Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Staatsvertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Land Niedersachsen über die Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg – Girozentrale –, Drucksache 19/806, Kenntnis.

Gesetz zur Änderung des Bremischen Kommunalunternehmensgesetzes (BremKuG) Mitteilung des Senats vom 30. August 2016 (Drucksache 19/716) 2. Lesung

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeister Linnert.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf des Senats in ihrer 29. Sitzung am 22. September 2016 in 1. Lesung beschlossen.

Wir kommen zur 2. Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort Herr Imhoff.

Meine Damen und Herren! Wir beraten hier heute in der 2. Lesung einen Gesetzent wurf, der Kommunen die Möglichkeit schaffen soll, Anstalten des öffentlichen Rechts zu gründen. Dieses Ziel des Gesetzes hat eigentlich nur das Ziel, liebe Koalition, eine Rekommunalisierung der Abfallwirt schaft rechtlich möglich zu machen. Ich möchte dabei auf drei Sachen eingehen. Erstens! Wo kommen wir her? Zweitens! Wo stehen wir momentan? Drittens! Wo wollen wir hin?

Wo kommen wir also her? Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als die Abfallwirtschaft noch nicht privatisiert war. Um es gleich vorwegzunehmen: Das war eine Katastrophe. In der Zeit zwischen 1990 bis 1997 haben sich die Gebühren mehr als verdoppelt. Der Müll wurde nicht regelmäßig abgeholt. Alles in allem kann man also sagen: Das war katastrophal, und das lief hinten und vorne nicht in der Abfallentsorgung. Dann sind wir damals in der Großen Koalition den Schritt gegangen, diese Missstände abzustellen, und haben praktisch das operative Geschäft an Private abgegeben.

Wie sieht es jetzt, etliche Jahre danach, wie sieht es zurzeit aus? Seit der Privatisierung 1998 bis 2014 hat es keine Preissteigerung gegeben, ich wiederhole: keine Gebührensteigerung. Neben stabilen Kosten war die Müllentsorgung auch verlässlich. Das ist ja bei der Müllentsorgung besonders wichtig. Diese Verlässlichkeit haben wir seit 1998, weil wir das operative Geschäft in private Hand gelegt haben.

(Beifall CDU)

Verhältnisse wie vor der Privatisierung des operativen Geschäfts möchte keiner wieder zurückhaben. Wenn man jetzt die Bilanz zieht, dann kann man sagen: Mit der Vergabe haben wir damals alles richtig gemacht.

Doch 2018 laufen die Verträge über das operative Geschäft der Müllentsorgung aus, und jetzt kommen die ganzen neuen Begehrlichkeiten. Dabei sind wir bei dem Punkt, zu dem wir eigentlich hinwollen. DIE LINKE wollte von Anfang an eine hundertprozentige Rekommunalisierung, also einen reinen Staatsbetrieb. Das verwundert keinen. Dafür sind sie bekannt. Das lassen wir einmal links liegen, die sind ja auch links.

Alle anderen Parteien haben mit der Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts, also einer Dachgesell schaft, ein Modell favorisiert, in der Staat etwas mehr Einfluss hat und bei der mit Privaten zusammengear beitet wird. So weit, so gut – könnte man denken –, zumindest so weit, bis die SPD mit Herrn Gottschalk an der Spitze ausgeschert ist und diese Anstalt öffent lichen Rechts nur als Übergangslösung sieht, denn die SPD will perspektivisch – natürlich von ver.di getrieben – die vollständige Rekommunalisierung, also einen hundertprozentigen Staatsbetrieb.

Das pfeifen nicht nur alle Spatzen von den Bremer Dächern, sondern das kann man auch in verschiede nen Zitaten und Aussagen lesen. Ich möchte einmal aus einem Beschluss des Landesvorstands der SPD zitieren. Darin steht:

„Wir streben deshalb bei der operativen Durchführung der kommunalen Aufgaben nach 2018 zunächst die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen an.“

Das heißt, es ist für Sie nur eine Übergangslösung. Herr Gottschalk hat das im Juni 2016 mit seinen Pres severöffentlichungen noch einmal deutlich gemacht. Er möchte am liebsten 100 Prozent Staatsbetrieb. Ich glaube, das ist der falsche Weg. Insofern ist klar, wohin die SPD möchte.

Ich stelle fest: Wenn wir die Bremer Abfallentsorgung als einen Bereich, der jetzt funktioniert, zerschlagen, wie es die SPD und DIE LINKE möchte, sehe ich es schon kommen, wie das laufen wird. Das wird genauso laufen wie im Stadtamt, wie im BürgerServiceCenter oder wie auch – wie heißt das denn noch? –

(Zurufe)

in der Zulassungsstelle. Es läuft also eigentlich nichts, was im Servicebereich der Bremer Politik für den Bürger laufen sollte. Dahin wollen Sie jetzt den Schritt auch in der Abfallentsorgung machen, dahin soll es künftig laufen! Sie wissen ja, dass Sie praktisch dann auch noch ein Druckmittel haben – also nicht Sie, aber ver.di –, denn sie wird demnächst praktisch die Abfallwirtschaft als Druckmittel für die städtischen Tarifverträge ausnutzen. Das kann natürlich nicht im Sinne des Erfinders sein. Sie, liebe SPD, bereiten mit diesem Gesetz den Weg dafür vor. Das werden wir von der CDU nicht mitmachen.

Hätten Sie dauerhaft eine Minderheitengesellschaft geplant, hätten wir uns vielleicht damit arrangieren können. Doch Ihr Ansinnen ist uns klar. Das ist zum Scheitern verurteilt. Wir lehnen die Gesetzesvorlage daher auch in 2. Lesung ab, denn die CDU-Fraktion möchte stabile Gebühren und eine verlässliche Müll wirtschaft. Deshalb lehnen wir das ab. – Danke!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Im Vorfeld habe ich ge dacht: Was mag die CDU denn über die Änderung des Bremischen Kommunalunternehmensgesetzes debattieren wollen? Ich konnte mir nichts Richtiges vorstellen. Inhaltlich ist jetzt auch wenig gekommen außer noch einmal die Frage, was denn von der Rekommunalisierung zu halten sei. Die CDU hat noch einmal vorgetragen, was ja nicht ganz neu ist.

Machen wir es im Schnelldurchgang, Herr Imhoff! Die Preissteigerungen von 1990 bis 1997 als Ausweis von Schludrigkeit bei den damaligen Bremer Entsorgungs betrieben! Wenn Sie sich zurückerinnern können, und das Alter dazu haben Sie ja, dann werden Sie sich daran erinnern, dass in den Neunzehnhundertneun zigerjahren die braune Biotonne eingeführt wurde, dass die Kodierung dieser Mülltonnen eingeführt wurde, dass praktisch alle Tonnen neu angeschafft werden mussten, das Kodiersystem eingeführt wer den musste und dementsprechend die Sachen neu eingeführt wurden. Auch Ihnen ist ja als Landwirt schaftsunternehmer ziemlich klar, dass Investitionen in neue Kühe etwas kosten, und diese Kosten muss man dann in diesem Bereich erwirtschaften.

(Zuruf Abg. Strohmann [CDU])

Okay, Herr Strohmann, keine weitere Diskussion mehr über Kühe! Zweiter Punkt! Keine Gebühren steigerung von 2015 bis jetzt! Denken wir einmal daran, was denn nun genau gewesen ist. Es ist ein Vertrag mit den operativen Gesellschaften mit der klaren Indexierung gemacht worden, wie die Preise angepasst werden sollen. Diese Indexierung hätte, wenn man sie einfach verfolgt, dazu geführt, dass die Gebühren selbstverständlich angestiegen wären. Was war denn jetzt der Hintergrund? Herr Strohmann war ja auch dabei. Der Punkt war, dass es im Rahmen dieser Verträge, die eingegangen wurden, möglich war, dass die Firma ENO Unteraufträge an andere Tochterfirmen von Nehlsen vergeben konnte. Weil diese Tochterfirmen von Nehlsen erheblich niedrigere Löhne in diesem Bereich, fast nur die Hälfte, bezahlt haben, sind enorme Gewinne entstanden.

Nun gab es aber eine Vereinbarung, dass man nach zehn Jahren überprüft, ob bestimmte Praktiken – wie nämlich solche – dazu führen, dass die Firma Nehlsen als Eigner von ENO zu viel Geld bekommt. Ja, hat man festgestellt, das ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Insofern musste ein mehr als zweistelli ger Millionenbetrag zurückgezahlt werden. Dieser Millionenbetrag – Herr Strohmann, noch einmal zur Erklärung – wurde dazu benutzt, um die Gebühren auf Dauer stabil zu halten. Der Topf hat bis 2014 gereicht, dann war er alle, und dann mussten die Gebühren gesteigert werden. Das heißt, das, worauf Sie gesetzt haben, funktioniert nach 2018 nicht noch einmal. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt, was immer unterschlagen wird, ist, dass immer unterstellt wird, als sei unser System der Müllabfuhr und Straßenreinigung ansonsten topfit. Fakt ist, dass in Hamburg, wenn wir einmal Bremen und Hamburg vergleichen, der gesamte Bereich Straßenreinigung und Müllabfuhr unter dem Dach eines Unternehmens ist. In Bremen haben wir folgen de Situation: In Bremen-Nord fährt die Müllabfuhr, ein altes Unternehmen von Nehlsen, es reinigt der Umweltbetrieb. Im Stadtgebiet fährt die Müllabfuhr

ENO, und es wird gereinigt durch die ENO und die RNO. Gleichzeitig sind unterwegs KNO und NehlsenPlump, um die Spezialabfälle zu holen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Und alles klappt!)

Herr Röwekamp, ich bin es jetzt leid! Der Witz, den Sie bringen, ist jetzt viermal durch! Das reicht jetzt! Wir haben in dem Bereich die Situation, dass die Ver waltung der Mülltonnen teilweise im Umweltbetrieb ist, teilweise bei ENO. Die Gesamtverwaltung liegt dann noch im Ressort. Dann haben wir noch das Amt für Straßenverkehr.

Das führt dazu, dass man jetzt sagt, dass diese Zer splitterung überwunden werden muss und dies in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts gemacht wird. Das ist ein vernünftiger Ansatz, und für diesen Ansatz wird jetzt mit diesem Bremischen Kommunalunter nehmensgesetz die Voraussetzung geschaffen.

(Abg. Imhoff [CDU]: Warum machen Sie denn die Verträge nur so kurz? – Weitere Zurufe)

Warum wir die Verträge so kurz machen? Wir haben in diesem Bereich von der SPD gesagt, wir haben das übergreifende Perspektivziel, für 2028 die Möglichkeit zu schaffen, dass dann die Bremische Bürgerschaft entscheiden kann, wie sie die Müllabfuhr neu ge stalten will, ob sie sie fortführen oder ob sie sie in hundertprozentiger Rekommunalisierung machen will. Aus unserer heutigen Sicht halten wir das für das Ziel, das wir anstreben, weil es nämlich vor allen Dingen – Herr Strohmann, jetzt hören Sie doch bitte einmal zu! – auch um wirtschaftliche Fragen geht. Wenn Sie nämlich – –.

(Abg. Imhoff [CDU]: Sozialismus!)

Ja, Sozialismus ist das auch, klar! Wenn wir mit diesem Vorhaben eines kommunalen Betriebs die Müllabfuhr und Straßenreinigung organisieren,

(Unruhe – Glocke)

dann sparen Sie im Schnitt umgerechnet 14 Prozent Mehrwertsteuer. Sie sparen darüber hinaus mindes tens 6 Prozent, was die Unternehmensspanne wäre. Sie quaken ja schon eine ganze Weile herum, aber ich habe noch nie gehört, dass Sie einmal vorrechnen könnten, warum und wie ein privater Unternehmer in so einem Wettbewerb um 20 Prozent produktiver und damit wenigstens genauso gut wäre wie ein kommunales Unternehmen. Warum haben Sie uns das eigentlich noch nicht geliefert, Herr Imhoff, Her Strohmann? Haben Sie schon einmal etwas gerechnet? Nein, Sie haben nur gequakt! Das ist das Problem in diesem Bereich.

(Beifall SPD – Zurufe von der CDU)

Wir haben jetzt die Situation – –.

(Unruhe – Glocke)

Wissen Sie, Herr Imhoff, Sie sagen hier, Sie wollen eine dauerhafte Minderheitsbeteiligung ausschrei ben. Sie plädieren praktisch dafür, jetzt Verträge von einer Dauer über zehn Jahren abzuschließen, um das überhaupt zu machen. Ich möchte Sie einmal fragen, mit welcher wirtschaftlichen Überlegung, mit welcher politischen Überlegung und überhaupt mit welcher betriebswirtschaftlichen Überlegung Sie sich hier vorne hinstellen und sagen: Ich bin für Verträge, die länger als zehn Jahre sind! Das würde ich gern einmal von Ihnen wissen. Ich mache jetzt Schluss! Das Bremische Kommu nalunternehmensgesetz, das wir hier auf dem Tisch haben, bereitet die Möglichkeit vor, dass wir eine AöR gründen,

(Glocke)

dass wir sie rechtssicher gründen, und wie sie intern organisiert wird. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte ja bei diesem Tagesordnungspunkt nicht erwartet, bei dem es nämlich um die 2. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Bremischen Kommu nalunternehmensgesetz geht, dass es noch einmal so emotional wird, weil ich auch nicht gedacht habe, dass wir die ganzen Debatten über Rekommunalisie rung und Zukunft der Abfallwirtschaft heute Abend noch einmal wiederbeleben. Denn Kern des Gesetzes ist in der Tat, dass es Bremen ermöglicht wird, was es vorher eben nicht gab, eine Anstalt öffentlichen Rechts zu gründen.

Wenn man sich das Gesetz durchliest, geht es erst einmal um Technik. Darauf gehe ich gleich noch ein. Hintergrund für diesen Gesetzesbeschluss ist aber in der Tat die Diskussion über die Zukunft der Abfallwirtschaft in Bremen. Wir Grüne haben immer gesagt, wir wollen künftig mehr öffentlichen Einfluss als in der Vergangenheit, in der es in den letzten 17, 18 Jahren zu 100 Prozent privat war, weil wir eben auch gesehen haben: Auch in der Abfallwirtschaft tut sich natürlich etwas, wo es manchmal lohnt, öffent lichen Einfluss zu haben, ob es die Flotte an Kraft fahrzeugen ist, ob es die Frage war – das hatten wir vor drei Jahren –, ob wir eine Biogasanlage wollen. Bisher konnten wir immer nur appellieren. Wir sind der Meinung, etwas öffentlicher Einfluss schadet bei so einem sehr wichtigen Thema nicht.

Aber wir Grüne haben gesagt, dass wir uns dies unter der Beteiligung von privaten Dritten vorstellen können. Wir als Grüne haben uns immer für eine Minderheitsbeteiligung ausgesprochen. So sieht im Moment auch der Beschluss aus. Wie das 2028 aussieht, muss man sich dann anschauen. Ganz so, Herr Gottschalk, teile ich das nicht, dass kommunale Unternehmen immer kostengünstiger sind als private, und dass es immer besser läuft, kann man vielleicht auch nicht so pauschal sagen. Ich glaube, was wir ab 2018 vereinbart haben und warum wir auch eine Anstalt öffentlichen Rechts gründen wollen, ist ja, zu schauen: Kann die Kommune vielleicht das Wissen über das, was sie seit 17, 18 Jahren nicht mehr macht, wiedererlangen? Wir hatten ganz lange Diskussio nen, ob wir überhaupt noch das Know-how haben, abgesehen davon, dass wir bisher die Infrastruktur ja gar nicht haben.

Deswegen ist es richtig. Ich halte es für einen wich tigen Schritt für Bremen, eine AöR zu gründen. Wir glauben, dass dieses Konstrukt eben unter so einem Dach realisiert werden kann. Es geht übrigens nicht nur um Abfall, sondern auch um die Straßenreinigung. Wenn man sich für die Debatte heute die Gesetzes grundlage genauer ansieht, erkennt man, dass das Parlament künftig bei der Entscheidung, zum Beispiel bei finanziellen und wirtschaftlichen Belangen, eine stärkere Rolle hat als in der Vergangenheit.