Dann sind die Kinder des jetzigen Abiturjahrgangs bereits mit ihrer Schule fertig. Das kann nicht sein. Wir müssen jetzt handeln, um zukünftige Verfesti gungen in der Armutsstruktur zu verhindern, und ich erwarte von Ihnen, dass der Senat an dieser Stelle handelt, statt uns nur Lippenbekenntnisse zu geben. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Prä sident, meine Damen und Herren! Danke erst einmal an Herrn Janßen für den Beitrag! Das würden wir auch so unterschreiben.
Ich frage mich durchaus, ob durch irgendetwas, was wir heute hier sagen werden, endlich wieder ein wenig Wind und Fahrt in die Armutsbekämpfung kommen kann. Ja, es kommt mir so vor, als wenn wir im Parlament zur Armut zwei- bis dreimal im Jahr eine kalte Dusche aufdrehen und alle Angesprochenen ducken sich gekonnt weg.
Auf lange Sicht festgefahren wurde das Thema durch niemand anderen als die Partei, die hier seit 70 Jahren verantwortlich regiert und sich einmal der sozialen Gerechtigkeit verschrieben hatte: die SPD. Ganz sicher waren es jedenfalls nicht allein die Grünen, nur weil sie jetzt seit einigen Jahren hinter der Bürotür mit der Aufschrift „Soziales“ sitzen. Sie können sich noch
so redlich bemühen, frische Fahrt kommt nur auf, wenn alle Ressorts gemeinsam in dieselbe Richtung marschieren. Damit dies möglich wird, haben wir hier vor eineinhalb Jahren 88 konkrete Maßnahmen beschlossen und sie dem Senat als Arbeitsauftrag präsentiert. Doch vom bisherigen Ergebnis sind wir, die CDU-Fraktion – und DIE LINKE, habe ich den Eindruck, auf jeden Fall auch –, absolut enttäuscht.
Die damals unabhängig von Parteizugehörigkeit erarbeiteten Maßnahmen sollten allein dem Wohl Bremens dienen und von allen Ressorts gemeinsam umgesetzt werden. Doch was ist passiert? Wir haben das Schiff ins Wasser gesetzt, doch anstatt Fahrt auf zunehmen, will keiner die Segel setzen, und einen Kapitän, der zum Marsch bläst, gibt es auch nicht. Dass wir in der Armutsbekämpfung kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem haben, hat die CDU schon in den letzten Debatten festgestellt. Es ist eben gerade nicht ermutigend, dass selbst die Häufigkeit der Debatten in den letzten Jahren den Senat nicht besonders antreibt. Man hat sich sozusagen an die kalte Dusche der Opposition gewöhnt. Spaß macht das nicht.
Neben dem Senatsbericht zum Umsetzungsstand der vom Ausschuss zur Bekämpfung und Prävention von Armut und sozialer Spaltung empfohlenen Maßnah men debattieren wir heute auch eine Große Anfrage und einen Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Bereich Kinderarmut und last but not least unseren Antrag, den der CDU-Fraktion.
Zunächst zum Senatsbericht: Welche Erfolge werden uns präsentiert? Welche Maßnahmen wurden kon kret umgesetzt? Die CDU-Fraktion musste bei der Durchsicht leider feststellen, dass es keine Erfolge zu präsentieren gibt. Ja, mit gutem Willen sehen auch wir hier und da den Versuch, etwas zu tun. Das ist aber auch schon alles. Ich halte es zudem für ein Armutszeugnis, wenn der Senat in seinem Bericht ständig nur auf Maßnahmen verweist, die es schon lange vor dem Armutsausschuss gab und die gerade auch dort schon nicht ausreichend waren. Deshalb gab es ja den Ausschuss. Es sollte endlich vorwärtsgehen. Wir haben uns doch nicht zum Spaß über Monate stundenlang fraktionsübergreifend und auch mit Stadtteilakteuren zusammengesetzt.
Ich hoffe sehr, dass sich heute auch die rot-grüne Koalition noch einmal offensiv für die zügige Um setzung der Maßnahmen, die ja auch ihre sind, stark macht. Denn der Ausblick, den der Senatsbericht auf die nächsten Jahre zulässt, ist doch enttäuschend. Der Senat plant eine Evaluation der im Bericht dar gestellten Maßnahmen und Strategien. Das allein ist nicht verwerflich, sondern an sich sogar sinnvoll. Doch obwohl es keinerlei Aussagen dazu gibt, wann und wie das genau geschehen soll, sollen – man höre und staune! – erst die Ergebnisse der Evaluation die
weitere Prioritätensetzung in der Armutsbekämpfung ermöglichen. Und bis dahin? Es sollten doch bereits längst alle an der Arbeit sein, denn so haben wir das vor eineinhalb Jahren hier beschlossen. Das ist für mich Stillstand
Bitter mit dem Blick auf die Umsetzung ist allerdings auch, immer wieder festzustellen, dass es an der Zusammenarbeit der Ressorts fehlt. Solange diese nur ständig immer wieder um das eigene Überleben kämpfen und froh sind, wenn gerade mal ein anderes Ressort öffentlich kritisiert wird, wird es auch keinen ganzheitlichen Blick auf die Stadt geben. Im Armut sausschuss dagegen gab es fraktionsübergreifend genau diesen ganzheitlichen Blick. Es gibt bereits ein ganzes Bündel von beschlossenen Maßnahmen, die unabhängig von Parteizugehörigkeit allein dem Wohl Bremens dienen sollen.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile vollständig die Ansicht, dass wir es mit einem Thema der Umsetzung zu tun haben – der Umsetzung von guten Absichten, die alle teilen und die jetzt in sehr, sehr vielen Berichten und sehr vielen Tagungen sowie sehr vielen Stapeln Papier geäußert worden sind. Gleichwohl, finde ich, muss man festhalten: Nicht das generelle Bekenntnis zu bestimmten Maß nahmen, nicht der generelle Aufbau von Infrastruktur, auch nicht generell die Schaffung von Stellen per se, sondern ausschließlich die tatsächlich erzielten Effekte dieser Maßnahmen sind das, was uns am Ende von einer Hauptstadt des Redens über Armut zu einer Hauptstadt der Bekämpfung der Armut machen würde.
Hier geht es um die konkrete Wirkung auf die Men schen, um die es tatsächlich geht, und nicht um die vielen anderen Dinge, über die in diesem Zusammen hang auch gesprochen wird. Diese Menschen dürfen wir in dieser Debatte nie aus dem Blick verlieren und dass es uns ausschließlich um ihr Wohl, um ihr Ausbrechen aus der Armut und um die Prävention einer zukünftigen Armut gerade bei Kindern und Jugendlichen geht. Das ist die Grundlage, auf der wir heute hier diskutieren sollten.
Der entscheidende Faktor dabei ist: Ich kann die An sätze nicht verstehen, die behaupten, das Ganze wäre
das Resultat einer gigantischen Kürzungspolitik. Das habe ich dieser Tage auch wieder als schlaues State ment einer Parteivorsitzenden einer auch in diesem Hause vertretenen Partei gehört. Es ist schlichtweg keine Kürzungspolitik, wenn sich der Sozialhaushalt auf über eine Milliarde Euro verdoppelt, der Bil dungshaushalt um viele Millionen Euro erhöht und der Gesamthaushalt in den letzten Jahren um eine Milliarde Euro gewachsen ist. Es geht darum, dass mit diesem Geld tatsächlich Dinge gemacht werden, die dazu führen, dass der Effekt, den wir uns alle wün schen, nämlich, dass wir weniger arme Menschen, weniger von Armut gefährdete Menschen haben, dann auch eintritt. Das ist die riesengroße Aufgabe, die bei diesem Thema vor uns allen steht.
Damit bin ich beim Kollegen Möhle und der Debat te, die er zwischen den Jahren angestoßen hat, und möchte mich ausdrücklich positiv darauf beziehen, da mir das in eine ähnliche Richtung zu gehen schien. Wir können uns nicht damit trösten, dass wir zwar Programme haben – so langsam sie dann manchmal auch vonstattengehen –, neue Ganztagsschulen auf zubauen, neue Kitas einzurichten mit neuen Plätze in all diesen Einrichtungen, als ob das alleine schon das große Ziel der Armutsbekämpfung erreichen würde, sondern nur, wenn wir konzeptionell und professionell in diesen Einrichtungen dann auch in der Lage sind, so zu arbeiten, dass wir mit den Familien erreichen, dass aus den Kindern in der Kindertagesstätte am Ende Jugendliche mit einem Schulabschluss und einem Ausbildungsplatz werden, haben wir das Ziel erreicht und nicht, wenn der Bauplan für diese Ein richtungen gezeichnet worden ist.
Ich würde gern ein Negativbeispiel zeigen. Das schien mir daran anzuknüpfen, was der Kollege Möhle zwischen den Jahren noch einmal in die Diskussion bringen wollte. In einem Bericht der Armutskonfe renz wird über ein Vorhaben berichtet, das 2014 in Huchting begonnen hat, mit dem Ziel, über das wir heute hier sprechen. Darin steht:
„Es wurden in einem doch relativ aufwendigen Verfah ren insgesamt neun moderierte Workshops mit Ressort- und Stadtteilvertreter/innen zu vier Handlungsfeldern (Arbeit, Ausbildung und Kinderbetreuung, Bildung und Erziehung, Wohnen und Stadtteilentwicklung, Bürgerbeteiligung und Teilhabe) durchgeführt. Ziel der Workshops war es, Strategien zur Armutsfolgen bekämpfung durch ressortübergreifende als auch durch vertikale Kooperationen zu entwickeln und konkrete Projekte zu initiieren. Die Ergebnisse der Workshops bestätigen die Notwendigkeit einer weite ren Verbesserung der ressortübergreifenden Koope ration, der Synergie, der Vernetzung, der vertikalen Abstimmung...“
„Es wurden zahlreiche Bedarfe formuliert und doku mentiert. Das nachhaltige Ergebnis war und ist, dass es bei Behördenvertretern keine Verantwortlichkeiten für die Fortsetzung dieses Prozesses gab, nicht ein einziges Projekt, eine konkrete Maßnahme o. Ä. mit Unterstützung eines der Ressorts wurde umgesetzt!“
Was ich damit sagen will: Wenn man diese Berichte ernst nimmt, dann wird sehr viel über dieses Thema in Bremen gesprochen. Es werden unglaublich viele Stunden in Sitzungen verbracht, in denen man darü ber spricht, dass man vertikalisiert, Synergieeffekte erzielt und viele andere Dinge mehr. Allein, die Menschen, um die es hier geht, die Menschen, die aufgrund verschiedener Lebenslagen unverschuldet in Armut leben, stehen dabei ganz oft außen vor der Tür, und manchmal frage ich mich sogar, wenn ich an diesen Tagungen teilnehme, ob sie denn überhaupt wenigstens ideell präsent sind, wenn sie schon nicht leibhaftig präsent sind, das heißt, ob in allen Köpfen auch immer klar ist, dass es darum geht, ihre Lebens lagen auch tatsächlich – so habe ich den Kollegen Möhle verstanden – zu verbessern.
Um das umzusetzen, müssen wir in verschiedenen Bereichen – wir haben ja noch eine zweite Runde, in der ich darauf gern noch einmal zurückkommen würde – bereit sein, umzusteuern. Mein heutiger Dank – um auch jetzt diese erste Runde mit einem positiven Beispiel abzuschließen – geht an den Beirat Vahr, den dortigen Controllingausschuss. Wenn ich feststelle, dass in meinem Sprengel bestimmte Dinge zwar finanziert sind, zwar über viele Jahre hinweg laufen, aber keinen Effekt haben, und wenn ich dann als Beirat eine solche Analyse auch breit teile – das will ich hier an dieser Stelle noch mal ausdrücklich loben und als Vorbild erwähnen –, muss ich auch bereit sein, an der einen oder anderen Stelle, an der Geld ausgegeben wird, eine Umsteuerung vorzunehmen, eine Entscheidung zu treffen, einen geraden Rücken zu machen und zu sagen: Wir brauchen in der Ju gendförderung ein anderes Konzept. Wir brauchen neue Methoden und Maßnahmen, um in der Vahr etwas für die Jugendlichen zu tun.
Das ist dort im parteiübergreifenden Konsens ge schehen. In der zweiten Runde würde ich gern an diese positive Beispielen anknüpfen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gleich zu Beginn sagen, dass ich auch nicht damit zufrieden bin, was bisher erreicht worden ist, um mir nicht den Vorwurf einzuhandeln, ich rede mich heraus. Nein, ich denke, dass wir an bestimmten Punkten besser werden müssen und einige Dinge vielleicht auch neu überdacht werden müssen. Wenn aber der ganz banale Satz, dass Hilfen helfen müssen, schon zu einem mittelmäßigen Aufstand in einigen Berei chen führt, dann wundert mich das außerordentlich.
(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Eigentlich eine Selbstverständlichkeit!)
Denn der Satz ja eigentlich nur – im Übrigen haben wir dort Erkenntnisdefizite –, warum das Verhältnis der eingesetzten Mittel zu der Wirkung nicht vernünf tig dasteht. Es ist so, dass wir an einigen Stellen mit Sicherheit mehr tun könnten – das hatte ich schon gesagt –, aber es geschehen unglaublich viele Dinge in dieser Stadt. Es gibt geradezu eine Unzahl von Projekten, von Einrichtungen und von Bemühungen, was man feststellt, wenn man sich nur mal den Zu wendungsbericht anschaut. Das ist ein dickes Buch, in dem man genau nachlesen kann, wer in dieser Stadt in den Bereichen von Armutsprävention und Teilhabehilfe tätig ist. Trotzdem hat man das Gefühl, die Sozialindikatoren in den jeweiligen Stadtteilen seien immer auf einem besorgniserregenden Level.
Ich möchte eine Diskussion darüber führen, ob wir mit den eingesetzten Mitteln, die wir aus meiner Sicht überhaupt nicht kürzen dürfen, nicht eine größere Wirkung erzielen können.
Etwas ärgert mich ein wenig, auch an dem Antrag der CDU, in dem im Begründungsteil etwas darüber steht, dass man so eine unangebrachte Selbstzufrie denheit hätte und so weiter. Das ist, denke ich, gar nicht der Fall. Ich meine auch, dass man Bemühun gen erkennen und, wie ich finde, diese auch ruhig benennen kann. Wir haben immerhin 7 Millionen Euro – das ist jetzt nicht so richtig mein Bereich – für den sozialen Arbeitsmarkt eingestellt. Ich finde, das könnte schneller gehen und verbessert werden; aber es ist ein Ziel, den sozialen Arbeitsmarkt in Gang zu bekommen. Das ist ein sozialpolitisches und unge heuer wichtiges Ziel, weil es Menschen gibt – aber das sage auch nicht zum ersten Mal –, die nicht in der Lage sind, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Da können Sie mit Maßnahmen ohne Ende kommen, am Ende des Tages wird es nicht funktio nieren. Für diese Menschen, für genau diese Gruppe brauchen wir den sozialen Arbeitsmarkt, und wir sind auf einem guten Weg, diesen zu installieren.
Das Problem ist, dass man immer so tut, als könne insbesondere die Sozialpolitik die Verhältnisse ver ändern. Ich sage einmal, die Bemühungen und die Möglichkeiten in der Sozialpolitik liegen eigentlich fast ausschließlich in der Frage, Teilhabe zu ermöglichen. Wir können über die sozialpolitischen Maßnahmen nicht die armen Menschen reicher machen.
Das Problem der Armut ist in der Tat – davon bin ich auch fest überzeugt – insgesamt ein Verteilungspro blem. Darum kommt man nicht herum. Wenn man den Menschen keine vernünftigen Stellen oder vernünf tige Arbeitsplätze mit einer vernünftigen Bezahlung vermitteln kann, dann wird man die Armut nicht bekämpfen können. Ich habe das auch schon einmal gesagt. Das ist wie bei kommunizierenden Röhren. In dieser Stadt werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer, und dazwischen gibt es durchaus auch einen Zusammenhang.
Das wäre dann aber eine wirtschaftspolitische De batte, die ich an dieser Stelle vielleicht auch einmal mit Spaß führen würde. Sozialpolitisch kommt es im – –. Ach so!