Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Diese Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Meyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Für das Land Bremen als Zwei-StädteStaat mit einer vergleichsweise geringen Flächengröße im Unterschied zu den großen Flächenländern wie etwa Niedersachsen besteht kein Bedarf für ein eigenständiges bremisches Wolfskonzept.

(Heiterkeit, Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der Senat hält es grundsätzlich für ausreichend, die in Niedersachsen entwickelten Strategien im Umgang mit dem Wolf auch in Bremen entsprechend zur Anwendung zu bringen. Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr steht daher sowohl mit dem niedersächsischen Umweltministerium als auch mit dem Wolfsbüro beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, NLWKN, wie auch der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf, DBBW, sowie dem Bund-Länder „Runden Tisch Wolf“ im Austausch.

Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr handelt bei allen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Wolf nach folgenden Grundsätzen, analog zu Niedersachsen: Der Wolf ist nach europäischem und nationalem Artenschutzrecht streng geschützt. Entsprechende Schutzmaßnahmen sind zu gewährleisten.

Bei allen in diesem Zusammenhang zu veranlassenden Maßnahmen steht die Sicherheit des Menschen an erster Stelle. Die Interessen der Nutztierhalter müssen gewahrt bleiben. Alle Sichtungen werden überprüft und dokumentiert. Zeigt sich gegebenenfalls ein auffälliges Verhalten, sind die dafür geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Entsprechende gesetzliche Regelungen finden sich im Bundesnaturschutzgesetz und in den Leitlinien des Bundesamtes für Naturschutz.

Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr prüft zurzeit die Möglichkeit des Abschlusses – –.

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Abschusses?)

Abschluss, nicht Abschuss! Ich habe Abschluss vorgelesen! Also, prüft die Möglichkeit des Abschlusses einer Verwaltungsvereinbarung mit Niedersachsen mit dem Ziel der Mitnutzung des vom Land Niedersachsen eingerichteten Wolfsberatungsnetzes und des Wolfsbüros beim NLWKN, auch bezüglich notwendiger Beratung von Nutztierhaltern und Begutachtungen im Fall eines Wolfsrisses auf bremischem Gebiet.

Zu Frage zwei: Der Senat hält es grundsätzlich für geboten, Art und Maß von Schutzbemühungen und schadensvorbeugenden Maßnahmen ebenfalls am vorhandenen niedersächsischen System auszurichten. Finanziell ist eine derartige Regelung momentan im Haushalt nicht hinterlegt. Im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2018/2019 ist dies zu prüfen.

Zu Frage drei: Zunächst ist festzuhalten, dass es keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung von Wolfsrissen gibt. Vor diesem Hintergrund haben sich einige

Bundesländer entschlossen, bei nachgewiesenen Schäden durch Wölfe Ausgleichszahlungen als Billigkeitsleistung zu gewähren. Auch Niedersachsen hält ein Ausgleichszahlungssystem vor. In Bremen gibt es derzeit noch keine vergleichbare finanzielle Ausgleichsregelung. Der Senat hält es jedoch angesichts der zunehmenden Verbreitung des Wolfes auch in an Bremen grenzenden Landkreisen für geboten, ein vergleichbares Ausgleichszahlungssystem einzuführen. Finanziell ist eine derartige Regelung momentan im Haushalt ebenfalls nicht hinterlegt. Im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2018/2019 ist auch hier dies zu prüfen. – Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege Buchholz, haben Sie eine Zusatzfrage?

(Abg. Buchholz [FDP]: Nein, danke! Das war ausführ- lich genug!)

Eine weitere Zusatzfrage durch die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer! – Bitte sehr!

Die halbstündige Sichtung eines Wolfes erregt ja die Gemüter. Ich frage Sie trotzdem einmal. Ist denn sichergestellt, dass es sich dabei auch um einen Wolf gehandelt hat?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Sichtung eines Wolfes zu klassifizieren, von unwahrscheinlich, wahrscheinlich, Augenzeugenberichten bis hin zu DNA-Proben. Wir haben derzeit ein Foto von dem sozusagen wolfsähnlichen Tier oder mutmaßlichen Wolf, der durch Borgfeld gelaufen sein soll. Unser Wolfsexperte kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht sicher ist, dass das Foto belegt, dass es sich um einen Wolf handelt. Es könnte auch ein wolfsähnlicher Hund sein.

Frau Dr. Schaefer, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Welche Einschätzung haben Sie über die Gefährlichkeit von Wölfen? Ich als Biologin habe da eine Einschätzung. Ich glaube, sie ist nicht kompatibel mit der von Jägern, aber mich würde Ihre Einschätzung interessieren.

Also, in der Tat sind Wölfe große Raubtiere. Ich glaube jedoch, das Bild, das Menschen von Wölfen haben, nämlich dass Wölfe Bestien sind, ist nicht wahr und nicht richtig. Es kommt, glaube ich, eher aus der Märchenwelt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der umgedrehte Fall ist aus unserer Sicht auch nicht richtig. Wölfe sind eben auch keine Schmusekätzchen, es darf nicht vergessen werden, dass es sich um ein Raubtier handelt. Wenn wir uns anschauen, zu wie vielen Übergriffen es zum Beispiel in Europa in den letzten Jahren, seit 1950 kam, dann gab es ungefähr 60 Angriffe und neun Todesfälle seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrtausends. In einem Satz gesagt, es ist wahrscheinlicher, von einem Blitz erschlagen zu werden, als von einem Wolf angegriffen oder getötet zu werden in Europa. Auch die Schadenshäufigkeit und Verletzungsstatistiken in Ländern mit sehr viel mehr Wölfen, zum Beispiel in Nordamerika oder in Russland, deuten nicht darauf hin, dass, wenn es sich um verhaltensnormale, gesunde Tiere, mit einem auch gesunden Verhalten des Menschen gegenüber dem Wolf handelt, dass da große Panikmache angebracht ist. Der Wolf ist am Ende ein Raubtier, man muss damit respektvoll umgehen, aber man braucht keine übertriebene Angst zu haben, in Bremen von Wölfen angefallen zu werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Dr. Schaefer, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wie ist das Prozedere in einer Gefahrensituation? Können Sie das erläutern?

In einem Fall der Gefahr, wenn Sie damit meinen, dass ein verhaltensauffälliger Wolf durch die Stadt läuft oder immer wieder in die Stadt kehrt, wird ein Arbeitskreis eine Entscheidung treffen. Der Arbeitskreis wird zusammengesetzt sein aus Vertretern der Gefahrenabwehrbehörden, also in diesem Fall der Polizei, der Oberen und Unteren Naturschutzbehörde, das ist der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, der Jagdbehörde und den Wolfsexperten aus Niedersachsen. Diese zusammen werden dann geeignete Maßnahmen beraten und darüber entscheiden, bis hin zu der sogenannten Entnahme des Tieres. Dazu bietet das Bundesnaturschutzgesetz auch die Möglichkeit, wenn es ein verhaltensauffälliger und gefährlicher Wolf ist, dann kann man diesen Wolf auch „entnehmen“. Das ist der allerletzte Schritt, vorher würde man Maßnahmen zur Vergrämung ergreifen. Im Falle von Nutztierrissen würde der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr als Landwirtschaftsbehörde oder Ministerium, die Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz informieren, die für den Tierschutz zuständig ist.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Weiß der Wolf das zu schätzen?)

Sie würde dann mit entsprechenden Mitarbeitern des LMTVet eine Rissbegutachtung zusammen mit

den Wolfsberatern aus Niedersachsen durchführen, um dann für den Schadensfall die entsprechende Regulierung vorzubereiten.

Frau Dr. Schaefer, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

In den Medien konnte man ja die Einschätzung eines Hobbyjägers sehr ausführlich lesen. Welche Einschätzung haben Sie, wie die Jäger in Bremen oder generell den Wolf einschätzen?

Die Rechtslage in Deutschland ist eindeutig, die Bejagung des Wolfes ist nicht erlaubt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Sie ist eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe mit bis zu fünf Jahren geahndet werden kann. In Deutschland sind ungefähr 18 Wölfe auf wundersame Weise mittlerweile verschwunden. Nicht jeder ist in der Lage, solch ein Tier zu töten, deswegen gehen wir davon aus, dass die 18 Wölfe aller Wahrscheinlichkeit nach bejagt wurden. Die Jäger sehen in vielen Fällen den Wolf in ihrem Jagdrevier als einen Konkurrenten an. Das Wild verhält sich in einem Jagdrevier anders, wenn der Wolf dort herumstreunt. Der Wolf reißt natürlich auch das gleiche Wild, das auch der Jäger gern schießen möchte, insofern sehen wir da ein deutliches Konkurrenzverhalten zwischen Jägern und Wölfen. Wenn man sieht, welche Einstellung die mehrheitlichen Jäger haben, dann gehen 46 Prozent der Jäger davon aus, dass der Wolf hier in unseren Breiten- und Längengraden nichts zu suchen hat. In der Bevölkerung sind es ungefähr zehn Prozent, es besteht also eine deutliche Ablehnung der Jäger im Allgemeinen gegenüber dem Wolf.

Eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Imhoff! – Bitte sehr!

Ich will erst noch einmal auf die letzte Äußerung eingehen, und zwar habe ich da eine Frage: Könnte es auch sein, dass diese 18 nicht auffindbaren Wölfe, wie Sie sagten, auch eventuell durch Unfälle mit Autos oder einfach so verendet sind? Ich meine, das den Jägern zu unterstellen, ist ja schwierig.

Natürlich haben Sie recht, der Wolf kann auch durch einen Verkehrsunfall getötet worden sein. In der Regel findet man durch Verkehrsunfälle getötete Wölfe in der Nähe von Straßen. Bei den 18 Wölfen ist auffällig, dass diese völlig spurlos verschwunden sind. Wir wissen nicht, ich persönlich weiß es nicht, und dazu gibt es auch keine Literatur, ob es am Ende die Jäger waren. Mein Hinweis war, einen Wolf zu erledigen, ist keine Angelegenheit,

die der normale Bürger sich einmal an einem Sonntagnachmittag überlegt.

Herr Kollege Imhoff, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich möchte noch mal auf Ihre Äußerung eingehen, dass es in Ländern wie zum Beispiel Nordamerika, mit einer höheren Wolfspopulation, keine Probleme gibt. Würden Sie mir recht geben, Herr Staatsrat, dass Nordamerika und die Bevölkerungsdichte dort nicht vergleichbar sind mit dem deutschen Raum?

Da würde ich Ihnen recht geben. Allerdings ist seit der Rückkehr des Wolfes in Deutschland kein Fall dokumentiert, wo es zu Angriffen oder Tötungen kam.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Auch in anderen europäischen Ländern, mit einer vergleichbaren Dichte wie zum Beispiel Spanien, sind Wolfsübergriffe in den letzten Jahren, ich habe es ja dargestellt, seit dem Jahr 1950 eher selten.

(Abg. Imhoff [CDU]: Das war nicht die Frage!)

Herr Imhoff, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Was raten Sie jetzt den Bremer Landwirten, die ja nun an den Stadtgrenzen auch ihre Tiere teilweise halten und praktisch auch dort betroffen sein können?

Ich habe ja ausgeführt, dass wir mit Niedersachsen eine Verwaltungsvereinbarung treffen werden, wo wir uns dem Ausgleichssystem anschließen werden. Wir gehen davon aus, dass, wenn es heute zu Rissen bei den Landwirten kommen wird, wir auch heute eine Möglichkeit finden, diese finanziell auszugleichen. Das Prozedere, wie man zu solchen Ausgleichszahlungen kommt, mit Rissbegutachtungen in Zusammenarbeit mit dem LMTVet und Niedersachsen habe ich einmal deutlich dargestellt. Derzeit haben wir Risse im Wesentlichen, wenn wir uns die Statistik anschauen, im Landkreis Cuxhaven, in der Umgebung von unserer Partnerstadt Bremerhaven.

Herr Kollege Imhoff, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, die ländlichen Strukturen in Bremen sind nicht mit denen in Niedersachsen vergleichbar. Im Tierschutzgesetz und in der Nutztierhaltungsverordnung steht, dass Landwirte ihre Tiere gegen Beutegreifer schützen müssen, und wenn sie das nicht tun, dann entstehen compliance

costs, und daraus entstehen Abzüge. Wie wollen Sie diese Diskrepanz aufheben?