Protokoll der Sitzung vom 21.09.2016

Natürlich kann man sich vorstellen, die ambulanten Pflegedienste ebenfalls auf der Grundlage des Wohn- und Betreuungsgesetzes überprüfen zu lassen. Wenn man die ambulanten Pflegedienste aber hinzunimmt, dann bedeutet das mehr Personal. Es tut mir leid, wenn ich es wiederholen muss, aber mehr Kont rolle erfordert in diesem Fall garantiert auch mehr Personal, da die Mitarbeiter neben den stationären Einrichtungen noch die ambulanten Pflegedienste aufsuchen müssen. Herr Bensch, Sie müssten das

wissen. Wenn Sie einen ambulanten Pflegedienst überprüfen wollen, dann müssen Sie bis hin zu dem einzelnen Patienten gehen und schauen, ob die An gaben zu Medikamenten, zum Verbrauchsmaterial und so weiter stimmen oder ob Abrechnungsbetrug vorliegt. Woher Sie das viele Personal herbekommen wollen, um dies zu gewährleisten, das weiß auch ich nicht. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es besteht wohl keinerlei Zweifel daran, dass wir alle es verurteilen, wenn Hilflose in ihrer Hilflosigkeit ausgenutzt werden. Es ist zu verurteilen, wenn Hilflose, die in einem Abhängigkeitsverhältnis sind und sich nicht wehren können, die ihre Rechte im Zweifel nicht selbst einfor dern können, auf so dreiste Weise unter Ausnutzung von kulturellen Zusammenhängen beziehungsweise Kenntnissen betrogen werden. Wir können das nicht anders denn als Betrug bezeichnen.

(Beifall FDP)

Wir sind willens, solche Missstände so weit wie möglich abzustellen. Es bedarf der Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft. Das Ermittlungsergebnis müssen wir abwarten. Auch die Solidarkassen werden Un tersuchungen anstellen müssen. Die Solidarkassen werden uns auch unterstützen müssen, wenn wir ambulante Pflegedienste überprüfen lassen wollen. Denn – insofern bin ich ganz bei Peter Erlanson – das ist nur verzahnt möglich, einerseits mit den hier vor handenen Kräften, andererseits mit den Kräften der Kassen. Auch die Kontrolle der stationären Einrichtun gen kann ja nur verzahnt erfolgen. Sonst wird zu viel Personal gebraucht. In einem guten Zusammenspiel kann man durchaus positive Ergebnisse erzielen.

Ansonsten stimmen wir natürlich der Überweisung zu. Punkt 2 enthält das, was besonders der Beratung wert ist. Es muss darum gehen, dass wir solche Fälle in Zukunft vermeiden können. Was Punkt 1 angeht, so werden von der Staatsanwaltschaft und von anderen sicherlich etwas erfahren. Wie wir den seelischen Schaden ermessen sollen, entzieht sich allerdings ganz und gar meiner Kenntnis. Selbst wenn wir es beschließen, wird uns das wohl nicht möglich sein. Vielleicht haben Sie von der CDU andere Zugänge, wir haben sie nicht. Uns würde eine Einschätzung ausreichen, was an Schaden entstanden ist. Dann bekommen wir vielleicht eine Vorstellung von den seelischen Schäden, die entstanden sind. Direkt ermitteln können wir sie nicht.

Wenn Sie die Antwort auf die Kleine Anfrage ge lesen hätten, dann wüssten Sie, dass diese Sachen

zivilrechtlich eingefordert werden. Das hat Ihnen der Senat auf die Kleine Anfrage geantwortet. Wir können natürlich gern beschließen, dass der Senat das, was er zusagt, tatsächlich umsetzt. Punkt 3 ent zieht sich ansonsten meiner Meinung nach ganz der Notwendigkeit. Aber wegen Punkt 2 überweisen wir gern. Wir wollen, wie gesagt, daran mitwirken, dass Hilflose nicht weiter ausgenutzt werden. Das muss das Ziel sein. – Vielen Dank!

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Die Fraktion der CDU fordert den Senat auf, bis Ende des Jahres Fragen zum Pfle gebetrug in Bremen in der Staatlichen Deputation für Soziales, Jugend und Integration zu beantworten. Das wollen wir gerne tun. Pflegebetrug ist nicht ak zeptabel und darf in keinster Weise toleriert werden. Es werden nicht nur Leistungen aus Sozialkassen und Steuergelder missbraucht, es wird auch das Vertrauen von Menschen missbraucht, die hilfebe dürftig und von den Leistungsanbietern abhängig sind. Das Vertrauen aller Leistungsanbieter, die in diesem Arbeitsfeld tätig sind, wird dadurch – Frau Dr. Kappert-Gonther hat es gesagt – nachhaltig be schädigt. Das ist der große gesellschaftliche Schaden, der dadurch entsteht.

In Bremen arbeiten Justiz, Inneres und Soziales mit den Kassen sehr eng zusammen und gehen allen Hinweisen auf Missbrauch von Leistungen nach. Es gibt extra Prüfgruppen – die GKV-Prüfgruppe, die AOK Bremen/Bremerhaven hat eine Prüfgruppe –, die in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft tätig werden. In Bremerhaven ist das bereits ge schehen. Es laufen fünf Verfahren, die unter dem Stichwort „Sozialbetrug“ subsumiert werden können. In drei Fällen läuft noch das Ermittlungsverfahren. Es geht jeweils um unterschiedliche Summen. Es ist schon beschrieben worden, dass man durchaus an der Millionengrenze kratzen kann – das zeigen vergleichbare Fälle bundesweit –, wenn es sich um absichtsvolles, miteinander verabredetes Handeln von verschiedenen Leistungsanbietern handelt. Aber wir sind wild entschlossen, jeden einzelnen Fall bis zum Schluss aufzuklären und alles Geld, das uns zusteht beziehungsweise den Kassen entgangen ist, zurückzufordern. Das werden wir tun.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Verschiedene Kostenträger sind betroffen, in erster Linie die Pflege- und Krankenkassen, aber eben auch das Sozialressort. Mein Ressort ist betroffen durch einen Missbrauch der steuerfinanzierten Hil fe zur Pflege im Rahmen von Sozialhilfeleistungen.

Auch deshalb ist eine enge Kooperation besonders notwendig. Selbstverständlich wird nach Abschluss der Ermittlungen und der Strafverfahren ein Scha densausgleich im zivilrechtlichen Verfahren geltend gemacht.

Wer eine Ausweitung von Qualitätsstandards und der Prüfbefugnisse fordert, muss wissen, dass insoweit der Bundesgesetzgeber gefordert ist. Prüfungen in stationären Einrichtungen sind nach dem Gesetz grundsätzlich unangemeldet durchzuführen, und das tun wir auch. Eine Ausweitung dieser Befugnisse auf ambulante Dienste obliegt ebenso dem Bundes gesetzgeber. Die Wohn- und Betreuungsaufsicht ist Heimaufsicht. Sie hat keinen Auftrag und keine Rechtsgrundlage, ambulante Pflegedienste zu prüfen. Hamburg ist als einziges Bundesland diesen Weg ge gangen. Peter Erlanson hat dargelegt, wie schwierig das ist: Dieser Weg ist sehr personalintensiv.

Wir wollen uns eher an dem Bundesland NordrheinWestfalen orientieren. In die dortige Gesetzgebung zur Wohn- und Betreuungsaufsicht ist die Wohnform der Wohngemeinschaften, die immer populärer wird, einbezogen worden. Wir werden der Deputation und der Bremischen Bürgerschaft dazu Vorschläge machen. Ich sehe am Horizont nicht das Personaltableau, das es uns erlauben würde, jeden ambulanten Pflegean bieter zu kontrollieren. Der Senat beziehungsweise dieses Haus wird uns dieses Personal nicht bewilligen. Wir haben die Wohn- und Betreuungsaufsicht bereits personell besser ausgestattet.

Wenn man den Vorschlag der CDU-Fraktion bis zum Ende durchdenkt, kommt man übrigens zu dem Ergebnis, dass sich die Kontrolle bis in den privaten Wohnraum der zu pflegenden Personen erstrecken müsste. Das ist rechtlich eine sehr schwierige Ange legenheit. Voraussetzung wäre das Einverständnis der zu Pflegenden. Wir müssen uns die Entwicklung zusammen anschauen. Aber man muss Kosten und Nutzen nebeneinanderstellen. Nordrhein-Westfalen ist Schritte gegangen, um die Prüfbefugnisse in ei nem sinnvollen Umfang zu erweitern. Daran würden auch wir uns im nächsten Schritt orientieren wollen.

Das Wohn- und Betreuungsgesetz wird noch in die sem Jahr erweitert. Das haben wir in der Deputation schon besprochen. Die Prüfbefugnisse werden aus geweitet. Wir werden in der Deputation Ende des Jahres über den Sachstand der Verfahren informieren und der von der Fraktion der CDU in ihrem Antrag formulierten Berichtsbitte nachkommen. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir über den Stand der Dinge informieren. Die Verabredung zur Reformie rung des Wohn- und Betreuungsgesetzes haben wir ja schon getroffen.

Ich glaube, dass dieser Bereich in den nächsten Jah ren immer wichtiger wird. Die Rednerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat es bereits angesprochen. Wir haben immer mehr Menschen, die auf Pflegeleis tungen angewiesen sind, sowohl im stationären als

auch im ambulanten Bereich. Wir erleben, dass andere Wohnformen, zum Beispiel Alten-WGs, zunehmen. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie die Leistungen bekommen, die sie beantragt haben, und dass nicht hinter ihrem Rücken betrogen wird. Das ist nämlich mindestens genauso schlimm, wie wenn einem Sachen abhandenkommen. Ich habe mich mit Menschen unterhalten, die in Bremerhaven bei dem Anbieter, der jetzt beklagt wird, Verträge abge schlossen haben. Es bleibt ein ganz ungutes Gefühl. Wichtig ist, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird und dass Menschen, die Straftaten begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es liegen keine weiteren Wort meldungen vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist die Überweisung zur Beratung und Berichter stattung an die Staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Integration vorgesehen.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 19/504, Neufassung der Drucksa che 19/502, zur Beratung und Berichterstattung an die Staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Integration seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist den Antrag an die zuständige Deputation.

(Einstimmig)

Baustellen- und Verkehrschaos verhindern – Bau stellenplanungen für den Bauabschnitt 2.2 der A 281 gehören auf den Prüfstand Antrag der Fraktion der FDP vom 26. Mai 2016 (Drucksache 19/597)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erster erhält hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Plenarsitzung im August haben wir uns darüber unterhalten, was denn vorrangig gebaut werden soll: die breitere A 1 oder die B 6n. Wir haben uns mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass die A 1 den Vorrang erhalten soll, weil wir dieses Projekt schneller realisiert sehen.

Denn die Vorstellung, die der Bund zur B 6n hat, differiert zu stark von der Vorstellung, die wir hier mehrheitlich zur B 6n haben. Darüber hätten wir gern gemeinsam mit diesem Antrag debattiert. Das war im August von der CDU-Fraktion nicht gewünscht. Deswegen debattieren wir heute noch einmal über dieses Thema.

Vielleicht können wir uns heute noch intensiver mit den Problemen beschäftigen. Es würde nämlich erheb liche Probleme verursachen, wenn der Bauabschnitt 2.2 der A 281 in der Art und Weise gebaut würde, wie es bisher geplant ist. Die Folgen wären monate lange, wenn nicht gar jahrelange Staus, Blockaden, Sperrungen in der Neustadt. Dieses Verkehrschaos wollen wir Freie Demokraten den Mitbewohnern und Mitbürgern in der Neustadt, in Kattenturm, in Obervieland und in Huckelriede nicht zumuten.

(Beifall FDP, ALFA)

Deswegen sagen wir: Nutzt die Zeit, die ihr bekommt, wenn ihr die A 1 zuerst baut, um die Baustellenpla nung zu überprüfen und zu schauen, ob es möglich ist, den Bau in kürzerer Zeit und mit weniger Sper rungen vorzunehmen! Wenn das nicht geht, sagen wir: Überlegt euch Alternativen! Schaut, ob nicht die B 6n und der Bauabschnitt 2.2 der A 281 gemeinsam angegangen werden können! Mit einer neuen Planung könnte dort vielleicht gemeinsam gebaut werden.

Ich weiß, dass dann wieder das Argument kommt, der Tunnel sei zu teuer und nicht realisierbar. Ich kann nur sagen, bei einem Tunnel kommt es nicht darauf an, ob er unter der Landebahn hindurch oder um die Landebahn herum führt. Das Wesen eines Tunnels ist, dass er eine Einfahrt und eine Ausfahrt hat und dass er, während er unter der Erde ist, die Menschen nicht stört.

(Heiterkeit)

Deswegen ist die Lage der Röhre nicht das Entschei dende. Entscheidend sind vielmehr die Zufahrten zu und die Abfahrten von diesem Tunnel.

(Beifall FDP)

Daher haben wir es etwas abweichend von dem for muliert, was am Runden Tisch Gegenstand war. Uns geht es darum, dass geschaut wird, welche Alterna tiven da sind. Die Debatte soll noch einmal geöffnet werden. Denn wir gehen davon aus, dass es nicht gelingen wird, den Bauabschnitt 2.2 in kurzer Frist ohne viel Verkehrschaos fertigzustellen. Wenn es doch möglich ist, dann bauen Sie ihn bitte schnell! Denn die Menschen im Stadtteil Neustadt, insbesondere die Menschen, die im Ortsteil Gartenstadt Süd in der Nähe des Kirchweges wohnen, haben die Nase voll! Ihnen wurde versprochen, dass das dort errichtete Provisorium schnellstmöglich abgebaut und durch den

Bauabschnitt 2.2. ersetzt wird. Der Bauabschnitt 2.2 ist seit Jahren nicht fertig. Es gibt viele Gründe, warum damit nicht begonnen werden konnte, angefangen bei Klagen bis hin zu dilettantischen Planungen an einigen Stellen. Man hatte nicht gesehen, dass man den Flächennutzungsplan vielleicht auch noch an packen muss. Die Verzögerungen führen dazu, dass dort seit mehreren Jahren – bald werden es zehn Jahre sein – Menschen unter dem Verkehr leiden.

Dieses Leiden könnte längst verringert sein, wenn der Bauabschnitt 2.1 so fertiggestellt worden wäre, wie es vorgesehen war. Das hätte sich gelohnt. Selbst ein vierspuriges Provisorium hätte sich gelohnt. Die Menschen haben die versprochene Entlastung im Bereich der Neuenlanderstraße nicht bekommen. Das jetzige Provisorium führt zu einer Umfahrung in die Georg-Wulf-Straße, was nicht gewollt ist und nicht dauerhaft hingenommen werden kann.

Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem An trag. Er ist klar in dem, was wir wollen. Wir bitten wirklich noch einmal darum, darüber nachzudenken, wie die Baustellensituation so entschärft werden kann, dass sie für die Menschen dort erträglich ist. Gegebenenfalls sind Alternativen zu bauen. – Herz lichen Dank!

(Beifall FDP)