Ich möchte die Fälle wissen, in denen wir im Winter abgeschoben haben. Das ist eine völlige Geisterde batte.
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Warum sagen Sie dann, dass Sie das nicht machen wollen? Das können Sie doch auch tun!)
Weil wir die Praxis haben, dass wir uns die Einzelfälle anschauen, und wir wollen auch keine Signale ver mitteln, die sagen: In Bremen könnt ihr alle bleiben. Das hat eine negative Auswirkung. Wir stehen im Fokus der Kritik. Das können wir aushalten,
aber wir müssen doch nicht als einziges Bundesland allen anderen sagen: Nein, wir machen das völlig an ders. – Das bringt uns keine Unterstützung. Deshalb müssen wir im bundesweiten Kontext mitgehen, und ich finde, dass unsere Praxis sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven human ist, wenn wir uns wirk lich alle diese Fälle anschauen. Es sind ja nur einige wenige. Dafür brauchen wir aber keine generelle Regelung, sondern wir haben auch im Bereich der Duldung eine ganz erhebliche Quote, wo wir sagen: Aus humanitären Gründen, aus gesundheitlichen Gründen können Sie hierbleiben. – Ich denke, dass die Kritik an unseren Ämtern völlig an der Realität vorbeigeht, deshalb ertrage ich es, dass Sie sagen, wir machen das falsch. Sie sagen oft, wir machen es falsch. Ich finde, der Weg in der Mitte ist der richtige.
Sie hatten in den ver gangenen Jahren erlassen, dass in den Wintermonaten keine Abschiebungen stattfinden. Das hat natürlich Auswirkungen auf den Aufenthalts- beziehungsweise den Duldungsstatus. Erkennen Sie zumindest an, dass das für die Betroffenen ein großer Unterschied ist, ob sie sich über die Wintermonate mit einer über mehrere Monate ausgestatteten Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise Duldung anders fühlen, als wenn sie damit rechnen müssen, zur Ausreise aufgefordert oder abgeschoben zu werden?
Noch einmal: Wir haben bisher ein Verfahren entwickelt, welches dadurch gekennzeich net ist, dass wir immer mit den Betroffenen darüber gesprochen haben, wann die freiwillige Rückreise erfolgt. Es ist hier niemand morgens um 6 Uhr aus dem Bett geholt worden,
sondern es war immer ein ganz offenes Verfahren, und die hohe Quote, die wir bei der freiwilligen Rückfüh rung haben, spricht dafür, dass es der richtige Weg ist. Aber ich sage auch: Wir haben andere Verhältnisse gehabt. Wenn die Mehrheit der Bundesländer das beschließt, dann kann man auch mitmachen. Aber ich finde, in der gegenwärtigen Situation zu sagen, nur Bremen verhalte sich völlig anders als alle anderen, wäre ein falsches Signal.
(Beifall SPD – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das sehe ich anders, aber das ist eine politische Debatte!)
Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 19/815, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!
Umsetzung der gemeinsamen Vorschläge der Frak tionen im Abschlussbericht des „Ausschusses zur Prävention und Bekämpfung von Armut und sozialer Spaltung“ im Bereich Kinderarmut Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 6. September 2016 (Drucksache 19/727) Dazu Mitteilung des Senats vom 1. November 2016 (Drucksache 19/810) In Verbindung mit: Bericht des Senats über die Umsetzung der im Abschlussbericht des Ausschusses der Bremischen Bürgerschaft zur „Bekämpfung und Prävention von Armut und sozialer Spaltung“ empfohlenen Maßnahmen Mitteilung des Senats vom 13. September 2016 (Drucksache 19/734) sowie Armutsbekämpfung gehört auch in dieser Legisla turperiode ganz oben auf die politische Agenda! Antrag der Fraktion der CDU vom 14. Dezember 2016 (Drucksache 19/880) verbunden mit Kinder- und Familienarmut endlich konsequent bekämpfen! Empfehlungen des Ausschusses zur Bekämpfung von Armut und sozialer Spaltung umsetzen! Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 18. Januar 2017 (Drucksache 19/907)
Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich würde ich diese Rede gern damit beginnen, mich dafür zu bedanken, dass in der letzten Legisla turperiode ein Ausschuss lange getagt hat, und würde gern sagen: Es war hilfreich, dass dieser Ausschuss getagt hat. – Eigentlich würde ich mich auch gern dafür bedanken, dass wir nun einen aktualisierten Bearbeitungsstand haben und wissen, auf welchem Weg wir uns oder dieser Senat sich auf Grundlage der Entscheidungen gemacht hat. Eigentlich, denn in der Realität ist mein Eindruck, dass wir kaum einen Schritt weiter sind. Das zeigt sich sowohl in der Beantwortung unserer Großen Anfrage als auch in dem Bericht zum Umsetzungsstand, der uns für die heutige Debatte vorliegt.
Der Ausschuss zur Bekämpfung und Prävention von Armut und sozialer Spaltung hat eine Reihe von Kon senspunkten aufgeführt, die über die Fraktionsgrenzen hinweg geeint waren und auf der Grundlage intensi ver fachlicher Beratungen im Ausschuss entstanden sind. Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir als Fraktion beantragt, den Ausschuss fortzuführen und die Implementierung und Umsetzung dieser Konsenspunkte zu begleiten, zu evaluieren und feh lende Lücken aufzunehmen. Der Antrag wurde in dieser Sitzung von diesem Haus abgelehnt, wohl im Vertrauen darauf, dass der Senat mit den Handlungs empfehlungen des Ausschusses schon weiß, was er zu tun hat, und einen Weg beschreiben kann, diese Konsenspunkte in die Tat umzusetzen.
Ich möchte mich in dieser Rede darauf beziehen, ob dieses Vertrauen und dieser Weg auch entsprechend umgesetzt wurden. Wir haben uns dazu entschlossen, in unserer Anfrage noch einmal gezielt – das war ja einige Tage, bevor die Beantwortung durch den Senat zur Verfügung gestellt wurde – den Bereich der Kin derarmut anzuschauen, denn gerade dieser Bereich ist aus unserer Sicht von erheblicher Bedeutung.
Die Gruppe mit der höchsten Armutsgefährdungsquote ist nach wie vor die der Alleinerziehenden, und diese Quote ist seit 2012 von schon damals knapp 50 Prozent auf 56 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Wir treten also nicht nur auf der Stelle, was die Situation der Alleinerziehenden betrifft. Nein, in der Realität sieht es sogar so aus, dass sich die Situation immer weiter verschlechtert. Betroffen sind davon nach wie vor in
der überwiegenden Anzahl alleinerziehende Frauen, und es sind immer die Kinder der Alleinerziehenden betroffen. Somit – nicht nur somit, sondern auch aus anderen Gründen – wächst in Bremen und Bremer haven mehr als jedes dritte Kind in Armut auf. Dieser Zustand kann niemanden von uns zufriedenstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Er ist un tragbar und kann so niemals hingenommen werden.
Auch wenn die Zahlen insgesamt hoch sind, wissen Sie, dass sich die Zahlen in den Stadtteilen sehr unterscheiden. Ich muss jetzt nicht noch einmal all die Stadtteile benennen oder aufzählen, von denen wir wissen, dass die Armutslage dort besonders zu gespitzt ist. Ich nenne exemplarisch Gröpelingen, Bremerhaven-Lehe oder Blumenthal, in denen die Indikatoren noch einmal besonders zugespitzt sind.
Ich möchte auf einige Punkte aus dem Bericht einge hen und einmal zeigen, wie derzeit im Berichtswesen und im Umsetzungsstand damit umgegangen wird. Zu Recht forderte der Ausschuss im Konsens, dass der Betreuungsanspruch im U3-Bereich auf sechs Stunden ausgeweitet werden soll, nicht zuletzt, um den Eltern oder dem Elternteil, das die Verantwortung für die Erziehung trägt, die Möglichkeit zu geben, einen Wiedereinstieg in den Beruf zu realisieren sowie neben der Kindererziehung auch wichtigen anderen Fragen nachzugehen. Dies ist neben dem sozialpolitischen Argument auch ein Argument für die Ausweitung des Betreuungsangebotes für das Kind. Was antwortet uns die Regierung auf diese fachlich breit getragene Notwendigkeit? Ich zitiere aus der Beantwortung unserer Großen Anfrage:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Ein druck – so lese ich den Abschlussbericht dieses Aus schusses – ist, dass die Notwendigkeit, die von diesem Ausschuss und von diesem Parlament festgehalten wurde, begründet wurde und nach wie vor im Raum steht, aber der Senat sich aus Ressourcengründen nicht veranlasst sieht, zu handeln. Das kann so nicht angehen!
Ein weiterer Konsenspunkt aus dem Abschlussbericht ist die Frage der unterjährigen Unterbringung – wie der im Kitabereich. Ich sagte ja schon, ich beziehe mich in meinem ersten Redebeitrag vor allem auf die Kinderarmut. Auch hier ist man sich eigentlich einig, dass die Unterjährigen-Unterbringung von Kindern in der Kita ermöglicht werden müsste – wiederum ein breit getragenes Ergebnis einer fachlichen Debatte. Ich zitiere noch einmal:
„Insofern hält der Senat bessere Möglichkeiten zur unterjährigen Aufnahme von Kindern für wünschens wert.“
Wünschenswert finden wir es ebenfalls, und not wendig finden wir es auch. Der Senat hat nun die Aufgabe, dieses „wünschenswert“ in die Realität umzusetzen und zu ermöglichen, dass die unterjährige Unterbringung von Kindern stattfinden kann. Das erwarten wir von Ihnen und nicht die Wiederholung unserer Wünsche.
Ich merke schon, ich erreiche mein Zeitlimit. Ich werde noch kurz einen Punkt nennen, bevor ich in der zweiten Runde auf die Anträge eingehe. Im Bildungssystem gibt es eine ähnliche Frage. Auch dort gab es zuletzt vermehrt Debatten. Ich nenne hier nur exemplarisch den Ganztagsschulausbau. Er findet statt. Das ist mir bewusst. Rechnen wir das bisherige Tempo des Ausbaupfades weiter, sind wir im Jahr 2050 damit fertig.
Dann sind die Kinder des jetzigen Abiturjahrgangs bereits mit ihrer Schule fertig. Das kann nicht sein. Wir müssen jetzt handeln, um zukünftige Verfesti gungen in der Armutsstruktur zu verhindern, und ich erwarte von Ihnen, dass der Senat an dieser Stelle handelt, statt uns nur Lippenbekenntnisse zu geben. – Vielen Dank!