Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von den Mitteilungen des Senats, Drucksachen 19/1030 und 19/1031, Kenntnis.
Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von der Abgeordneten Frau Vogt und Fraktion DIE LINKE folgendes Thema beantragt worden:
Meine Damen und Herren, bevor ich der ersten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne eine Gruppe der Bundeselterninitiative Mother Hood e. V.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Ulrike Hauffe, liebe Eltern von Mother Hood! Warum haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt? Neu ist das Problem ja nicht.
Es geht auch nur um drei Personen. Gelöst wird das Problem jedenfalls nicht ausschließlich in Bremen. Das macht das Problem aber nicht kleiner. Es ist ein Problem, wenn bisher nur drei Hebammen als Beleghebammen in Bremen gearbeitet haben, und ein noch größeres Problem, wenn dies zukünftig gar nicht mehr stattfinden kann.
Die steigenden Haftpflichtprämien sind kein neues Problem. Es ist aber umso schlimmer, dass auch nach Jahren keine wirkliche Lösung gefunden werden konnte. Es ist ein lokales und für die Betroffenen sehr direktes Problem. Wir Mütter sind unglaublich auf Hebammen angewiesen.
Bei der Geburt, wenn wir verletzlich, verunsichert, verängstigt und unserem Körper und unserer Umgebung gewissermaßen ausgeliefert sind, sind die Hebammen unsere Stütze. Sie begleiten uns in dem wahrscheinlich intensivsten, schmerzhaftesten und wunderschönsten Moment unseres gesamten Lebens. Sie sind dabei unsere kompetenten, erfahrenen, ruhigen und besonnenen Lotsinnen, während - nebenbei bemerkt - genügend Kindesväter kollabieren. Sie übernehmen die Verantwortung für unsere Gesundheit und für unsere Kinder. Sie müssen erkennen, ab wann ärztliche Versorgung notwendig wird. Sie stehen uns im Wochenbett, beim Stillen, bei der Vor- und Nachsorge und bei der Rückbildung beratend zur Seite. Kurzum: Wir brauchen sie!
Wir wollen, dass sie eine angemessene Anerkennung für diese elementar wichtige Dienstleistung bekommen. Wir wollen, dass Rahmenbedingungen ermöglicht werden, unter denen sie gut arbeiten können, aber nicht nur, weil das gerecht wäre, sondern auch, um jeder Frau die Wahlfreiheit darüber zu lassen, wo und wie sie ihre Kinder zur Welt bringen will. In Paragraf 24 f SGB V ist die Wahlfreiheit bei der Geburt geregelt. Soweit ich weiß, gelten Bundesgesetze auch in Bremen.
Faktisch kann aber weder in Bremen noch in Bremerhaven die gesetzlich garantierte Wahlfreiheit gewährleistet werden. In Bremerhaven sind bereits jetzt keine Hausgeburten möglich, und ein Geburtshaus gibt es auch nicht. In Bremen gibt es zwei Geburtshäuser, deren Arbeit aber durch die steigenden
Versicherungsprämien immer prekärer wird. Nun geben im Juli die letzten drei Beleghebammen ihre Tätigkeit als solche auf. Drei Personen mögen für Außenstehende nicht nach allzu viel klingen. Tatsächlich bedeutet das aber nicht nur eine berufliche Einschränkung, sondern auch eine qualitative Einbuße. Für die werdenden Mütter fällt eine Wahlmöglichkeit für die Geburt komplett weg. Ich teile die Äußerung der Sprecherin des Gesundheitsressorts nicht, dass das wohl kein Versorgungsengpass sei. Das ist sehr wohl eine Versorgungslücke. Diese muss man auch so benennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Uns geht es nicht darum, einen Ort der Geburt gegenüber einem anderen zu befürworten, sei es zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik. Das muss jede Frau für sich selbst entscheiden. Dafür muss sie aber auch alle Optionen haben. Die Geburt in der Klinik mit der bekannten Beleghebamme ist eine sehr beliebte Möglichkeit, weil dadurch die ärztliche Versorgung mit einer Hebamme kombiniert wird, die man bereits vor der Geburt kennenlernen konnte und zu der dadurch ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte. Frauen, die das wollen, müssen nun nach Niedersachsen gehen.
Die Beleghebammen arbeiten zwar auch im Krankenhaus freiberuflich, haben aber in der Regel einen Vertrag mit den Kliniken. Dieser hat bisher im Fall der GeNo beinhaltet, dass die Beleghebammen durch den kommunalen Versicherungsfonds abgesichert werden konnten. Das soll nun nicht mehr möglich sein. Gleichzeitig werden aber Ärztinnen und Ärzte, die als Leiharbeiter bei der GeNo eingesetzt werden, weiterhin über den Versicherungsfonds abgedeckt. Für mich ist es nach bisherigem Kenntnisstand nicht nachvollziehbar, warum das nicht auch für Hebammen möglich sein soll, zumal es im St. Joseph-Stift ja weiterhin geht. Dieser Frage muss man - möglicherweise in der Deputation - noch einmal ernsthaft nachgehen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Beleghebammen im Bundesdurchschnitt etwa 20 Prozent der Geburten begleiten, während es in Bremen null Prozent sein sollen.
Dabei geht es mir nicht um Rankings, sondern das ist eine Qualitätsfrage. Beleghebammen spielen eine wichtige Rolle für die Gewährleistung einer Eins-zu-eins-Betreuung bei der Geburt. Es gibt genügend Studien, die belegen,
dass eine Eins-zu-eins-Betreuung die medizinische Interventionsrate senkt, also auch die Kaiserschnittquote.
In den Bremer Kliniken kann bisher die Eins-zueins-Betreuung der Hebammen nicht durchgängig gewährleistet werden. Das hat der Senat vor einem Jahr auf die Große Anfrage von SPD und Grünen angegeben. Insofern entsteht hier tatsächlich eine Qualitätseinbuße.
Neben der Geburtshilfe gibt es auch bei der ambulanten Wochenbettbetreuung durch Hebammen Versorgungsengpässe, insbesondere in benachteiligten Quartieren. Es wird berichtet, dass vor allem in den Ferienzeiten in der Vorsorge, im Wochenbett und bei der Rückbildung eine starke Unterversorgung herrscht, also in Bereichen, die ausschließlich von freiberuflichen Hebammen geleistet werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der leider schon viel zu lange anhält.
Seit Jahren spitzt sich die Situation der Hebammen durch den massiven Anstieg der Haftpflichtprämien zu, und zwar nicht, weil es mehr Schadensfälle gibt, sondern weil die Ausgaben hierfür gestiegen sind. In den letzten zehn Jahren ist die Haftpflichtversicherung in der Geburtshilfe von über 1 500 Euro auf nun 6 800 Euro gestiegen. Zum 1. Juli steht die nächste Erhöhung auf dann 7 639 Euro an. Auf Bundesebene wurden Maßnahmen ergriffen, die jedoch bis heute keine wirkliche Lösung gebracht haben. 2014 wurde der sogenannte Sicherstellungszuschlag eingeführt. Die Krankenkassen übernehmen mit diesem Zuschlag zwei Drittel bis drei Viertel der Kosten der steigenden Haftpflichtprämien. Eine wirklich nachhaltige Lösung ist dadurch aber sichtbar nicht eingetreten. Im Jahr 2015 wurde mit dem Regressverzicht im Bundestag für die Kranken- und Pflegekassen eine weitere Maßnahme ergriffen, die sich bisher aber auch kaum auf die Versicherungssummen ausgewirkt hat. Es ist also nicht so, dass nichts versucht wurde. Die Entwicklung, dass immer mehr freiberufliche Hebammen ihren Beruf aufgeben, da er wirtschaftlich nicht mehr leistbar ist, konnte nicht gestoppt werden. Deswegen denken wir, dass statt mehr oder weniger kosmetischer Korrekturen eine grundsätzliche Lösung her muss.
könnte für Schäden aufkommen, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. 2015 gab es einen von Bremen unterstützten Entschließungsantrag im Bundesrat, der auch einen Prüfauftrag für einen solchen bundesrechtlichen Haftungsfonds enthielt. Am 21. Juni tagt die Gesundheitsministerkonferenz in Bremen. Bei dieser Gelegenheit könnte man nachfragen, was seit 2014 aus diesem Prüfauftrag geworden ist.
Eine weitere dringend erforderliche Maßnahme in Bremen wäre, endlich die Pläne für von Hebammen geleitete Kreißsäle auszuweiten. Bisher gibt es einen in Reinkenheide. Ich weiß, dass das DIAKO einen plant. Das ist uns aber noch lange nicht genug.
Vor allem erfordert es aber grundlegend bessere Bedingungen für freiberufliche Hebammen, auch zur Nachwuchssicherung. Derzeit bekommt eine freiberufliche Hebamme 273 Euro brutto pro Geburt, egal, ob diese Geburt 12 oder 24 Stunden gedauert hat. Wer den einfachen Dreisatz darauf anwendet, kommt auf einen sehr niedrigen Stundenlohn. Das sind Bruttobeträge, liebe Kolleginnen und Kollegen. Netto kommen dabei 90 Euro heraus. Das haben uns die Hebammen vorgerechnet. Ich finde, das ist eine absolut unangemessene und unzureichende Anerkennung für diesen wichtigen Beruf.
Der Beruf der Hebamme ist immer noch weiblich geprägt, und das ist auch gut so. Ich werde den Eindruck nicht los, dass weibliche Tätigkeiten immer noch für niedrige Löhne oder auch unentgeltlich erwartet werden. In der gesamten EU wird unbezahlte Sorgearbeit zu 75 Prozent von Frauen geleistet. Das entspricht einem Wert von 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Daran sieht man einmal, wie viel Sorgearbeit immer noch unentgeltlich von Frauen geleistet wird. Sorgearbeit, die bezahlt wird, wird immer noch zu niedrig angesetzt. Das ist ein Unding, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
„DIE ZEIT“ schrieb einmal sehr treffend: „Zwar verfolgt niemand gezielt das Ende eines gesamten Berufsstandes, aber das Aus wird bisher auch nicht entschieden verhindert.“ Das sollten wir im Sinne der Frauen und der Familien ändern. Eine Geburt ist keine vernachlässigbare Nebensache, sondern der Beginn eines neuen Lebens, der optimal begleitet werden sollte. - Danke schön!
Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich eine Gruppe der Bremer Hebammengemeinschaft und des Bremer Hebammenlandesverbandes.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mother Hood, lieber Hebammenverband! Das ist ein trauriger Anlass, aber ein wunderschönes Thema. Werdende Mütter brauchen Hebammen. Werdende Mütter brauchen eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme, gleichgültig wo sie ihr Kind zur Welt zu bringen möchten. Ob zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik: Sie brauchen immer die Unterstützung durch eine Hebamme, die die ganze Zeit an ihrer Seite ist, und nicht etwa, wie es zurzeit in den Krankenhäusern üblich ist, zwischen zwei oder drei Geburten hin und her flitzt.