Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Dann berichtigen Sie das doch!

(Beifall SPD)

Alternative Fakten sind mein Ding nicht. Ich sage ja: Habe ich es verkehrt wahrgenommen, dann berichtige ich mich gleich selbst.

Unabhängig davon werden wir heute hier klarmachen, dass die Maßnahme Außenweser für uns wichtig ist. An der Stelle haben wir uns nicht durchgesetzt, sondern es gibt einen Abwägungsprozess. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch ganz klar gesagt, dass das Verfahren, welches wir ursprünglich genommen haben, alle Maßnahmen in einem Verfahren abzuarbeiten, nicht richtig ist. Es ist auch aus dem Grund nicht richtig, weil im Einzelnen immer Wirtschaft, Natur und Eingriffe abgewogen werden müssen.

Bei der Frage Außenweseranpassung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es sinnvoll und richtig ist.

Die Grünen haben natürlich Bedenken, was die anderen Maßnahmen angeht. Wir sind der Auffassung, dass es sinnvoll und richtig ist, bei diesen einzelnen Maßnahmen wieder in einem Verfahren abzuprüfen, wie die Naturbelange den wirtschaftlichen Belangen gegenüberzustellen sind.

(Beifall SPD)

Insofern gehen wir auch mit Ihnen konform. Natürlich bedeutet das für Bremerhaven die Sicherung von über 12 000 Arbeitsplätzen. Zu der Frage von Herrn Dr. Hilz! Unser Interesse ist es natürlich, dass wir auf Basis des Planfeststellungsverfahrens, das ursprünglich für 2020 eingeleitet worden ist, dann eben auch ein fertiges Verfahren haben, damit möglichst schnell alles realisiert wird, weil wir in Bremerhaven damit rechnen, dass größere Schiffe bei uns ankommen werden. Diese müssen wir bearbeiten können. Insofern empfinde ich das, was von Ihnen kommt, Herr Kastendiek, ein Stück weit als Skandalisierung.

Wir haben uns als Rot-Grün zu einer wichtigen Maßnahme bekannt. Aus unserer Sicht müssen die anderen Fragen der Weser auch in anderen Verfahren geklärt werden. Darum müssen Natur und Wirtschaft gegeneinander abgewogen werden. Es ist eine Frage, die eben nicht allein in Bremen behandelt werden kann, sondern auch in Niedersachsen behandelt werden muss. Insofern hoffen wir, dass Sie unseren Antrag zwar nicht unterstützen, aber wenigstens wohlwollend zur Kenntnis nehmen. – Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kastendiek! Sie haben gerade eingefordert, dass man nicht kurzfristig denken darf, wenn man verantwortungsvoll handeln soll. Ja, das unterstreiche ich sogar, denn zur Nachhaltigkeit gehört, dass man eben auch langfristig denkt, wenn man verantwortungsvoll handelt. Dazu gehören eben auch der Umwelt- und Naturschutz. Ökologie und Ökonomie müssen nämlich zusammen bedacht werden. Das ist verantwortungsvolles Handeln, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will schon einmal ins Gedächtnis rufen: Die Weser ist der in Europa am meisten von Menschenhand veränderte Fluss. Es gab insgesamt schon zwölf Flussvertiefungen und etliche Flussbegradigungen. Das hat eben nicht nur den Fluss verändert, sondern auch das Leben im Fluss, auch die Ufer und auch das Hinterland. Was Flussvertiefungen mit sich bringen, das

kann man in Vegesack sehen. Nach der letzten Weservertiefung haben wir in Bremen bis zur Innenstadt einen Tidenhub von über vier Meter. Das, was einmal Strand in Vegesack war, wurde komplett weggespült. Das ist jetzt nämlich nur noch eine Spundwand.

Das bedeuten Flussvertiefungen auch. Das sind die unübersehbaren Folgen auch hier in Bremen. Wer diese negativen Umweltauswirkungen, Herr Kastendiek, von Flussvertiefungen negiert oder kleinredet oder generell wirtschaftlichen Belangen unterordnet, handelt aus ökologischer Sicht komplett unverantwortlich.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Dass heutzutage eben nicht mehr einzig die wirtschaftlichen Belange im Vordergrund stehen, ist Beschlusslage der EU. Das macht auch der Europäische Gerichtshof deutlich. Der EuGH macht ganz klar, dass die europäische Wasserrahmenlinie gilt und gerade ökologische Belange zu berücksichtigen sind. Nach dieser Richtlinie darf sich der ökologische Zustand eines Gewässers nicht verschlechtern. Das ist bei Flussvertiefungen eben der Fall. Das wurde auch deutlich vom EuGH so festgestellt.

Mit dem Urteil vom 11. August 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit und Nichtnachvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festgestellt. Es ist – darauf ist mein Vorredner auch schon eingegangen – eben nicht rechtens gewesen, die Unterweservertiefung als einen Abschnitt mit den anderen zu betrachten. Vielmehr müssen für jeden Abschnitt einzeln öffentliches Interesse und Umweltfolgen abgewogen werden.

Man kommt eben in der Politik auch nicht mehr mit Aussagen durch: Wenn wir die Außenweser vertiefen, dann können wir auch noch bis Brake gehen und von Brake dann in die Innenstadt alles in einem Aufwasch machen. Die Unterteilung in verschiedene Vorhaben ist nicht nur von theoretischer Relevanz. Das Gerichtsurteil bemängelt eine fehlende überzeugende Begründung des öffentlichen Interesses für die Vertiefung der Unterweser von Brake nach Bremen, Herr Kastendiek. Das ist nicht irgendeine grüne Ideologie. Das hat ein Gericht einfach einmal festgestellt.

Die angegebenen Gründe werden als nicht tragfähig zurückgewiesen. Die bisherigen maximalen Abladetiefgänge würden schon jetzt nicht ausgenutzt, sagt das Gericht. Der prognostizierte Umschlagrückgang ohne Vertiefung sei vernachlässigbar, und eine Verlagerung von Umschlag auf andere Häfen sei kaum zu befürchten, sagt das Gericht. Schließlich sei nicht zu erwarten, dass die Auswirkungen auf die Transportkosten für Eisenerz und Kohle den Industriestandort Bremen gefährden. Ich möchte einmal erwähnen, dass wir als gesamte Fraktion letztes Jahr bei den Stahlwerken waren. Sie haben sich wahnsinnig Sorgen durch die billigen China-Stahlimporte gemacht und haben sich damals Sorgen gemacht, ob

ihr Hochofen renoviert wird. Aber auf die Frage, wie sie zur Weservertiefung stehen, hat uns der Vorstand ganz klar gesagt, dass sie für sie keine Rolle spielt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Das muss man auch einfach mal zur Kenntnis nehmen, Herr Kastendiek, was ein Vorstand der Stahlwerke sagt.

Die Weservertiefung im Abschnitt Unterweser Nord, also zwischen Bremerhaven und Brake, ist allein für rund drei Viertel der negativen Umweltfolgen der Gesamtplanung verantwortlich. Dazu zählt der steigende Tidenhub, dazu zählen stärkere Strömungsgeschwindigkeiten und die flussauf gerichtete Verschiebung der Brackwasserzone. Gerade die Verschiebung der Brackwasserzone macht die Landwirte in der Wesermarsch ziemlich zornig. Die leiden nämlich darunter. Wer profitiert? Es ist ein einziges Unternehmen in Brake.

Dann sage ich Ihnen, weil von Ihnen hier heute klare Antworten gefordert oder angemahnt worden sind, dass für uns Grüne die Vertiefung aller drei Weserabschnitte aus rein ökologischer Sicht eigentlich nicht vertretbar ist. Aber wenn wir uns die wirtschaftlichen Belange anschauen, muss man zugeben, dass die wirtschaftlichen Belange der Außenweservertiefung für Bremerhaven sehr viel höher einzuordnen sind als für die Unterweser.

Weil für die Unterweser die negativen ökologischen Folgen so enorm sind, lehnen wir Grüne die Vertiefung der Unterweser ganz entschieden ab und halten sie für falsch. Im Übrigen sind negative ökologische Folgen nicht nur für die Weser, sondern jetzt schon für die Wümme und die Lesum festgestellt und damit einhergehend auch immer die fiskalischen Folgen, denn natürlich kostet es etwas, wenn man die Ufer befestigen muss, wenn die Deiche noch mehr erhöht werden müssen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Am Zug ist der Bund beziehungsweise das zuständige Bundeswasser- und Schifffahrtsamt. Ich erwarte, dass wir endlich einmal dazu kommen, nicht immer nur Kirchturmpolitik der Einzelhäfen in Deutschland zu betreiben, sondern ein deutsches Hafenkonzept zu entwickeln. Wir müssen im Sinne eines nachhaltigen Wachstums Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen. Dies erreicht man eben nicht einseitig auf Kosten der Umwelt. Wir wollen die Abkehr von einer Wirtschaftsweise, die uns unserer natürlichen Lebensgrundlagen beraubt.

Es ist kein Naturgesetz, die Umwelt immer wieder für wirtschaftliche Wünsche anzupassen, auch noch perspektivisch anzupassen, obwohl man den Bedarf vielleicht gerade gar nicht hat, und zu zerstören. Wenn der wirtschaftliche Nutzen der Vertiefung eines Flus

ses oder eines Flussabschnitts höchst fragwürdig ist, dann gibt es keinen Grund, daran festzuhalten. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über die Weservertiefung diskutieren. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Weser vertieft wird. Seit 120 Jahren werden schon Anpassungsmaßnahmen vorgenommen, Vertiefungen, Begradigungsmaßnahmen, Befestigungen der Hänge. Wir haben es also nicht mit dem ersten Vorhaben dieser Art zu tun. Die ökologischen Folgen sind jetzt auch schon sichtbar. Tidenhub ist angesprochen, auch die Frage der Versalzung der landwirtschaftlich genutzten Flächen, aber auch Fragen für das Ökosystem, die komplex sind.

Ein Ökosystem Fluss ist gerade im Mündungsbereich ein sehr sensibles Ökosystem. Die Folgen sind nicht von der Hand zu weisen. Es gibt auch nach wie vor Auswirkungen auf Grundwasserpegel, da durch eine vertiefte Fahrrinne nicht nur die Geschwindigkeit des einströmenden, sondern auch die Geschwindigkeit des ausströmenden Wassers erhöht wird.

Wir kennen diese Fakten. Wir haben sie bereits mehrfach genannt. Trotzdem scheint es immer wieder nötig zu sein, sie zu wiederholen, denn auch wenn die ökonomischen Faktoren, die mit einer solchen Vertiefung verbunden sind, höchst fragwürdig sind, spielen ökologische Fragen leider eine viel zu geringe Rolle.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir stehen auch nicht nur vor der Situation, dass man eine einmalige Fahrrinnenanpassung durchführt und danach sowohl der Aufwand als auch die Eingriffe im Ökosystem abgeschlossen sind. Nach der Vertiefung müssen immer wieder Neuausbaggerungen stattfinden, um diesen Zustand zu erhalten. Es gibt Instandsetzungskosten und wiederkehrende Eingriffe in das System, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Wenn, gerade wie in dem Urteil dargestellt, die wirtschaftlichen Kosten nicht eindeutig belegt sind, stellt sich für mich die Frage, warum eine solche Investition und eine solche dauerhafte finanzielle Belastung ohne Weiteres vorgenommen wird.

Wir haben in diesem Urteil auch gesehen, dass es eine unterschiedliche Betrachtungsweise der verschiedenen Flussabschnitte geben muss. Die CDU und FDP diskutieren heute allerdings nicht differenziert die verschiedenen Bereiche, sondern sagen: Ausbaggern ist einfach immer gut. Wir brauchen möglichst viel Weservertiefung. Wir brauchen die Weservertiefung

im Außenbereich. Wir brauchen die Weservertiefung bis Brake, und wir brauchen sie bis Bremen.

Das Urteil legt uns aber doch nahe, dass genau die differenzierte Betrachtung der verschiedenen Flussabschnitte notwendig ist und dass genau die differenzierte Betrachtung zeigt, dass die wirtschaftlichen Faktoren für die verschiedenen Flussabschnitte vollständig unterschiedlich zu bewerten sind. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, wie man sich jetzt hier hinstellt und sagt: Na gut, Hauptsache, wir baggern die gesamte Länge aus, ungeachtet jeglicher Entscheidung, die sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens getroffen wurden! Sie müssen doch die neue Erkenntnislage auch nutzen und ihre Argumentation irgendwie darauf anpassen. Zurzeit ist das nicht sichtbar.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

In einer Sache gebe ich Ihnen recht, Herr Kastendiek, wenn Sie sagen, dass dieser Antrag nicht ganz Fisch und auch nicht ganz Fleisch ist. Der Kompromiss, der hier im Raum steht, ist zu sagen: Gut, die Außenweser wird vertieft und für den Rest schauen wir einmal, was in Niedersachsen passiert.

Ich hätte jetzt genau das Gegenteil als Sie erwartet. Ich hätte nicht erwartet, dass man sich jetzt eindeutig zur Unterweservertiefung bekennt, sondern dass man jetzt eindeutig sagt: Die Unterweservertiefung ist vom Tisch. – Eigentlich passiert es um die Ecke, indem man sagt: Gut, wir schieben jetzt das Planverfahren nach Niedersachsen.

(Vizepräsidentin Dogan übernimmt wieder den Vor- sitz.)

Das Interesse von Niedersachsen, tatsächlich den letzten Abschnitt zu bauen, ist völlig offen, für Brake ist er interessant, der obere Abschnitt ist eigentlich nur für Bremen interessant. Warum sollte Niedersachsen diese Planung vorantreiben? Wir könnten eigentlich auch hier eine bewusste politische Entscheidung treffen und ehrlich sagen, dass wir diese Unterweservertiefung nicht brauchen. Das ist auch Beschlusslage der Grünen. Das haben Sie gerade noch einmal formuliert. Das geht aus Ihren Pressemitteilungen hervor. Diese Vertiefung hat deshalb auch nicht die Regierung hinter sich. Wir sollten eigentlich hier auch den klaren Cut machen zu sagen, diese Unterweservertiefung ist sowohl ökologisch, aber auch ökonomisch gesehen nicht haltbar und sollte vom Tisch. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet, nachdem ich die Redebeiträge gehört habe und eines klar geworden ist, nämlich dass die Grünen eine klare Position haben. Ich finde sie nicht gut und auch nicht richtig, denn in Abwägung der wirtschaftlichen Bedeutung auch der bremischen Häfen, insbesondere der Neustädter Häfen, aber auch der Industriehäfen ist hier im Planfeststellungsverfahren sicherlich nicht deutlich genug herausgehoben worden, welche Bedeutung die Vertiefung für die Zukunftsfähigkeit hat. Sie hat sie aber. Insofern teile ich Ihre Auffassung nicht.

Dass DIE LINKE insbesondere die ökologischen Punkte hervorheben und ökonomische Punkte den LINKEN grundsätzlich egal sind, das ist auch bekannt. Darüber wollen wir nicht weiter reden.

(Abg. Janßen [DIE LINKE]: Haben Sie das Urteil ge- lesen?)