Protokoll der Sitzung vom 08.03.2017

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wer den Bemerkungen des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau mit der Drucksachen-Nummer 19/833 beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau bei.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem 20. Tätigkeitsbericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, 2014 bis 2015, Drucksache 19/726, und von dem Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau, Drucksache 19/833, Kenntnis.

Liebe Ulrike Hauffe, auch ich möchte mich im Namen des gesamten Hauses bei dir für das, was du für das Land Bremen geleistet hast, herzlich bedanken. Wir hoffen natürlich, dass du weiterhin so aktiv bleibst. Vielen Dank, liebe Ulrike Hauffe!

(Beifall)

Häusliche Gewalt in Bremen und Bremerhaven Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 29. November 2016 (Drucksache 19/855) Dazu Mitteilung des Senats vom 10. Januar 2017 (Drucksache 19/892) Wir verbinden hiermit: Hilfe für Opfer von häuslicher Gewalt Antrag der Fraktion der CDU vom 28. Februar 2017 (Drucksache 19/952) Sowie Häusliche Gewalt – Zielgerichtet für Gewaltfreiheit Antrag der Fraktion der FDP vom 3. März 2017 (Drucksache 19/962)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Ehmke.

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat Ehmke, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gerade eben behandelte Tätigkeitsbericht der ZGF und der Vortrag von Ihnen, Frau Hauffe, passen sehr gut zu dem jetzigen Thema, denn häusliche Gewalt zerstört in der Regel das Innenleben einer Familie oder Lebensgemeinschaft, und zwar nicht nur bei den Opfern, meine Damen und Herren. In der Regel und in den allermeisten Fällen sind Frauen nach aktueller Statistik 82 Prozent, Männer sind zu 18 Prozent beteiligt bei der häuslichen Gewalt als Opfer beteiligt. Kinder sind natürlich auch in einem sehr hohen

Maße beteiligt. Ihr Anteil ist unbekannt, zumindest nicht seriös zu benennen, da es kaum Anzeigen gibt. Selbst für die Täter ist ein normales Zusammenleben in einer gewaltbereiten häuslichen Gemeinschaft nicht mehr vorstellbar.

Schauen wir auf die Kinder! Egal, ob Mädchen oder Junge, für diese Kinder wird ein Familienbild geschaffen, das aus Gewalt besteht, mit der großen Gefahr, dieses für ihr weiteres Leben Frau Hauffe, Sie haben darauf hingewiesen nach der Devise „Gewalt in der Familie ist normal“ zu übernehmen. Damit wird ein Rollenbild erzeugt, nach dem diese Kinder, wenn sie später erwachsen sind, jeweils für sich ihre Rolle definieren: die Jungen in der Regel als Täter und Gewaltbereite und die Mädchen in der Regel als Opfer, weil sie das in ihrem Familienbild kennengelernt haben.

(Vizepräsident Imhoff übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, diesen Teufelskreis müssen wir endlich unterbrechen, zumal die Zahl der angezeigten Delikte regelmäßig steigt.

Die CDU-Fraktion hat diese Tatsache erneut zum Anlass genommen, im Rahmen einer Großen Anfrage den Senat zu befragen. Der Senat das muss man anerkennender Weise deutlich sagen hat sehr umfangreich geantwortet und auch auf die Ergebnisse und Präventionsmaßnahmen hingewiesen. Allein im Land Bremen das muss man sich wirklich auf der Zunge, nein, nicht zergehen lassen, das muss man sich, besser gesagt, immer wieder vor Augen führen hat es im letzten Jahr circa 2 000 Fälle von häuslicher Gewalt gegeben. Es sind folgende Delikte zu nennen: einfache Körperverletzung – das ist schon schlimm genug –, Bedrohungen, gefährliche oder sogar schwere Körperverletzung, immerhin 187 Fälle, Vergewaltigung, auch das ist hier eben schon angesprochen worden, in 15 Fällen und Tötungsdelikte oder deren Versuch in fünf Fällen.

Meine Damen und Herren, ich denke, ich spreche für Sie alle, wenn ich sage: Solche Straftaten haben in häuslichen Gemeinschaften nichts zu suchen.

(Beifall)

Viele Geschädigte geben an, dass es sich bei den Gewalttaten nicht um den ersten Übergriff auf sie gehandelt hat. Allerdings das muss auch gesagt werden scheitern eine konsequente Aufklärung und gerichtliche Verfolgung der Taten häufig daran, dass die Opfer im Verfahren nicht mehr aussagen mögen, also in der Regel ihre Anzeige zurücknehmen, insbesondere für die einfache Körperverletzung ist das festzuhalten. Es stellt sich natürlich die Frage: Warum passiert das so häufig? Ist es die Angst der Opfer vor neuer Gewalt? Oder ist es die Angst der Opfer davor, das Zusammenleben in dieser Familie,

in dieser Lebensgemeinschaft zu zerstören? Meine Damen und Herren, weil weitere Zeugen in der Regel für diese Delikte nicht vorhanden sind, ist es extrem schwierig, in der Beweisführung am Ende zu vernünftigen und gerichtsverwertbaren Ermittlungen zu kommen. Erschwerend kommt hinzu, meine Damen und Herren, dass häufig subtile Formen wie Beleidigungen, Drohungen oder sonstige Formen von psychischer Demütigung zum Beispiel das Stalking gehört dazu in der häuslichen Umgebung stattfinden. Diese werden in der Regel gar nicht angezeigt.

Meine Damen und Herren, die von mir genannten Daten und Fakten aus der Antwort des Senats bilden das Hellfeld der polizeilichen Kriminalstatistik ab. Das Dunkelfeld ist leider es gibt eine Reihe von Untersuchungen dazu erheblich höher. Beispielsweise hat eine im Auftrag der evangelischen Kirche im Jahre 2010 in Deutschland durchgeführte Studie ergeben, dass über 40 Prozent der Frauen auch das ist wirklich ein nicht hinzunehmender Anteil schon einmal Opfer von Gewalt im häuslichen Umfeld geworden sind. Ich finde, das ist eine erschreckend hohe Zahl.

Ferner bestätigt die Studie, dass Gewalt in allen Bildungsmilieus anzutreffen ist, allerdings mit dem Unterschied, dass Männer aus sogenannten bildungsfernen Schichten öfter zuschlagen, während Männer aus dem eher akademischen Milieu zu verbaler oder psychischer Gewalt neigen. Der Studie ist zu entnehmen, dass 80 Prozent der befragten Männer angegeben haben, in ihrer Kindheit selbst Opfer häuslicher Gewalt gewesen zu sein. Da schließt sich der Kreis zu meinen Ausführungen, die ich eingangs meines Redebeitrags gemacht habe.

Meine Damen und Herren, was ist zu tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen? In unserem Antrag fordern wir, die Hilfsprojekte für häusliche Gewalt besser auszustatten, denn dort ist aus unserer Sicht noch viel Bedarf. Wir fordern ferner, Opfer häuslicher Gewalt institutionell darin zu unterstützen, erlebte Gewalt zur Anzeige zu bringen und sie natürlich weiter zu betreuen, damit die Anzeige später möglichst nicht zurückgezogen wird.

Wir fordern weiterhin, neben den individuell angemessenen strafrechtlichen Konsequenzen dafür Sorge zu tragen, dass mit den Tätern geeignete Maßnahmen wie Anti-Aggressions-Kurse, Beratungsgespräche und Ähnliches durchgeführt werden. Dafür gibt es mehrere Institutionen. Ich will hier einige nennen, die schon angesprochen worden sind. Das ist die Institution Neue Wege, aber auch der Täter-OpferAusgleich, der natürlich bei dem einen oder anderen in der Kritik steht.

(Glocke)

Frau Präsidentin, ich bin gleich fertig!

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Herr Präsident!)

(Heiterkeit)

Oh, das hat sich geändert. Das muss man mir natürlich andeuten.

Ich sage jetzt nichts!

Herr Präsident, alles gut, ich bin gleich fertig!

Der Täter-Opfer-Ausgleich das will ich doch noch einmal sagen ist in dem Bereich sehr aktiv tätig, und zwar dort, wo bei Ersttätern ein Gespräch dieser Art, bei dem ja beiderseitiges Einverständnis zwischen den Frauen und den Männern vorhanden sein muss, stattfindet. Es kommt zunächst zu Einzelgesprächen, bevor das Gruppengespräch stattfindet. Der TäterOpfer-Ausgleich ist an dieser Stelle sehr sinnvoll, selbst dann, wenn an der einen oder anderen Stelle möglicherweise Kritik geübt wird.

Wir fordern den Senat auf, eine Studie zur Dunkelfelderhellung von Fällen häuslicher Gewalt im Land Bremen durchzuführen. Den Antrag der FDP lehnen wir ab. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema häusliche Gewalt in Bremen und Bremerhaven begleitet uns schon seit Jahren. Es ist für heute, den 8. März, eher ein düsteres Kapitel, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Trotzdem ist es notwendig, denn die Fakten belegen, wie virulent dieses Thema nach wie vor ist.

Das kann uns natürlich über die Fraktionsgrenzen hinweg nicht kaltlassen. Mit der CDU und auch mit dem Antrag der FDP teilen wir die Ansicht, dass diese Entwicklung ständig im Auge behalten werden muss und dass Prävention, Unterstützung und im Grunde genommen auch die gesamte Bekämpfung im Mittelpunkt unserer Auseinandersetzung zu stehen haben. Das ist die Verantwortung der Politik.

Ich möchte kurz auf die Große Anfrage eingehen, denn die Auswertung der Zahlen ist durchaus besorgniserregend, wenn man sich ansieht, was die polizeiliche Kriminalstatistik hervorgebracht hat. Die Zahl der Straftaten ist von 2013 bis 2015 tatsächlich gestiegen. Für 2016 kann man es noch nicht abschließend mitteilen, aber es sieht nicht besonders rosig aus.

Der Anteil der Frauen liegt jeweils bei über 80 Prozent, in Bremerhaven, wenn man das noch einmal herunterbricht, sogar bei 90 Prozent. Das ist grauenvoll, wenn

wir uns vorstellen, was das im Einzelnen für die Frauen in diesen Zusammenhängen wirklich bedeutet. Deshalb gibt es auch seit 2000 eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die einen entsprechenden Bericht zur häuslichen Gewalt vorlegt. Der letzte, der sechste Bericht wir haben ihn im Ausschuss und auch hier im Plenum debattiert und im Ausschuss beraten stammt aus dem Jahr 2014. Die Antwort des Senats geht auch entsprechend auf diese Berichte ein. In ihnen wird fortlaufend dargestellt, wie die Situation aussieht, was aktuell gemacht wird und welche Maßnahmen perspektivisch dringend notwendig sind.

Die Initiative Neue Wege ist hier beispielsweise schon erwähnt worden. Das ist allerdings nicht das einzige Projekt, das sich praktisch mit diesem Thema befasst. Wir haben uns in den Haushaltsberatungen immer dafür eingesetzt, indem wir gesagt haben, dass gerade diese Einrichtungen dringend die entsprechende Ausstattung benötigen. Letztendlich ist die Entscheidung gefallen, dass die Mittel erhöht worden sind.

Der Sockelbetrag für die Frauenhäuser stand ebenfalls zur Debatte. Glücklicherweise ist es Ende des letzten Jahres auch mit dem Einsatz der ZGF dann doch gelungen, den Fonds aufzustocken. Der Fonds ist nämlich leer gewesen, wir brauchten unbedingt noch einmal eine Aufstockung.

Natürlich ist es auch richtig, dass wir die Migrantinnen in Zukunft besser erreichen müssen. Das stimmt! Natürlich ist es auch dringend notwendig, dass wir die Täterarbeit viel stärker bearbeiten müssen, als wir das bis jetzt tun, denn das ist sozusagen der Kern der Ursache.