Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Bei der Senatorin für Finanzen gibt es regelmäßig organisierte Weiterbildungsveranstaltungen zum Personalvertretungsgesetz, und deswegen brauchen wir keine Enquetekommission mit zusätzlichem Personal und erheblichen zusätzlichen Kosten. Vielleicht sollten Sie diese einmal besuchen. Wir von der SPD-Fraktion werden Ihren Antrag deswegen ablehnen.

(Beifall SPD)

Mitbestimmung, meine lieben Damen und Herren, ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein Herzblutthema, das stimmt, und darauf sind wir stolz. Am 12. Oktober 1947 – Frau Steiner hat es eben schon gesagt – haben sich die Bremerinnen und Bremer in einer Volksabstimmung dazu entschieden, dass die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte auch personelle, soziale und wirtschaftliche Anliegen umfassen sollte und dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichberechtigt mit den Unternehmen über Sozialwirtschaft und Personalfragen mitbestimmen wollen. Das ist im Geiste unserer bremischen Landesverfassung, auf die ich stolz bin. Was Frau Steiner und die FDP von dieser Landesverfassung halten, haben wir ja gerade schon gehört.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP] meldet sich zu einer Zwischen- frage. – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Herr Präsident!)

Herr Buhlert möchte jetzt schon etwas fragen! Sie wollen nicht, dass ich so lange rede, kann das sein?

Würden Sie denn jetzt eine Frage zulassen, Frau Aulepp?

Was wollen Sie denn wissen, Herr Buhlert?

(Heiterkeit)

Wollen Sie nicht noch einen Moment warten?

Ich wollte von Ihnen wissen, ob man in den Fortbildungen auch lernt, ob das Bremische Personalvertretungsgesetz entsprechend der Urteile, die ja zum schleswig-holsteinischen Personalvertretungsgesetz gefällt wurden, verfassungskonform ist und ob auch Sie selbst davon ausgehen, dass es verfassungskonform ist oder es Bestandteil der Arbeit einer Enquetekommission sein könnte, gerade so etwas herauszuarbeiten?

Ich hatte schon befürchtet, Herr Buhlert, dass Sie so ungeduldig sind und es nicht abwarten können, was ich zu einzelnen Punkten sage! Lassen Sie mich fortfahren, dann werden Sie vielleicht klüger!

(Beifall SPD)

Die verfassungsrechtlichen Grundsätze sind im Bremischen Personalvertretungsgesetz im Jahr 1957 umgesetzt worden. Hans Koschnick, der im Übrigen hier am Dienstag als großer Bremer und völlig zu Recht geehrt wurde, ist ein Vater dieses Gesetzes gewesen, und er hat es durchaus auch gegen den Widerstand einiger Mitglieder des damaligen Senats durchgesetzt.

Ich würde mich gern auf Hans Koschnick beziehen und zitieren, was er im Jahr 1957 zur Begründung sagte:

„Wir wollen deutlich machen, wir sind Sachwalter gemeinsamer Interessen, und wir wollen eines nicht mehr sein: Teil eines Obrigkeitsstaats. Wir wollen mit dem Bürger nicht umgehen als Untertan, aber wir wollen auch keine Untertanen sein im Verhältnis zum Senat.“ Das war im Jahr 1957 ein durch und durch demokratischer Ansatz, ein sozialdemokratischer Ansatz, zu dem wir auch heute noch stehen, und ja, meine Damen und Herren, dieser Ansatz ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht verhandelbar.

(Beifall SPD)

Natürlich ist Mitbestimmung kein Zuckerschlecken – im Übrigen für beide Seiten nicht -, sie ist anstrengend, legt Konflikte offen, macht Arbeit und kostet Zeit. So ist das mit der Demokratie! Hans Koschnick hat das immer verteidigt, und zwar gegen ständige Angriffe, und sie kamen immer wieder von dieser Seite. Im Jahr 2015, als Roland Berger im Zuge der Roland-Bergerisierung der bremischen Verwaltung dem Senat nahelegte, wieder einmal das Personalvertretungsgesetz zu rasieren, sagte Hans Koschnick: „Ein Entscheidungsprozess dauert länger, wenn man sich mit dem Personalrat verständigen muss. Wer das kritisiert, dem sage ich aber: In einer Demokratie brauchen Entscheidungen auch längere Zeit als in einer Diktatur.“

(Beifall SPD)

Er wusste aber auch, dass zur Beilegung von Konflikten in der gemeinsamen Suche nach Lösungen ein großes schöpferisches Potenzial liegt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen oft mehr als andere von dem, was sie konkret an ihrem Arbeitsplatz machen und was das bedeutet, und deswegen ist Mitbestimmung auch zur Fortentwicklung der Verwaltung so wichtig und unverzichtbar.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Es wird die Behauptung in die Welt getragen, mit der Mitbestimmung würden sinnvolle Dinge dauerhaft verhindert oder auf unabsehbare Zeit verzögert. Meine Damen und Herren, alle diejenigen, die das behaupten, können dazu kein Beispiel nennen und haben, mit Verlaub, auch keine Ahnung davon, welche Fristen und Sofortmaßnahmen es im Personalvertretungsgesetz gibt.

(Beifall SPD)

Obwohl die Zwischenfrage von Herrn Buhlert mich ja jetzt ein bisschen meiner Redezeit gekostet hat, komme ich noch zum Punkt der Verfassungskonformität! Nach 60 Jahren kann man natürlich immer noch darüber diskutieren, welche juristische Meinung an welcher

Stelle wovon abweicht, es soll verfassungswidrig sein. Ganz im Ernst: Die für diesen Bereich zuständige Finanzsenatorin – sie gehört im Übrigen nicht dem Personalrat an – hat dazu alles Nötige gesagt. Sie hat gesagt: „Unser Personalvertretungsgesetz ist verfassungskonform und wird auch verfassungskonform angewendet.“ Aber kaum müssen die Kritiker des Personalvertretungsgesetzes zugeben, dass die gesetzliche Grundlage selbst keine Probleme schafft, wird ein anderes Gespenst bemüht, nämlich der Popanz der Furcht und Schrecken verbreitenden Personalräte und dass sich Führungskräfte nicht in den Konflikt trauen würden. Ich halte es gar nicht für ausgeschlossen, dass es solche Führungskräfte gibt, aber dann ist das ein Problem der Führungskräfte, denn als solche muss man auch einmal Konflikte austragen können, wenn sie notwendig sind. An der Stelle ist nicht die Mitbestimmung das Problem, sondern dieses wird allenfalls verdeckt, wenn man über Mitbestimmung redet, und nicht gelöst. Lösungsorientiert ist das Bremische Personalvertretungsgesetz, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Grünen haben eine Debatte rund um den öffentlichen Dienst angestoßen und ins Rollen gebracht. Frau Steiner, das waren wir, und für uns ist es schon auch ein erster Etappensieg, dass man sich jetzt – auch stadtweit, auch hier im Parlament – wirklich Gedanken über die Probleme im öffentlichen Dienst macht und wie man sie auch beheben kann. Das finde ich schon mal ein gutes Ergebnis.

Unser Positionspapier hat in der Tat ein geteiltes Echo ausgelöst. Manche Personalräte und andere sehen darin gleich einen Angriff auf die gesamte Mitbestimmung, auch wenn wir die Mitbestimmung als solche gar nicht infrage stellen. Wir wollen im Übrigen auch nicht das ganze PVG abschaffen, aber uns geht es um die Beschleunigung von Verfahren, um gemeinsam schneller gute Ergebnisse erzielen zu können. Sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung bestärken uns übrigens mit Zuschriften, E-Mails und SMS und bestätigen uns darin, auch auf jeden Fall am Ball zu bleiben, denn sie fühlen sich durch lange Verfahrensdauern mitunter auch selbst ausgebremst in ihrem Anliegen, für die Bürgerinnen und Bürger gute Lösungen zu finden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal deutlich sagen, dass es im öffentlichen Dienst eine hohe Ein

satzbereitschaft gibt, ohne die es zum Beispiel auch nicht möglich gewesen wäre, dass Bremen innerhalb kürzester Zeit – im Gegensatz zu den anderen Bundesländern, gerade auch Hamburg oder Berlin – die Aufnahme Zigtausender Flüchtlinge sehr gut meistern konnte. Aktuell – einige von uns kommen ja gerade aus der Sondersitzung der Deputation – arbeiten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bauressorts einen Wolf, um die Baugenehmigungen für neue Kitas innerhalb von gerade einmal vier Wochen zu ermöglichen. Das sind nur zwei Beispiele, bei denen man einfach auch mal Danke sagen kann.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Trotz dieser positiven Beispiele muss man aber auch sagen, dass wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, dass es in manchen Verwaltungsbereichen aus den verschiedensten Gründen eben nicht gut gelaufen ist. Es gab das lange Warten auf Pässe, Geburts- und Sterbeurkunden und auf Hochzeitstermine, und Eltern warten monatelang auf das Elterngeld und haben trotz ihres Rechtsanspruchs zum Teil noch keinen Kita-Platz für ihre Kinder.

(Zurufe SPD, DIE LINKE)

Es sagt auch keiner – vielleicht hören Sie einfach erst einmal zu! –, dass es am PVG liegt, aber das sind doch Probleme im öffentlichen Dienst, die etwas mit Bürgernähe zu tun haben und von denen die Bürgerinnen und Bürger auch zu Recht erwarten, dass Verfahren in ihrem Sinne auch schneller laufen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, LKR)

Solche Probleme kann man auch nicht schönreden.

Frau Aulepp, wirklich, bei aller Wertschätzung: Ja, demokratische Prozesse und Mitbestimmungsprozesse dauern lange, aber die Leute erwarten vom öffentlichen Dienst, der ja durch Steuern finanziert ist, auch eine schnelle Bearbeitung ihrer Anliegen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, LKR)

Ihnen ist es egal, woran es liegt, sie erwarten, dass ihre Anliegen schnell bearbeitet werden. Diese Probleme gilt es doch einfach anzugehen und zu lösen.

Ich sage eines: Der öffentliche Dienst ist das Aushängeschild des Staates, und wenn der öffentliche Dienst nicht funktioniert und die Probleme der Menschen nicht zufriedenstellend löst, dann führt das unweigerlich zum Vertrauensverlust im Staat und zur Politikverdrossenheit, und das können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten.

Die SPD in Berlin hat sich dazu sehr viele Gedanken gemacht. Sie hat dort sogar von einem Verwal

tungsversagen gesprochen und festgestellt, dass das zu einem Vertrauensverlust führt und man deshalb auch das Thema einer funktionierenden Verwaltung angehen muss. In Hamburg wird es übrigens auch gerade getan. Eine funktionierende Verwaltung ist elementar für die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat und der Demokratie, und deswegen muss es doch unser Ziel sein, die Verwaltung so zu modernisieren, damit sie effizienter im Sinne der Menschen arbeiten kann.

So, wie die vielfältige Interpunktion der deutschen Sprache aus wesentlich mehr Zeichen als nur dem Punkt besteht, so sind auch die Probleme in den Verwaltungsbereichen, die nicht optimal laufen, komplex. Dafür gibt es auch kein Pauschalrezept, hier bedarf es einer Einzelfallbetrachtung, um dann passgenaue Lösungen zu erarbeiten. Deswegen würden wir Grünen gern einen nicht ständigen Ausschuss der Bürgerschaft zur Verwaltungsreform einrichten, in dem alle relevanten Themen für eine zukunftsfähige, effiziente und bürgerfreundliche Verwaltung erörtert werden können.

Ich weiß, Präsident Weber hat gesagt – ich darf ihn zitieren! –, er hätte in seiner Laufbahn gern einmal eine Enquetekommission gehabt. Dieser Wunsch wird ihm heute nicht erfüllt, denn es reicht nicht aus und würde auch diesem komplexen Thema nicht gerecht, wenn wir uns angesichts der Herausforderungen nur mit dem PVG beschäftigen würden. Hier greift uns der Antrag der FDP zu kurz.

Wir müssen genauso über die Personalausstattung der Behörden nachdenken und uns die Frage stellen, ob die PEP-Quote nicht ein Auslaufmodell sein muss.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt ja Bereiche, die an der Grenze der Arbeitsfähigkeit angekommen sind, das kann man auch nicht negieren.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Sie können den Auftrag an die Kommission ja erweitern!)

Wir müssen den Stand der Digitalisierung und die darin liegenden Chancen betrachten, und ebenso muss die Frage erlaubt sein, ob wir manche Führungskräfte stärker in die Lage versetzen müssen, ihre Aufgabe optimal erfüllen zu können. Dazu gehört auf die Tagesordnung auch so etwas wie Gesundheitsschutz, Beförderungsmöglichkeiten sowie eine mit den anderen Bundesländern vergleichbare Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und meines Erachtens auch eine Kultur der Wertschätzung, die motiviert. Alle diese Fragen können uns im Parlament und auch als Haushaltsgesetzgeber nicht egal sein.

Das Personalvertretungsgesetz ist einer von allen diesen Punkten in diesem Rahmen. Wir Grünen ha