Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, Frau Ahrens, Sie können gern zu uns kommen. Wir wollen uns die Expertise aus der Jugendhilfe einholen und mit Leuten aus der Praxis reden, die mit diesen schwierig unterzubringenden Jugendlichen arbeiten. Sie von der CDU sind herzlich eingeladen. Wir machen im November eine Fachtagung, kommen Sie gern vorbei! Das gilt auch für alle die, die meinen, dass das Wegsperren das Allheilmittel sei. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
ich finde, ehrlich gesagt, Ihre Einlassungen nur begrenzt hilfreich. Ich bin der festen Überzeugung, dass man an dieser Stelle eine Diskussion darüber führen kann, was pädagogisch richtig ist und wie man mit diesen Jugendlichen umgehen muss. Dazu gehört aber auch eine ehrliche Bestandsaufnahme. Was haben wir mit diesen Jugendlichen zu tun? Was tun diese Jugendlichen? Das ist doch die zentrale Frage.
Ich glaube, es gibt eine unglaubliche Naivität in der Frage, mit welchen Menschen wir es hier zu tun haben. Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Ein Betreuer sagt zu einem dieser Jugendlichen: Bitte in diesem Zimmer nicht rauchen! Umstandslos bekommt dieser Mann einen Stuhl über den Schädel gehauen. Er erleidet einen Nasenbeinbruch und einen Schlüsselbeinbruch. Der Mann hätte genauso gut tot umfallen können.
Es gibt ganz große Schwierigkeiten mit diesen Jugendlichen. Ich rede über einen ganz kleinen Teil. Das habe ich hier immer betont. Es geht nicht um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge an sich, sondern es geht um einen ganz kleinen Teil, der unglaublich aggressiv und kaum ansprechbar ist. Ich glaube, dass diejenigen, die so tun, als könnte man einmal so eben mit diesen Menschen umgehen, sich kein Bild davon machen, was genau dahintersteckt.
Wenn wir nur die geringste Chance hätten, diese Menschen über Ansprache zu erreichen über all das, was wir aus dem normalen pädagogischen Alltag kennen, wäre diese Debatte hier nicht nötig, aber man erreicht sie nicht.
Das müssen Sie, mit Verlaub, schlicht und ergreifend einmal zur Kenntnis nehmen! Wenn man sich dieser schwierigen Aufgabe stellt und feststellt, dass die herkömmlichen, uns bekannten pädagogischen Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichen, dann ist es richtig und notwendig, über andere Maßnahmen nachzudenken.
Hier werden Szenarien geschildert, wir wollten diese Jugendlichen einfach nur einsperren. Ich habe mehrfach betont, dass es darum nicht geht. Es gibt aber auch keinen Grund, zuzulassen, dass 14-jährige Jugendliche um 23.00 Uhr, um 0.00 Uhr oder um 1.00 Uhr nachts am Bahnhof herumrennen. Jeder Erziehungsberechtigte würde seinem Kind sagen, wenn du das machst, dann hat das folgende Konsequenzen! In der Regel gibt es dann Hausarrest, heute sagt man wahrscheinlich Handyverbot oder Internetverbot. Am Ende steht irgendeine Maßnahme, um die Kinder dazu zu bringen, nicht mehr nachts am Bahnhof herumzulungern. Das soll das deutlich machen, was ich darzustellen versucht habe, das ist das, was wir wollen.
Ich kann, um das noch einmal zu sagen, gut verstehen, dass man darüber diskutieren muss, auch weil das schwierig ist, aber in dieser Debatte erwarte ich – mit Verlaub – so viel Ehrlichkeit, dass man nicht so tut, als seien diese Jugendlichen relativ normale Jugendliche und nur ein ganz bisschen fehlgeleitet. Das ist so nicht der Fall, das ist überhaupt nicht so.
Ich habe auch keine Lust mehr, immer wieder die gleiche Geschichte zu erklären, weil immer wieder die Vorwürfe kommen „ihr macht das, ihr macht das, ihr macht das“ und eine Skizze erstellt wird, bei der ich das Grausen kriege.
Vieles von dem, was hier vorgetragen worden ist, würde ich nicht unterstützen, das ist überhaupt nicht das, was wir wollen. Deswegen ist das hier eine Geisterveranstaltung. Wir kämpfen hier gegen etwas, was in Wirklichkeit niemand von uns will.
Herr Möhle, Sie sagen, es geht nur um eine Art Hausarrest. Ich möchte Sie daran erinnern: Das muss die Amtsvormundschaft beantragen und das Familiengericht anweisen. Ich glaube nicht, dass das Familiengericht das tun würde, weil sich Jugendliche nachts nach 22 Uhr am Bahnhof aufhalten. Gestern wurden uns die Zahlen vorgelegt. In den letzten fünf Jahren wurden gerade einmal zwei Jugendliche aus Bremen in geschlossene Einrichtungen nach Paragraf 1631 b BGB in Verbindung mit Paragraf 34 SGB VIII untergebracht. Daran sieht man schon die Entscheidungspraxis. Insofern glaube ich nicht, dass Sie mit Ihrer Vorstellung vor Gericht durchkommen.
Das Gleiche gilt für Frau Grönert. Ich nehme den Kaffee gerne an, ich glaube aber nicht, dass Sie mich überzeugen können. Ihre Vorstellung ist, dass die Jugendlichen möglicherweise weggesperrt gehören. Ich glaube aber nicht, dass das die Vorstellung des Gerichts ist. Insofern mag das Ihre Wunschvorstellung sein, es ist juristisch aber nicht haltbar und nicht durchsetzbar.
Sie sagen, Frau Grönert, dass Bremen die Gelegenheit hätte, dann, wenn eine geschlossene Einrichtung eingerichtet werden würde, damit bundesweit Erfolge vorzeigen zu können. Ich frage mich, ob Ihnen die bundesweiten Beispiele nicht reichen.
Herr Möhle, Sie haben mich angesprochen – ich habe mich jedenfalls angesprochen gefühlt – mit dem Wort des Wegsperrens. Ich hatte es kein einziges Mal in meiner Rede erwähnt. Ich frage mich aber trotzdem: Glauben Sie, dass mit der Akademie Kannenberg das Ende der pädagogischen Fahnenstange erreicht ist? Es ist ja kein Zufall, dass sich aus Bremen kein freier Träger dafür hergibt. Sie haben jetzt einen Träger aus Hamburg gefunden, der das machen will. Hamburg erhofft sich dadurch, seine Jugendlichen bei uns unterzubringen. In Bremen, wie gesagt, wird vonseiten des Gerichts kein Bedarf gesehen. Ich wiederhole es, zwei Jugendliche!
Warum entwickeln Sie denn nicht selbst Konzepte – die ZASt wurde ja auch in Eigenregie des Jugendamtes betrieben – unter Regie des Jugendamtes, wenn sich kein freier Träger bereit erklärt, um mit schwierigen Jugendlichen – auch ich möchte die Probleme nicht kleinreden – zu arbeiten und um mit diesen Jugendlichen bedarfsgerecht suchttherapeutische, psychotherapeutische, andere, neue pädagogische Wege zu gehen? Warum tun Sie nicht das? Ich glaube nicht, dass mit der Akademie Kannenberg das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Sie sind natürlich in der Fürsorgepflicht auch für diese Jugendlichen, aber ich glaube nicht, dass der vorgeschlagene Weg der richtige ist. Insofern bitte ich Sie, neue Konzepte und neue Ideen vorzubringen und neue Wege einzuschlagen. – Danke schön!
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Das Thema polarisiert. Ich glaube, es ist auch dem Thema angemessen, dass es eine polarisierende Diskussion gibt. Ich finde es sehr gut, dass Frau Wendland als Abgeordnete zu einer Fachveranstaltung einlädt, bei der man alle Seiten hört, die Befürworter, aber auch die Gegner einer geschlossenen Unterbringung. So habe ich jedenfalls das verstanden, was Frau Wendland gesagt hat. Ich glaube, das gehört zu einer sorgfältigen Beratung von Fachabgeordneten.
Ich möchte vorwegschicken, dass es in der Koalitionsvereinbarung eine Einigung gibt, hinter der die Koalition steht, das ist auch aus den Redebeiträgen der Koalition deutlich geworden. Vor dem Hintergrund des Auftrages aus der gerade geschlossenen Koalitionsvereinbarung ist auch der Antrag der CDU abzulehnen. So einfach ist eigentlich die Geschichte, aber ich will noch zu einigen in der Debatte angesprochenen Punkten etwas sagen.
Frau Leonidakis, Sie werfen jetzt zum wiederholten Male Dinge durcheinander oder skandalisieren Dinge,
In Bremen kommen Tag für Tag unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an, 2 000 werden es allein im Jahr 2015 sein. Im Jahr 2014 haben wir 495 Jugendliche aufgenommen, also haben wir in diesem Jahr viermal so viele Flüchtlinge unterzubringen wie im Vorjahr. Im Jahr 2013 haben wir mehr Jugendliche aufgenommen als alle fünf neuen Bundesländer zusammen. Da waren es noch deutlich weniger. Damals lag die Zahl bei rund 200. Vielleicht macht diese Dimension auch deutlich, vor welcher Herausforderung nicht nur das Jugendamt – mein Haus – steht, sondern insgesamt alle Jugendhilfeträger und gesellschaftlichen Teile in Bremen, die mit den Jugendlichen zusammenarbeiten.
Das gehört nämlich dazu. Wir sind gefordert mit den Bereichen Bildung, Wohnungs- und Erziehungshilfe. Wir haben den Anspruch, die Jugendlichen nicht als Massengut oder Stückgut zu behandeln, sondern wir wollen in dem Jugendlichen den einzelnen Menschen mit seiner eigenen Biografie und mit seiner eigenen Geschichte sehen. Mit pauschalen Jugendhilfeangeboten – ein Angebot passt für alle – werden wir auch nicht zurechtkommen, sondern wir müssen Angebote machen, die die Jugendlichen in ihrer jeweiligen Lebenssituation abholen. Der Auftrag meines Hauses und des Sozialgesetzbuchs, das unsere Arbeitsgrundlage ist, ist der erzieherische Auftrag, den wir umsetzen. Wir arbeiten dabei eng zusammen mit ordnungspolitischen Behörden, der Bildungsbehörde und der Gesundheitsbehörde. Das alles gehört in das Paket hinein, das die Jugendlichen brauchen.
Wenn man sich jetzt als Abgeordnete hier hinstellt und über die unerträgliche Situation in der Steinsetzerstraße meckert, dann kann ich nur sagen: Ja, Frau Leonidakis, das ist unerträglich. Bitte besorgen Sie mir doch auch mal ein paar Unterkünfte! Von der LINKEN habe ich bisher noch keinen einzigen brauchbaren Vorschlag bekommen.
Entschuldigung, mit Kristina Vogt hatte ich heute Morgen ein Gespräch, aber wäre ich eine Spinne, hätte ich mir die acht Beine ausgerissen. Wir laufen uns in der Stadt die Hacken ab. Wir bekommen von der Kirche jetzt ein ausgemustertes Gemeindehaus zur Unterbringung von 70 Jugendlichen. Ich sage: Danke schön, lieber Gott, dass wir das bekommen, aber wir brauchen noch viel mehr solcher Unterkünfte! Klar, wir haben auf einmal 300 Jugendliche in der Steinsetzerstraße gehabt, wir müssen Jugendliche wieder in Turnhallen unterbringen, aber denken Sie wirklich, dass diese Sozialsenatorin das gut findet und damit leben kann? Ich habe den Auftrag, die Jugend
lichen unterzubringen, und wir machen das. Wir versuchen trotzdem, anständig mit den Jugendlichen umzugehen, bei aller Herausforderung!
Aber glauben Sie, Frau Leonidakis, wenn Sie an meiner Stelle wären – es kommen 20 Jugendliche von einem auf den anderen Tag –, dass DIE LINKE jeden Tag drei vorgeschriebene Fachmitarbeiter hätte? Das wäre der Schlüssel, den wir von einem auf den anderen Tag anstellen müssen. Dies zeigt doch, wie irre die Herausforderung ist, die wir gerade schultern müssen. Ich finde, da müssen Sie auch zu unserem Haus und der Aufgabe, die zu schultern ist, fair sein.
Wir arbeiten eng und sehr gut mit den Wohlfahrtsverbänden zusammen. Wir arbeiten auch mit den freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe eng zusammen. Ich sage aber auch, dass die Verfasser der Leserbriefe im „Weser-Kurier“ nicht ganz unrecht haben, die sagen, wenn über Sauberkeit gemeckert wird, kann es auch Aufgabe der Jugendlichen sein, den eigenen Dreck zu entfernen oder sie in Putzdienste einzuteilen. Es ist immer leicht zu sagen, Sozialressort, bestelle mir doch den Reinigungsdienst rund um die Uhr! Wir müssen mit den Jugendlichen aber auch pädagogisch arbeiten. Ich weiß, dass der Träger das macht.