Ich habe gerade eine Nachricht von jemandem bekommen, der mich darauf hingewiesen hat, wie Ihr Name geschrieben wird! Deswegen hatte ich das gerade im Kopf!
Frau Steiner, mich stört wirklich, dass Sie sich bei diesem total wichtigen Thema, wie es um Bremens Bildungslandschaft bestellt ist, hier hinstellen und eine Komödie aufführen, als seien wir auf einer Jahrmarktsbühne. Das wird dem Thema nicht gerecht!
Ich möchte trotzdem einige Punkte nennen. Herr Kollege Dr. vom Bruch hat sie eben schon erwähnt. Der Chancenspiegel ist keine neue Studie. Er stellt nur – was heißt nur? – die Ergebnisse langjähriger Studien zusammen. Wenn man sich die Grafiken anschaut, dann ist das nach wie vor erschreckend. Es ist aber nichts Neues. Seit der ersten PISA-Studie im Jahr 2000 sind wir Schlusslicht in allen Vergleichsstudien. Es ist leider auch nichts Neues, dass der Bildungserfolg in Bremen nach wie vor ganz massiv von der sozialen Herkunft der Eltern abhängt. Es ist leider auch nichts Neues, dass die Bildungschancen ganz stark davon abhängen, wie sich die einzelnen Bundesländer aufstellen. Auch das sagt die Studie. Das ist insgesamt natürlich nicht zufriedenstellend. Darauf muss man aber seriöser reagieren, als Sie das eben getan haben.
Die negativen Ergebnisse habe ich eben in drei, vier Sätzen zusammengefasst. Sie sind tatsächlich nicht zu beschönigen. Wenn man sich die Studie anschaut, dann gibt es natürlich positive Veränderungen, insbesondere bei den Schulstrukturen in Bremen. Man muss aber auch genau schauen, was sie bewirken. Inzwischen besuchen fast alle Kinder eine Schule der Sekundarstufe I, die eine feste Anbindung zu einer gymnasialen Oberstufe hat. Diese strukturelle Veränderung, die durch die Einführung der Oberschulen geschaffen wurde, muss natürlich im Endeffekt daran gemessen werden, ob wirklich mehr Kinder aus armen Elternhäusern und aus benachteiligten Stadtteilen das Abitur machen. Da bin ich ehrlich gesagt skeptisch, wenn ich mir die Übergangszahlen in den Stadtteilen anschaue. Wir müssen jetzt die ersten Jahrgänge abwarten. Das ist mir klar. Das ist aber eigentlich der Punkt, an dem gemessen wird, ob diese Reform der Schulstruktur Erfolg hatte.
Sie wissen auch, im Bremer Westen und in BremenNord ist es anders! Darüber müssen wir jetzt aber nicht reden! Das ist eine Diskussion, die wir besser an einer anderen Stelle führen!
Es ist auch wahr, dass Bremen Vorreiter bei der Auflösung der Förderschulen und bei der Einführung der Inklusion war. Natürlich müssen wir uns fragen, ob die Inklusion gelingt. Auch das hat der Kollege Dr. vom Bruch eben schon zu Recht erwähnt. Die Zeichen aus den Schulen sind tatsächlich sehr different. Inklusion gelingt insbesondere da nicht, wo man sowieso schon viele Problemlagen wie eine hohe Migrationsquote, eine hohe Armutsquote oder eine hohe Bildungsbenachteiligung hat. Das sind die Schulstandorte, an denen Inklusion tatsächlich nicht gelingt und wo die Fachkräfte an allen Ecken und Enden fehlen. Das betrifft sowohl die sonderpädagogisch geschulten Lehrkräfte als auch die Assistenzen, die Schulsozialarbeiter und sozialarbeiterinnen als auch die regulären Lehrkräfte. Die auf dem Papier vollzogene Inklusion steht tatsächlich an bestimmten Standorten auf der Kippe.
Ich erwähne auch noch einmal den zweiten Brief der Schulleitungen aus dem Bremer Westen. Ich finde es bedenklich, dass den Schulleitungen wieder signalisiert worden ist, man möchte sich doch bitte nicht öffentlich äußern. Ich muss an dieser Stelle sagen: Wenn wir diese Probleme nicht öffentlich thematisieren und sie nicht angehen, wird sich an diesen Schulen auch nichts ändern.
Ich finde es völlig berechtigt, dass sich die Grundschullehrer äußern, wenn sie das auf Bitte der Beiräte tun sollen.
Die Problemlagen sind in Bremen hinreichend bekannt. Die Kinder und die Eltern sowie die Fachkräfte – Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Sonderpädagogen – warten auf adäquate Antworten. Sie erwarten sie zu Recht. Von daher möchte ich mich gar nicht mehr mit dieser Studie beschäftigen, sondern mit den Eckwerten, die letzte Woche veröffentlicht wurden.
Die Eckwerte sind gerade im Hinblick auf die Chancengerechtigkeit im Bildungswesen mit Spannung erwartet worden, weil der Bürgermeister an dieser Stelle schon mehrfach angekündigt hat, dass er Bildung und frühkindliche Bildung zu einem Schwerpunkt des kommenden Doppelhaushalts machen möchte. Die Antwort des Senats in den Eckwerten ist in der Tat ernüchternd. Da gebe ich Frau Steiner recht. 9 Millionen Euro pro Jahr soll es zusätzlich für Schulen geben. Das ist nicht einmal der Inflationsausgleich. Der Senat schreibt selbst in seinen Eckwerten, dass
dieses Geld bereits für die dringend benötigten zusätzlichen Lehrerstellen festgelegt ist, die wir nicht benötigen, um das System „Bildung“ zu verbessern, sondern weil wir höhere Schülerzahlen haben. Das heißt, der Senat stockt eigentlich nur in einer Höhe auf, die dringend erforderlich ist, um die zusätzlichen Schüler zu beschulen, aber nicht, um die Probleme zu lösen.
Ich sage an dieser Stelle: Wenn wir da nicht wirklich deutlich nachsteuern und keine zusätzlichen Mittel insbesondere in die besonders zu fördernden Stadtteile geben, dann werden wir auch die nächste Studie wieder diskutieren können, ohne dass wir einen einzigen Zentimeter weitergekommen sind.
Ich greife stellvertretend vier Maßnahmen heraus, die unsere Fraktion für wichtig erachtet, damit wir vielleicht in zehn Jahren nicht mehr an letzter Stelle, sondern im Mittelfeld des Chancenspiegels stehen. Damit wäre ich durchaus schon zufrieden.
(Abg. Güngör [SPD]: Wir stehen nicht am Ende! Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen, Frau Vogt!)
Wir sagen, es müssten vier Maßnahmen ergriffen werden, um insbesondere Kindern aus armen Elternhäusern und Stadtteilen mit einer hohen Migrationsquote zu helfen. Ich glaube nach wie vor, dass Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen in Stadtteilen mit hoher Armutsquote gezielt entlastet werden müssen. Das habe ich hier schon mehrfach betont. Das war gestern auch Teil der Debatte in der Fragestunde. Wenn Lehrkräfte überaus viel an im Schulgesetz vorgeschriebenen Fallkonferenzen teilnehmen, dann müssen sie auch entlastet werden. Das muss ich hier nicht wiederholen. Das habe ich schon mehrmals gesagt. Das müsste natürlich tatsächlich schulscharf geschehen. Ich glaube, so etwas brauchen wir nicht in die Breite streuen, sondern wir müssen auf die Problemlage der einzelnen Standorte schauen. Dann müssen wir gezielt nachsteuern.
Natürlich ist nach wie vor das Anliegen richtig, in diesen Stadtteilen perspektivisch konsequent über Doppelbesetzungen in den Klassen nachzudenken. Das halte ich nach wie vor für richtig. Wenn die Koalition das umsetzen würde, hätte sie mich an ihrer Seite.
Als zweitem Punkt gehe ich angesichts der massiven Problemlagen in Bremen inzwischen davon aus, dass jede Schule eine Stelle für Schulsozialarbeit benötigt, weil Schulsozialarbeit ein wertvolles Mittel ist, um
benachteiligte Kinder und Jugendliche zu stützen. Gerade angesichts der Schwierigkeiten, die viele Kinder von zu Hause mitbringen, ist es nahezu absurd, dass es in Bremen immer noch Schulen ohne Schulsozialarbeiterstellen gibt.
In den Oberschulen ist das tatsächlich der Fall. Herr Dr. vom Bruch, ich gebe Ihnen total recht, dass der Schulbetrieb nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft sein kann. Das Problem ist nur, wir müssen festhalten, dass wir wirklich eine Menge Kinder und Jugendliche haben, die zu Hause nicht gefördert werden. Da muss man natürlich an den Schulen gegensteuern. Das ist vielleicht nicht schön. Es ist aber leider Tatsache.
Maßnahmen zur Sprachförderung müssen massiv aufgebaut werden. Wir haben im Vergleich zu Thüringen und Sachsen Defizite in der Lese- und Schreibkompetenz in Höhe von drei Schuljahren. Das ist absolut erschreckend. Die von der Bertelsmann Stiftung herangezogene IQB-Studie hat gezeigt, dass Bremer Schülerinnen und Schüler beim Lesen und Schreiben massive Defizite haben. Ich glaube auch, dass die wenigen über BAföG-Mittel zusätzlich zur Verfügung gestellten Sprachfördermittel schlichtweg nicht ausreichen, zumindest wenn man ernst nimmt, was uns die Schulen signalisieren. Wir benötigen ausreichende Mittel, um die inzwischen guten Sprachförderkonzepte umsetzen zu können.
Der Ganztagsausbau muss weiter vorangetrieben werden. Da sind wir leider beim Reparaturbetrieb. Die Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt auch, dass Bremen beim Ausbau der Ganztagsschulen noch Nachholbedarf hat. Wir haben in der letzten Legislaturperiode mehrfach im Armutsausschuss festgestellt, dass der Ganztagsbetrieb insbesondere in seiner gebundenen Form eine gute Maßnahme ist, um benachteiligte Kinder zu fördern. Deswegen finde ich den Koalitionsvertrag an der Stelle gut. Er legt ganz klar fest, den Ausbau des Ganztags zu einem Schwerpunkt zu machen. Ich bin natürlich enttäuscht, dass der Koalitionsvertrag in diesem Punkt faktisch gebrochen wurde. Zwar sind die richtigen Schulen und Standorte ausgesucht worden. Der Fokus des Ausbaus wird auch auf dem Ganztag in gebundener Form gesetzt. Das unterstütze ich alles. Ich bin aber schon enttäuscht, dass das Tempo und die Anzahl der Schulen, die dem gebundenen Ganztag angehören, klar hinter dem Koalitionsvertrag zurückbleiben. Hier wäre ein gezieltes Nachsteuern im kommenden Doppelhaushalt absolut das richtige Signal. Ich fordere die Regierungsfraktionen auf, an diesem Eckwertebeschluss deutlich nachzuarbeiten.
damit die Entkopplung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft besser gelingt oder einmal gelingen könnte. Dazu muss sich der Senat aber natürlich auch einen Ruck geben und zu einer anderen Ausgabepolitik kommen. Ansonsten wird man diese Maßnahmen – ich nenne noch einmal die Sprachförderung, den Ganztagsausbau, die gezielte Förderung der benachteiligten Schulen und eine Doppelbesetzung – natürlich nicht umsetzen können. Ich möchte in meinem Leben als Abgeordnete ehrlich gesagt noch erleben, dass wir solch eine Aktuelle Stunde nicht benötigen. Das wünsche ich uns allen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon mehrfach hier gestanden und Ihnen mitgeteilt, dass mir der Sinn, in jeder Sitzung der Bürgerschaft eine Aktuelle Stunde zu einer Vergleichsstudie im Bildungsbereich abzuhalten, grundsätzlich nicht unbedingt einleuchtet. Heute ist dieses Gefühl besonders stark. Das gilt besonders nach Ihren Reden, weil Sie die Studie, um die es hier geht, mit Ausnahme des Kollegen Güngör in dieser Aktuellen Stunde im Wesentlichen gar nicht würdigen. Das ist das Erschütternde in der Debatte. In wesentlichen Teilen stehen völlig andere Dinge darin, als hier behauptet wird.
Wenn man hier schon eine Aktuelle Stunde mit dem Titel einer bestimmten Studie anmeldet und solche Worte wie „Bildungstragödie“ und so weiter in den Mund nimmt, wie Sie es getan haben, dann sollte man wenigstens die Ergebnisse dieser Studie berücksichtigen. Diese geben die große Diversität, die große Bandbreite von gravierenden Problemen wieder, die ich jederzeit einzuräumen bereit bin, bis hin zu sehr gut laufenden Dingen im Bremer Bildungswesen. Ein Teil wurde in Ihrer Rede gar nicht erwähnt. Sie haben gesagt: Es ist eine Bildungstragödie, da ist alles schlecht! Sie haben gesagt: Dort wird Singen, Tanzen und Klatschen statt Lesen, Schreiben und Rechnen gelehrt!
Wenn man Ihre Rede gehört hat, hatte man im Grunde genommen den Eindruck, dass Sie weder privat noch politisch in irgendeinem Zusammenhang dieses Bildungswesens je in irgendeiner Schule unterwegs waren.
Tat schwierig. Das kann man auch in dieser Studie finden. In dieser Studie ist aber auch eine ganze Menge ermutigender Fakten.
Ich verstehe eines überhaupt nicht. Bei PISA sind wir Schlusslicht. Bei IQB war das auch so. Diese Studie, die auf die Chancengerechtigkeit abhebt, hat ein ganz einfaches Schema. Ich mache es jetzt einmal so einfach, damit man es auch draußen versteht. Die Studie sagt nämlich, es gibt eine obere Gruppe – eine Spitzengruppe –, es gibt ein Mittelfeld und es gibt eine untere Gruppe. Diese sind in den Ergebnissen dieser Studie sogar farbig unterlegt. Die Spitzengruppe ist grün. Das ist ganz sympathisch. Das Mittelfeld ist blau. Das Schlusslicht ist orange.
Wenn Sie sich das wenigstens einmal anhand der Farben und anhand der Übersicht über das Bundesland Bremen angeschaut hätten, hätten Sie festgestellt, dass wir von den Kriterien, die diese Studie untersucht, viermal in der absoluten Spitzengruppe oder auf einem Spitzenplatz sind. Bei dem Rest der Kriterien liegen wir im Mittelfeld. Genau zweimal sind wir in der Gruppe, die im Ländervergleich hinten steht. Das ist das Ergebnis dieser Studie der Bertelsmann Stiftung zur Chancengleichheit. Wenn man das mit dem vergleicht, was Sie vorhin gesagt haben, passt es wirklich überhaupt nicht zusammen. Sie haben das Wort „Faktencheck“ in den Mund genommen. Sie haben über etwas geredet, was in dieser Form nicht vorliegt. Faktencheck heißt in meinem Fall, dass Sie die Fakten, die diese Studie bietet, nicht zur Kenntnis genommen haben.
Es gibt nämlich in den untersuchten Feldern dieser Studie einen Teil, der sich um die Förderbedarfe dreht. Da sind wir eindeutig als das am geringsten exkludierende Land genannt. Das ist ein schwieriges Fremdwort. Das heißt einfach, dass die Kinder nicht mehr in Sonderschulen ausgesondert werden. Vielmehr werden wir in dieser Studie eindeutig mit dem größten Inklusionsgrad benannt.