Protokoll der Sitzung vom 15.06.2017

Wir wollen aber auch, dass die Hochschulen dann eigenverantwortlich über ihr Personal entscheiden. Deswegen haben wir unsere Änderungsanträge noch einmal gestellt, die wir immer wieder versuchen einzubringen. Wir wollen, dass alle Hochschulen über ihr gesamtes Personal im Rahmen ihres Budgets selbst und eigenverantwortlich entscheiden und dass dort eben der Senat, das Wissenschaftsressort, sich zurückhält.

(Beifall FDP)

Das gibt ihnen mehr Freiheiten, aber natürlich auch mehr Verantwortung, und das ist gut so, weil wir denken, dass eine Institution, die zu eigenverantwortlicher Arbeit erziehen soll, auch eigenverantwortlich agieren muss, damit es

Landtag 3497 46. Sitzung/15.06.17

durchgängig und konsistent ist: Eigenverantwortung an allen Stellen.

(Beifall FDP)

Wir finden es richtig, und das ist ja auch Voraussetzung für die Teilnahme der Universität an der Exzellenzinitiative, dass es einen Tenure-Track gibt, dass also Hochschullehrer nicht erst die Hochschule verlassen müssen, um dann Dauerstellen zu bekommen, sondern dass sie diese auch an der Hochschule selbst sich erarbeiten können durch nachgewiesene exzellente Arbeit, und das ist richtig und gut so. Natürlich ist dann zu beklagen, dass die eine oder andere Stelle befristet ist und dass da vielleicht die eine oder andere Stelle zu viel befristet ist. (Abg. Frau Strunge [DIE LINKE]: Die eine oder andere Stelle?)

Es ist jedoch das Wesen im wissenschaftlichen Bereich, bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern, dass das Gros der Stellen dort an der Hochschule, an der Universität erst einmal befristet ist,

(Abg. Frau Strunge [DIE LINKE]: Das ist doch das Problem, Herr Dr. Buhlert!)

weil es sich um Qualifikationsstellen handelt. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit für wissenschaftliche Mitarbeiter, in dem Umfeld Dauerstellen zu bekommen. Man muss dann überlegen, was man noch in Dauerstellen umwandeln kann. Was Sie beschrieben haben, Frau Strunge, das ist das, was in Instituten gang und gäbe ist, dass man Drittmittel einwirbt und Dauerstellen hat und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie bearbeiten. Ob man das in dem Maße, wie man das in Instituten machen kann, auch an Universitäten durchführen kann, bezweifle ich, dass man das in einem gewissen höheren Grade tun kann, ja. Aber dass wir diese Qualifizierungsstellen und Qualifizierungsmöglichkeiten für Mitarbeitende im wissenschaftlichen Bereich quasi in Dauerstellen umwandeln, verstopft den Weg für weitere Qualifizierung. Deswegen geht das so da nicht.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Der letzte Punkt, den Sie immer so hervortragen, ist, Sie reden über Lehrbeauftragte, und Sie sprechen immer über die Idee, dass Lehrbeauftragte da sind, die damit allein ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es mag diese Lehrbeauftragten geben, und es gibt sie. Ich kenne auch einige, aber das ist nicht die Vorstellung von Lehrbeauftragten, wie wir sie haben. Lehrbeauftragte sollten eigentlich Menschen sein, die in einem Berufsleben stehen und neben ihrem eigentlichen Beruf die Erfahrungen, die sie

dort sammeln, in die Hochschule hineinbringen. Dann müssen sie auch nicht Teil der Professorenschaft sein, sondern bilden eben eine eigene Kategorie, eine eigene Qualität von Wissenstransfer in die Hochschule durch Menschen mit beruflicher Erfahrung.

(Beifall FDP - Zuruf Abg. Frau Strunge [DIE LINKE])

Wenn die Idee dahinter die ist, die ich beschrieben habe, dann heißt das auch, dass sie per se nicht prekär beschäftigt sind, wenn es denn so organisiert ist. Wir wissen, dass es in einigen Bereichen nicht so organisiert ist, und da gehen wir doch einmal darauf ein. Wir haben einen Bereich an der Hochschule für Künste, wo wir vor der Frage stehen, werden diese Fächer überhaupt in Bremen unterrichtet oder nicht? Wenn wir nämlich entscheiden, bei einigen Fächern, dass wir sie nicht unterrichten wollen, weil es die Lehrbeauftragten nicht gibt, müssten wir dort Professuren einrichten. Für einzelne Musikinstrumente Professuren einzurichten, wird sich dieses Land so nicht leisten können. Wenn wir aber wollen, dass diese Fächer ausgebildet werden, geht es nur mit Lehrbeauftragten, und da müssen wir schauen, welche Lehrbeauftragten dafür gewonnen werden können und müssen da vielleicht auch hinsehen, dass wir da keine prekären Beschäftigungen bringen. Es kann aber nicht sein, dass wir diese Sonderfälle in der Hochschule für Künste dafür nehmen, dass wir alle Lehrbeauftragten in anderen Hochschulen auch so behandeln.

(Beifall FDP)

Ich bin gern bereit, die Situation der Hochschule für Künste zu betrachten, aber ein großes Mehr an Professuren können wir uns dort nicht leisten. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass man mit Lehrbeauftragten, die wirklich dort bodenständige Lehre für, früher hätte man gesagt Orchideenfächer, machen - ohne sie abwerten zu wollen, will ich dieses Wort einmal benutzt haben -, für solche Fächer eben machen, die nicht so nachgefragt sind, dann muss man dort vielleicht Verlässlichkeit in die Lehraufträge bringen, sie langfristiger gestalten und nicht so kurzfristig, darüber kann man mit uns gern reden.

(Beifall FDP - Glocke)

Also, meine Damen und Herren, den Freien Demokraten ist an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung in Hochschulen, an Hochschulen und beim Personal gelegen. Und das können sie unterrichten, das können sie den Menschen beibringen, wenn sie selbst Eigenverantwortung leben können. - Herzlichen Dank!

Landtag 3498 46. Sitzung/15.06.17

(Beifall FDP)

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne Studierende des Masters Sozialpolitik an der Universität in Bremen.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir nach meinen Worten als Ausschussvorsitzende nun auch noch kurz für die CDU-Fraktion, zu dem vorliegenden Vierten Hochschulreformgesetz Stellung zu beziehen.

Anspruch und Wirklichkeit gehen im Leben ja leider häufig getrennte Wege, und zu unserem Bedauern muss man auch an dem deutschen Hochschulwesen die eine oder andere Schwäche feststellen. Wissenschaftler und ihre Forschung genießen in der Bevölkerung einen exzellenten Ruf, und ich glaube, auch hier und gerade hier in Bremen, dass die Universität und unsere Fachhochschulen ein wichtiges und hohes Identifikationsmerkmal für unser Bundesland sind. Gerade auch mit der Wiederbewerbung in der Exzellenzstrategie ist ein hoher Anspruch verbunden. Doch wie die Wirklichkeit, das Berufsleben eines Wissenschaftlers aussieht, darüber gehen die Meinungen eben häufig auseinander. Die Stichworte kennen Sie alle, und alle meine Vorredner haben sie auch schon eben angeführt: prekäre Beschäftigung, Kettenverträge, Kurzverträge, Drittmittelabhängigkeit, keine Planbarkeit, hoher Druck, zu wenig Zeit für die Qualifikation und so weiter.

Sicherlich kann man im Detail immer diskutieren, dass nicht jedes subjektive Problem auch Aufgabe des Staates nach Regelungsbedarf ist, denn in der Tat, auch für die Wissenschaft gilt, hohe Flexibilität ist auch gerade ein wichtiges Kennzeichen für eine wissenschaftliche Laufbahn. Wir als Politik haben aber trotzdem dafür eine Strukturverantwortung und müssen dort korrigieren, wo es nötig ist. Vonseiten des Bundes wurden Weichen bereits gestellt, ich will nur die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nennen und das neue Professorenprogramm, was nun eben auch hier in Bremen gilt, und da kann Bremen jetzt auch mitziehen. Wir als Union tragen beide Säulen ausdrücklich mit, auch die des jetzt vorliegenden Hochschulreformgesetzes.

Mit der Einführung eines Tenure-Tracks glauben wir, dass den Hochschulen ein gutes Instrument an die Hand gegeben wird, um attraktive planbare Karrierewege zur Professur zu ermöglichen. Die Schaffung neuer Dauerstellen unterhalb der Professur, nämlich mit Lecture und Researcher, wird gänzlich neue Perspektiven und eine verbesserte Stabilität in der Beschäftigung ermöglichen. Hochschulen, Berufsverbände, Arbeitnehmervertreter und noch weitere Interessengruppen unterstützen auch diese Reform einhellig, was ja nicht sehr häufig vorkommt, und auch das ist schon ein sehr gutes Zeichen. Die Reform ist auch deshalb zu unterstützen, weil so wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, damit an der Universität, wie gesagt, man sich an dem Tenure-Track-Programm der Bundesregierung auch beteiligen kann, was wiederum für die Exzellenzbewerbung ebenso von hoher Bedeutung ist.

Sicherlich kann man in der Zukunft noch einmal über Details und weitere Einzelheiten reden. Wie gesagt, die nächste Reform steht quasi schon wieder an, zum Beispiel, ob die Höhe der Lehrverpflichtungen sich wirklich bewährt hat und ob auch diese starke Trennung zwischen Lecture und Researcher, also auch die Trennung zwischen Lehre und Forschung, sich dann wirklich auch so bewährt, wie wir es uns im Moment wünschen. Aber auch da bin ich zuversichtlich, dass wir eine weitere Reform, die fünfte dann, auf den Weg bringen können.

Wie gesagt, es ist hier schon genug Dank ausgesprochen worden für die konstruktive Beratung, und wir konnten sicher auch durch den Ausschuss einige Akzente setzen. Auch das, glaube ich, ist nicht selbstverständlich. Nicht geeint in der Tat wurden die Änderungsanträge bezüglich der Anwesenheitspflicht. Herr Staatsrat Kück nannte es im Ausschuss eine politische Setzung. Sie haben das der Presse sicherlich auch entnommen, die Anwesenheitspflicht entstammt aus einem Juso-Antrag auf dem SPD-Parteitag.

(Abg. Frau Strunge [DIE LINKE]: Die Nichtan- wesenheitspflicht!)

Die Nichtanwesenheitspflicht! Der Paragraf zur Anwesenheitspflicht oder die Nichtanwesenheitspflicht, das sind politische Setzungen, die selbstverständlich zulässig sind, auch wenn sie manchmal bei vielen Beteiligten auf großes Unverständnis stoßen. Wir könnten auch hier jetzt lange über Freiheit und Selbstbestimmtheit des Lernens philosophieren, das erspare ich uns. Dazu kommt ja auch noch etwas von den Fraktionen. Wir als CDU-Fraktion halten diese Signalwirkung allerdings für fatal und lehnen das Vorhaben entschieden ab. Ein Studium baut auf

Landtag 3499 46. Sitzung/15.06.17

einer aktiven Teilnahme auf. Der Studienerfolg hängt nachweislich, und das ist auch wissenschaftlich mittlerweile belegt, davon ab, dass man auch teilnimmt an den Angeboten, und dass es ansonsten sehr störend ist, wenn ein Hochschullehrer vor leeren Reihen sitzt. Ich will nicht verhehlen, dass es bei uns auch Stimmen gab, die aufgrund dieser Klausel das Gesamtpaket ablehnen wollten, aber wir haben intensiv diskutiert und letztendlich uns doch dazu entschieden, das als Appell zu sehen, aber insgesamt dem Hochschulreformgesetz zuzustimmen.

Ich möchte jetzt auch noch ganz kurz auf die Anträge der LINKEN eingehen, aber auch das hat mein Vorredner schon gesagt, also die Gleichstellung von Lehrbeauftragten mit allen anderen Mitgliedern der Hochschule lehnen wir ganz entschieden ab. Das entspricht überhaupt nicht dem Wesen von Lehrbeauftragten, die ja eigentlich den Praxisbezug mit einbringen sollen. Auch eine Überleitungsregel bedeutet enormen Aufwand, auch das lehnen wir ab. Die Forderung nach Transparenz bei den Lehrbeauftragten an den Hochschulen haben sie ja quasi mit von uns übernommen. Auch da finden wir, ist Aufklärung vonnöten, allerdings hat uns das trotzdem dazu verleiten lassen, den Gesamtantrag der LINKEN abzulehnen.

Die beiden FDP-Anträge, die vor allen Dingen auf die Hochschulautonomie gehen und Personalverhandlungen sowie Berufungs- und Bleibeverhandlungen für Professoren in die Eigenverantwortung der Hochschulen stellen, die befürworten wir, weil wir auch meinen, dass das im Sinne der Hochschulautonomie durchaus gerechtfertigt ist.

Also alles in allem, der Nutzen der Reform, zusammen vor allen Dingen mit unserem fraktionsübergreifenden Änderungsantrag, wird unseren Hochschulen zugutekommen, und wir stimmen dem Gesetz deswegen zu.

Das ganz große Lob von Rot-Grün, was jetzt damit alles möglich wird, dass sogar die Geburtenzahl angeblich deswegen in Bremen steigen soll, darüber können wir uns bei einem Kaffee vielleicht noch einmal unterhalten,

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/die Grünen]: Das werden Sie sehen! - Abg. Frau Dr. Schae- fer [Bündnis 90/Die Grünen]: Steigen könnten!)

denn eine Wette will ich auch im Parlament nicht abschließen. - Danke!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde auch noch einmal ein Thema aufgreifen, das wahrscheinlich nichts mit der Geburtenrate in Bremen zu tun hat. Es geht um das Thema Anwesenheitspflicht als Voraussetzung für die Teilnahme an Prüfungen.

Ich will vorweg sagen, man kann versuchen, sich schlau zu machen, aber man wird feststellen, dass es kein nachweisbares Problem gibt und dass ein massenhaftes Schwänzen von Lehrveranstaltungen dazu führt, dass Leute mit ihrem Studium nicht vorankommen und am Ende durch die Prüfung fallen. Diese Situation ist nicht feststellbar. Sie ist uns auch von Ihnen, Frau Grobien, leider nicht nachgewiesen worden. Fakt ist vielmehr - gerade vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen, die heutzutage von den Hochschulen und von den Universitäten gestellt werden -, dass alle Studierenden schon selbst wissen, dass sie in der Regel nur durch die Teilnahme an Lehrveranstaltungen das notwendige Wissen erwerben, um in den Prüfungen gut abzuschneiden. Klar ist auch, dass Studierende auf dem Wege, selbstständig zu werden, selbst wissen, wann sie genau zu Lehrveranstaltungen gehen und wann, möglicherweise ersatzweise, das Lernen zu Hause der bessere Weg ist.

Insofern kann man fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Warum ist das überhaupt ein Thema? Frau Dr. Müller hat schon darauf hingewiesen, das liegt zum einen daran, dass wir eine Grundtendenz haben, das Studium möglichst weitgehend zu verschulen und alle möglichen Freiräume zu verschließen, zu beseitigen. Was das mit der Ausbildung junger Menschen, die selbstständig werden sollen, zu tun hat, kann ich nicht verstehen.

Eine zweite Tendenz, die wir haben! Es ist einfach ein überkommenes konservatives Weltbild, dass man junge Leute dazu prügeln und ihnen den Krückstock zeigen muss, wenn sie nicht die Disziplin haben und nicht in der Lage sind, das eigene Interesse zu erkennen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/die Grünen)

Der dritte Punkt - das muss man auch sagen, es ist angesprochen worden, auch von Ihnen, Frau Grobien - ist das Problem möglicherweise schwach besuchter Veranstaltungen.

(Abg. Imhoff [CDU]: Das ist der Höhepunkt!)

Landtag 3500 46. Sitzung/15.06.17