Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ein derartiger Winterabschiebestopp, wie er hier nun gefordert wird, ist in diesem Jahr, genau wie in allen übrigen Bundesländern, nicht vorgesehen. Nach einer Verständigung der Ministerpräsidenten vom Herbst 2015 ist Bremen regierungsseitig daran gebunden. Selbstverständlich bleibt es der Bremischen Bürgerschaft unbenommen, die Entscheidung völlig unabhängig und frei davon zu treffen.
Trotzdem leben wir hier in Bremen aber nicht in einer Blase und müssen auch das Handeln anderer Bundesländer und der Bundesregierung in die Ent scheidungsfindung einbeziehen. Die gerade ange sprochene Übereinkunft aus dem Herbst 2015 wurde mit der Absicht getroffen, sinkende Einreisezahlen zu erreichen. Diese konnten in der Zwischenzeit auch erreicht werden. Eine Winterregelung würde dieser Absprache entgegenstehen und wäre mit dem formulierten Ziel ohne Weiteres nicht vereinbar.
Ein Winterabschiebestopp würde zudem den Bremer Weg, in erster Linie auf die freiwillige Ausreise der
Betroffenen zu setzen und eben erst in allerletzter Konsequenz abzuschieben, konterkarieren. Ich möchte eines klarstellen: Es ist keineswegs so, dass in Bremen per se, ohne Ansehen der jeweils individuellen Lage des Menschen, sozusagen in die Kälte abgeschoben wird. Es gibt nach wie vor Handlungsspielräume, die wahrgenommen und genutzt werden und werden sollen, beispielsweise in Form von Ausnahme- und Härtefallregelungen. Das finde ich weiterhin unver zichtbar und richtig.
Wir verzichten in diesem Zusammenhang allerdings auf eine Regulierung eines Winterabschiebestopps als verallgemeinerndes Mittel. Stattdessen wird jeder Einzelfall als das betrachtet, was er ist: ein indivi duelles Schicksal, das es zu bewerten gilt. Am Ende ist dabei auch klar: Sofern die Pflicht zur Ausreise besteht, ist es unumgänglich, diese im Regelfall – im Regelfall! – durchzusetzen.
Im Verfahren davor, dem Entscheidungsverfahren, besonders aber auch bezüglich der Duldung sind alle Umstände zu berücksichtigen. Dazu gehört selbstver ständlich auch die individuelle Lage im Heimatland. Die Klassifizierung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer bildet dabei oft ein Ausschlusskrite rium im Asyl- oder Aufenthaltsverfahren. Gleichzeitig muss man aber auch anmerken, dass die Anerken nungsquote für Menschen, die aus diesen Gebieten nach Deutschland kommen, bei unter einem Prozent liegt. Trotzdem enthebt das die Entscheidenden nicht davon, mit Augenmaß und großer Verantwortung zu entscheiden, und trotzdem hält uns das nicht davon ab, vorgebrachte Duldungsgründe weiterhin gewis senhaft zu prüfen.
Die Ausländerbehörden sind aufgefordert, insbeson dere bei Familien mit kleinen Kindern bei Betrachtung der Gesamtsituation zu berücksichtigen, ob die Ver sorgung im Heimatland im Winter gesichert werden kann. In derartigen Fällen können humanitäre Gründe die Aussetzung der Abschiebung rechtfertigen. Ich setze hier auf die erfahrenen Entscheider und appel liere daran, sich nicht davon abhalten zu lassen, jeden Einzelfall auch individuell zu prüfen, und bin mir dabei gleichzeitig sicher: Niemand in einer solchen Position wird eine solche Entscheidung, wie immer sie auch aussieht, leichtfertig treffen. Aus den vorge nannten Gründen werden wir diesen Antrag heute ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr ge ehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die grüne Bürgerschaftsfraktion hat in
der Frage eines möglichen Winterabschiebestopps für Roma eine klare Haltung. Für uns ist es ein Gebot der Humanität, niemanden, aber zumindest keine Familien mit Kindern, Frauen und ältere Menschen, in den Wintermonaten in den Westbalkan abzuschieben.
Es ist – lassen Sie mich das sehr deutlich sagen – in das Ermessen eines jeden einzelnen Bundeslandes gestellt, für bestimmte Gruppierungen einen solchen Abschiebestopp zu verhängen und erst nach einer befristeten Anzahl von Monaten das weitere Vorgehen mit dem Bund abzusprechen. Das Land Bremen hat hier also durchaus eine Regelungskompetenz und kann für sich diese Entscheidung treffen. Wer sich ernsthaft mit der Situation in den Ländern befasst, wird zum Ergebnis kommen, dass dort Minderhei ten bewusst und systematisch ausgegrenzt werden. Hüttensiedlungen am Stadtrand ohne Wasser oder Elektrizität sind keine Seltenheit. Kindern wird der Zugang zur Bildung verwehrt, den Erwachsenen der Zugang zum Arbeitsmarkt. Der Zugang zum Gesund heitssystem ist schwierig bis unmöglich, teilweise leben die Menschen dort auf und vom Müll. Die Be ratungen im Ausschuss für Bund und Europa haben das Ganze noch einmal eindringlich allen Fraktionen hier im Haus dargestellt. Es war, wie meine Kollegin Henrike Müller berichtete, eine sehr eindrucksvolle, aber auch sehr belastende Erfahrung, was in Europa möglich ist.
Obwohl die gesellschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung der Roma sowie ihre schwierige wirtschaftliche und soziale Lage allgemein anerkannt sind, werden in Deutschland Asylanträge von Roma aus den Balkanstaaten nicht erst seit der Einstufung als – angeblich – sichere Herkunftsstaaten fast immer abgelehnt. Ursache hierfür ist die außerordentlich restriktive Anerkennung von Verfolgungsgründen im deutschen Asylrecht. Nichtstaatliche Verfolgung aus rassistischen Gründen wird zu oft ausgeblendet.
Wenn Betroffene auf vielfältige Weise gesellschaftlich diskriminiert werden, ist dies kein Asylgrund. Das ist in anderen europäischen Ländern anders. Dieses Parlament hat sich 2010 mit einem immer noch sehr beachteten Beschluss zu der historischen Verantwor tung für die Roma bekannt und deren Abschiebung de facto ausgesetzt. Der daraus folgende sogenann te Kosovo-Erlass der Innenbehörde galt lange Zeit deutschlandweit als vorbildlich. Der damalige Schul terschluss von SPD, Grünen, LINKEN und der FDP in dieser Frage ist es übrigens auch.
Wir Grünen sind uns bewusst, dass sich die Rechts lage weiterentwickelt hat. Die Diskriminierung der Menschen dort ist aber weiter existent. Wir wollen deshalb die rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen,
um schutzbedürftige Menschen nicht in den Winter monaten ins Elend abzuschieben. Die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise würde es auch mit einem Abschiebstopp weiter geben. Das ist unstrittig.
Auch wenn wir Grünen hier heute eine klare Haltung formulieren und diese in den vergangenen Jahren auch immer postuliert haben, werden wir den Antrag der LINKEN ablehnen müssen. Ich werde jetzt hier keine Pirouetten drehen und nebulöse Gründe dafür erfinden, warum wir das tun. Es gibt in dieser Frage einen Dissens in der Koalition, und dieser Fall ist im Koalitionsvertrag klar geregelt. Deshalb werden wir heute dem Wunsch unseres Koalitionspartners entsprechend diesen Antrag ablehnen. Wir Grü nen wissen aber um die historische Verantwortung unseres Landes für die im Dritten Reich verfolgte Gruppe der Roma und werden uns auch weiterhin auf allen Ebenen für eine Verbesserung des Asyl- und Aufenthaltsrechts für diese in ihrer Heimat verfolgte Minderheit einsetzen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon vor einem Jahr haben wir uns in der Bürgerschaft zu diesem Thema mit einem fast gleichlautenden Antrag der LINKEN beschäftigt. Auch seinerzeit ging es schon um die Frage, ob es einen Wintererlass zu den Roma geben sollte. Der Antrag wurde seinerzeit von der CDU ab gelehnt, und angesichts der unveränderten Rechtslage werden wir auch diesen Antrag ablehnen, denn die Länder Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Kosovo, Albanien und Montenegro sind als sichere Herkunftsländer gemäß Artikel 16 a Grundgesetz in Verbindung mit Paragraf 29 Asylgesetz eingestuft worden, sodass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine politische Verfolgung in diesen Ländern nicht stattfindet. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen diese Gesetzgebung in mehreren Urteilen bestätigt.
Welche Konsequenzen hat das? Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern werden in der Re gel als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nur besondere, individuelle Gründe können für eine Anerkennung sprechen. Die Quote liegt allerdings bei unter einem Prozent. Eine Abschiebung in diese Länder ist durch diese Einstufung deutlich erleich tert, sofern die erforderlichen Bedingungen – das ist natürlich klar – erfüllt sind.
DIE LINKE fordert nun zum wiederholten Male, die Abschiebung aus humanitären Gründen mindestens während der Wintermonate auszusetzen. Im Einzel fall kann eine Aussetzung der Abschiebung gemäß Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes bei Vorliegen humanitärer Gründe von der Ausländerbehörde
nach geltendem Recht jederzeit entschieden werden. Das setzt allerdings eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten voraus. Dabei ist aus Sicht der CDU-Fraktion natür lich zu berücksichtigen, ob es sich um eine Familie mit kleinen Kindern, um alleinstehende Frauen oder alleinstehende erwachsene Männer handelt. Herr Senkal hat schon darauf hingewiesen. Das ist in jedem Einzelfall zu betrachten und entsprechend zu bewerten. Ein wie von der LINKEN geforderter genereller Abschiebestopp für diese Länder ist aller dings rechtlich nicht zu begründen und wird deshalb von der CDU-Fraktion abgelehnt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, es ist richtig, in Europa findet weiterhin Verfolgung von Sinti und Roma statt, und das ist zu kritisieren. Es ist Aufgabe aller und insbesondere natürlich auch der Bundesregierung, sich für Menschenrechte in den EU-Mitgliedsstaaten, in denen das stattfindet, und in den Westbalkanstaa ten, in denen das stattfindet, einzusetzen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Das ist notwendig und muss endlich auch Erfolg haben. Wir setzen uns auch an anderen Stellen für Menschenrechte ein. Auch hier ist das dringend überfällig.
Zu dieser Überfälligkeit gehört auch, dass wir uns unserer Verantwortung stellen und uns ihrer bewusst sein müssen – als Deutsche mit all den historischen Dingen, die dort passiert sind. Sie sind hier angeführt worden, sie waren schrecklich, und deshalb stehen wir in dieser Verantwortung. Wir als Freie Demokraten stehen zu dieser Verantwortung und wollen, dass sich in diesen Ländern endlich etwas ändert.
Trotzdem ist die Rechtslage so, wie sie ist. Die Länder sind als sichere Herkunftsländer eingestuft, es gibt Verfolgung in diesen Ländern, aber – so muss ich das wahrnehmen – anscheinend nicht überall, sonst könnte man sie nicht als sichere Herkunftsländer einstufen. Der Punkt ist: Winterabschiebung ist eine Sache, die dann auftritt, wenn Menschen nicht rechtzeitig freiwillig ausgereist sind. Auch das muss man bei seiner Entscheidungsfindung im Kopf haben. Insofern muss man sehen, dass man hier genau hinschaut und individuell prüft, wie das in den Einzelfällen ist, und jeweils verantwortungsbewusst entscheidet.
Freiwillige Ausreise wird natürlich nicht in allen Fällen gewollt sein, weil die Menschen einfach auch
ihre Gründe haben, hier zu bleiben. Das kann man nachvollziehen. Aber die Rechtslage ist so, wie sie ist, und wir werden dort noch weitere Änderungen haben, wenn sich durchsetzt, dass der Bund in die sem Bereich mehr Verantwortung übernimmt. Das kann man richtig finden, da der Bund ganz andere Einflussmöglichkeiten auf einige Staaten hat. Es wird aber den Ländern natürlich auch Möglichkeiten nehmen, hier individuell zu entscheiden. Insofern werden wir das weiter diskutieren müssen, aber am Ende kommen wir zu dem Ergebnis: Diesen Antrag der LINKEN können wir nicht mittragen, auch wenn wir sehen, dass in den Ländern, in die abgeschoben wird, noch vieles im Argen liegt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte macht es mir nicht leicht, es allen recht zu machen. Auf der einen Seite ist der permanente Vorwurf, dass wir nicht abschieben, und auf der anderen Seite ist der Vorwurf, dass wir zu viel abschieben. Ich glaube, beide Positionen sind irreal. Bremen ist ein Bundesland mit einer großen Tradition in einer humanitären Ausländerpolitik. Das ist so, und ich möchte das auch fortsetzen.
Deshalb werden wir auch immer differenziert auf die jeweiligen Herausforderungen reagieren. Wir haben das gerade am Beispiel Afghanistan getan. Auch wenn Mehrheiten anderer Meinung sind, gehen wir dabei unseren eigenen Weg. In dieser Frage geht der Vor wurf, dass wir zu viel abschieben, schlichtweg an der Realität vorbei. Wir haben uns in den ganzen Jahren immer darum bemüht, im Einzelfall hinzuschauen, und wir haben geprüft, ob das vertretbar und human ist, aber wir haben auch immer gesagt: Wir können nicht am geltenden Recht vorbeiarbeiten. Es ist ja nicht die Verwaltung, die entscheidet, dass ein Antrag auf Asyl abgelehnt wird, sondern es sind die Gerichte. Auch die Einstufung als sichere Herkunftsländer ändert an dem rechtlichen Verfahren gar nichts.
Das beschleunigt teilweise das Verfahren, aber am Ende ist es Sache der Gerichte, zu entscheiden, ob man hierbleiben darf oder nicht.
Vor diesem Hintergrund, denke ich, ist das auch eine etwas populistische Debatte. Es geht ja den LINKEN gar nicht darum, im Winter nicht zu entscheiden und im Winter zu sagen: Bleibt hier! – Die Wahrheit ist doch: Es geht darum, dass man eigentlich überhaupt niemanden mehr daran hindern will,
in der Bundesrepublik zu bleiben, und wenn der Win ter vorbei ist, dann kommt die Ansage: „Im Frühling nicht!“, „Im Sommer nicht!“. Das heißt, wir haben das Problem, dass Sie politisch etwas völlig anderes wollen als das, was ich vertreten kann, und deshalb ist das auch keine Hilfe.
Ich habe immer darauf geachtet, dass wir uns die Einzelfälle anschauen, und möchte mal sehen, wie viele Familien wir in Eis und Schnee zurückgewiesen haben. Wir haben bisher das Instrument der Abschie bung so gut wie gar nicht eingesetzt. Das wissen Sie. Das hat uns viel Kritik eingebracht, weil wir immer gesagt haben: Wir gehen den alternativen Weg. – Das heißt, wir beraten und organisieren die freiwillige Ausreise, und das werden wir auch weiterhin tun. Aber ich sage nochmals: Sichere Herkunftsländer, das ist kein Thema, das der Politik eingefallen ist, sondern es hängt damit zusammen, dass unsere Gerichte, die das in letzter Instanz zu verantworten haben, gesagt haben: Unter 1 Prozent der Fälle ge hören anerkannt, 99 Prozent werden abgewiesen. Das heißt, mit dieser Bleiberechtsperspektive ist es auch völlig klar, dass man nicht darüber diskutieren kann, im Winter überhaupt nichts zu machen, und, wie gesagt, es wäre dann auch Ihrerseits konsequent, zu sagen: „Im Sommer auch nicht“.
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber darum kann man doch wenigstens dafür sorgen wollen, dass im Winter nicht abgeschoben wird!)
Ich möchte die Fälle wissen, in denen wir im Winter abgeschoben haben. Das ist eine völlige Geisterde batte.