Protokoll der Sitzung vom 08.03.2017

nicht das erste Mal, dass wir in diesem Hause über Bahnlärm diskutieren. Es ist wichtig, dass wir das tun. Von verschiedenen Vorrednern ist bereits gesagt worden, dass Lärm die Gesundheit beeinträchtigt. Bremen ist besonders mit Lärm belastet, und wir wollen noch mehr gegen den Lärm tun, als wir bisher erreicht haben. Das eine oder andere ist bereits genannt worden.

Das Wichtigste ist, dass der Lärm an der Quelle reduziert wird. Das heißt, dass Lärmvermeidung vor Lärmschutzmaßnahmen und dergleichen kommen. Die Umstellung auf die LL-Sohle der Güterwaggons ist bereits angesprochen worden. Sie schreitet voran. Man ist dort vor einigen Jahren eingestiegen.

Wir haben hier bereits über die lärmabhängigen Trassenpreise debattiert. Die Abschaffung des Schienenbonus ist debattiert und erfolgreich durchgesetzt worden. Wir haben es auch geschafft – darauf möchte ich auch verweisen –, dass eine Reihe Bremer Unternehmen so weit sensibilisiert worden sind, dass sie ihre Waggonparks freiwillig auf leise Güterwaggons umgerüstet haben. Ich weiß es von der BLG und von Mercedes.

Das sind Maßnahmen, an denen man erkennen kann, dass die Diskussion in Bremen angekommen ist. Ich möchte an dieser Stelle der Bürgerinitiative gratulieren. Herr Ruffler, das ist zu einem ganz großen Teil Ihr Verdienst, und zwar nicht nur in Bremen, sondern auch bundesweit, denn die Bahninitiativen sind im ganzen Bundesgebiet, auch im Rheintal, vorhanden.

Ich muss mich auch den Worten einiger Vorredner anschließen, die Art und Weise, wie diese Bürgerinitiativen arbeiten, mit welcher Wirkung und Ausdauer, ist bewundernswert, denn es ist ja manchmal frustrierend zu sehen, wie lange die Entwicklung benötigt. Wenn man heute einmal für die letzten Jahre eine Bilanz zieht, dann sieht man, dass sie schon eine ganze Menge erreicht haben. Wir wollen auf diesem Weg noch mehr erreichen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt ja das englische Sprichwort: „What you can‘t measure, you can‘t manage“ – das, was man nicht messen kann, kann man auch nicht kontrollieren. Genau darum geht es hier. Monitoring ist die erste Maßnahme, die wir brauchen. Frau Sprehe, Sie haben es angesprochen. Bremen ist zum jetzigen Zeitpunkt leider hinten heruntergefallen. Wir sind darüber sehr erstaunt, denn der Bund hatte vorab 18 Messstellen bundesweit angekündigt. Jetzt sind 17 Messstellen ausgeschrieben worden, und Bremen ist nicht dabei.

Wir haben die Entscheidung anhand der objektiven Kriterien, welches Zugaufkommen in Bremen vorhanden ist, wie hoch die Zahl der belasteten Bevölkerung ist, überprüft. Herr Strohmann, ich nehme Ihre Einladung gern an. Sie haben gefragt, was sie mit Ihren Verbindungen zur Bundesregierung tun

könnten. Ich bitte Sie, setzen Sie sich mit uns oder auf anderen Wegen dafür ein, dass in Bremen die 18. Messstelle eingerichtet wird. Wir machen das weiterhin. Die Staatsrätin hat diesbezüglich an den Bund geschrieben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Monitoring bedeutet weiter, sich mit Erschütterungen zu beschäftigen. Das muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen, damit keine falschen Erwartungen entstehen. Wir sind uns völlig einig darin, dass auch die Erschütterungen etwas sind, das wir in den Griff bekommen wollen. Der Grund dafür, dass wir dazu bisher keine statistischen Erhebungen haben, ist, dass die Fachleute bisher daran gescheitert sind, Messverfahren zu definieren.

Man muss es einfach objektiv so sagen. Das hängt mit einer Reihe von Faktoren zusammen – Frau Sprehe hat einige genannt –, von denen einige am Fahrzeug, einige am Schienenweg und einige am Übertragungsweg der Erschütterungen vom Gleiskörper über das Erdreich bis hin zur Gebäudestruktur entstehen. Ein Betongebäude reagiert anders als ein Gebäude aus Holzbohlen, ein Gebäude mit Zwischendecken und so weiter. Das hat bisher dazu geführt, dass man es nicht in den Griff bekommen hat. Wir wollen das aber in den Griff bekommen. Wir wollen uns weiter dafür einsetzen.

Ich empfinde die Debatte, wie sie heute hier geführt worden ist – alle haben das Thema Erschütterungen angesprochen – als einen starken Rückhalt, mit dem im Gepäck wir dieses Thema beim Bund weiter hochhalten werden, und wir werden im Verbund mit anderen stark betroffenen Ländern versuchen, weiter an diesem Thema zu arbeiten, und zwar mit der Forderung, dass ein definiertes Messverfahren entwickelt werden muss, damit wir zu Maßstäben kommen, die dazu geeignet sind, Abhilfe zu schaffen.

Wir teilen schließlich auch und unterstützen die Forderung nach besohlte Schwellen. Es ist bisher hinreichend debattiert worden, dass sie den Lärm und die Erschütterungen mindern können. Wir gehen inzwischen – das ist ein neues Argument – davon aus, dass sie sich wahrscheinlich in vielen Fällen sogar betriebswirtschaftlich rechnen, weil die harten Erschütterungen auch zu Schäden am Bahndamm und am Gleiskörper führen, das heißt, es hat möglicherweise auch etwas mit der Langlebigkeit der Bahninfrastruktur zu tun.

Wir wollen dieses Thema mit Nachdruck weiter vorantreiben, damit die besohlten Schwellen zumindest in dicht besiedelten Räumen, wie beispielsweise in Bremen und Bremerhaven, zum Regelfall werden und nicht zum Ausnahmefall, bei dem eine Sonderfinanzierung mühsam herbeigeführt werden muss.

Ich bedanke mich auch in diesem Fall für die Unterstützung, die ich aus dieser Debatte mitnehme.

Wir werden in diesem Sinne weiter auf den uns zur Verfügung stehenden Wegen gegenüber dem Bund tätig werden. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 19/869 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 19/942, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfängerinnen/ Empfänger im Land Bremen 2014 bis 2016 Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 15. Dezember 2016 (Drucksache 19/883) Dazu Mitteilung des Senats vom 28. Februar 2017 (Drucksache 19/954)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Gemäß Paragraf 29 unsere Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden sehr oft über die Armutsbekämpfung und über soziale Spaltung. Die Situation von Menschen im Land Bremen, die an der Armutsgrenze leben, ist hier beständig Gegenstand der Debatte. Deshalb ist das Thema Sanktionen so wichtig.

Selbst wenn es hier im Haus unterschiedliche Positionen gibt – ob es sie überhaupt geben sollte –, wir als LINKE sagen Nein! Ich gehe einmal davon aus,

dass alle anderen der Meinung sind, dass Sanktionen durchaus richtig sind. Zumindest sind wir uns gemeinsam bewusst, dass Sanktionen ein sehr kritischer Vorgang für Bedarfsgemeinschaften sind. Einer Personengruppe, die bereits arm ist, wird zusätzlich Geld entzogen. Das ist immer eine Krise.

Das bedeutet auch Frustration, Wut und Depression. Es hat Folgen, und zwar nicht nur für die einzelne Person, sondern selbstverständlich auch für die Bedarfsgemeinschaft. Daher muss man, wenn man über Armut und soziale Spaltung redet, den Bereich der Sanktionen immer im Blick behalten. Wenn man mit diesem Blick an die Zahlen herangeht, die wir abgefragt haben, springt eine Zahl ins Auge, nämlich die Summe aller Sanktionen, der Gesamtbetrag, der durch Sanktionen in einem Jahr gekürzt worden ist.

Im Zeitraum von Oktober 2014 bis zum September 2015 waren es im Land Bremen circa 2,24 Millionen Euro. Im aktuellen Jahreszeitraum, also Oktober 2015 bis zum September 2016, waren es 2,8 Millionen Euro. Das ist ein Anstieg von über einer halben Million Euro, also um 25 Prozent. Ich finde, das ist ein schockierender Befund.

(Beifall DIE LINKE)

Ich konnte es, ehrlich gesagt, kaum glauben, innerhalb eines Jahres steigt die Summe, die Menschen im Hartz-IV-Bezug im Lande Bremen durch Sanktionen entzogen wird, um ein Viertel. Bei jungen Menschen, also bei denen unter 25 Jahren, steigt die Gesamtsumme aller Kürzungen sogar um ein Drittel, es sind 31 Prozent. Rein objektiv gesehen ist das genau das Gegenteil von Armutsbekämpfung, das ist aktive Armutsförderung.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte nur noch einmal auf die Zahlen eingehen. Erstens: Es werden mehr Sanktionen ausgesprochen. Im Vergleich der beiden Jahreszeiträume hat sich die Zahl der ausgesprochenen Sanktionen erhöht, und zwar um sechs Prozent. Das ist nicht nur durch eine höhere Zahl der Leistungsbezieher zu erklären – sie ist nämlich nur um 2,5 Prozent gestiegen –, sondern es wird deutlich öfter sanktioniert. Bei jungen Menschen unter 25 Jahren ist die Zahl der Sanktionen um elf Prozent gestiegen, die Zahl der Leistungsbezieher jedoch nur um vier Prozent. Gerade gegenüber jungen Menschen wird sehr viel häufiger sanktioniert.

Zweitens: Gegenüber diesem Personenkreis – das ist ein ziemlich tragischer Befund – wird sehr viel härter sanktioniert. Die finanziellen Auswirkungen der einzelnen Sanktionen sind in einem Jahr um 17 Prozent gestiegen. Im letzten Jahreszeitraum haben die Betroffenen durch die Sanktionen durchschnittlich 172,00 Euro weniger bekommen. Im aktuellen Jahreszeitraum sind es 202,00 Euro. Aus diesen beiden

Faktoren, mehr und härtere Sanktionen, erklärt sich auch der Anstieg von über einer halben Million Euro.

Mehr als ein Drittel dieses Anstiegs entfällt auf Menschen unter 25 Jahre, obwohl sie nur 20 Prozent der erwerbstätigen Hartz-IV-Bezieher ausmachen. 200 000 Euro mehr als im Vorjahr werden jungen Menschen im Harz-IV-Bezug durch Sanktionen quasi aberkannt. Ich kann daher in keiner Weise die Einschätzung des Senats teilen, wenn er in seiner Antwort schreibt:

„Der Senat kann keine auffälligen Entwicklungen … erkennen. … Der Senat kann … keine kritischen Befunde feststellen.“

Um es klar zu sagen: Wenn diese Entwicklung nicht schleunigst umgedreht wird, dann können wir nur relativ schnell aus der Jugendberufsagentur aussteigen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Vereinbarung mit der möglichst sanktionsfreien Integration junger Menschen, das war damals die Ansage, als wir die JBA beschlossen haben, ist heute offensichtlich Schall und Rauch. Das muss der Senat dem Jobcenter unmissverständlich klarmachen. Unter dem Gesichtspunkt der Armutsbekämpfung kann diese Entwicklung nicht weitergehen. Ich finde, eine 25-prozentige Kürzung über Sanktionen geht nicht!

(Beifall DIE LINKE)

Es ist sehr gut nachzuvollziehen, wenn man sich die Zahlen ansieht, die wir auch in anderen Zusammenhängen betrachtet haben: Sie entsprechen nicht dem bundesweiten Trend. Bei der Höhe der Sanktionen, also der monatlichen Kürzungssumme der einzelnen Sanktionen, liegt Bremen mit 122,60 Euro unter allen Bundesländern an der Spitze. Das ist die Zahl aus dem September 2016. Bei Jugendlichen ist es mit 144,16 Euro ebenfalls mit Abstand der höchste Wert unter allen Bundesländern. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass das kein Bremerhavener Phänomen ist.