Es wird immer gesagt, wir haben uns angestrengt, diesen Sanierungspfad einzuhalten. Ich habe mich einmal gefragt, wer sich eigentlich angestrengt hat. Ich weiß, dass sich die Polizistinnen und Polizisten, die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die Lehrerinnen und Lehrer und die Feuerwehrleute immens angestrengt haben, um mit knapper Personalausstattung und knappen Mitteln den Dienst einigermaßen aufrechtzuerhalten. Ja, diese Leute haben sich angestrengt. Ich bin ihnen dafür dankbar und bedanke mich bei ihnen, dass sie das getan haben.
Auch Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Schülerinnen und Schüler und alle anderen haben sich angestrengt, mit den widrigen Bedingungen klarzukommen. Ich finde, das kann so nicht weitergehen.
Deswegen mache ich Ihnen einen Vorschlag, damit die Zukunftskommission eine Idee bekommt, womit man anfangen kann. Das Problem ist, dass wir jetzt in den Haushaltsverhandlungen sind. Wir beschließen möglicherweise Ende des Jahres die Haushalte
2018 und 2019. Ich befürchte, dass am Ende der Sommerferien die Zukunftskommission noch keine zukunftsweisenden Ideen hat, wie wir aus der Sanierungsfalle herauskommen. Das dauert aller Erfahrung nach in Bremen ein kleines bisschen länger. Wir müssen aber jetzt die Weichen stellen.
Wir sind jetzt gefordert, eine Situation zu schaffen, um das Geld, das wir 2020 zusätzlich bekommen, überhaupt sinnvoll einsetzen. Mit der jetzigen Personalsituation geht das einfach nicht. Deswegen ist es in diesem Haushalt die allererste Pflicht, eine strategische Personalentwicklung zu betreiben. Wir benötigen auf der einen Seite mehr Lehrinnen und Lehrer in den Schulen und mehr Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten. Wir benötigen aber auch an ganz bestimmten Stellen der Verwaltung wieder Handlungsfähigkeit. Wir benötigen Umsetzungskompetenz für Investitionen in Bremen. Das wäre der erste Schritt. Damit muss man jetzt schon beginnen, denn 2020 ist es zu spät. Dann dauert es noch zwei Jahre, bis wir die Leute bekommen.
Eine strategische Personalentwicklung und ein Ende der PEP-Quote sind sozusagen die ersten Maßnahmen, die man treffen muss.
Wir benötigen natürlich einen genaueren Plan, an welcher Stelle wir diese Form von Sanierungsstau an Schulen, Kitas und anderen Stellen aufheben. Ich bin dafür, das nicht mit der Gießkanne zu machen. Ich bin dafür, das in den Stadtteilen zu machen, die im Moment die härtesten sozialen Bedingungen haben, die man in dieser Stadt haben kann. Wir werden also nicht alle gleich behandeln, sondern wir müssen diejenigen bevorzugen, die es in den letzten Jahren am Härtesten getroffen hat.
Ich habe versucht, Sensibilität dafür zu wecken, dass ungefähr eine Milliarde Euro Sozialleistungen so etwas wie soziale Schulden sind. Wir müssen daran! Wir benötigen in Zukunft ein Programm zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit. Dies muss möglicherweise mit Fragen der Wirtschaft und außerbetrieblichen Ausbildung gekoppelt werden, um Leuten wieder Arbeit verschaffen und dadurch die Sozialleistungen zu senken.
Einen Irrtum möchte ich noch aufklären. Sozialleistungen bekämpfen in der Form, in der sie jetzt bezahlt werden, keine Armut. Sie helfen nur Leuten, über die Runden zu kommen.
Armut in Bremen muss man proaktiv bekämpfen, wie man so schön neudeutsch sagt. Alles andere wird nicht funktionieren, und die Sozialleistungen werden weiter steigen. Deswegen mache ich jetzt diese drei Vorschläge.
Noch ein Vorschlag zur Übergangslösung: Wir bekommen in den nächsten zwei Jahren möglicherweise 300 Millionen Euro vom Bund, wenn wir die jetzt geltende Sanierungsvereinbarung einhalten. Das bedeutet, dass wir die Neuverschuldung im nächsten Jahr auf 250 Millionen Euro und übernächsten Jahr auf 125 Millionen Euro reduzieren.
Mit der Liste des Sanierungsstaus müsste man zum Bund gehen und sagen: Lieber Bund, lieber Stabilitätsrat, wenn wir die nächsten zwei Jahre minus 300 Millionen Euro fahren dürfen, dann musst du uns nicht mehr bezahlen, weil wir die 300 Millionen Euro ja ohnehin bekommen. Wir werden uns anstrengen, das einzuhalten. Wenn wir minus 300 Millionen Euro für 2017/2018 fahren dürfen - ohne Mehrkosten für den Bund und ohne neuen Schulden, weil das durch die Beihilfe vom Bund gedeckt wäre -, dann hätten wir bereits im nächsten und übernächsten Jahr und nicht erst 2020 die Möglichkeit, mit zukunftssichernden Investitionen anzufangen. Wir könnten jetzt damit anfangen und hätten im nächsten Haushalt mehr Spielraum, um die entsprechenden Personalmittel freizusetzen.
Denken Sie einen Augenblick darüber nach! Das ist eine Win-win-Situation und ist ein konstruktiver Vorschlag der LINKEN. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch zwei, drei kurze Bemerkungen machen. Danach würde ich ganz gern noch die Punkte zu Ende führen, die ich vorhin nicht zu Ende führen konnte.
Herr Tschöpe hat gerade die Kommission angesprochen. Ich glaube, Frau Schaefer hat es in ihrem Beitrag auch erwähnt. Herr Tschöpe, grundsätzlich spricht überhaupt nichts gegen eine Kommission. Wir hätten eine ganz andere Situation gehabt, wenn man uns heute als Kommission vier, fünf oder sechs Experten vorgeschlagen hätte, bei denen wir gesagt
hätten: Wow, die können uns hier wirklich weiterhelfen, indem sie solch einen Prozess begleiten. - Vielleicht wären es nationale, vielleicht wäre es auch der eine oder andere internationale Experte gewesen. Es kann ja nicht schaden, über den Tellerrand zu schauen. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass uns niemand aus Bremen weiterhelfen kann. Das Zeichen, dass wir eine Kommission bilden und die ersten Mitglieder die Mitglieder des Senats sind, wirkt aber doch nach außen. Das ist wirklich ein vernichtendes Zeichen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Senat kann jeden Tag politische Entscheidungen treffen und muss sich nicht selbst in eine solche Kommission berufen.
Zu Kommissionen und Gutachten möchte ich allerdings grundsätzlich sagen, Perspektivgruppen ersetzen keine gute Politik. Das haben wir in der letzten Woche bei der Debatte über das Gutachten der innerbremischen Finanzbeziehungen gemerkt.
Da sind wir bei einem Thema, zu dem ich vorhin noch Folgendes sagen wollte: Wir haben eine tiefgreifende Veränderung in unserer Gesellschaft. Dieser Prozess wird sich im kommenden Jahrzehnt beschleunigen. Das muss jedem klar sein. Wir haben hier eigentlich Themen, die wir besetzen können und bei denen wir auch stark sind. Zwei Themen hat der Bürgermeister in seiner Rede selber angesprochen. Erstens hat er die eMobility erwähnt, bei der wir Stärken haben. Wir haben hier Daimler-Benz mit dem größten Werk. Daimler-Benz wird das E-Auto sogar hier bauen. Wir haben einen riesigen Logistikbereich, der neue Konzepte sucht und braucht.
Das E-Auto wird hier gebaut. Dann liest man in der Zeitung - und das ist der Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit -, dass die öffentliche Hand, der Senat und angeschlossene Gesellschaften bisher zwei E-Autos nutzen. Welch fortschrittliche Investition! Auch diese werden jetzt noch abgeschafft, weil man nicht weiß, wie man mit Service und Pflege vernünftig umgehen soll. Das ist die Realität.
Solange die Realität nicht mit den Wünschen übereinstimmt, kann der Bürgermeister noch so viele Perspektivgruppen und Kommissionen einrichten. Er muss zuerst einmal ordentliche Politik machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
„Smart City“ et cetera angesprochen. Ein wichtiges Thema ist „Big Data“. Im Moment spricht die ganze Welt darüber, welche Arbeitsplätze Big Data schaffen kann. Bei den Verhältnisse im Stadtamt hat man den Eindruck, dass Sie noch nicht einmal in der analogen Welt angekommen sind, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist die Realität, in der wir leben.
Solange die Hausaufgaben in dem Bereich nicht gemacht sind, können wir zwar über Zukunftschancen reden, aber jeder, den wir als Investor hier in unser Land locken wollen, wird doch zumindest eine Internetrecherche machen.
Wenn er diese Berichte liest, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird er nicht sagen: Bremen ist der erste Standort, den wir suchen. Wir können das auch bei dem Thema „Gesundheit“ und allem, was mit diesem Bereich zusammenhängt, fortsetzen. Ich erwähne hier nur unsere Probleme, das Klinikum umzubauen.
Das letzte Thema hat Klaus-Rainer Rupp hier schon in seinem ersten Beitrag angesprochen, nämlich die Offshore-Windenergie. Jeder weiß, dass mir dieses Thema am Herzen liegt. In Bremerhaven benötigt man dringend Perspektiven und Beschäftigung. Der Senat hat dieses Thema in den letzten zehn Jahren von einem Top-Ranking in der Welt nach und nach die Weser hinuntergefahren und durch falsche politische Entscheidungen abgebaut. Das ist das Musterbeispiel für den Unterschied zwischen der Realität des Präsidenten des Senats und dem Wunschdenken des Vorsitzenden der Zukunftskommission Sieling, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir werden trotzdem in Ruhe überlegen, lieber Herr Kollege Tschöpe, wie wir mit der Zukunftskommission umgehen werden. Wir wissen nicht, ob wir als Partei oder als Fraktion in den erlauchten Kreis eingeladen werden. Wir werden den Weg der Regierung und des rotgrünen Senats aber bis 2019
konstruktiv weiter begleiten und uns freuen, wenn die Bürgerinnen und Bürger dann hoffentlich von einer neuen politischen Richtung in Bremen überzeugt werden können. - Danke!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Regierungserklärung des Präsidenten des Senats zum Thema „Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen“ Kenntnis.
Bericht der Freien Hansestadt Bremen zur Umsetzung des Sanierungsprogramms 2012/2016 Mitteilung des Senats vom 25. April 2017 (Drucksache 19/1030)
Konsolidierungsbericht 2016 der Freien Hansestadt Bremen Mitteilung des Senats vom 25. April 2017 (Drucksache 19/1031)
Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. - Wortmeldungen liegen nicht vor. - Die Beratung ist geschlossen.
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von den Mitteilungen des Senats, Drucksachen 19/1030 und 19/1031, Kenntnis.