Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Wir haben gestern in der Stadtbürgerschaft noch über das Thema Überstunden diskutiert, und heute wollen Sie Polizisten einfach sinnlos verheizen. Da machen wir nicht mit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei gibt es nun wirklich wesentlich sinnvollere Sachen, die man sich aus Berlin abschauen kann. Das grün geführte Bezirksamt –

(Glocke)

ich komme zum Schluss! –, das für den Görlitzer Park zuständig ist, hat da ja eine wesentlich intelligentere Idee, wie man den offenen Drogenhandel in den Griff bekommt. Über den regulierten Verkauf von Cannabis werden wir hier auch in Bremen noch in den nächsten Monaten sprechen.

Generell brennt das Thema Drogenpolitik vielen Menschen unter den Nägeln. Sie erwarten von der Politik, die unsinnige Prohibition endlich zu beenden. Das erwarten nicht nur die vielen unmittelbar Betroffenen, sondern auch alle anderen, die eingesehen haben, dass man Jugendschutz und Gesundheitsschutz bei einem regulierten und legalen Verkauf viel eher umsetzen kann als unter den Bedingungen eines kriminalisierten Schwarzmarktes,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

die eingesehen haben, dass dieser Schwarzmarkt organisiertes Verbrechen und Beschaffungskriminali

tät fördert und dass die Verbotspolitik kaum jemanden vom Konsum abhält. Alle diese Einsichten vermissen wir in dem Antrag, deshalb werden wir ihn ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Zicht hat schon vieles gesagt, was mir auf der Seele lag. Ich kann mich nur für diesen Redebeitrag bedanken,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

auch wenn ich mich wundere, warum auch die Grünen, die an der Regierung waren, es nicht geändert haben, dass die Drogenstrafverfolgung in den letzten Jahren rückläufig war. Aber gut, vielleicht ändert sich das in nächster Zeit noch einmal, wir freuen uns darüber, dass es im Koalitionsvertrag angekommen ist.

Der heute vorliegende Antrag der CDU-Fraktion hat vor allen Dingen das Ziel, drogenfreie Bereiche zu schaffen und im Kern eine verstärkte Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft gegen Menschen hervorzurufen, die mit geringen Drogenmengen in bestimmten Bereichen aufgegriffen werden. Dabei geht es, wenn Sie von Schulen sprechen, in erster Linie auch um sogenannte Einstiegsdrogen wie Marihuana, und Ziel ist es, damit nicht nur eine verstärkte Ermittlungstätigkeit hervorzurufen, sondern auch verstärkt zu Verurteilungen zu gelangen.

DIE LINKE hat in der Vergangenheit mehrere Initiativen zu drogenpolitischer Themen in dieses Haus eingebracht und diskutiert, um eine in der Gesellschaft schon lange fortgeschrittene Diskussion auch in die politische Debatte einfließen zu lassen. Der jetzt vorliegende Antrag ist ein drogenpolitischer Rückschritt, und das Wort Jugendschutz taucht hier übrigens überhaupt nicht auf. Ich bin ganz froh, dass Sie es in Ihrer Rede dann noch einmal erwähnt haben, wenn Sie schon sagen, Sie möchten den Schutz der Kinder in den Mittelpunkt rücken, hier taucht er zumindest nicht auf.

Die einzige Idee in diesem Antrag ist eine intensivere Strafverfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten, und das ist auch aus fachlichen Gründen falsch. Man merkt Ihrem Antrag an, dass Sie sich anscheinend nicht mit den Fachleuten außerhalb der Strafverfolgung unterhalten haben, das wurde auch schon zuvor genannt. Sozialpädagogische Drogenhilfe gibt es ja, mit den Mitarbeitern kann man ins Gespräch kommen. Sie stehen eng im Kontakt mit den Konsumentinnen und Konsumenten. Sie bieten auch Beratungsangebote, um präventiv Informationen zur Verfügung zu stellen und mündige Menschen zu er

ziehen, damit sie selbstbewusst entscheiden können, was sie mit ihrem Leben machen möchten. Wir als Politik sollten diese Menschen dann auch in die Lage versetzen, diese Entscheidungen selber treffen zu können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zur Erinnerung für die CDU vielleicht noch einmal ein paar Zahlen, die wir in der Vergangenheit in Großen Anfragen erfragt haben: Rund 1 000 Personen werden pro Jahr in Bremen aufgrund von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt, in der JVA sitzt jede zehnte Person aufgrund von Drogendelikten ein. Bei der Polizei und in den Gerichten beschäftigen sich gut 60 Personen ausschließlich mit der Bekämpfung von Betäubungsmitteldelikten, also ausschließlich mit diesem Themenbereich. All das kostet allein in Bremen jährlich mehrere Millionen Euro.

Die Kosten der drogenbedingten Strafverfolgung stehen in keinem Verhältnis zu den präventiven Maßnahmen. Wenn Sie hier also von Jugendschutz sprechen und möchten, dass man diese Form der Kriminalität tatsächlich von vornherein verhindert, sollten diese Gelder im präventiven Bereich, im nachsorgenden Bereich und im sozialpädagogischen Bereich eingesetzt werden und nicht in der Strafverfolgung. Strafverfolgung löst kein Problem.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Die ganze Debatte darüber, Strafverfolgung und Strafen zu verschärfen, den Konsum und den Besitz von noch kleineren Mengen zu kriminalisieren und stärker zu verfolgen, ist ein Rückfall in das letzte Jahrhundert. Auch damals hat uns die Prohibition nicht weitergebracht, sondern mehr Schaden gebracht, als uns wirklich voranzubringen.

Herr Hinners, wir widersprechen Ihnen an dieser Stelle. Eine verstärkte Verfolgung bringt uns nicht weiter. Wir müssen das gesellschaftliche Umdenken, das schon lange eingesetzt hat, auch politische Wirklichkeit werden lassen.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Verwenden Sie doch die Mittel, die zurzeit ausgegeben werden, in sinnvollen, in sozialpädagogischen und in präventiven Projekten, damit Menschen selbstbestimmt ihre Entscheidungen treffen können. Viel zu teuer ist die Strafverfolgung, und viel zu teuer sind die verpassten staatlichen Einnahmen durch eine mögliche Besteuerung. Viel zu fahrlässig sind die verpassten Chancen, durch eine kontrollierte Abgabe gesundheitliche Risiken zu verhindern, und es wäre viel zu fahrlässig, einem solchen Antrag zuzustimmen. Wir lehnen Ihren Antrag deshalb ab und danken für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag des Kollegen Hinners ist sicherlich ernst und ehrlich gemeint. Das muss ich ihm einfach so abnehmen und unterstellen, dass es ihm um den Schutz der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden geht. Ich glaube aber, dass Sie sich bei Ihrem Antrag ein bisschen zu viel von dem haben leiten lassen, was Ihr Kollege Innensenator in Berlin mit dem Görlitzer Park angeschoben hat.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Leider ganz erfolglos!)

Der Kollege Zicht hat das ausgeführt, ich habe es auch recherchiert und will es nicht wiederholen.

Wir haben uns gestern über eine nicht vollständige personelle Ausstattung der Polizei unterhalten. Ich habe mich mit Polizeibeamten unterhalten, die auch einmal im Steintor als Drogenfahnder tätig gewesen sind, und das werden wir mit unserem Personal nicht leisten können.

(Abg. Hinners [CDU]: Deswegen kapitulieren wir?)

Drogenfreie Bereiche zu schaffen würde dazu führen, dass sich diese Bereiche immer wieder verlagern, dann ist der Drogenbereich irgendwo anders, und permanent Hase und Igel zu spielen kann ich der Bevölkerung, der Polizei und uns letztlich nicht empfehlen.

(Beifall FDP)

Was wir brauchen, ist ein Umdenken im unteren Bereich der Drogenkriminalität, so sage ich es einmal. Ich glaube, Sie haben das Innenressort in Bremen zwölf Jahre begleitet, drei Innensenatoren waren für Sie in Funktion. Ich glaube nicht, dass Sie im Rückblick auf diese Zeit werden feststellen können, dass Sie in der Drogenpolitik vorangekommen sind. Die Drogenpolitik im Bereich Cannabis ist gescheitert,

(Beifall FDP)

und wir laufen permanent mit Bestrafungsmöglichkeiten hinterher. Deswegen ist die FDP der Meinung, hier ist ein seriöses Umdenken erforderlich.

Es gibt eine Reihe von qualifizierten Strafrechtlern, Sozialwissenschaftlern und Gesundheitswissenschaftlern, die voll auf dieser Seite stehen. Insofern haben wir es begrüßt, dass die rot-grüne Regierung in der Koalitionsvereinbarung dies zwar noch nicht ganz mutig, aber immerhin als Projekt anschieben will. Dies

würden wir mit unterstützen und meinen, dass dies ein richtiger Weg ist,

(Beifall FDP)

um im unteren Bereich der Betäubungsmittelkriminalität neue Wege einzugehen, erstens, durch kontrollierte Abgabe und beste Aufklärung, sodass wir auf diese Weise Kinder und Jugendliche nicht auf diesen Weg der Betäubungsmittel kommen lassen, und zweitens, indem man nicht unnötig Gelder im Bereich der Strafverfolgung und Justiz investiert. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich auf das, was der Abgeordnete Senkal hier zu Paragraf 31 a Betäubungsmittelgesetz vorgetragen hat. Das Problem des Antrags ist, dass er schon rechtlich von falschen Voraussetzungen ausgeht, und es ist noch viel enger, als es hier noch diskutiert wurde. Die falschen Voraussetzungen liegen darin, dass der Antrag unterstellt, es gäbe eine Straffreiheit für die geringen Mengen in solchen Gebieten, die besonders schützenswert sind. Das ist falsch.

Herr Hinners, Sie erwecken den Eindruck, diese Möglichkeit nach Paragraf 31 a Betäubungsmittelgesetz, dem Absehen von der Verfolgung wegen einer geringen Menge, fände gerade in solchen Gebieten statt, in denen es ein besonderes Schutzbedürfnis gibt. Es wäre interessant, wenn Sie diese Gebiete einmal bezeichnen würden. Sagen Sie uns doch einmal, welche Gebiete das sein sollen, da wäre ich wirklich gespannt!

(Abg. Hamann [SPD]: Lummerland!)

Ich glaube, Sie könnten sie nicht wirklich benennen. Es gibt keine Straffreiheit in der Nähe von Schulen oder Kindergärten! Selbstverständlich würde die Staatsanwaltschaft in diesen Bereichen sagen, dass es ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung gibt! Wenn die sechs Gramm überschritten sind, gäbe es natürlich eine Strafverfolgung in Bremen, das ist die Praxis in Bremen.

Im Übrigen findet zum Teil auch eine Strafverfolgung bei geringeren Mengen als sechs Gramm statt – auch das hat Herr Senkal hier eindeutig vorgetragen –, also krankt der Antrag daran, dass es das Problem in der Art und Weise gar nicht gibt. Deshalb braucht man die Diskussion gar nicht so weit auszudehnen.

Es müsste belegt werden, ob es wirklich diese Möglichkeit solcher straffreien Gebiete, die über Paragraf

31 a Betäubungsmittelgesetz erst geschaffen werden. Das glaube ich nicht. Deshalb denke ich, der Antrag ist gegenstandslos. – Vielen Dank!