nichts zu tun, sondern damit, dass alle Warnungen, die vorher ergangen sind, an der Senatorin einfach abgeprallt sind. Sie hat nichts getan. Das ist ein ganz ernst zu nehmender Vorwurf, da er die Zukunftsfähigkeit und die Konsolidierung unseres Bundeslandes betrifft. Es ist keine Lappalie. Es hat nichts mit 2016 zu tun. Wer solche Themen aussitzt, nimmt seine Verantwortung eben gerade nicht wahr. Wer einen blauen Brief bekommt, hat Fehler in der Vergangenheit gemacht. Wer diese nicht einräumt, hat das Vertrauen des Parlaments nicht verdient. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Herr Kollege Röwekamp, die Landesverfassung in Bremen sieht ein destruktives Misstrauensvotum als Recht des Parlaments vor. Ja, in Bremen bedarf jede Senatorin, jeder Senator einer Mehrheitsentscheidung des Parlaments, um ins Amt zu kommen. Genauso kann sich das Parlament auch dafür entscheiden, einzelnen Senatoren das Misstrauen auszusprechen und sie damit abzuberufen. Das habe ich Ihnen überhaupt nicht abgesprochen.
Dass ein destruktives Misstrauensvotum rechtmäßig ist, auch von der Funktion her, kann niemand bestrei
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ten. Wir haben hier eine, wie ich finde, lebhafte Debatte erlebt, die aber sehr deutlich gemacht hat, welche Gründe in den einzelnen Fraktionen dafür sprechen, Ihrem Antrag zu folgen. Sie haben eben genau eingeräumt, dass es jenseits von Rot-Grün keine andere Mehrheit gibt, die zurzeit dieses Land regieren kann.
Was soll dieser Antrag anderes tun, als die Koalition zu prüfen, ob wir alle unsere Abgeordneten in die Kabine bekommen? Einen anderen Grund kann es nicht geben. Dann, ganz ehrlich, Kollege Röwekamp, relativiert sich das Ganze schon. Wenn Sie inhaltlich recht hätten, müsste die Entscheidung aller einzelnen Abgeordneten jenseits von Fraktionsbindungen darauf zurückgeführt werden können, was eigentlich mit einem destruktiven Misstrauensvotum erreicht werden soll: als Parlament eine individuelle Verantwortung einzelner Regierungsmitglieder zu bewerten.
Wenn man sich das so vornimmt, stellt man fest, dass es diese individuelle Verantwortung von Karoline Linnert in den vorgeworfenen Punkten, nämlich ihr Verhalten gegenüber dem Stabilitätsrat, nicht gibt, dass es dieses Verhalten der Funktion als Aufsichtsratsvorsitzende der BLG nicht gibt, auch als Mitglied der Trägerversammlung gibt. Dann ist man am Ende wieder bei der Situation zu fragen: Mag ich Karoline Linnert? Oder: Macht sie in meinen Augen die richtige Politik? Dann ist die Antwort von vielen hier, ich sage es einmal sehr pointiert: Frau Vogt, ich finde, Sie haben zur Sache gesprochen.
Ich teile die Position nicht, aber das eines klar ist: Wenn man sagt, man will jemanden nicht als Finanzsenator haben, weil er die Vorstellung nicht erfüllt, dass man in jedem Jahr 300 Millionen Euro mehr ausgibt, dann kann ich verstehen, dass man ihm nicht vertraut, weil man eben möchte, dass er 300 Million Euro mehr ausgibt.
Das macht doch deutlich, Kollege Röwekamp, dass es hier gerade nicht darum geht – das müssen wir uns alle eingestehen –, einen Richtungswechsel zu erzwingen, weil wir feststellen, dass DIE LINKE in die eine Richtung will und Sie in die andere. Bei der FDP weiß ich noch nicht, in welche Richtung sie möchte.
Letztlich muss jeder, der sich heute hier entscheidet, wissen, ob er seine Stimme für Misstrauen, Destabilisierung abgeben oder sich dafür entscheiden will, zu bewerten, wie das Verhalten von Karoline Linnert war. Ich habe das getan. Eine andere Wertung kann man, wenn man sich die Fakten anschaut, auch gar nicht vornehmen.
Ein letzter Appell: Lassen Sie uns gemeinsam für die Zukunft der Bremer Landesbank kämpfen und das nicht als Vehikel für einen kleinlichen Machtkampf nutzen!
Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht verwundern, dass ich das, was die beiden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen ausgeführt haben, ausdrücklich teile. Ich begrüße es auch sehr, dass dabei sehr deutliche Worte zu dem öffentlichen Theater der letzten Wochen, welches insbesondere – das muss man sagen – von der CDU inszeniert worden ist, gefunden worden sind.
dass der Einsatz wichtiger parlamentarischer Rechte, begonnen beim Untersuchungsausschuss, ein Misstrauensvotum, aber auch die Anrufung des Staatsgerichtshofs in den letzten drei Wochen in einer nahezu spielerischen Art und Weise, mit den Bällen jonglierend, hier eingebracht und wieder gestrichen worden ist. Ich halte das für eine große Gefahr für einen ernsthaften, dem Land Bremen verantwortlichen politischen Stil.